Speedbastel-Sammelthread 2: Sechzehntes bis zweiunddreißigstes Speedbasteln

Liebe Bastler, die Weltenbastler-Olympiade hat begonnen, das WBO-Tool ist vorbereitet. Bitte meldet euch schnell an. Viel Spaß dabei!
  • Jundurg: Erinnert mich ein bisschen an die spanische Stadt Ronda, die ich letztes Jahr besucht hab. Nur dürfte deine Stadt dank den ganzen Türmen noch beeindruckender sein Klingt auf jeden Fall einladend, um da zu studieren^^.

    Ronda ist cool. Ne, mit Ronda kann Wesvestom nicht mithalten... es liegt ja auf einem Mittelgebirgsrücken, da sind nicht wirklich Felsen dabei. Außerdem ziemlich im Norden... da ist es eher neblig und nass. Und die Uni hat den Ruf, eher was für die versnobte Elite zu sein.^^

  • @Salyan Yay, noch ein Nachreicher :thumbup: Ein wahrlich monumentales Bauwerk, besonders gelungen finde ich die unterschiedliche Ansicht von der See- und Stadtseite aus, mit den Ebenen, die man nur von See aus sieht, Klasse! :thumbup:



    Nharun: Immer diese Politik, die etwas gegen Abenteurer und Archäologen hat data-verified= :("> Hoffentlich haben sie da auch nicht nur Raubgräberei betrieben, sondern alles schön dokumentiert ^^ Indiana Jones wäre sicher neidisch geworden.

    Also 1836 ist es eher noch Raubgräberei als ordentliche Archäologie, wobei spätere, ordentliche Archäologen vielleicht aufgrund der noch erhaltenen kondensierten Erinnerungen trotzdem noch wichtige Erkenntnisse erlangen konnten.

  • Mimimi, das ist viel zu knapp, mimimi! :schmoll:


    (So viel zu der Hoffnung, ich könnte heute noch die 2,5k für NaNoWriMo vollbekommen. :heul: )

    Bring me your soul, bring me your hate
    In my name you will create
    Bring me your fear, bring me your pain
    You will destroy in my name

    - Les Friction, Dark Matter

  • Weltenflüchtlinge in Thiios während der Isolation


    Nach dem Zerfall von Issoy, genauer der Zersetzung von einem Großteil der Landmasse auf dem Paraboloid zu Roten Zonen, blieben die drei Städte Riglomm, Thiios und Vewenheugen als eine kleine Insel inmitten der chaotischen Nebel bestehen. Da sich der Zerfall während dem Stattfinden der Thiioer Literaturtage ereignete, waren außerdem viele Gäste aus ganz Issoy gerade dort - vor allem Schriftsteller, Dichter, Kritiker und Literaturwissenschaftler. Aus der Not wurde bald eine Tugend gemacht und die neue Kleinwelt Thiios legte, nachdem die überlegensnotwendigen Details geklärt waren (Nahrungsversorgung), ihren Schwerpunkt auf Literatur.


    Obwohl es während der ersten hundert Jahre nach dem Zerfall extrem schwierig war, von Thiios aus Reisen zu unternehmen, gab es doch einen stetigen Zustrom an Flüchtlingen, die aus anderen, noch kleineren Splittergebieten irgendwie doch nach Thiios gefunden hatten. Und ebenfalls einen Zustrom von Flüchtlingen aus komplett fremden Welten. Tatsächlich wuchs die Bevölkerung der Kleinwelt ziemlich stark an.


    Die Zuwanderer kamen sehr oft alleine oder in kleinen Gruppen an. Viele von ihnen konnten eine Sprache, die außer ihnen sonst niemand sprach - und diese Sprachen wurden in der Regel bald verlernt. Viele Zuwanderer hatten aber - so schien es - auch einfach gar keine richtige Herkunft. Sie konnten sich nicht an ihre Anreise erinnern, hatten auch ihre Namen vergessen und nahmen bei ihrer Ankunft neue, issoyanischdeutsche Namen an.


