- Ja, ich weiß! Ich hätte es nicht tun sollen, aber es ist nunmal passiert. Hab 'ne neue Welt angefangen.
Peregrin
Zunächst mal eine kleine Klassifizierung, zum Namen komme ich gleich noch. Es ist eine dem Realen nachempfundene, post-kataklystische Welt. Die Welt nicht nach einer (menschlichen) Apokalypse, sondern nach einem Mass Extinction Event. Nicht nur die Kultur der Menschen ist in Mitleidenschaft gezogen, das Gesicht der Welt ist radikal anders und gut 80-90% der landlebenden Arten von Lebensformen sind tot oder liegen im Sterben. Das Leben im Meer ist übrigens größtenteils nicht betroffen, ebenso alles, was jenseits der Dauerschneegrenze lebt. Naja, zum Teil jedenfalls.
Die Menschen kämpfen isoliert in großen Siedlungszentren hart ums Überleben und es gibt, wenn es hoch kommt, noch eine halbe Millarde Menschen, Tendenz fallend, rapide, ernsthaft.
Der Name ergibt sich aus dem gewünschten Blickwinkel. Motivation des Ganzen war eine Mischung aus STALKER und Death Stranding. Ein Peregrin ist ein Wanderer und gemeint sind damit jene, die gezwungen sind, die vermeintlich sicheren Siedlungen längere Zeit zu verlassen und außerhalb ihrer Aufgabe nachzugehen. Nicht alle 'Externe' sind Peregrins, die meisten bleiben in unmittelbarer Nähe der Siedlungen, verrichten Wartungsarbeiten oder ernten Lebensmittel etc. Einige aber müssen sich ohne Unterstützung in die Wildnis und Einöde herauswagen und die weiten Strecken zwischen den Siedlungen und/oder abgelegenen Einrichtungen überwinden. Sie transportieren Nachrichten, Informationen und kleine Mengen Güter oder Material und das meist zu Fuß mit einem Schlittengestell aus Holz oder Kunststoff. Dies sind die Peregrins - Wanderer. Und ihre Perspektive ist es, was mich an dem Projekt motiviert.
Wie kommt diese Situation zu Stande? Nun, es gibt keine Möglichkeit mehr, außerhalb von geschützten oder unterirdischen Siedlungen, Metall zu verwenden. Jedes Metall wird, sobald es der freien Luft und dem Wasser darin ausgesetzt wird, anfangen rapide zu zerfallen. Kommt es ausreichend mit Regen in Kontakt, kann es sogar passieren, daß es heftig in Flammen aufgeht.
Der Grund liegt in der Troposphäre. Hier hat sich eine Menge Exotischer Materie angesammelt, die aus der Kollision des Sonnensystems mit einem Filament, einem Strang Dunkler Materietm stammt. Es ist nicht "nur" Dunkle Materie, es ist halt nicht-baryonisches Zeug mit Masse-Effekten, auch wenn diese etwas anders ablaufen, wie in "Heller" Materie. Dieses Zeug hat zudem noch die teuflische Eigenschaft Dunkler Materie, mit dem Universum praktisch ausschließlich über das Medium Schwerkraft zu kommunizieren - sprich: es ist unsichtbar. Macht die Erkenntnis der zusammenhänge für die Betroffenen nicht gerade leichter.
