Ein Dokument zu großflächiger Landschaftsgestaltung in der Natur, erstellt von einem nicht hier registrierten Weltenbastler, der sich wenn vermutlich als Whale registrieren würde, eingesandt über Skype und mit freundlicher Erlaubnis eingestellt. Ich musste das noch von DocX runterkonvertieren bevor ichs lesen durft, das hat vlt. ein paar Leerzeichen geschluckt oder so, naja, viel Freud.
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- Faustregeln zur Natur beim Weltenbau -
In diesem kurzen Text möchte ich mehrere Leitlinien beleuchten, die ein realistisches Modellieren der Natur in fantastischen Welten erlauben. Nun muss man sich natürlich nicht an der Natur, so wie sie ist, orientieren. Es ist aber ratsam, sich nicht an der Fremdheit zu übernehmen. Das Flair und der Stil der Welt, die erarbeitet werden soll, entscheiden maßgeblich darüber, was im Rampenlicht stehen soll – und was nicht. In der Annahme, dass die Natur nicht im Rampenlicht stehen soll, sondern ein Beiwerk darstellt, lohnt sich das Übernehmen zumindest vertrauter Grundmuster. Bloß, dass diese Muster sich auch wieder nicht allzu nah an die Natur anzulehnen brauchen, wie man sie kennt. Es ist viel spannen-der, einen neuen Kontinent zu entdecken, als in allem an einen alten erinnert zu werden. Eine weitere Methode, wie sich diese Grundmuster verwenden lassen, besteht darin, sich und andere in eine beson-dere Szenerie hineinzuversetzen, die zwar durchaus nicht real ist, aber real sein könnte, eben weil sie nicht willkürlich entstanden ist.Hier kann man sich auch an verstrichenen Perioden der Erdgeschichte orientieren.
In der vertrauten Natur sind die beiden entscheidenden Faktoren Wasser und Wärme. Rechnet man nun noch eine bestimmte Bandbreite an konkreten Lebensformen hinzu, kann man sich sehr leicht in eine detaillierte Natur hineinversetzen. Jedes Lebewesen setzt ein bestimmtes Maß und eine bestimm-te Form von Wasser und Wärme ebenso wie bestimmte andere Lebewesen voraus. Und jedes Lebewe-sen wird seinen Teil dazu leisten, die Umwelt, in der es lebt, zu verändern. Hierin unterscheiden sich wilde Tiere nicht von reichen und technisierten Zivilisationen.
Ich möchte nun schematisch darstellen, wie diese Faktoren zusammenspielen und wie man sich ihnen in der Fiktion nähern kann.
Schaltstellen
Gebirge sind in einer Standardwelt unveränderliche Strukturen, da sie sich, wenn nicht anders be-stimmt, über Zeiträume verändern, die aus menschlicher Perspektive unmerklich sind. Das macht sie zu einem Fundament, das man setzen kann und sollte, wie es beliebt, und zu einer Schaltstelle, mit der sich andere Unterschiede natürlichbewirken lassen. Sie sind nämlich höchst bedeutend, um Wasser-vorkommen zu strukturieren, und können auch über Temperaturunterschiedeentscheiden, da sie die Winde blockieren oder umlenken können.
Ein anderer solcher Faktor ist die Küstenlinie. Ein maritimes Klima ist ebenso denkbar wie ein kontinen-tales, aber beide unterscheiden sich stark: Meeresströme können sowohl kalt als auch warm sein und verschieben die durchschnittliche Temperatur der küstennahen Bereiche eines Kontinents hierdurch erheblich. Außerdem ist das maritime Klima in seinen zyklischen Temperaturwechseln ausgeglichener, als das zu einander abwechselnden Extremen tendierende Kontinentalklima. Es reichtmehr als tau-send Meilen in jede Landmasse hinein, es sei denn, es wird durch ein sehr hohes Gebirge abgeschirmt. Mit anderen Worten, ist eine Küste vorhanden, dann macht sie sich weithin durch ein gleichmäßigeres Klima bemerkbar.
