Den Traumreligions-Thread, den Kiki gestartet hat, finde ich sehr interessant, weil ich unabhängig davon einen ähnlichen Ansatz ausgearbeitet habe. Allerdings bin ich ein bißchen anders an das Thema herangegangen, es ist kein in-world Text, und die Schwerpunkte liegen ein bißchen anders.
Deshalb poste ich jetzt mal, was ich bisher habe.
Xy’Pethay-Mönche – Die Jünger des großen Traumes
Der Orden der Xy’pethay-Mönche war schon alt, das das große Reich der Jelenach noch nicht existierte.
Ihr Stammkloster in Nefento ist weithin berühmt, denn es ist in einer riesigen überhängenden Felsnische erbaut, die fast vollständig mit Efeuranken überwuchert ist. Viele Pilger kommen hierher, wenn der Herbst die bewachsenen Felswände in einen kräftig leuchtenden Farbenteppich kleidet.
Die Xy sind die Leibärzte des Lordfürsten, und unterhalten seit mehreren Jahrhunderten einen kleinen Tempel direkt beim Palast. Für ihre Toleranz den grausamen Fremdherrschern gegenüber werden sie vielfach angefeindet, und ihr guter Ruf hat dadurch auch gelitten. Trotzdem werden sie wegen ihres Fachwissens über körperliche und vor allem geistige Krankheiten immer wieder aufgesucht.
Die philosophische Grundidee der die Xy folgen ist einfach, und doch hat sie die Menschen seit ewigen Zeiten immer wieder beschäftigt, und zieht auch heute noch Nachwuchs für ihre Klöster an:
Die Welt ist ein Traum.
Die Traum-These erfreut sich großer Beliebtheit, denn sie bietet eine einleuchtende Erklärung für die vielen geheimnisvollen Phänomene, die die Menschen nicht verstehen.
- das subjektive Vergehen von Zeit (ja, man kann sie messen, aber sind die Messverfahren nicht auch subjektiv, weil die Realität subjektiv ist?)
- die Magie. Wenn man im Traum etwas nur fest genug will, funktioniert es auch gegen die Naturgesetze. Die Naturgesetze selbst gibt es warscheinlich nur, weil der Träumer von seiner eigenen Realität träumt. Die Grenzen der Magie liegen nur in der Vorstellungskraft des Träumers. Als Beispiel für unmögliche Vorgänge zählen die Xy gerne die Drachen auf, die eigentlich nicht fliegen können dürften.
- Déja-vu-Erlebnisse. Der Träumer wacht kurz auf ohne wirklich das Bewußtsein zu erlangen, und träumt einfach an der Stelle weiter, an der er zuletzt aufgehört hat. Einige Szenen überlappen sich eben.
- das Leid der Welt. Alles Schlechte, was auf Orun passiert, ist in Wirklichkeit nur ein Alptraum des Träumers. Er verarbeitet dadurch seine Erlebnisse. Auch Alpträume haben also ihre Daseinsberechtigung, und müssen erduldet werden, damit sich letztlich alles zum Guten wendet.
- der Tod. Wenn Menschen sterben, sterben sie nicht wirklich. Sie wechseln in die traumlose Schlafphase zwischen den einzelnen Träumen. Vielleicht, weil der Träumer durch ihre Existenz nichts mehr lernen kann, oder er lernt mehr durch ihren ‚Tod‘. Im nächsten Traum, dem nächsten Leben, erinnern sie sich meistens nicht mehr an das letzte Mal. Wenn doch, ist das nur zu begrüßen.
- Visionen. Wahrträume sind für die Xy ein spannendes Forschungsgebiet. Sie sind ein Zeichen, daß der Träumer versucht, seine wiederkehrenden Träume zu ändern, sie sind eine Erinnerung an die Zukunft vergangener Träume, und eine Chance für den Wahrträumenden, den Ablauf zu verändern. Wahrträumer sind vom Träumer berührt, und mit Ehrfurcht und Respekt zu behandeln.
- die Träume der Menschen. Die Xy trachten danach, die menschlichen Träume zu verstehen und richtig zu deuten, damit sie die Welt richtig verstehen und deuten können.
Die Gabe der Träume wurde den Menschen geschenkt, damit sie ihre Rolle im Traum erkennen können: dem Träumer bei der Verarbeitung seiner Erlebnisse zu helfen.
- Erklärungslücken: Die logischen Lücken in ihrer Weltanschauung existieren laut der Xy-Mönche, weil in Träumen die Dinge nie ganz zusammenpassen – aber das gehört zum Wesen der Träume.
Die Xy bemühen sich seit der Gründung ihres Ordens, die Träume der Menschen zu verstehen, und auf welche Weise sie die Geschehnisse verarbeiten.
Sie unterhalten Einrichtungen für Geistesgestörte, die von den Naeriustempeln mitfinanziert werden, haben einen guten Ruf als Geistheiler erlangt, und sind die besten Psychologen Morkandors, und auch geschult in der Pflege von Kranken, Verletzten und Sterbenden, da deren Träume für sie sehr interessant sind.