    So ist es nicht verwunderlich, dass das Gefühl der Heimatlosigkeit, der unbeantworteten Frage nach der eigenen Herkunft, oder der Fremdheit in der thiioer Literatur immer wieder hervorkommt. Ein Beispiel dafür sind die Romane Gosef Ontins - dieser war selbst einer jener geschichtslosen Flüchtlinge, nahm bei seiner Ankunft den sehr typisch deutschissoyanischen Namen Gosef an, und wurde in die Familie Ontin aufgenommen.


    Die meisten Bücher Ontins sind in der Ich-Perspektive verfasst. Der Erzähler schwankt aber sehr - manchmal scheint es zwar, als ob unterschiedliche Bücher den selben Erzähler hätten, aber es entstehen doch einige Widersprüchlichkeiten. Wenn ein Name genannt wird, dann meistens mehrere Alibis, die der Erzähler im Laufe der Handlung annimmt. Treue Leser*innen haben natürlich versucht, eine Chronologie zu erstellen, aber die meisten sind sich doch einig, dass Ontin seine Bücher bewusst widersprüchlich verfasst hat, um damit seine eigene Situation als sich selbst gegenüber fremder Mensch, ohne einer echten Herkunft, zu verarbeiten. Widersprüche finden sich durchaus auch innerhalb von einzelnen Werken, was für diese These spricht.


    Im Unterschied zu vielen Autor*innen seiner Zeit hatte Ontin keinerlei Erinnerung an das Issoy vor dem Zerfall, und verfügte auch über keinerlei Kenntnisse von Magietheorie, wie sie die meisten anderen aus ihrer Schulbildung hatten. Deswegen sind die fremden Welten seiner Bücher oft etwas absurd und halten sich nicht an sonst weithin übliche Regeln, wie etwa Magie funktioniert oder was überhaupt eine Welt ist. Mit dieser Eigenschaft wurde Ontin zu einem Vorbild für mehrere Generationen von Thiioer Fantastikautor*innen. Manchen Büchern merkt man es aber natürlich auch an, dass Gosef Ontin Zeit seines Lebens Thiios nicht mehr verlassen hat. Wie viele Autor*innen seiner Generation hatte er eine große Angst davor, auch nur an den Rand der Kleinwelt zu reisen - und so lebte er in einem Thiioer Stadthaus am Flussufer, mit Blick nach Riglomm, aber ohne Blick nach außen.

  • Eine Messe für Sarkud


    Halte durch, mein verlorener Sohn, du wirst Frieden finden, wenn dein Werk getan ist.“
    Mit diesen Worten legte der Priester Idir die Hand aufs Haupt und mit seiner Hand den Segen des einen Gottes. Idir erhob sich vor der Gemeinde: „Obwohl meine Augen sahen, war ich doch blind. Obwohl mein Geist klar war, war ich doch wahnsinnig.“
    Die Gemeinde antwortete ihm mit einem von den Mauern widerhallenden „Halte durch verlorener Sohn!“ Einige hatten Tränen in den Augen, ergriffen von der Heiligkeit dieses Moments. Andere erinnerten die Verheißungen, die der eine Gott ihren Ahnen gegeben hatte. Aus Idir heraus strahlten zu gleichen Teilen Glauben, Überzeugung und auch Stolz.
    „Heda!“, die Tür schlug mit einem kraftvollen Schwung auf und die kalte Winterluft vertrieb den sakralen Duft des Räucherwerks. „Ihr solltet schon vor einer Stunde hier raus sein!“ Die Blicke der Gemeinde richteten sich beinahe gleichzeitig auf den Mann in der Tür. Einen feisten, schmutzigen Mann. In Idirs Augen blitzte Zorn. „Hatte doch gesagt, dass ich am Abend eine Lieferung erwarte. Die Männer müssen jetzt langsam anfangen das Zeug hier einzuladen. War doch schon großzügig genug von mir, dass ihr noch ein Bisschen hier bleiben durftet - hattet ja eigentlich das Lagerhaus nur für gestern von mir gemietet!“
    Während ein anerkennendes, aber doch resignierendes Seufzen durch die Menge ging und der Priester seinen Helfern mit einem Blick bedeutete, die heiligen Reliquien zusammenzupacken, stürzte sich Idir nach vorne. Durch die Gruppe seiner Glaubensbrüder auf den Lagerhausbesitzer zu. Er packte ihn an der schwabbeligen Gurgel: „Du wagst es die Heiligkeit dieser Zeremonie zu stören!“ Der Mann röchelte. Rasch waren andere Gemeindemitglieder heran gekommen. Sie befreiten den Lagerhausbesitzer aus Idirs Griff. Hielten den wütend fluchenden, zappelnden Idir fest. Als er einfach nicht aufhören wollte, bekam er einen Schlag gegen den Kopf.
    Benommen konnte er nichts mehr tun, war nicht mehr Akteur in den Ereignissen, nur noch Beobachter. Betrachter einzelner Bilder. Während seine Glaubensbrüder ihn wegbrachten, sah er den Priester sich entschuldigen. Sah wie heilige Reliquien schnell eingehüllt wurden, bevor schäbige Ungläubige große Kisten an den vormals noch durch ihre Präsenz geheiligten Ort stapelten. Sah wie ein kleiner Junge zum Lagerhausbesitzer rannte, der ihn umarmte. Ihn tröstete.