Eine dritte Schaltstelle ist natürlich die nord-südliche Position eines Gebietes, deren Bedeutung in den meisten Fiktionen aber drastisch übertrieben wird und sich erst über tausende Meilen spürbar bemerk-bar macht. Fantasywelten tendieren zu einer verringerten Mobilität ihrer Bewohner und in vielen von ihnen sollte dieser Faktor nicht zu spüren sein. Das ändert aber nichts daran, dass es sich um eine sehr zentrale Schaltstelle handelt, um selbst noch die kleinste Fantasywelt als Ganzes zu charakterisieren.
Auch das Leben selbst ist eine Schaltstelle. Das Leben verändert sich ununterbrochen, um neue Pro-bleme zu überwinden, und kann hierdurch Felswüsten in blühende Wälder verwandeln. Jedoch ist zu beachten, dass ein solcher Prozess enorme Zeiträume braucht und man das Leben umso stärker ent-fremden muss, je mehr es leisten soll. Es bietet sich daher an, dieses Mittel wenn, dann nur in einzelnen Fällen einzusetzen und z.B. eine neue Art zu erfinden, die alles verändert, oder anders herum eine ein-zelne Art zu streichen. Das Gras zu streichen würde z.B. bedeuten, dass sich Wälder ausbreiten, so weit es die Wüsten ihnen erlauben. Ansonsten kann mit dem Leben in der Fiktion – wie mit allem – experi-mentiert werden, wie es beliebt. Es wird nur immer schwerer, je weiter man sich von vertrauten Ver-hältnissen distanziert, und das hallt auch im Ausarbeiten der Zivilisation nach. Es ist kein Zufall, dass handelsübliche Fantasywelten die mittelalterliche europäischeNatur meist eins zu eins übernehmen und sie durch mythische Elementenur hier und da ergänzen, um das Ausarbeiten von Feinheiten so-wohl in der Natur als auch in der Kultur zu minimieren.
Abstrakter und schwerer zu kontrollierenist eine Natur, wie sie die Erde weder bieten kann noch je bieten konnte. Eine veränderte Gravitation, eine andere Rotation – bis hin zum absoluten Stillstand – oderveränderte Medien wie z.B. eine Atmosphäre, in der man schwimmen kann, sind astronomisch erklärbar und setzen sowohl natürlich als auch kulturell ein Leben voraus, das sich von allem, was ver-traut ist, erheblich unterscheiden muss. Schlussendlich kann man auch die Natur vollends aushebeln und durch kosmische Ursachen ersetzen, die anders arbeiten. Ist dies der Fall, wird es sich nicht lohnen, weiterzulesen. Beachtet werden muss aber, dass die Natur sich durchaus erweitern lässt, wie z.B. durch Götter und Geister, ohne dadurch ihre vertrauten Strukturen zu verlieren. Es entsteht hierdurch bloß eine andere natürliche Situation, keinedurch und durch unnatürliche.
In den weiteren Abschnitten möchte ich mich den drei wesentlichen Faktoren detaillierter zuwenden. Es ist leicht, in einem ersten Schritt die Temperaturen schematisch zuzuweisen, anschließend einen Wasserzyklus zu skizzieren und in einem dritten Schritt das Leben zu charakterisieren, das einerseits ein Resultat der ersten beiden Schritte darstellt, dem andererseits aber ein hoher Spielraum inhärent ist.
Temperatur
Generell können tropische, gemäßigte und kalte Klimazonen unterschieden werden, die natürlich fließend ineinander übergehen. Mehr als eine dieser Klimazonen mit ihren Übergängen in derselben Welt anzusiedeln, setzt enorme Maßstäbe voraus.
Die Klimazonen erstreckten sich nicht brav parallel zueinander über den Erdball, sondern vollführen Wellenmuster. Den Unterschied machen die schon erwähnten Winde und Meeresströme, die sowohl kühlen als auch wärmen können, sowie Höhenunterschiede. In kleinen bis mittleren Maßstäben sind diese Faktoren daher nicht selten bedeutender, als Norden und Süden.
Meeresströme sind nur sehr schwer zu modellieren, scheinen aber die Hauptrolle zu spielen. Es ist am besten, sich an den Küstenzonen darüber klar zu werden, woher ein Strom kommt und welchen Effekt er daher ausübt. Es kann auch vorkommen – vor allem Südafrika ist hier bemerkenswert – dass sich kalte und heiße Ströme nahe einer Landmasse begegnen und sowohl kühle, als auch warme Küsten unmittelbar nebeneinander entstehen lassen. Fauna und Flora ändern sich hier, wenn man das Land bereist, besonders rapide.
