[DraGrana] - eine Heimatwelt

  • So, jetzt habt ihr es geschafft. Ich hab doch noch nie eine zweite Welt gehabt. Aber das Konzept der Heimatwelt hat mich nicht losgelassen. Mal schauen, was daraus wird.

    Es war ein heißer Tag im August. Den ganzen Vormittag hatte ich im Keltenmuseum in Hochdorf verbracht. Es war fast zwei Uhr, bis ich alles angeschaut hatte. Als ich das Museum verließ, beschloss ich, die paar Schritte zum alten Grabhügel hinüberzugehen. Aber ich hatte die Hitze unterschätzt und die Tatsache, dass es nirgends Schatten gab.
    (1)
    Oben auf dem Hügel setzte ich mich hin, an die Steinstele gelehnt, um das bisschen Schatten auszunutzen, das sie bot. Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder öffnete, stand die Sonne schon sehr tief. Ich erhob mich, aber was war das? Kein Rauschen mehr von der Bundestraße, keine Hochspannungsleitungen, die zu den "Markgröninger Affen"(2) hinführte, und wo waren die Hochhäuser von Hochdorf? Nur dort, wo ich vormittags noch das Museum besucht hatte, standen einige strohgedeckte Hütten aus Holz und Fachwerk. Es war, als sei ich in einer anderen Welt gelandet...


    Ich hab noch keinen Namen für die Welt als Ganzes. Vielleicht wird es das auch nie geben. Die Welt als Ganzes läuft bei mir unter dem Namen DraGrana. Aber das ist ein Begriff, den die Bewohner nicht verwenden, er dient nur meiner Bequemlichkeit. Draginion und Grana sind jedenfalls die beiden Teile davon. Die Welt ist eine klassische keltische Anderswelt. Sie hat feste Grenzen, aber die Karte kommt noch.

    Die Welt besteht aus zwei Teilen. Die Namen habe ich von einer proto-keltischen Wortliste abgeleitet, aber die Formen sind natürlich sicher grottenfalsch, man möge mir verzeihen.:

    • Grana ("Korn") ist vor allem im Osten. Die Böden sind gut und werden intensiv für den Ackerbau genutzt. Hier leben die Menschen in wohlgeordneten Siedlungen, deren Tech-Level in etwa der späten Hallstatt-Zeit entspricht (denn da hat der Keltenfürst des Grabhügels gelebt). Heutzutage nennt man diese Gegend "Strohgäu".
    • Draginion ("Schlehe" oder "Schwarzdorn") ist eher im Westen. Die Böden sind sehr steinig und oft verkarstet. In meiner Welt machen sich die Menschen noch nicht die Mühe, hier Ackerbau zu betreiben. Das ist wilder Urwald, an besonders trockenen Stellen auch Dorngestrüpp. Allenfalls in den Talauen werden ein paar Rinder oder Pferde geweidet. In dieser Gegend leben allerlei Fabelwesen: Dryaden, wilde Männer, Banshees, Gestaltwandler, ein riesiger Eber.... Was genau, muss ich mir noch ausdenken. Diese Gegend heißt heute "Heckengäu" nach den vielen Schlehenhecken, die zwischen den Feldern wachsen.

    Hochdorf liegt übrigens gerade noch in Grana, aber hart an der Grenze von Draginion. Der eigentliche Wohnsitz des Keltenfürsten war auf dem Hohenasperg, viel weiter östlich, fast schon direkt am Neckar. Der Keltenfürst wurde aber entgegen der Sitte der Zeit nicht in der Tracht eines Kriegers bestattet, sondern in der eines Jägers. Und genau das ist die Kernidee meiner Welt: der König als Jäger, der sein Volk vor den wilden Wesen schützen und doch das Gleichgewicht mit der Wildnis wahren muss.


    (1) Detlef Meissner, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

    (2) Zwischen Hochdorf und Markgröningen ist ein Umspannwerk, das meinen Bruder als er klein war, irgendwie stark an das Kletteraffengehege im Stuttgarter Zoo erinnert hat. Seither heißt es in meiner Familie "die Markgröninger Affen".

    Wenn Gott allwissend ist, weiß er dann auch wie Papiertaschentücher schmecken?