Vor der Invasion waren sie sehr angesehen, weil sie stets versuchten, sich in die Probleme der Menschen einzufühlen, um die Alpträume des großen Träumers zu verstehen. Die Invasion wird von ihnen als langer Alptraum angesehen, und sie fühlen sich verpflichtet, den Hornanden die gleiche Hilfe zu gewähren. Das hat ihrem guten Ruf mächtig geschadet, aber sie halten konsequent an ihrer Überzeugung fest, daß man die Alpträume nur so lindern kann.
Die Gelehrten der Xy suchen in der Welt nach wiederkehrenden Symbolen, die sie dann zu deuten versuchen. Die Bibliothek im Stammkloster ist eine der größten und besterhaltensten im Land. Sie sind überzeugt, daß sich die Grundmuster der Geschichte immer wiederholen, weil der Träumer sich geistig mit ihnen beschäftigt. Wenn man diese Strukturen erkennt, kann man Einfluß auf den Prozeß nehmen, und ihn zum Besseren wenden. Dies ist die Aufgabe der Menschheit.
Die Rolle der Götter im xy’pethaiischen Weltbild:
Die Xy nennen sie die Großen Luziden, denn sie glauben, daß die Götter ganz genau wissen, daß die Welt ein Traum ist. Am ehesten verbunden fühlen sich die Xy dem Gott der Träume, Naerius. Er allein scheint sich um ein tieferes Verständnis derselben zu bemühen. Die anderen Götter sind scheinbar auch so zufrieden.
Ihre große Macht kommt von der Bewußtheit, in einem Traum zu leben. Doch auch sie müssen sich den Mustern und Regeln des Traums manchmal beugen, um nicht das endgültige Erwachen des Träumers zu provozieren, der das Ende der Welt bedeuten könnte. Das ist auch der Grund, warum sie gegen die Invasion der Hornanden nichts unternommen haben.
Die Xy sind überzeugt, daß die Götter einst menschliche Wesen waren, und daß es eines Tages auch einem der ihren gelingen wird, den luziden Zustand zu erreichen und zu halten. Sie trainieren die Luzidität in ihren Träumen selbst, und haben schon Erfolge mit ihren Patienten verzeichnet, denen es durch bewußtes Träumen gelang, ihre wiederkehrenden Alpträume zum Guten zu verändern und dadurch loszuwerden.
Die Tatsache, daß die Hornanden durch das Dimensionstor eingefallen sind, hat auch unter den Xy Anlaß zu Spekulationen gegeben – immerhin könnte es ja sein, daß sie aus dem Traum eines anderen Träumers stammen, der in die Traumwelt ‚ihres‘ Träumers einzudringen versucht. In dem Fall wäre es gerechtfertigt, sie zu bekämpfen.
Andererseits tauchen die Dämonen schon in den ältesten Mythen auf und sind auch damals nach einer Weile wieder verschwunden, es wäre also einfach ein wiederkehrender Zyklus, eines der alptraumhafteren Muster des Traumes, vergleichbar mit dem Wechsel der Jahreszeiten, dem immer neuen Entstehen und Vergehen großer Reiche, und den Menschen, die im großen wie im kleinen immer die gleichen Fehler machen.
Der Träumer versucht, seine Probleme zu lösen, das muß sehr schwer sein und ihn sehr beschäftigen und zwar schon seit langer Zeit, sonst würden sie ihn nicht immer wieder im Schlaf heimsuchen. Daher sollten die Xy ihm helfen, wo sie können, und ihn nicht stören, wenn es ihre Fähigkeiten übersteigt.
Über die Art oder die Möglichkeit einer Beeinflussung des Traums sind sich die Xy nicht einig.
Es gibt Mönche, die in guten Zeiten Schweigegelübde ablegen, um den Träumer nicht durch eine unbedachte Äußerung zu wecken, oder den Anfang eines anderen Traums einzuleiten, der vielleicht nicht so angenehm zu durchleben ist.
Verzweifelte Gruppen abtrünniger Xy haben es in der Vergangenheit nicht vermocht, durch jahrelange laute Sprechchöre den Träumer zu wecken, als die Hornanden das Land heimsuchten. Daher ist es fraglich, daß der Träumer so beeinflußt werden kann.
Andere Xy sind der Meinung, daß dies durch Magie erreicht werden kann, und bemühen sich um ein besseres Verständnis derselben. Sie glauben, daß die seltenen Wirker der Goldmagie durch den Träumer an Zeiten und Orten eingesetzt werden, an denen sie am besten auf den weiteren Verlauf des Traumes Einfluß nehmen können.
Wieder andere beten zu den Göttern, weil diese ganz sicher die nötige Macht besitzen, die Träume dauerhaft zu beeinflussen, wenn sie das wirklich wollen.
Und viele der älteren Xy ziehen sich gegen Ende ihres Lebens in das Stammkloster zurück, und versuchen durch Meditation selbst zu Großen Luziden zu werden.