Bedeutende Elementarmagier/innen berichten über ihrem Leben mit (und gegen) ihr Element. Und über die Kulturen erfährt man nebenher vielleicht auch noch ein bisschen was.
1.Brajana sira Ramenka
Was bedeutet es, eine Phosphormagierin zu sein? Wenn ich den Kindern eine Antwort auf diese Frage gebe, erzähle ich ihnen das, was ihnen am meisten hilft und das ist bei jedem Kind etwas anderes. Zumindest versuche ich das. Was der Lehrer sagt, kommt beim Kind nicht immer an. Bei mir war das nicht anders.
Damals hätte ich nie geglaubt, dass ich eines Tages hier stehen würde, als Chemieministerin von Sarilien und oberste Elementarmagierin des Landes. Manch einer meint vielleicht, ich könnte von einer wunderbaren Erfolgsgeschichte erzählen. Leider hat das mit der Wirklichkeit nicht mehr zu tun, als die Worte eines Aruniers mit seinen Taten. Versagen und Feigheit anderer haben mich hierher gebracht und es liegt nicht in der Natur einer Sarilerin, sich für dergleichen zu rühmen. Wir schätzen die Ehrlichkeit und ehrlich werde ich sein.
Ich hatte die Sorte Kindheit, die sich wohl jeder wünscht. Viele Freunde im Dorf, immer gute Noten und gut im Sport, dazu noch nett anzusehen und der Stolz meiner Mutter. Kurz und gut, ich war daran gewöhnt, dass mir alles in den Schoß fiel. Bis ich zwölf wurde und die Gesandten von den Zentren kamen, um uns auf Elementarmagie zu testen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie bei mir fündig würden, in meiner Familie gab es nirgendwo Magie. Aber sie sagten mir, dass ich eine Phosphormagierin bin und mit anderen Elementarmagiern aufs Internat muss. Zum ersten Mal lief mein Leben nicht mehr so, wie ich mir das wünschte. Von meinem Element war ich überhaupt nicht begeistert. Phosphor galt damals als völlig unglamouröses Element. Die Hauptaufgabe der meisten Phosphormagier in unserem Land besteht darin, aus Gülle Dünger zu gewinnen. Das war natürlich nicht das, was sich ein Mädchen, wie ich, unter ihrer Zukunft vorstellte. Die anderen Elementarmagier-Schüler haben sich über mich lustig gemacht, auch etwas ganz Neues für mich.
Bei den Übungen in der Magie habe ich mich nur so viel angestrengt wie unbedingt nötig, stattdessen habe ich mich auf die anderen Fächer konzentriert. Die anderen haben mich bald nicht mehr nur ausgelacht und die Lehrer haben das sogar unterstützt, wie mir recht bald klar wurde. Da habe ich nebenher noch Kampfsport gemacht, was mir viel mehr lag. Ohne ihre Gaben konnten die anderen mir nicht viel. Die gegen andere einzusetzen hielz ich für absolut feige und das habe ich auch deutlich gemacht. Irgendwann hatten sie’s kapiert und ich meine Ruhe. So wie in der Grundschule wurde es nie, aber ich hatte Respekt und ein paar Freunde.
Nur manchmal, blickte ich über meine Voreingenommenheit hinaus und sah die Schönheit der Gabe und der vielen Aufgaben meines Elements in der Natur. Ganz selten.
Ich wollte unbedingt zur Geheimpolizei, weil die außerhalb der Zentren die einzigen sind, die Elementarmagier beschäftigen. Nach meinem Schulabschluss haben sie mir aber gesagt, dass daraus nichts wird, weil meine Gabe in der Düngerproduktion dringender gebraucht wird.
Ich schäme mich, wenn ich daran zurückdenke, wie ich damals davon überzeugt war, dass das unter meiner Würde ist. Selbst als Leiterin des Zentrums von Elasvaihja habe ich noch dabei geholfen, aber damals, frisch von der Schule, hielt ich mich für etwas Besseres.
Als die Werber der Armee nach Elasvaihja kamen, um Freiwillige für den Kampf gegen die elavischen Terroristen in Arisaja zu finden, war ich sofort Feuer und Flamme. Meinen Vorgesetzten war die Arbeit hier wichtiger, aber die Kriegspläne des Staatslenkers gingen vor. Ich habe mich darüber gefreut.
Den Eignungstest habe ich sofort geschafft, was vielen Frauen schwerfällt. Das Training war hart, aber ich war begeistert. Ich wollte so sein, wie die Kriegerinnen in den Legenden; das Land von den Feinden befreien. Mit der Waffe in der Hand war ich stark, wir alle, die Terroristen hatten keine Chance. Mitleid hatte ich keins. Diese Leute haben alles gehasst, was ich war, Sarilerin, Elementarmagierin, Frau. Ja, vor diesen Elaviern war ich auf einmal Elementarma-gierin, auch wenn ich meine Gabe nicht gegen sie eingesetzt habe. Das hatte ich nicht nötig.