    Edited once, last by Shay ().

  • Yess!! Noch eine Heimatswelt :D

    So, jetzt habt ihr es geschafft. Ich hab doch noch nie eine zweite Welt gehabt.

    Ich war bis vor kurzem auch noch eine "monogame" Weltenbastlerin. ;D

    Yela hat mir erst vorgestern so eine Schlehenhecke gezeigt, da kann ich mir gut ein paar Fabelwesen vorstellen. :heartb:
    Ich bin total geflasht wie cool das ist, wenn man über die Böden und wie Menschen das Land nutzen könnten bescheid weiß. Das werde ich mir vielleicht abgucken und mich wieder mit Standortbedingungen beschäftigen. :D

  • Ich bin total geflasht wie cool das ist, wenn man über die Böden und wie Menschen das Land nutzen könnten bescheid weiß. Das werde ich mir vielleicht abgucken und mich wieder mit Standortbedingungen beschäftigen.

    Mein Vater ist sehr interessiert an Heimatgeschichte. Aber ich habe auch von meinen 45 Lebensjahren geschlagene 32 im Heckengäu verbracht und nochmal 7 mehr im Strohgäu ;D

    Und der Zusammenhang ist eigentlich ganz einfach: der Boden ist steinig, deswegen mussten die Bauern früher vor dem Pflügen die Steine aus dem Acker klauben. Die mag man natürlich nicht weit tragen, weswegen an vielen Stellen zwischen den Feldern große längliche Steinhaufen sind. Und auf denen wachsen mit der Zeit Hecken, weil da natürlich niemand Unkraut jätet --> Heckengäu.

  • So, hier jetzt die versprochene Karte. Grün ist Draginion, Gelb ist Grana. Der kleine rote Punkt ist der Grabhügel aus dem Einleitungspost, der etwas größere orangne Fleck ist der Herrschaftssitz des Königs.

    Ich werde das ganze Gebiet jetzt DraGrana nennen. Das ist zwar ein Begriff, denn die Weltbewohner selbst nicht verwenden, aber in der Beschreibung tut man sich leichter.

    DraGrana wird im Osten vom Nicaro (Neckar) begrenzt. Die Westgrenze bildet die Viurma (Würm), bzw. ein kleiner Zipfel ganz im Süden der Rankbach (für den hab ich noch keinen dragranischen Namen. Die Viurma fließt dann in die Antia (Enz), die die Nordgrenze bildet und schließlich in den Nicaro mündet.

    Der größte Teil der Südgrenze (außer dem kleinen Stück des Rankbaches) bildet allerdings kein Gewässer. Hier steigt das Gelände plötzlich steil an (geologisch ist das eine Schichtstufe). An den heftigsten Stellen sind das vom Fuß des Abhangs bis zum oberen Rand fast 150 Höhenmeter. Falls jemand auf der A81 nach Süden fährt: kurz vor dem Leonberger Dreieck geht es durch den Engelbergtunnel, der führt genau durch diese Stufe durch und wenn man auf ihn zufährt, liegt die Stufe wie ein Riegel quer über die Straße.


    Überhaupt müssen wir über die Grenzen reden, bzw. warum außerhalb alles weiß ist. Da ist nämlich wirklich nichts, oder zumindest kann man von DraGrana aus sie nicht überqueren. Wenn man versucht einen der Flüsse zu überqueren oder den Hang im Süden hinaufzusteigen, stellt man nach einiger Zeit fest, dass man wieder am Ausgangspunkt gelandet ist, obwohl man nie die Richtung gewechselt hat. Ganz besonders auffällig ist das im Süden. Obwohl man wirklich die ganze Zeit steil bergauf geht, landet man am Ende wieder am Fuß des Berges.

