Hintergrundrauschen | Inhaltsverzeichnis
Spiegelstadt
Anno 1802, betrachte den Anfang:
Sie schreibt. Und die Tage werden länger. Sie, weiß, dass der Weg gebrannt ist. Sie schreibt, um nicht gänzlich zu verschwinden. Um hier zu bleiben. Sie schreibt, um zu verstehen. Aber sie weiß, dass sie fortgehen muss. Sie sieht, wie das Buch sich füllt. Sie weiß, dass es bindet. Es bewahrt. Auf den Dächern tanzt der Regen. Und am Himmel hängen schwere, graue Wolken. Sie weiß, dass sie ersticken wird. Sie kennt die Dunkelheit schon. Sie weiß, dass sie weiterschreiben muss.
Sie hält sich wach. Sie spürt den schwarzen Nachthimmel, der sich wie ein bleiernes Tuch über alles legen will. Sie weiß, was geschehen wird. Sie will gehen, aber sie hält sich fest. Sie ist noch hier. Sie sieht, dass die Zeiger der Uhr stillstehen. Sie ahnt, dass es fast zu spät sein mag. Der prasselnde Regen wird eindringlicher und vermengt sich zu einem unheilvollen Dröhnen, das ihr unter die Haut fährt. Bald ist es soweit. Sie kennt die Wahrheit.
Sie bewahrt die Finsternis. Sie kann die Bürde kaum noch tragen. Sie fühlt sich am Abgrund. Sie geht keinen weiteren Schritt. Sie steht zu nah am Rand. Sie ist nicht waghalsig. Sie kann den Boden nicht erkennen, nur die Bodenlosigkeit. Sie fühlt sich am Abgrund, so nah. Sie bangt und fürchtet sich. Sie weiß nicht, wann sie fällt. Sie schreibt. Immer weiter. Zwischen ihren Zeilen erschafft sie eine Welt. Einen sicheren Ort, der sie bewahren wird. Ein Refugium. – Dann springt sie.