Winde sind ein wesentlich unsteterer Faktor. Es ist offensichtlich, dass sich das Wetter durch sie sehr unterschiedlich entwickeln kann. Im Wesentlichen übernimmt das Wetter aber eine Temperatur, die der Bandbreite der Nachbarzonen entspricht. Je ausgedehnter und extremer eine Klimazone ist, desto weiter kann sie sich bemerkbar machen. Die Sahara lässt z.B. sehr heiße Winde u.a. nach Norden we-hen und Sibirien sehr kalte u.a. nach Westen, und in Europa würde sich beides in etwa aufheben, wenn nicht die Alpen als Wetterscheide bestehen und Süd- und Nordeuropa klimatisch voneinander trennen würden. Nördlich der Alpen herrschen meistens milde atlantische Winde, die hin und wieder durch eiskalte sibirische Winde unterbrochen werden. Südlich der Alpen ist beides kaum zu merken, sondern ein warmes, relativ trockenes und sehr stabiles Klima. Möchte man also die Winde miteinbeziehen, so muss man erstens die benachbarten Großklimazonen, zweitens Hochgebirge und drittens dieTendenz zum Wechsel miteinbeziehen. In maritimen Klimazonen ist die Tendenz des unberechenbaren Wetters viel ausgeprägter, während kontinentale Landstriche über Monate ein und dasselbe Wetter haben können.
Schlussendlich ist die Höhenlage sehr bedeutend. Eine kühlere Zone muss nicht wirklich ein Gebirge sein, es reicht ein mehr oder minder ebenes Hochland. Gebirgsketten treten immer miteinander ver-bunden auf, auch wenn über hunderte Kilometer Lücken bestehen können, und sind Produkt ein und derselben Prozesse in der Kontinentalverschiebung. So kann von den Alpen bis über den Himalaya hi-naus nicht nur eine Kette von Gebirgen beobachtet werden, das sich über den Balkan, das Hochland im Iran und den Hindukusch im Pakistan erstreckt, sondern sie alle verlaufen letztlich parallel, weil sie das Produkt desselben kontinentalen Schubes von Süden nach Norden sind. Mit anderen Worten, so bunt wie in Mittelerde sind Hochgebirge selten verteilt.Zwar existieren auch die Mittelgebirge, die stark abweichend verlaufen können. Sie sind das Produkt wesentlich älterer Prozesse und die meisten ihrer Nachbarketten sind bereits verschwunden. Einsam verbleiben sie und durchbrechen die Struktur der neueren und höheren Ketten. Sie wirken aber nicht als Wetterscheide und unterteilen keine Klima-zonen. Sie sinddennochkühler und wasserreicher und werden nicht selten von Arten bewohnt, die normalerweisesehr viel weiter nördlich leben.
Dort, wo das Meer nicht weit ist, entstehen nahe der Hochgebirge auch Vulkane, nichts anderes als Risse in der Erdkruste. Im Inland ist dies nur selten der Fall. Natürlich können Vulkane auch als unter-seeischeRissenentstehen und Inseln bilden, die nicht nur ein warmes Klima, sondern auch besonders fruchtbare Böden haben. Der eigentliche Fluch solcher Inseln sind aber nicht die seltenen Vulkanaus-brüche, sondern die regelmäßigeren Erdbeben oder auch Tsunamis.
Wasserhaushalt
Bedeutsamer als in der Temperatur sind die Winde beim Transport des Wassers. In den Meeren ver-dunsten unvorstellbare Massen an Wasser, aber wohin sie treiben, darüber entscheiden die Winde. In den tropischen bis subtropischen Bereichen wehen sie deutlich kontinuierlicher auf demselben Kurs, als weiter nördlich; sie heißen Passatwind. Der Passatwind weht nahezu ununterbrochen von Ost nach West und beschert dem Land hierdurch ein sehr monotones Klima, je nachdem, ob östlich tausende Meilen Wasser oder tausende Meilen Land überbrückt wurden.