Dieser atmosphärische Rückstand wandert stets zurück in die Troposphäre, festgehalten durch die Restschicht Masse der Atmosphäre und der abstoßenden Wirkung der Masse der Erde. Kommt etwas massives an diesen Rückständen vorbei, zum Beispiel ein Wassertröpfchen, kann es mit dessen Schwerefeld interagieren und "mitgezogen" werden. Es reagiert auf die flexible Verbindung der Wassermoleküle untereinander, den Wasserstoffbrücken. Diese werden dabei leicht geschwächt, wodurch das Wasser minimal an Volumen gewinnt, etwa 3-4%. Kommt dieser Rückstand dann mit dem Wassertropfen zusammen in Kontakt mit etwas ähnlichem, zum Beispiel die freie Elektronenbindung von Metallatomen untereinander - oder jede ausreichend flexible, nicht-ionische Bindung, wechselt der Rückstand zu diesem Massereicheren Einfluß und wirkt hier auch zudem deutlich stärker, die Bindung der Metallatome bricht zusammen und macht diese angreifbar für Luftsauerstoff und dem noch veränderten Wasser. Wir erinnern uns, die Brücken sind geschwächt, das Wassermolekül reagiert anders. Es gibt gerne Wasserstoffatome ab. Es ensteht H0 und H. Zusammen mit dem intensiven Kontakt zu Metallatomen (da die Bindung flöten geht und es sich quasi verflüssigt), oxidiert es schnell und läßt Wasserstoffgas zurück. Das Ganze ist exotherm und erzeugt Wärme. geschieht das schnell genug, entzündet sich der Wasserstoff. Ist das Metall einmal oxidiert, verliert es seine flexible Bindung ganz und der Rückstand wird frei. Abgestoßen von der Erdschwere steigt er schnell wieder in die Troposphäre und das Spiel geht von vorn los.
Trifft der Tropfen mit dem Rückstand jedoch auf etwas ionisch gebundenes, zB Oxide oder Salze, ändert sich erneut das Bindungsverhalten des Wassers und setzt den Rückstand frei. Dabei kann das Wasser mit dem Rückstand aber eventuell einige Molekülschichten durchdringen und wenn es auf "neutrale" Verbindungen stößt, die nicht ionisch aber auch nicht "flexibel" sind, bleibt der Rückstand zunächst im Wasser, bis dieses in irgendeine Weise eine chemische Reaktion durchläuft oder etwas geeignetes trifft (Salz, Oxid, Metall).
Das hat ein paar praktische Folgen.
A) Industrielle Konstruktionen sind fast immer aus Metall in irgendeiner Form. Bohrtürme, Umspannwerke, Pipelines, Strommasten, Windräder - you name it. Alles geht im Nu in Flammen auf.
B) Flugverkehr ist unmöglich. Fast aller fliegender Verkehr findet in der Troposphäre statt, was unweigerlich jedes Flugzeug zerstört, ausgenommen vielleicht Segelflieger oder Gasballons, wenn auf Metall verzichtet wurde. Jede Turbine, jeder Motor besitzt unweigerlich tragende Teile aus Metall, die sich sofort verflüssigen und zu brennen beginnen.
C) Konstruktionen aus Beton mit Metallkernen unterliegen einem stark reduzierten Effekt, aber auch sie zerfallen - zumindest der Stahlkern, was zu verminderter Tragfähigkeit führt und das Bauwerk instabil macht.
D) keine Autos mehr. Selbst wenn die Karosserie aus Plastik ist, der Motor hat unweigerlich Metall und da er sich dicht über den Boden bewegt, bekommt er mehr als genug Regenwasser mit Rückstand ab, um selbst zu verbrennen.
E) keine industrielle Seefahrt mehr. Es werden heute kaum noch Schiffe aus Holz gebaut, alle Fahrzeuge aus Stahl - puff! Kleine Yachten und Boote aus Verbundstoffen, ja - solange kein Metall irgendwo verwendet wurde, aber keine Motoren mehr.
F) Energiegewinnung - basiert zumeist auf Turbinen, diese besitzen eigentlich immer tragende Teile aus Metall. Metallkeramik unterliegt zwar nicht dem Effekt, aber jede Niete oder Schraube. Jedes mir bekannte Kraftwerk verwendet irgendwo Stahl in der Konstruktion und wenn es nicht großräumig abgeschirmt wird, wird es dem Effekt zum Opfer fallen. Ja, auch Atomkraftwerke. Turbinen und Kühltürme sind meist aus Stahl. In der Zeit der Katastrophe haben fiele Atomkraftwerke katastrophale ausfälle gehabt. GAUs überall.
