Ich bin in verschiedener Hinsicht eingeschränkt.
1) Skills
Ich kann nicht alles, also kann ich meine Welt auch nicht in allen Medien darstellen. Ich hätte gerne schöne Porträts, stimmungsvolle Musik und Filme zu meiner Welt. Hach, und ein RPG-Strategie-Genremix-Computerspiel. Kann ich alles nicht. Natürlich kann man Dinge lernen, aber auch hier gibt es Einschränkungen: Wie viel Zeit hab ich? Wie talentiert bin ich? Wie viel Geld braucht es, um Übungsmaterial zu beziehen? Wie lange dauert es, bis ich befriedigende Ergebnisse erhalte und hält meine Motivation überhaupt so lange?
2) Sozialisation
Ich wurde kräftig sozialisiert seit meiner Geburt, und zwar nicht nur im Bereich soziale Normen, sondern auch im Bereich der Ästhetik. Ich kann mir gar nicht alles ausdenken. Und wenn ich auf was wirklich Fremdes stoße, weiß ich gar nicht, was ich davon halte. Meine Wahrnehmung, mein Empfinden, mein Bewerten ist alles von der mich umgebenden traditions- und formreichen Kultur geprägt (wenn auch nicht determiniert), folglich habe ich Schubladen, Schränke und Schubladen-Anordnungs-Systeme. Ich kann sie mir bewusst machen, ich kann sie brechen, verbiegen, fortsetzen und das an verschiedenen Punkten. Aber ich kann nie ohne die vorhandenen Schubladen so tun, als erschaffe ich mein eigenes Schubladensystem.
Soweit das Abstrakte. Mal einen Blick ins Konkrete wagen...
Meine Welt ist seit dem Tag ihrer Entstehung mit dem Konzept "Drachen" verwachsen (was zum einen an den Inspirationsquellen lag und zum anderen sogar meinen ersten Nick hier gestaltet hat). Drachen sind eine gängige europäische Schublade im Schrank Fantasy. Insofern setze ich das Topos fort, ich habe es im Lauf der Zeit leicht adaptiert, ich hab Merkmale gestrichen, die ich nicht mochte (Feuerspeien), dafür andere beibehalten (magische Wesen), andere hinzukombiniert (gefiederte Flügel, geschuppte Leiber) und es auf eigene Weise angeordnet. Es ist aber dennoch auf den ersten oder zweiten Blick als die traditionelle Schublade zu erkennen. Sie ist noch an derselben Stelle im Schrank, aber von mir persönlich angemalt und verziert.
Andere Topoi/Schubladen wie Elfen und Orks sind ähnlich gängig wie Drachen, aber es kam mir nie in den Sinn, diese auf meiner Welt zu haben. Stattdessen habe ich eine eigene Menschenspezies kreiert, die Borago. Bei diesen ließen sich bestimmt auch irdische Vorlagen finden.
Ich kann aber außer "Geschmack" nicht benennen, warum die eine Schublade übernommen wurde und die andere nicht.
Findet ihr, dass Einschränkungen euch helfen beim Basteln?
Ja, ich finde Einschränkungen essenziell zum Arbeiten und auch für die "Qualität des Produkts". Damit meine ich eine selbstgetroffene Einschränkung, was es alles gibt und was nicht.
Eine Welt hat mehr Charakter, wenn sie eine bewusst gewählte, geringe Zahl an "Dingen" hat, die konsequent umgesetzt werden, als wenn sie alle nur möglichen Dinge hat.
Beispielsweise, welche Spezies es gibt. Für das alte Spiel Civilization IV gibt es eine Mod namens Fall From Heaven 2, bei der man in einer Fantasywelt spielt, in der es quasi alles gibt:
Menschen (die Edlen Fastelfen, Piraten, Reitervölker, die Friedlichen, die Magischen, ...), Waldelfen, Dunkelelfen, gute Zwerge, neutral-gierige Zwerge, Orks, Goblins, Echsenmenschen, Riesen, Trolle, Warge, Vampire, Werwölfe, Seeungeheuer, Dämonen, Engel, lebende Puppen. Es gibt Götter, Götterdiener, Engel, Dämonen, den Teufel. Greifen und Drachen, Zentauren und Rattenmenschen, Zombies, Geister und Erscheinungen.
Kurzum: kein System, keine Logik, kein Profil.
Das kann man auch anwenden auf gebastelte Sprachen: Eine Sprache, deren Lautinventar alle bekannten Laute beinhaltet, hat keinen Charakter, keinen Wiedererkennungswert, es ist einfach alles möglich und somit beliebig. Japanisch hingegen hat eine eingeschränkte Silbenstruktur und ein begrenztes Lautinventar. Diese Sprache erkennt man auch wieder, wenn man sie nicht versteht.
Und auf viele andere Dinge kann man es auch beziehen.