Indochina ist westlich des Meeres, darum ist es überwiegend ein fruchtbarer, regenreicher Großraum. Indien ist westlich von Indochina – der Passat ist hier schon wesentlich trockener, und so hat Indien ein gespaltenes, aber überwiegend halbtrockenes Savannenklima. (Indien besitzt aber einen Monsun, d.h. einen einjährigen Wind, der den Passat unterbricht und Unmassen von Regen bringt.) Die Arabi-sche Halbinsel und hinter ihr schließlich die Sahara erhalten westlich von Indien einen Passatwind, der schon sehr lange über trockenes Land wehte – mit verheerendenKonsequenzen.
In den nördlichen bzw. südlichen kälteren Klimazonen sind Winde wesentlich launischer, sodass einer-seits kaum Wüstenareale entstehen, aber andererseits auch kaum Regenwälder. Hier wechseln sich klassischere Wälder mit kühlen Steppen und Grasländern ab, wobei letztere in regenärmeren Zonen gegenüber den Wäldern bevorteilt sind. Es bestehen aber auch gemäßigte Regenwälder – ein äußerst seltenes, warmes und wasserreiches Biom, in dem Bäume wesentlich größer werden als überall sonst. Aber den Formen, die das Leben an unterschiedlichen Standorten annimmt, um sich bestmöglich auf die unbelebte Natur einzustellen, werde ich mich später zuwenden.
Es braucht mehr, als nur den Wind. Dort, wo keine Berge sind, kann er hohe Geschwindigkeiten anneh-men und weite Landstriche hinter sich lassen, ohne abzuregnen. Berge bremsen ihn, lassen die Wolken höher schweben und wesentlich kühler werden, womit das in der Sonnenwärme verdunstete Wasser wieder kondensiert und abregnet.
Das Wasser kann nun einerseits versickern, wodurch es sich dem Grundwasser anschließt. Je nachdem, wie selten und intensiv der Regen in einer Region ist, kann das Grundwasser sowohl reich als auch arm sein. Reiches Grundwasser kann innerhalb weniger Jahre der Dürre oder der intensiven Nutzung weder verbraucht werden, noch, wenn es einmal verbraucht wurde, sich regenerieren; hierzu braucht es Jahr-zehnte, die das Klima entscheidend verändern können. Außerdem sind Brunnen in reichem Grundwas-ser sehr viel leichter anzulegen. Der Druck, unter welchem das Wasser unterirdisch steht, presst es in jedes Loch, das ausreichend tief angelegt wurde. Das Hochland des Iran war über viele Jahrtausende sehr grundwasserreich, aber intensive Bewässerungskultur stellt es heute vor erhebliche Probleme.
Bricht das Wasser aber an hohen Bergen, so ist da meistens kein Grundwasser, in das es versickern könnte, sondern dort, wo es ausreichend weichem Stein begegnet, gräbt es sich kleine Nischen und schließlich riesige Höhlen. Aus ihnen entspringen erst Bäche, dann Flüsse, schließlich auch Seen. Berge sind immer sehr wasserreich, es sei denn sie stünden in der Wüste. Aber Berge, wenn sie hoch genug sind und in Nord-Süd-Richtung verlaufen, können auch Wüsten entstehen lassen, indem sie den Wind blockieren. Dies lässt sich sowohl in Nord- als auch Südamerika außerhalb der Passatzone beobachten, d.h. in der Westwindzone; hier kommt der Wind normalerweise aus dem Westen, kann aber nicht die Rocky Mountains bzw. die Anden überqueren. Die Folge sind äußerst wasserreiche Westküsten – hier, am Fuß der Rocky Mountains, wachsen die letzten Gemäßigten Regenwälder mit den Mammutbäu-men und anderen Riesenbäumen – und ein äußerst trockenes Inland. Insbesondere die Atacama in Südamerika östlich der Anden ist schlicht unbewohnbar. Nördlich der Atacama, im tropischen Amazo-nasbecken, herrschen die Passatwinde und sie wiederum streichen über den Atlantik und werden nicht durch Gebirge blockiert. Und so erklären sich der reichste Regenwald und die trockenste Wüste der Welt relativ dicht nebeneinander.