G) Kommunikation, soweit nicht auf Kabel basierend und ohne Schaltkästen, fällt aus. Praktisch ist das gesamte Internet innerhalb weniger Stunden zusammengebrochen, weil selbst Lichtwellenleiter, auch wenn selbst immun gegen den Effekt, zwangsläufig durch Verteiler und Patchanlagen laufen. Das alles korrodierte in wenigen Stunden.
H) Kanalisation und Wasserversorgung. Ich brauche euch wohl nicht darzulegen, welche verheerende Auswirkungen der Effekt auf die Kanalisation und Wasserleitungen hatte. Das Grundwasser enthält zwar keinerlei Rückstände mehr, aber ohne den Salzgehalt des Meerwassers kann gespeichertes Süßwasser die Rückstände nicht abgeben. Sobald sauberes Wasser mit Regenwasser in berührung kommt, gibt es den Effekt, wenn auch geschwächt, weiter.
Wie wirkt sich der Rückstand und der Effekt auf Lebewesen aus, die ja immerhin zum großen Teil aus Wasser bestehen?
Trifft ein Regentropfen auf eine Zelle, so kann er den Rückstand an das enthaltene Wasser abgeben und erhöht so dessen Volumen. In den meisten Fällen sprengt oder schädigt das die Zelle schwer. Es ist vergleichbar mit einer oberflächlichen Verbrennung oder einem Sonnenbrand. Der Rückstand dringt nicht tief in den Organismus ein, wer eine dicke Haut hat, merkt u.U. nicht einmal was davon.
Im Meer - praktisch gar nicht. Der Salzgehalt neutralisiert die Rückstände und sorgt dafür, daß er nicht tief ins Meerwasser vordringt. Selbst Tiere, die oberflächlich im Wasser leben, leiden wenig darunter. Die dicke, flexible Haut und die oberflächliche Fettschicht, die meist als Wärmeschutz fungiert, schützt ganz gut. Natürlich erleiden auch diese Tiere regelmäßig bei Regenfällen diesen "Wasserbrand".
Amphibien, tut mir leid für euch, aber ihr habt kaum eine Chance. Lebt ihr unter freien Himmel, war's das für euch. Nur in Höhlen, bitte.
Tiere mit Fell haben es leicht. Das Haar hält den Regentropfen von der haut fern und der Kontakt mit Horn und Fett löst den Rückstand vom Wasser. Direkt nach einem Regenfall ist es jedoch nicht ratsam, offenes Wasser zu trinken - Wasserbrand und so. Ist in Mund, Rachen und Speiseröhre ungesund.
Tiere ohne Fell - soweit ihre Haut als dünn bezeichnet werden muß, bei Menschen, löst der Regen sofort schweren Wasserbrand aus und führt, wenn man ihm länger ausgesetzt ist, zu schweren und schwersten Verbrennungen. Ist die Haut dick genug, ist der Regen zwar ungesund für das Tier, jedoch nicht wirklich gefährlich.
Reptilien - haben eine dicke, äußerst trockene Haut (meistens). Ihnen macht der Regen wenig aus. Auf den oberen Hornschichten steigt der Rückstand fast wirkungslos wieder auf.
Insekten - durch den Chitinpanzer sind auch die meisten Insekten vom Rückstand fast unbetroffen. Spinnen schützen ihre Tracheen vor eindringender Feuchtigkeit mit feinen Haaren, das hilft natürlich auch gegen den Rückstand.
Vögel gelten grob als "Tier mit Fell" - problematisch ist allenfalls die Aufzucht der Jungen, die vollkommen ungeschützt sind. Viele Vogelarten brüten jedoch ohnehin vor Wind und Wetter gechützt.
Pflanzen - viele Pflanzenarten sind gegen den Effekt äußerlich geschützt, nutzen jedoch Regenwasser in ihrem Kreislauf. Das ist gefährlich für die Pflanzen und erschwert es vielen Arten, zu überleben. Etliche, hochspezialisierte Pflanzen sind ausgestorben, viele Generalisten überleben jedoch und besetzen begeistert die frei gewordenen Nischen.
Pilze - tja, tut mir leid das sagen zu müssen, aber Pfifferling, Champignons und Waldpilze gibt's kaum noch. Soweit sie nicht vor Regenwasser geschützt wachsen, tötet er sie umgehend.