    „Papa! Papa! Der böse Mann hat dir weh getan!“
    „Schon gut, Kalyos, mir ist nichts passiert. Der war nur ein bisschen sauer.“, der Lagerhausbesitzer lächelte.
    Der Junge blickte dem Tross der Gläubigen nach, die ihre Sachen auf Wagen verstauten und dann in einer Kolonne in Richtung des nahen Stadtttores fuhren.
    „Was waren das für Leute, Papa?“
    „Das sind Sarkleute, Kalyos. Die verlorenen Söhne und Töchter der Stadt Sanot.“
    „Warum fahren sie weg? Wo wollen sie hin?“
    „Das wissen nur sie selbst. Die Sarkleute haben kein Zuhause, sie dürfen keines haben. Sie haben ihren Gott erzürnt und er hat ihnen die Stadt Sanot genommen. Sie werden erst wieder ein Zuhause haben, wenn sie sich mit ihrem Gott versöhnt haben.“
    „Und wann ist das?“
    „Wer weiß, Kalyos, wer weiß“
    ...

  • Der Exodus der Eder


    Der Planet Topaz wurde ursprünglich von den Zoveri besiedelt, die hier nach ihrem ersten Exodus von der Erde landeten. Sie terraformten den zuvor unbewohnbaren Planeten und verwandelten ihn in das blaue Juwel, dass wir kennen.


    Die Zoveri nannten den Planeten „Eden“ da er für sie das verlorene Paradies verkörperte. Als die ersten Siedler der Union dort ankamen, fanden sie einen paradiesischen, aber extrem spärlich bewohnten Planeten vor. Nach den Statuten der Union war es ihr gutes Recht, den Planeten ebenfalls zu besiedeln und genau das taten sie. Schnell entwickelte sich Topas zu einer sehr beliebten Kolonie und die Siedlungen der neuesten Kolonisten wuchsen weit über das hinaus, was die Zoveri für tragbar hielten.


    Die neuen Siedler, die sich selbst Topazi nannten, ignorierten jedoch die Einwände der Ureinwohner. Wie das oft in der Geschichte der Menschheit der Fall war, unterdrückten sie diese und beuteten sie aus. Vor die Wahl gestellt, ob sie ihrer Philosophie des Pazifismus aufgeben oder als Bürger zweiter Klasse leben sollten, entschieden sich viele Zoveri dafür, ihr Eden zu verlassen und einen zweiten Exodus auf sich zu nehmen. Diejenigen, die blieben, nennen sich heute Eder.


    Sie haben Wege des Widerstandes gefunden, die ohne Gewalt auskommen. Sie wendeten ihre enormen Kenntnisse der Gentechnik und der Eugenik an, um ihr eigenes Erscheinungsbild so umzuformen, dass sie mit gewöhnlichen Menschen nur noch wenig zu tun haben. Die heutigen Eder besitzen oft Haare, Augen und sogar Haut in allen Farben des Regenbogens und sind damit im wahrsten Sinne des Wortes so auffällig wie bunte Hunde. Manche von ihnen sollen sogar schon Hörner oder Tentakel anstelle von Haaren haben.


