So, hab mich auch mal an einem Slowbastelthema versucht, da ich gerade eine passende Idee hatte. Ist etwas länger und weitschweifiger geworden als geplant, weshalb das Ganze auch auf 4 Posts aufgeteilt ist ... Eigentlich gehört das Ganze in ein Science-Fiction-Universum, liegt aber schon länger zurück, als noch niemand eine Vorstellung von Raumfahrt o.ä. hatte. Und das Wort finster/Finsternis kommt viel häufiger vor als dunkel/Dunkelheit, ich hoffe, das ist kein Problem
Expedition ins Finstertal
Vorbemerkung: Im folgenden Text findet sich die Bezeichnung „Mitrytta“, was analog zu „Mitmenschen“ zu verstehen ist; und es sind einzelne Textabschnitte [in eckigen Klammern und kursiv] dargestellt, diese sind in einem Geheimcode verfasst, die nur wenige Vertraute des Tagebuchschreibers dechiffrieren können – oder konnten. Das Reise-Tagebuch ist bereits über dreieinhalbtausend Perioden „vor heute“ entstanden (1 Periode = 12 Wochen à 12 Tagen; ca. 28 Wochen = (zufällig) 1 Jahr; Monate, Jahreszeiten oder Jahre gibt es für die Bewohner dieser Welt nicht, da für solche Zeiteinheiten keinerlei erkennbare Anhaltspunkte existieren).
Die fünfte Expedition von Morodaro aus Ulalufi, Schüler des Ehrenwerten Lobratora aus Ogyardo
2. Tag der 42. Woche nach dem großen Beben von Ulalufi
Endlich ist der Tag gekommen! Der Tag meiner Abreise und des Beginns einer neuen Expedition. Schon viel zu viel Zeit habe ich verstreichen lassen seit meiner letzten Erkundung, jedoch gab es dafür auch gewichtige Gründe. Zum einen natürlich das verheerende Beben, nach dem unsere gegenwärtige Epoche benannt ist, und dessen Folgen. Zum anderen musste ich die Eindrücke meiner letzten Reise noch verarbeiten. Gut 7 Perioden liegt diese bereits zurück und auch jetzt noch bin ich mir unsicher, wie und wem ich von ihr berichten soll und ob überhaupt.
[Zu verstörend könnten meine Erkenntnisse für meine Mitrytta ausfallen und ihr Bild über unsere Lebensheimstatt Vvògg ins Wanken bringen. Wie soll man ihnen auch erklären, wie ein Flecken von Vvògg aussieht, der vollkommen frei von jeglichem Nebel ist – das alleine ist kaum begreiflich zu machen – und welcher von in den Augen schmerzendem, gleißendem Licht zwischen den in die Höhe strebenden, völlig exotischen Bäumen ausgefüllt wird, was außer mir in den vergangenen vier- oder achthundert Perioden wahrscheinlich nur sehr wenige Rytta erlebt haben; die genauso geschwiegen haben wie ich bisher. Ganz zu schweigen von der unvorstellbaren Quelle dieses Lichts in schwindelerregender Höhe weit jenseits allen Nebels, was wir sonst durch all den Nebel hindurch nur als fahle „Funzel der Götter“ kennen.
Kein Wunder, gelten diese Berggipfel als verbotene Zonen. Angeblich von den Göttern oder Dämonen (je nachdem, wen man fragt) erlassen – doch an diese oder zumindest deren Macht glaube ich nicht mehr. Warum sollten sie uns solch eine lichtflutende, gottgleiche Macht verschweigen, wenn sie von ihnen stammt? Nein, sie verschweigen es uns, weil sie selbst nicht wissen, wer da mächtiger ist als sie. Oder gerade weil sie es wissen?]
Götter [an die ich nicht glaube!], wie ich abschweife! Habe ich genug Tintenfässer eingepackt?
So, der Tintenfassvorrat ist überprüft und noch ein wenig aufgestockt. Jetzt kann es wirklich losgehen. Mein Begleiter auf dieser Expedition, Paraternu aus Ylashyro (ein kleiner Ort nicht weit von Ulalufi entfernt), wartet bereits ungeduldig. Aber er hat Recht, wir müssen uns nun sputen, um nicht erst kurz vor Beginn der Nacht aufzubrechen. Wir kämen kaum tausend Schritte weit, bevor wir die Hand vor Augen nicht mehr sehen können, geschweige denn unseren Weg.
Andererseits könnten wir uns so an unser Ziel gewöhnen, das wohl selbst am Tage noch sehr viel düsterer sein wird als die Nacht. So erzählen es jedenfalls die Legenden. Kaum jemand traute sich während der letzten tausend Perioden in ein solches Finstertal, soweit ich weiß. Oder es kehrte niemand zurück, um davon zu berichten – so in etwa wurde ich mehrfach gewarnt. Wir jedoch sind gegen nahezu alles gewappnet. Nur vielleicht nicht gegen die gräulichsten Dämonen, die dort herrschen sollen [aber an die glaube ich ja nicht! Hah!]. Jedoch ist dies nur eine von vielen Möglichkeiten, was uns erwarten wird. Wir werden vorsichtig sein und es herausfinden. Was soll schon schiefgehen!
Nun aber los! Bevor Paraternu zum zehnten oder elften Mal nach mir ruft oder gar seine Teilnahme verweigert.
9. Tag der 42. Woche nach dem großen Beben von Ulalufi
Sieben Tage sind wir nun unterwegs auf gut ausgebauten Straßen und Wegen ohne besondere Vorkommnisse. Ab morgen jedoch müssen wir uns durch unwegsame Wildnis schlagen, um unser Ziel zu erreichen. Unseren Karren mit dem Zugtier werden wir im kleinen Ort Garagyra, in dem wir nächtigen werden, zurücklassen. Man wird sich um das Tier kümmern bis zu unserer Rückkehr. In der Wildnis kämen wir damit nicht weit.
Jenseits dieses Ortes befinden sich bereits die ersten behauenen Steine, die Totenschädeln nachempfunden sind und vor dem nahen Finstertal warnen. Dennoch werden wir es erst am morgigen Abend erreichen – oder noch später – wegen dem ganzen Gestrüpp, das seit vielen Perioden höchstens von kleinsten Tieren durchquert wurde. Natürlich hat man uns auch hier eindrücklich und mehrfach vor der Weiterreise gewarnt, als wir das Ziel unserer Expedition offenbarten. Ich jedoch lasse mich nicht beirren! Die Angst vor dem Unbekannten können wir nur besiegen, wenn wir das Unbekannte erforschen. Für die Wissenschaft!
[Oh, Ihr gnädigen Götter (an die ich ja nicht glaube! Aber vielleicht hört Ihr mein Flehen ja doch noch einmal an? Bitte!)! Mir ist soeben mit Schrecken eingefallen, dass ich in meinem Haus – möglicherweise – das Kaminfeuer nicht gelöscht habe! Nicht auszudenken, was inzwischen geschehen sein könnte. Wegen mir! In einigen Tagen zählen wir womöglich bereits die erste Woche der Epoche „nach dem Großfeuer vom einstigen Ulalufi, vom dummen Morodaro verursacht“. Mein Name wäre damit zwar unsterblich, aber zu welchem Preis? Meine Verbannung wäre noch ein gnädiges Urteil. Wäre eine Verbannung überhaupt möglich aus einem Ort, der nicht mehr existiert? Oh weh! Oh weh!]