Große Flüsse lassen sich oft annähernd orthogonal zu den Gebirgen beobachten, denen sie entstam-men. Der Rhein ist ein gutes Beispiel. Der Grund ist schlicht, dass das Land orthogonal zum Bergkamm tendenziell schneller abfällt, als parallel zu ihm, was sich tektonisch erklärt. In gebührendem Abstand zu den Bergen, denen er entstammt, kann ein Fluss aber auch sehr wild und kurvenreich verlaufen. Er kann kleinere Flüsse verschlucken, dort, wo mächtige Täler bestehen, in einen See münden oder sich dort, wo er nach weiter Reise in Zonen eines relativ spärlichen Grundwassers angelangt, auch in einem riesigen Geflecht aus Sümpfen verlieren, wie z.B. der Kongo. Normalerweise kehrt er aber aus diesen Sümpfen ungebrochen wieder hervor. Auch ein Flussdelta kann entstehen, wobei sich der Fluss in einer vergleichsweise flachen Region in viele kleine Nebenarme aufteilt.
Wie sich Bäche, Flüsse und Seen einzeln verhalten, hat also mit dem Gefälle, dem Grundwasserreich-tum und auch der Bodenqualität zu tun. Es ist nicht von einer großräumig gleich organisierten Struktur auszugehen, sondern wasserreiche und wasserarme Zonen können unmittelbar benachbart sein. Dies teilt die Landschaft in Wälder und Steppen in kälteren Zonen bzw. – von der Idee her dasselbe, aber durch Extrema erweitert – Regenwälder, Halbtrockenwälder, Savannen und Wüsten in wärmeren.Windrichtung => Große Land- oder Meerespassagen => Wasserreichtum des Windes => Gebirge und Grundwasser => wo sind Flüsse und Ströme zu erwarten. Manchmal spielt einem aber auch die beson-dere Beschaffenheit des Bodens einen Streich. Wo Gletscher sich einst endlos ausdehnten oder sich ein kontinentaler Riss zu vollziehen droht, kann der Boden im ersten Falle in Form eines großen, runden Flecks und im zweiten Falle als ein langer, schmaler Graben absinken und lädt die nahen Flüsse ein, hier einen majestätischen See oder einen monumentalen Strom zu bilden.
Schlussendlich sollte bemerkt werden, dass Flüsse das Meer mit neuen Nährstoffen versorgen. Indem ein Meeresstrom mehrere Mündungen von Flüssen passiert, besonders, wenn es Flüsse aus reichen Landbiomen sind, entstehen in ihm Planktonblüten, die einen unvorstellbaren Fischreichtum anlocken können.
Leben
Es ist verständlich, wenn man als Weltenbastler zunächst oder auch auschließlich an die Großtiere oder, noch einen Schritt weiter, an die Kulturen denkt, auf die man natürlich hinarbeitet. Tatsächlich haben beide aber – zumindest in vormodernen Zeiten – ziemliche Nebenrollen im Gesamtspiel des Lebens. Das Fundament bilden natürlich die Pflanzen.
Wasser und Wärme entscheiden darüber, welche Pflanzen wo wachsen. Nährstoffe sind ein dritter Faktor, tatsächlich sind aber die meisten warmen und wasserreichen Böden ausreichend fruchtbar. Es kommt aber vor, dass manche Böden durch äußere Umstände wie z.B. Vulkane reicher sind, als üblich.
Trockene und kalte Böden werden eher von kleinen Bäumenchen, Büschen oder Gräsern bewohnt. Tatsächlich kann man an der Größe der Pflanzen ablesen – vom kleinsten Moosbüschel der Tundra bis hin zum höchsten Mammutbaum – wie ideal die Faktoren in diesem Biom sind, wenn man sie mitein-ander kombiniert. Der Gemäßigte Regenwald, den die Mammutbäume bewohnen, ist unterm Strich der pflanzenfreundlichste Lebensraum der Welt. Die diversen Vor- und Nachteile verschiedener Klima-zonen, die sich aus den von uns bereits vollzogenen Schritten errechnen, werde ich in diesem Abschnitt zu erklären versuchen.