    Nach der biologischen Definition der Art gehören sie noch zu den Menschen, doch wie lange noch? Aus einzelnen Beobachtungen geht hervor, dass viele Eder eine erstaunlich lange Lebensspanne besitzen, auf die normale Menschen nur neidisch sein können. Zudem sollen sie auch sonst teilweise über Fähigkeiten verfügen, die man bei keinem Menschen erwarten würde. Sie entfernen sich rasant von den Topazi und bauen sich eine Identität auf, die so stark von der Hauptbevölkerung des Planeten abweicht, dass sie genauso gut eine andere Spezies sein könnten.

  • Mit dem Ende des atamerischen Magierreiches kam eine Zeit, in der die einst unterdrückten Nicht-Magier ihre einstigen Herren jagten und sich an ihnen rächten. Doch fielen diesen Säuberungen nicht alle Magier zum Opfer und einige schafften es, zu fliehen. Bei diesen Flüchtlingen handelte es sich meist um einfache Zauberlehrlinge, die fern der Heimat versuchten, sich eine neue Existenz aufzubauen, indem sie ihre Dienste in Städten und Dörfern anboten, wobei sie oft zu verbergen versuchten, dass beispielsweise ihre heilerischen Fähigkeiten magischer Natur waren, da durch die Herrschaft der Magierfürsten Zauberer fast überall einen äußerst schlechten Ruf hatten.


    Die Exilanten waren teilweise miteinander vernetzt und bauten ihre Kontakte in den folgenden Jahrzehnten weiter aus, um sich gegenseitig helfen zu können, und mit der Zeit kam es dazu, dass diese Magier eine Art eigenes Volk wurden. Die Mitglieder dieses umherreisenden Volkes heiraten meist untereinander und erhielten so – nicht wirklich gezielt – ihre magischen Fähigkeiten über Generationen hinweg.


    Das Geheimhalten ihrer magischen Begabungen war allerdings nicht wirklich von Erfolg gekrönt, und wenngleich oft die Beweise fehlten, und es nur Vermutungen waren, so sah man sie doch bald schon überall als Magier, was gerade ihre Rückkehr auf die atamerische Halbinsel erschwerte oder unmöglich machte. Dafür aber gingen viele von ihnen nach Norden und Osten und verbreiteten dort die atamerische Sprache, wenn sie Lehrlinge aus den dortigen Völkern nahmen, von denen ein großer Teil später nicht umherwanderte, sondern bei seinen eigenen Völkern und Stämmen blieb.


    Noch heute wandern die Nachfahren jener vertriebenen Magierlehrlinge durch Aren und bieten Bedürftigen und Zahlenden ihre Dienste an.

  • Die nomadischen Stämme des Westens


    Heutzutage liegt die Vermutung nahe, die Stämme des Westens wären seit jeher einem nomadischen Lebensstil unterlegen. Selten nur hört man von jenen, die sich über Jahre hinweg an ein und demselben Ort niederlassen - zumeist um in den Stollen kruder Bergwerke nach den dünn gesäten Kostbarkeiten zu graben, welche nicht bereits den Clans in die Hände gefallen sind.


    Seltener noch mag man auf Stämme treffen, welche in kleinen Dörfern aus Holz- oder gar Steinhütten leben, ist doch das Zelt ihre bevorzugte Behausung - denn nur ein solches kann innerhalb kürzester Zeit ab- und andernorts wieder aufgebaut werden.


    Und nur allzu oft trifft ein Stamm auf die Notwendigkeit, rasch den einstigen Wohnort zu verlassen und sich eine neue Bleibe zu suchen - sei es nun, weil einer der Clans Anspruch auf den Boden dort erhebt, der Boden keine Lebensgrundlage mehr bietet oder schlicht, weil der Osten seine gierigen Finger danach ausgestreckt hat.


    Lauscht man jedoch den alten Geschichten, so läßt sich bald schon erkennen, daß diese unbeständige Art des Lebens früher für die Stämme undenkbar gewesen wäre. Damals war noch von der gutmütigen Mutter Natur die Rede, und deren liebevolle Zuwendung, durch welche sie die Stämme mit allem Lebensnotwendigen versorgte.