    Wenn man von DraGrana aus schaut, ist das Land hinter der Grenze wie in dichtesten Nebel getaucht. Man kann allenfalls ein paar Schemen erkennen, die Bäume, oder vielleicht auch Gebäude sein könnten. Seit etwa 10 Jahren ist den Bewohnern von DraGrana aufgefallen, dass der Nebel nachts an einigen Stellen von irgendeinem seltsamen Licht erleuchtet ist. Besonders stark ist das an der Stelle, wo die Viurma in die Antia fließt, und da wo die Südgrenze auf den Nicaro stößt. Was die Bewohner von DraGrana nämlich nicht wissen: durch den Nebel sehen sie schemenhaft unsere Welt. Aber in DraGrana vergeht die Zeit langsamer als in der äußeren Welt. Wenn in DraGrana ein Monat vergangen ist, ist bei uns schon ein Jahr vorbei. Das seltsame Licht, das in den letzten 10 Jahren (also ab etwa 1900 unserer Zeit) an den Grenzen aufgetaucht ist, ist die künstliche Beleuchtung, insbesondere von Pforzheim (an der Mündung der Würm in die Enz) und den nördlichen Vororten von Stuttgart am Neckar.

    Übrigens: Geräusche dringen keine durch den Nebel.

    Wenn Gott allwissend ist, weiß er dann auch wie Papiertaschentücher schmecken?

    Edited once, last by Shay ().

  • Shay

    Changed the title of the thread from “[Draginion und Grana] - eine Heimatwelt” to “[DraGrana] - eine Heimatwelt”.
  • Milara

    Milara ist eine der freundlicheren Bewohnerinnen von Draginion. Sie ist den Menschen prinzipiell wohlgesonnen, verursacht aber trotzdem immer wieder Probleme, da sie sie nicht wirklich versteht. Milara ist extrem neugierig. Bei Tag nimmt sie oft die Gestalt eines Rotmilans (1) an und kreist über den Felden von Grana, um die Menschen zu beobachten. Sonst sieht sie eigentlich wie eine Frau aus. Nur wenn man ihr näher kommt, kann man sehen, dass das, was wie ein Kleid aussieht, in Wirklichkeit Federn sind. Ihr Zuhause ist auf einer relativ flachen Stelle über dem Strudelbachtal.(2)

    (vergesst diese vermaledeiten Flügelchen. Keine Ahnung, wie man die midjourney abgewöhnen kann)

    Wenn Milara eines hasst, dann ist es Langeweile. Wenn sie einen Menschen langweilig findet, dann vertreibt sie sich die Zeit gerne damit, mit diesem Menschen Schabernack zu treiben - was die Menschen nicht immer toll finden, vor allem, wenn sie versuchen, über ernste Dinge mit ihr zu reden.

    Nachts kommt Milara mit einem zweirädrigen Rennwagen, der von einem Hirsch gezogen wird, in die Dörfer der Menschen. Dort nimmt sie einige Kinder mit zu sich nach Hause.(3) Sie bewirtet sie mit allerlei Leckereien, spielt die schönsten Spiele mit ihnen, zaubert Lichterregen und Feuerwerk oder lässt Tiere drollige Theaterstücke aufführen. In den frühen Morgenstunden bringt sie sie dann wieder zurück zu ihrer Familie.

    Die Kinder haben den Spaß ihres Lebens. Die Eltern am nächsten Tag dagegen weniger, wenn sie sich mit total übernächtigten Kindern herumschlagen müssen, die sich dazu noch den Bauch an Naschwerk verdorben haben. Milara aber kann nicht verstehen, dass das, was sie tut, falsch ist. Die Kinder haben doch die ganze Zeit gelacht...


    (1) Man sieht bei uns ganz oft Rotmilane über den Feldern kreisen

    (2) Genau an der Stelle steht unser Haus. Ich habe die Karte im vorherigen Post aktualisiert und Milaras Wohnort eingetragen.

    (3) Das war die Inspiration für die Figur: ich habe unseren Großen (als er noch viel kleiner war) mal nachts, bevor ich ins Bett gegangen bin, nochmal aufs Klo gesetzt, damit das Bett trocken bleibt. Als ich ihn am nächsten Morgen gefragt habe, ob er gut geschlafen habe, sagte er: "Nein, ich habe ganz arg schlecht geträumt. Da war eine Hexe, die mich aus dem Bett geholt hat, und aufs Klo gesetzt hat!" :lol:

  • Wassermänner und Nesselschwestern

    In Draginion gibt es einige Bäche. In den Talauen wächst saftiges Gras. Hier werden im Sommer Kühe und Pferde geweidet und Heu für den Winter gemacht. Aber wenn im Spätherbst Kälte das Land überzieht, kehren die Hirten mit ihren Herden schnell in ihre Dörfer zurück, denn wenn der erste Schnee fällt, will hier niemand mehr sein.

