Nachdem endlich Wochenende ist auch nochmal ein paar Gedanken von mir zu den neuen Beiträgen der Diskussion.
Ich denke, man muss beim Umgang mit „politisch unkorrekten“ Charakteren zwei unterschiedliche Sorgen unterscheiden, die man als Autor haben kann:
1) Könnte das, was ich da schreibe, andere verletzen?
2) Könnte das, was ich da schreibe dazu führen, dass ein Shitstorm gegen mich losgeht und ich mit ungerechtfertigten Vorwürfen überhäuft werde?
Bei Punkt 1 ist es als allererstes wichtig, dem Leser/Zuschauer transparent zu kommunizieren, mit welchen Inhalten er in einem Werk rechnen muss. Das kann über explizite Inhaltswarnungen erfolgen, aber meiner Meinung nach durchaus auch über den Klappentext oder sonstige Beschreibungen. Mit den Warnungen ist man aber auf der sichereren Seite, hat aber andererseits auch wieder Leser/Zuschauer, die so etwas ablehnen. Ich persönlich finde es aber wichtig, den Leuten vorher die Möglichkeit geben zu entscheiden, ob sie bestimmte Themen lesen möchten oder eben nicht.
Innerhalb der Geschichte kommt es dann darauf an, ob die Themen mit Empathie und Sachverstand beschrieben werden und natürlich auch darauf, ob man den Eindruck gewinnt, dass der Autor diskriminierende Überzeugungen teilt, oder nicht. Wenn der Protagonist der Meinung ist, dass Frauen einen schlechten Orientierungssinn haben und das tatsächlich auf alle Frauen in der Geschichte zutrifft, drängt sich der Verdacht auf, dass der Autor davon auch selbst überzeugt ist. Wenn es aber auch Frauen mit gutem Orientierungssinn gibt, wird deutlich, dass das nur die subjektive Weltsicht des Protagonisten ist. Die große, plotrelevante Bestrafung für den Charakter mit der problematischen Einstellung, also in diesem Fall, dass er dann von einer Frau gerettet werden muss, nachdem er sich verirrt hat, und dann einsieht, dass er falsch lag, mag ich dagegen nicht so, weil es sich häufig gestellt anfühlt.
Das gilt auch für schwerwiegendere Themen, wobei ich zugeben muss, dass ich mir mit einem Protagonisten wie im Eingangspost, der grundlose Gewalt gegen Ausländer gutheißt und trotzdem einer der „Guten“ ist, wo das niemanden stört, sehr schwertun würde. Das sollte dann schon irgendwie innerhalb der Geschichte reflektiert werden, beispielsweise, dass sie den für die Abwehr der Alieninvasion unbedingt brauchen, wobei ihnen aber auch bewusst ist, dass sein überzeugter Kampf gegen die Aliens mit seiner sonstigen Fremdenfeindlichkeit verknüpft ist.
Bei Punkt 2 glaube ich tatsächlich, dass die Gefahr als mäßig bekannter Autor relativ gering ist, wenn man nicht gerade ein aktuell sehr heiß diskutiertes Thema auf eine Art und Weise trifft, die als besonders problematisch angesehen wird, aber auch dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass das wahrgenommen wird, nicht sonderlich groß.
Anders sieht es aus, wenn entweder das Werk sehr bekannt und populär ist, oder wenn sich der Autor anderweitig politisch exponiert und dadurch im Fokus steht.
Wenn ich einen Science-Fiction-Roman schreiben würde, wo eine Gruppe von Rebellen mit Gewalt gegen einen Großkonzern kämpft, der reihenweise die Ökosysteme von Planeten vernichtet, hätte das wahrscheinlich ein paar Fans und ein paar Leute, die es doof finden. Wenn aber Luisa Neubauer diesen Roman veröffentlichen würden, gäbe es sicherlich eine große Diskussion und auch viel Empörung darüber, dass sie mit dem Buch dafür wirbt, den Kampf für mehr Klimaschutz mit Gewalt zu führen. Ähnliches gilt natürlich auch für alle anderen politischen Positionierungen, wenn beispielsweise jemand, der sich immer öffentlich über das Gendern aufregt, ein Buch über eine Sprachdiktatur schreiben würde…
Deswegen wäre es zur Vermeidung von Shitstorms sinnvoll, sich als Autor eher wenig öffentlich politisch zu positionieren, es sei denn, es geht um ein Thema, das einem wirklich am Herzen liegt und wo man dann auch bereit ist, den Gegenwind in Kauf zu nehmen. Allgemeines Gemecker über die Politik, sollte man dann aber öffentlich mit Klarnamen oder Autorennamen vielleicht besser vermeiden.