Ich war in einer Einheit mit einigen anderen Elementarmagiern und langsam änderte sich die Situation. Der Staatslenker wollte nicht mehr nur die Terroristen vernichtet haben, sondern alle Elavier aus Arisaja loswerden. Teilweise gingen sie freiwillig, teilweise nicht. Mir war es wichtig, nur wirkliche Feinde zu töten, aber vielen meiner Kameraden war das egal. Sie fingen an sich aufzuführen wie wilde Tiere, folterten, vergewaltigten, mordeten. So sind Männer eben, wenn Krieg herrscht, aber trotzdem. Von Sarilern hätte ich mehr Charakterstärke erwartet.
Die Arunier fingen an, sich am Krieg zu beteiligen, und anfangs habe ich das gar nicht bedauert. Die Sache wurde gerechter, nicht mehr wir Jäger, die unbewaffnete Elavier aus ihren Dörfern trieben sondern ein echter Kampf, eine Chance wieder Heldin zu sein. Närrisch von mir, natürlich.
Die Arunier haben uns aus der Luft angegriffen und sind in unser Land eingedrungen und auf einmal waren wir die Gejagten. Wir konnten uns natürlich denken, was der Arunier mit unserem Land vorhatte und wir mussten es verhindern, koste es, was es wolle. Uns wurde ausdrücklich befohlen auch die Gaben einzusetzen. Die Arunier besaßen mehr und modernere Waffen, wir mussten nutzen, was wir hatten. Mir wurde beigebracht, mit meiner Gabe direkt in die Körperprozesse anderer Menschen einzugreifen und ich habe dieses Mal schnell gelernt.
Als nächstes kamen die Arunier auf die Idee, weißen Phosphor als Waffe gegen uns zu verwenden. Zuvor hatte ich mein Element noch nie in dieser Form gesehen, vielleicht hat das auch eine Rolle gespielt. Auf jeden Fall hat es mich so unheimlich wütend gemacht, dass die es wagten, mein Element gegen uns zu verwenden, dass sie alles zurückbekommen haben. Kein Arunier hat an jenem Ort überlebt.
Wir selbst hatten keinen weißen Phosphor, weil es in unseren Plänen bisher nie eine Verwendung dafür gegeben hat, aber ein Elementarmagier kann sein Element über weite Strecken bewegen und modifizieren, unter unheimlich viel Kraft. Ohne sorgfältige Planung und die Unterstützung der Kameraden wäre das nicht nicht möglich, aber die hatte ich. So konnten wir den Aruniern mehrere empfindliche Niederlagen zufügen.
Nein, brennende Menschen sind kein schöner Anblick, aber wenn es darum geht, das eigene Volk zu schützen, muss getan werden, was nötig ist.
Eines Tages haben mein Kamerad Orvan und ich einen Arunier lebend gefangen. Orvan hatte im Gegensatz zu mir eine Ausbildung bei der Geheimpolizei anfangen dürfen, bevor er einge-zogen worden war und kannte sich auf dem Gebiet schon ganz gut auf.
Mir fiel auf, dass der Arunier eine Ampulle mit Atropin, dem Gift der Tollkirsche bei sich hat-te. Natürlich glaubten wir nicht an Zufälle und wollten herausfinden, was er damit wollte. Ich vermutete, dass die Arunier hofften, uns damit unserer Gaben berauben zu können, dass es dafür eingesetzt wird, weiß man ja.
Orvan verstand sich bereits damals auf die Techniken der Geheimpolizei und brachte die Wahrheit ans Licht. Offenbar gab es bei den Aruniern Pläne anderes Gift gegen uns zu verwenden und sie sollten sich damit schützen. Genaues wusste unser Gefangener auch nicht, aber ich war alarmiert und warnte unseren Kommandanten. Er war skeptisch, schlug aber vor, dass ich den Chemieminister in Benada informieren sollte.
Ich reiste nach Benada überzeugt davon, dass man mir für die Warnung danken würde. Sie würden sich auf den Ernstfall vorbereiten, uns auch mit Gegengift versorgen und das Land schützen, wie es unsere Pflicht war.