    Dann ziehen die Wassermänner aus ihrem Zuhause in den großen Flüssen hinauf zu den Bächen, wo die Nesselschwestern wohnen.

    Die Nesselschwestern sind nicht leicht zu umwerben. Sie sind sehr leicht zu reizen, und wer sie unerlaubt berührt, den stechen und brennen sie. Im Sommer halten sie sich in den Brennesseldickichten am Bachufer versteckt und kein noch so süßes Wort kann sie hervorlocken. Im Winter aber, wenn ihre Wohnung verwelkt ist, können die Wassermänner sie finden. Doch schutzlose Nesselschwestern sind noch reizbarer als sonst. Die Wassermänner aber haben gelernt, damit umzugehen. Sobald sie sich auf Rufweite genähert haben, fangen sie an zu singen, unheimliche, wunderschöne, grausame Lieder singen sie und jeder Sterbliche, der sie vernimmt, ist dem Tode geweiht. Die Wassermänner müssen lange singen, und nur ganz allmählich, ein Schritt alle paar Lieder, können sie sich nähern.

    Doch wenn ein Wassermann nur genug Geduld hat, wird ihn eine der Nesselschwestern irgendwann erhören und sie werden den Winter gemeinsam verbringen. Sie wärmt seine kalten Glieder mit ihren warmen Händen und er schützt sie vor allen Gefahren.

    Dann, wenn der Schnee zu schmelzen beginnt und die Nesseln wieder sprießen, verlässt der Wassermann seine Geliebte und zieht wieder zurück in die großen Flüsse.


    Die Nesselschwestern aber legen ihre Eier ins Wasser und aus ihnen schlüpft die Nesselbrut.

    Die Jungen leben im Wasser. Unter den überhängenden Brennnesselpflanzen ihrer Mütter können sie Schutz finden. Sie ernähren sich von Schnecken und Käfern und wenn sie größer sind auch einmal von einem Fisch. Aber wehe dem Mensch oder Tier, der des Nachts zu nahe am Bach schläft. Dann kann es sein, dass die Nesselbrut aus dem Wasser gekrochen kommt, und sich an seinem Blut satt trinkt. Das machen vor allem die älteren, denen schon Beine gewachsen sind. Dann, nach einigen Jahren, wenn die Beine stark genug sind, wirft die Brut ihren Fischschwanz ab. Die Mädchen suchen sich eine Stelle am Bachufer, schön feucht, und lassen dort ihre eigenen Brennesseln wachsen. Die Jungen aber ziehen langsam die Bäche hinab, es dauert viele Jahre, bis sie ausgewachsen sind und endlich ihr Zuhause in Antia und Nicaro erreicht haben. Und dann, wenn der erste Schnee fällt, kehren sie zurück...

    Wenn Gott allwissend ist, weiß er dann auch wie Papiertaschentücher schmecken?

    Edited once, last by Shay ().

  • Das ist wirklich eine spannende Form der Brautwerbung (vor allem die tödliche Gefahr für Menschen). Auch tolle Illustrationen. Das kleine Nesselbrut Baby kann ich mir gut auf nem Nirvana Cover vorstellen xD

    ~ Legend speaks of a beast ~

    ~ Three hundred miles from it’s tip to it’s tail ~
    ~ None have seen it, yet all know it’s name ~
    ~ Like the ark of the convenant, or the holy grail ~

  • Der Thread weiß sehr gut zu gefallen und die Nessel-Geschichte ist toll erzählt und wunderschön illustriert.

  • Wirklich ein sehr schöner Thread.

    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass jemand im Forum eine Heimatwelt genau da bastelt, wo ich wohne. :) Bin ich hier doch nicht so forumsmäßig isoliert, wie ich immer dachte. Die Idee mit den Wassermännern und Nesselschwestern finde ich jedenfalls super und auch Milara. Rotmilane sieht man hier wirklich öfter...

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