Globale Tendenzen sind erstens, dass der Artenreichtum sich daran orientiert, wie es um Wärme und Wasser steht. Die Tropischen Regenwälder beheimaten zehntausende Baumarten, die gemäßigten Breiten vielleicht noch tausend und die borealen Nadelwälder eine bescheidene Handvoll. Aber nicht nur Kälte, sondern auch Trockenheit reduziert den Artenreichtum. In Wüsten ebenso wie in Kältezonen können nur Spezialisten überleben, die den besonders harschen Umständen trotzen; wenn sie diesen Test der unbelebten Natur überstehen, müssen sie kaum mit natürlichen Feinden oder Konkurrenten rechnen, und so breitet sich eine einzelne Art viel weiter aus, als dort, wo es heiß und nass ist und sich viele tausend Lebewesen durcheinander tummeln – und einander munter das Leben schwer machen.
Zweitens, und damit verbunden, ist die Biomasse nicht parallel zum Artenreichtum zu verstehen. Für eine hohe Biomasse kann es reichen, dass nur einer der beiden zentralen Faktoren hoch ist und der andere zumindest nicht komplett katastrophal. Sibirien z.B. ist kalt, aber für Nadelbäume nicht zu kalt, und im selben Moment unheimlich wasserreich, und zumindest in den kurzen Sommermonaten kann dieses Wasser auch schmilzen. Es handelt sich bei den borealen Nadelwäldern daher um an Biomasse und Großtieren äußerst reiche Lebensräume. Bloß ein bisschen weiter nördlich, wo das Wasser nicht einmal mehr im Sommer schmilzen kann, haben Bäume nichts mehr zu suchen – hier breitet sich die Tundra aus, einer der ärmsten Lebensräume.
Ein schematischer Blick Wasser x Wärme kann also nicht reichen, um zu bewerten, wie reich ein Le-bensraum ist und wie das Leben hier aussehen wird. Ich werde nun kurz beschreiben, was die verschie-denen Waldbiome charakterisiert.
Zuerst die Tropischen Regenwälder. Es handelt sich nur scheinbar um Paradiese; das Leben hat es hier sehr hart.Paradoxerweise besteht die wesentliche Ursache darin, dass hier niemals Winter einkehrt. Insekten und andere Wirbellose, nicht Großtiere, sind das zweitbedeutendste Glied in der Kette des Lebens, und sie sterben in der Kälte des Winters. Nicht so in den Tropen. Können Insekten das ganze Jahr über ihr Unwesen treiben, bauen sie einen Fraßdruck auf die Bäume auf, der in kälteren Biomen absolut unvorstellbar wäre. Die Bäume müssen sich daher wappnen – viele darunter mit Giften. Aber die Insekten bemühen sich, die Maßnahmen der Bäume zu kontern, z.B. indem sie das passende Ge-gengift ausbilden.
Dieses Räubter-Beuteverhältnis zwischen Baum und Insekt ist der treibende Motor hinter dem unaus-denklichen Artenreichtum in den Tropischen Regenwäldern. Jede Pflanze hat ihren individuellen insek-tivoren Feind, dem sie schutzlos ausgeliefert ist, während sie mit ihrem Gift, ihren Dornen, ihrer dicken Borke etc. nahezu alle anderen nurbegrenzt zu fürchten hat. Würden nun zu viele Bäume derselben Sorte in einem bestimmten Gebiet wachsen, dann würde ihr natürlicher Feind, sobald er dieses Gebiet entdeckt, sich massenweise vermehren und alles davon vernichten. Und so kommt es, dass man im Tropischen Regenwald meilenweit wandern kann, ohne derselben Baumsorte zweimal zu begegnen. Und es sind nicht nur Insekten, sondern auch bakterielle Seuchen, die die anhaltende Tropenwärme letztlich zum Fluch machen.
Unter so vielen tausend Pflanzensorten sesshaft von Nutzpflanzen leben zu wollen, ist illusorisch. Der Konkurrenzdruck ist kaum mit Worten zu beschreiben. Jedes bisschen Platz muss tagein, tagaus gegen natürliche Feinde, Seuchen oder Konkurrenten behauptet werden. Es ist also nicht überraschend, dass in diesem Biom nie eine menschliche Kultur entstand, die das Jagen und Sammeln hinter sich gelassen hätte.