    Es ist davon auszugehen, daß sich das ursprüngliche Gebiet der Stämme entlang der heutigen Grenze erstreckt haben dürfte, wo man sich in den fruchtbaren Tälern entlang der Flüsse niedergelassen hatte, um dort den Boden zu bestellen, in den mediterranen Wäldern zu jagen und im klaren Wasser zu fischen.


    Obgleich die Stämme nicht mit Melancholie von der damaligen Zeit berichten - man erkennt die harschen Bedingungen des heutigen Lebens als gestrenge Erziehung der Mutter an, um den Zusammenhalt der Familien zu festigen und den Charakter jedes einzelnen zu stärken - mag es einem Zuhörer doch bisweilen das Herz zu zerreißen, vergleicht man die einstigen Lebensbedingungen mit dem, was den Stämmen heute aufgebürdet wird.


    Als Auslöser dieser radikalen Veränderungen mag der erste Trennungskrieg betrachtet werden. Kaum jemand weiß heute noch darum, daß die Clans des Westens einst zu den östlichen Völkern zählten, daß jene friedlich mit den Ländern des Ostens Seite an Seite lebten. Auch ist nicht mehr wirklich bekannt, wodurch jener Krieg ausgelöst wurde, die Folgen jedoch sind auch heute noch allgegenwärtig anzutreffen.


    Aus dem Osten vertrieben, begannen sich die Clans im Westen auszubreiten, dort also, wo einst die Stämme die fruchtbaren Gebiete besiedelten. Wurden die Fremden aus dem Osten erst noch mit offenen Armen empfangen, sodaß sich eine Zeit lang tatsächlich eine Art gemischter Gemeinschaft entwickelte, so wurde die Versorgung der explosionsartig angestiegenen Bevölkerung wohl bald schon zu einem allgemeinen Problem.


    Es ist nicht schwer vorzustellen, was danach geschah - die starken, kriegerischen Clans auf der einen Seite, die friedliebenden, mäßig wehrhaften Stämme auf der anderen. Bald schon waren die Stämme also aus ihrem einstigen Land vertrieben, in jene drei Himmelsrichtungen, welche wenig nur zu bieten hatten.


    Der eisige Norden mit seinen weitläufigen Dauerfrostböden, die wasserkargen Steppen im Westen und die unerbittlichen Steinwüsten des Südens wurden die neue »Heimat« der Stämme. Doch mit den ewig währenden Konflikten zwischen Ost und West, der flächenmäßigen Ausbreitung der Clans und der Verschiebung der Grenze nach Westen hin war selbst jene bald schon nicht mehr gegeben.


    Plünderungen, Eroberungen und die Versklavung ganzer Stämme muß zur damaligen Zeit auf der Tagesordnung gestanden haben, weshalb es nicht weiter verwunderlich scheint, daß man irgendwann von der einst seßhaften zur heutigen nomadischen Lebensweise übergegangen ist. Gerade unter den Stämmen der westlichen Steppen zählt man die beständige Flucht zum Alltag und sieht es als Selbstverständlichkeit, jederzeit zum Aufbruch bereitzustehen.


    »Heimat« ist in der Kultur der Stämme ein Wort, das längst schon keinen Ort mehr beschreibt. »Heimat« mag das Lagerfeuer sein, an welchem sich eine Familie abends zusammenfindet, eine Gruppe von Zelten, die stets im selben Grundriß zueinander aufgebaut werden, nicht jedoch ein Fleckchen Erde.


    Bewundernswert ist hierbei die Ergebenheit, mit welcher diese aufgezwungene Heimatlosigkeit akzeptiert wird. Wann genau sich der Glaube der gütigen zur harschen Mutter Natur gewandelt hat, ist zeitlich schwer einzuordnen. Wie erwähnt geht dieser aber auch keineswegs mit Melancholie oder gar Unzufriedenheit einher - vielmehr sieht man die kärglichen Bedingungen, unter denen man heute zumeist lebt, als große Chance an.