Mikroorganismen - viele davon kamen mit dem neuen Bedingungen nicht klar, insbesondere viele Arten der Destruenten. Man kann ein Stück Fleisch heute bedenkenlos eine Woche ungekühlt offen herumliegen lassen, es fault so schnell nicht. Schimmelpilze sind noch recht erfolgreich, die meisten Mikrolebewesen, besonders viele Einzeller, so sie nicht im Meerwasser leben, sind tot.
Süßwasserlebewesen - eine gewisse Zahl davon hat es nicht geschafft. Knapp die Hälfte aller im Süßwasser lebenden Tierarten wurden fast vollständig ausgerottet. Der Rest kommt einigermaßen damit klar. Sie sterben zwar oft am Wasserbrand, haben sich dann aber meist schon fortgepflanzt.
Aasfresser - haben ein Problem. Zwar gibt es ein Übermaß an Nahrungsangebote, doch ist das oft nicht recht nutzbar. Aufgrund des Effektes und dem Mangel an Destruenten bleiben Kadaver lange erhalten, durch fortgesetzten Einfluß des Regens jedoch verflüssigen sich die Innereien, Muskeln und Organe zu einem braun-schwarzen Glibber aus Eiweißresten und Zellplasma. Übrig bleiben Skelett, Haare, Klauen, Sehnen und ein Großteil der Haut, wenn sie dick genug war. Der Glibber, auch gerne Goo, Browngoo oder Faulteer genannt, sickert derweil im Kadaver herum und verteilt sich auf dem Boden. Er versickert meist nur sehr langsam oder gar nicht, da er zähflüssig und von hoher Oberflächenspannung ist. Er ist reich an Nährstoffen, ansonsten aber vollkommen nutzlos, weil es keine energiereichen Verbindungen darin gibt. Der Effekt reduziert alles zu Oxiden oder anderen Stoffen mit hoher Entropie. Wer sich nicht sehr beeilt, verhungert damit bei vollem Magen. Als Dünger taugt das Zeug jedenfalls noch.
Jetzt stellt euch eine karge, von Moos und Flechten, zähem Strauchwerk und vereinzelten Gruppen verkrüppelter Bäume dominierte Landschaft vor, der sich sehr wenig bewegt. Man hört kaum Vögel, es sind fast nie größere Tiere unterwegs. Beständig steigt kalten Dampf auf und behindert die Sicht. Der Himmel fast immer wolkenverhangen und es ist diesig. Weit und breit kein Mensch. Hier und dort sieht man Knochengerippe, von ledriger, rissiger und gegerbter Haut überzogen und von braunschwarzen Teerpfützen umgeben. Manchmal sieht man zerfallene Überreste von Betonbauwerken oder die zur Unkenntlichkeit verrosteten und verformten Gerippe ehemaligen Metalls. Es ist kalt, denn Wärme bedeutet Regen und Regen bringt den Tod. Ihr tragt einen komplett wasserdichten Anzug aus Kunststoffolie, eine Kapuze und müßt jeden freien Zentimeter Haut mit Plastikfolie bedecken. Über Gesicht und Mund tragt ihr ein dichtes Tuch oder einen Schal, vielleicht sogar eine Atemmaske. Auf dem Rücken schleppt ihr einen Rucksack mit den Notwendigen Vorräten: Trinkwasser, etwas Nahrung, Energiepillen, ein paar Werkzeuge und eine große Zeltplane mit Leinen, Haken und vielen, vielen Eisenkeilen. An einer starken Leine aus Kunstfaser schleift ihr einen schwer beladenen Plastikschlitten über das unwegsame Gelände hinter euch her und ihr lauft ein Rennen gegen die Zeit. Denn mit dem Abend kommen meist die Regenfälle und in der Nacht streifen die letzten überlebenden Fleischfresser hungrig umher.
Das alles nur, weil ihr vor Monaten im Suff und Streit einen Vorarbeiter angegangen seit und man euch zur Strafe für den Außeneinsatz eingeteilt hat.