Hierdurch erklärt es sich, warum die borealen und gemäßigten Wälder den Tropen allem Anschein zum Trotz an Biomasse nicht selten überlegen sind und viel stabilere, mächtigere Kulturen hervorbrachten. Die borealen Nadelwälder haben mit Insekten nahezu überhaupt kein Problem.Sie sind aber sehr kalt. Während Bäume den Winter brauchen, sind sommerliche Temperaturen und viel Licht natürlich sehr wohl wünschenswert. Die eiszeitlichen und auch die bis heute lebenden Kulturen des Nordens brach-ten nie Ackerbau hervor, ihr Lebensraum lässt es nicht zu. Nur Spezialisten – Nadelbäume eben – kön-nen hier überleben, im Fall der tundrischen Inuit nicht einmal mehr diese.
Den Tropen vorzuziehen sind die nördlichen Biome allein darum, weil sich das Jagen hier mehr auszahlt. Im kalten Klima übernehmen nämlich Wirbeltiere als die wesentlichen Feinde der Pflanzen die Rolle der hier nur sehr eingeschränkt vorkommenden Insekten, und das bedeutet, dass der Anteil der Wir-beltiere an der Biomasse hier viel höher ist, als in den Tropen. Größere Tiere haben in kalten Zonen immer bessere Chancen, als in heißen, schlicht, weil sie ihre Körperwärme leichter speichern können. Das lässt nicht nur ihre Biomasse höher werden, sondern sie auch als Individuen wachsen. Bären sind ein schönes Beispiel, weil sie in allen Klimazonen der Erde verbreitet sind; die kleinsten Bären leben in den Tropen und sind nicht schwerer als ein Mensch, die größten leben im arktischen Packeis. Sehr viele Innovationen des Jagens, wie z.B. die messerscharfen Pfeile der eiszeitlichen Clovis-Kultur und auch das Zähmen von Hunden als Unterstützern, stammen daher aus besonders kalten Zonen, wo die Men-schen erstens mehr von Fleisch abhingen und zweitens größeren und stärkeren Beutetieren gegenüber standen.
Aber das ändert nichts daran, dass die tatsächlichen Fabriken der Erde die Gemäßigten Breiten sind, die sowohl einen schützenden Winter als auch einen großzügigen Sommer kennen. Heute konzentrie-ren sich die reichen Industrienationen nahezu alle in diesem klimatischen Raum.Und dort, wo er am wasserreichsten ist, sind die Wälder am höchsten und dichtesten.
Ihr südlicher Rand ist es, der sich für den Ackerbau mehr anbietet als alle anderen Bereiche der Erde. Und dieser südliche Rand ist es, in dem sich das Sesshaftwerden der Menschen ausnahmslos vollzogen hat, ob im heutigen Mexico, im Irak oder in Nordindien – es sind maritime, subtropische Klimazonen.In ihnen ist der Sommer sehr reich und der Winter sehr mild, aber letzteres ist nicht schlimm, denn es ist nicht immer die Kälte des Winters, die Pflanzen ruhen und Insekten massenweise sterben lässt. Es kann in den warmen und heißen Zonen der Erde auch zu einer Sommerruhe kommen, in welcher die relative Trockenheit des Sommers es ist, welche die Pflanzen davor beschützt, von Seuchen und Insek-ten überrannt zu werden.
Die Subtropen sind der schmale Bereich, in dem beides wirksam wird, die – milde – Kälte des Winters und die – milde – Trockenheit des Sommers. Indem sie zusammenspielen, erlauben sie einen idealen Schutz der Saat vor Seuchen und Insekten unter minimaler Belastung der Großtiere, der Pflanzen und auch der Menschen selbst. Für viele Jahrtausende verließen die blühenden menschlichen Zivilisationen diesen Bereich nur sehr vereinzelt, bevor sie technisch und organisatorisch nach und nach imstande waren, die kühleren Bereiche zu erobern. In den Tropen war dies am schwersten, und so waren sie tendenziell zum Schluss an der Reihe.Nomaden und sehr kleine, familiäre Kulturen von Jägern und Sammlern bildeten über Jahrtausende die hochspezialisierten Pioniere, den Fels in der Brandung der Seuchen und Insekten.
Mit diesem Kontext lassen sich Zivilisationen vielleicht zumindest ein bisschenleichter ausarbeiten und in der passenden Umwelt ansiedeln. Ich bedanke mich fürs Lesen.