    Zuweilen ist es gar fester Bestandteil einiger Stammeszeremonien, die Ahnen und Götter um das Wohl der seßhaften Völker zu bitten, denn man sieht in deren Wohlstand eine Gefahr für deren Gemeinschaften. Während die Entbehrungen der Stämme als Bindeglied gesehen werden, als Grundbestandteil von Verbundenheit und Solidarität, erkennt man das Leid der seßhaften Völker: Das ewige Streben nach Macht und Besitz, die Entzweiung der Gemeinschaften durch Gier und Faulheit.


    Anfangs war diese Sichtweise auch für mich befremdlich, denn wie kann ein solches Volk Mitleid für uns empfinden? Aus ihrer Heimat verstoßen, beständig auf der Flucht, unterdrückt und versklavt und von den anderen Völkern als minderwärtig betrachtet - und doch sehen sie ihr Leben als lebenswerter an denn das unrige.


    Und nach meinem Aufenthalt in einem ihrer Stämme muß ich mich ernstlich fragen, ob ihre Sichtweise wirklich so verkehrt ist. Selten sind mir Gemeinschaften begegnet, welche fester zusammenhalten, selbst in den schlichtesten Dingen noch die größten Wunder erkennen und sich mit so wenig doch so unendlich glücklich fühlen können.

    Bring me your soul, bring me your hate
    In my name you will create
    Bring me your fear, bring me your pain
    You will destroy in my name

    - Les Friction, Dark Matter

  • Heimatlos


    Lisa hatte immer gedacht, dass der Ort an dem sie geboren wurde einen besonderen Zauber hatte. Natürlich wusste sie, dass die anderen das nicht so sahen und sie hatte von ihrer Schwester gehört, dass die Älteren einer Welt nachtrauerten, die lediglich Oma Erika je mit eigenen Augen gesehen hatte, eine Welt mit Bäumen und Wiesen und großen Tieren, sogar größer als Menschen!
    Das größte Tier, das Lisa kannte, waren die wenigen Schafe, die von den Resten des Weizens lebten, der in der Großen Kammer des Bunkers angebaut wurde.
    Dennoch liebte Lisa die Wände mit ihren zarten Farben, durch Abblättern inzwischen grau gefleckt. Sie liebte das entspannend summende Filtersystem, die Wärme des Generators und die geisterhaften Geräusche, als wollten die Generationen vor ihr mit ihr sprechen.


    Inzwischen, als Erwachsene, wusste sie, dass dies lediglich ein Ort auf Zeit war. Ihre kleine Gesellschaft starb langsam, die Oberfläche war zu verseucht, um neue Brennstoffe oder weitere Nahrung zu besorgen und obwohl sie unterirdische Felder angelegt hatten und die Generatoren mit Muskelkraft betrieben, war dies doch kein dauerhaft funktionierendes System. Es gibg noch immer Energie verloren, unwiederbringlich verloren und irgendwann würde auch der letzte von ihnen daran zugrunde gehen. Den Tieren ging es bereits schlecht, gerade die Pflanzenfresser hatten zu wenig zu Fressen denn ihre wenigen Feldfrüchte wuchsen zu langsam unter dem künstlichen Licht.
    Sie wusste, dass sie an diesem Ort nicht bleiben konnten.
    Dass sie auf dieser Welt nicht bleiben konnten.


    Schon vor ihrer Geburt, vor über zwanzig Jahren, war dieser Entschluss gefasst worden und seitdem arbeiteten die meisten Gebildeten von ihnen an dem Portal.
    Oft hatten sie wieder Hoffnung gefasst, nur um im nächsten Moment jäh enttäuscht zu werden.
    Doch dieses Mal war es anders: Ein jubilierender Schrei drang aus dem Laborkomplex. Er wurde nicht sofort von einem Ausruf der Frustration gefolgt. Sie lief in diese Richtung, ohne auch nur das Lamm in ihren Armen abzusetzen. Das arme Ding war viel zu klein auf die Welt gekommen, Ergebnis unzähliger Schafgenerationen mit zu wenig Nahrung.


