Die Abtreibung Rals
In Cir ist es üblich, dass Männer und Frauen außerhalb der Familie so gut wie nie zusammen kommen. Auf der Straße mit einer Person, die nicht das gleiche Geschlecht hat, zu sprechen wird als höchst unschicklich betrachtet und meistens gehen Männer und Frauen aneinander vorbei und tun so, als würden sie einander gar nicht sehen. Entsprechend sind die meisten gesellschaftlichen Ereignisse ebenfalls geschlechtergetrennte Ereignisse und meistens wissen die Männer nicht, was bei Frauenfesten passiert und umgekehrt.
Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Dazu gehört die Abtreibung Rals. Der Legende nach war Ral ein böser Geist, der sich einst bei einem jungen Mädchen einistete, damit sie ihn zur Welt brächte. Jedoch bemerkte ihn das Mädchen und machte ihm ein Angebot, dass er nicht ablehnen konnte:
„Meine Familie ist von hohem Stand und wird mich gewiss verstoßen, wenn sie mich so sehen! Doch kann ich dir mit einem Zauber zu einer Geburt in voller Stärke verhelfen, wenn du mir nur trauen willst!“
Der Geist zögerte nicht lang und ließ sich dazu überreden. Das Mädchen bereitete also alles für den Zauber vor, der darin gipfelte, dass sie einen Fluss hinunterfahren musste, damit die Zeit rascher verginge und sie den Geist so loswerden konnte. Dafür hieß sie ihre Zofe ein Floß vorbereiten, auf dem sie die Fahrt machen konnte.
Am Tag des Zaubers stießen Mädchen und Zofe das Floß ins Wasser und es schoss dahin. Der Geist regte sich und klammerte sich daran, damit er schnell wachsen konnte. Doch das Mädchen war klüger als er und hatte der Zofe ein Seil gegeben, dass sie um einen Baum band. Das Mädchen hielt sich fest an dem Seil, während das Floß davon schoss. Der Geist, der sich daran festhielt, verschwand damit und versank heulend in den Fluten.
Um ihrer Schlauheit zu gedenken, feiert man jedes Jahr das Fest der Abtreibung Rals, wenn die Flößer ihre Stämme vorbereiten, um sie den Fluss Ral hinunter treiben zu lassen.