Von wegen. Der Minister war überzeugt davon, dass die Arunier unschuldige Opfer vermeiden wollten, wie er auf diese Lügen hereinfallen konnte, werde ich wohl nie begreifen. Er wies mich ab wie ein dummes, vorlautes Kind und als ich nicht lockerließ, drohte man mir schließlich sogar mit dem Gefängnis der Geheimpolizei, wenn ich es wagen sollte „den Bürgern Angst zu machen.“
Mit allen, die mich unterstützten, wurde ich nach Alijan geschickt, in eine Stadt nahe der elavischen Grenze, wo schon lange Elavier lebten und inzwischen noch viele Flüchtlinge aus dem Süden. Sie fürchteten wohl, dass die Leute dort auf die Versprechungen der Arunier hereinfallen könnten und wir sollten es verhindern, fernab von den Schlachtfeldern. Alijan war eine schöne Stadt kein Zweifel, die schönste von Sarilien vielleicht, aber darum ging es mir nicht. Ich wollte aktiv zum Sieg gegen die Arunier beitragen.
Viel zu tun hatten wir nicht, die Alijani planten keinen Aufstand und uns fielen hauptsächlich organisatorische Aufgaben zu, schließlich mussten tausende Flüchtlinge untergebracht und versorgt werden. In unserer freien Zeit zogen wir durch die Wälder und sammelten Tollkirsche, Bilsenkraut und Stechapfel. Wenn uns niemand glaubte, taten wir zumindest, was in unserer Macht stand.
Was soll ich sagen, was in unserer Macht stand, reichte nicht einmal annähernd. Die Arunier setzten die Stadt aus der Luft erst in Brand, um die Flüchtenden dann zu vergiften. 5000 ha-ben wir verloren und viele mehr wurden verletzt. Kinder mit Gaben für Elemente, für die sie nicht bestimmt waren, die meisten von ihnen sind auch bald gestorben.
Ausgerechnet mein Element verantwortlich für all das und ich tat, was ich konnte, aber was eine Frau ausrichten konnte, hätte nie genügen können, um sie alle zu retten.
Ich stand da mitten in diesem Chaos und Elend und war das Gesicht der Partei, für die Menschen, die glaubten sie wären von ihr im Stich gelassen worden. Für die Partei und den Staatslenker, die mich selbst verraten hatten, stand ich ein, denn Zwietracht im Angesicht des Feindes durfte es nicht geben. So wichtig war mein Stolz nicht.
Ich sorgte für Ruhe und Disziplin, mit Worten und wo es sein musste, auch mit meiner Gabe, wir mussten das alles ertragen wie Sariler, es nicht in die Welt hinausschreien und die anderen Städte in Angst und Schrecken versetzen.
Ich wurde mit zahllosen Ehrungen überschüttet, doch keine konnte mich wirklich erfreuen. Die Arunier gaben auf, auch wenn wir etwas anderes sagten, hauptsächlich wegen Zwietracht in den eigenen Reihen.
Ich wurde oberste Phosphormagierin in Elasvaihja und durfte meine Pläne zum Schutz des Landes endlich umsetzen. Ich baute ein Netzwerk von Elementarmagiern auf, die jede größere Stadt im Notfall schützen konnten, entwickelte Pläne und leitete gleichzeitig die Mitarbeiter in Elasvaihja an.
Ich war mir nicht mehr zu schade für den Mist, wie konnte ich glauben, dass es so viel ehrenhafter wäre, stattdessen Blut an den Händen zu haben? Endlich verstand ich, was meine Lehrer damals gemeint hatten, und schaute den neuen Magiern bei ihren eigenen Kämpfen zu, manche wurden bis heute nicht vertraut mit ihren Gaben. Ob es ihnen je gelingen wird?
Neun Jahre nach Ende des Krieges wurde ich Brajana von Elasvaihja, herrschte nun über den Ort, an dem ich mich einst so erniedrigt gefühlt hatte. Inzwischen wusste ich längst, dass Macht kein Ziel war, sondern ein langer Weg mit vielen Schwierigkeiten, jedenfalls dann, wenn man eine gute Machthaberin sein wollte.
Bis zum heutigen Tag haben wir meine Katastrophenpläne nie für unser eigenes Volk gebraucht, aber in Enes Tall in Elavien nahe unserer Grenze gab es vor acht Jahren eine Katastrophe in einer arunischen Fabrik und meine Magier folgten mir ohne Zögern, um zu helfen. Dort herrschte noch mehr Chaos als damals in Alijan, denn sie hatten nicht einmal Elementarmagier, aber wir konnten viele retten, an diesen wenigen Tagen, wo Grenzen nichts mehr bedeuteten.
Niemand, den es nicht angeht, weiß davon.
Ich habe es nicht nötig, irgendjemandem zu beweisen, dass ich zu denen gehöre, die sie für die Guten halten. Die Arunier sollen mich ruhig Hexe und Kriegsverbrecherin nennen, ihr Lob wäre mir zuwider.