    Im Labor hatten sich schon die meisten der anderen versammelt. Insgesamt lebten etwa sechzig Menschen in der Bunkeranlage und keiner wusste, ob da draußen noch andere lebten oder sie tatsächlich die Letzten waren. Fünfzig dieser Menschen standen nun in dem großen Hauptlabor und versuchten, einen Blick auf die Mitte des Raumes zu erhaschen.
    Lisa reckte sich ebenfalls und verfluchte ihre Größe. Sie und das Lamm hatten ähnliche Probleme, das Lamm war ihr nur um einige Generationen der Degeneration voraus.


    „Ruhe!“, brüllte Karl irgendwo aus der Menge.
    „Bis jetzt ist das unser aussichtsreichstes Ergebnis. Wir haben einen Hund reingeschickt und er kam unversehrt zurück. Wenn wir es selbst riskieren wollen, müssen wir uns beeilen. Wir können nicht genau wissen, wann es wieder kollabiert. Wer geht durch und guckt nach?“
    Erika meldete sich. Sie war inzwischen uralt.
    „Dann verliert ihr keinen der jungen Starken“, begründete sie ihre Entscheidung. Lisa wusste aus den historischen Romanen, dass jede andere Kultur eine ihnen so wichtige Person aufgehalten hätte, doch es stimmte: sie konnten keinen der Menschen riskieren, die ihr gesamtes Leben noch vor sich hatten.
    Also grinste die alte Dame noch einmal in die Runde, dann trat sie durch das schwarze, formlose Gebilde und verschwand. Es dauerte einige Minuten und die Versammlung wurde langsam unruhig, als sie zurückkam. Ihre Augen glänzten.
    „Das ist es!“


    Lediglich eine halbe Stunde später hatten sie alles wichtige gepackt: Setzlinge, Saaten, alle Tiere une einige wenige Artefakte wie Bücher. Dann traten sie hindurch.
    Als vor ihr eine endlose, unheimliche, grüne Weite lag, wurde Lisa eines schmerzhaft bewusst: Sie waren jetzt wahrlich heimatlos.

  • *Lobsbeeren verstreu*


    @Jundurg Gosef Ontin war Weltenbastler?
    @Nharun Ich wüsste gerne, ob die sich wirklich mit ihrem Gott zerstritten haben und was da passiert ist.
    @Elatan Eine Art unbeabsichtigtes Zuchtprogramm?
    @PBard Ich finde es erstaunlich, dass die Vertriebenen nicht sauer sind auf die Vertreiber.
    @Cyaral Das liest sich wie der Anfang zu einem spannenden Roman. Warum sind sie denn in dem Bunker?

  • @Jundurg Ein beeindruckendes, wenn auch trauriges Schicksal eines Literaten und seiner Generation :thumbup:
    @Teja Eine sehr interessante Geschichte. :thumbup: Inwiefern stellt die Genmanipulation und das "bunte" Aussehen einen Widerstand dar?
    @Elatan Auch sehr interessant :thumbup: Vermutlich existieren ziemlich viele üble Verleumdungen gegen die Wandermagier, oder hat sich ihr Ansehen in den ferneren Gebieten gebessert?
    @PBard Wie immer schön zu lesen :thumbup: Interessant, dass die Vertriebenen keine negative Einstellung gegen die haben, die sie vertrieben haben
    @Cyaral Wow, eine schöne, spannende, postapokalyptische Geschichte! :thumbup: Vor was für einer Katastrophe sind sie in den Bunker geflüchtet? Gibt es noch andere Bunker?

  • @Nharun Die Verbuntung ist Widerstand gegen Integration und ein Zeichen dafür, dass sie sich nicht als Teil der selben Welt sehen, die von den späteren Kolonisten erschaffen wurde. Sie wollen zeigen, dass sie nicht wie diese Menschen sind und im Laufe der Zeit geht das dazu über, dass sie keine Menschen sein wollen, weil sie die Menschen als Quelle allen Übels sehen.

  • @Nharun Ich wüsste gerne, ob die sich wirklich mit ihrem Gott zerstritten haben und was da passiert ist.

    Sanot wurde von dem Einschlag, der das Dunkle Zeitalter einläutete, vernichtet; genauer durch eine von ihm ausgelöste Flutwelle. Die Überlebenden Sanocher haben es als Zorn ihres Gottes interpretiert.

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