Isolation einer Welt und Verfall der Zivilisation

  • Ehm... was an der Vorstellung, Rom hätte keinen Niedergang erlebt, ist denn nicht mehr korrekt? Hat es keinen Niedergang gegeben? Oder war es nicht Rom?


    Was auch immer die o.g. Wissenschaftler nun herausgefunden haben: solange "Dekadenz" der Begriff für den Niedergang Roms ist, kann man beides nicht sinnvoll trennen. Ich vermute mal, die o.g. Wissenschaftler haben (anders als z.B. "wir hier" oder die Wikipedia-Autoren) in einzelnen Phänomenen eine Ursache für eine notwendig folgende "Barbarisierung" gesehen: "... dass Dekadenz zur Barbarisierung führt" (Hervorhebung von mir). Das ist ein Wechsel von Beschreibung eines gleichzeitig oder aufeinander folgenden Geschehens zur (Behauptung einer) Ursächlichkeit. Aber die wird eben gar nicht "hartnäckig" von irgendwem vertreten, soweit ich sehe. M.a.W., es wird ("im Namen der Wissenschaft") ein Verhalten getadelt, das gar nicht gezeigt, sondern nur unterstellt wurde. Und da reagiere dann wieder ich ein wenig empfindlich: Sowas gehört sich eben nicht.

  • Also Kinno Katana, ich denke, dass du da etwas missverstehst.


    Was ich im folgenden wiedergebe, ist übrigens nicht von mir, sondern von den beiden Dozenten, deren Vorlesungen ich dieses Semester verfolgen durfte, und die beide einen guten Ruf als Althistoriker haben. (namentlich Prof. Dr. Frank Kolb und Prof. Dr. Mischa Meier, beide Dozenten für Alte Geschichte in Tübingen) (sollte irgendjemand feststellen, dass ich hier einen Sachverhalt nicht so wiedergebe, wie die beiden dies taten, dann liegt das wohl an einem Fehler meinerseits)


    Der Dekadenzbegriff wurde in der Tat für den Niedergang Roms zuerst konzipiert und verwendet, nämlich in Zeiten der Aufklärung und des Humanismus.
    Mit diesem Begriff einher gingen dabei in der damaligen Forschung die Vorstellungen, dass das nachfolgende Mittelalter ein dunkles, schlechtes Zeitalter sei unter anderem aufgrund der Rolle, die das Christentum dabei spielte. Ebenso eine Vorstellung war, dass die Antike, die römische und vor allem griechische, etwas tolles, superbes sei und überhaupt den Höhepunkt der Entwicklung darstellte bis dahin. Aus diesem Kontext stammt auch noch die Bezeichnung "klassisch" in Kontexten wie "klassiche Philologie" oder "klassische Archäologie" oder eben "Klassik" und "Klassizismus" in Kunst und Architektur. In Zeiten von Aufklärung, Humanismus und auch der Renaissance bezog man sich eben auf diese vermeintliche Spitze der menschlichen Kultur und knüpfte daran an, um das "dunkle MA" hinter sich zu lassen.
    Dadurch entstand dann die logische Schlussfolgerung, dass es von der hohen Antike zum dunklen Mittelalter einen Niedergang gegeben haben müsse, der dann als Dekadenz bezeichnet wurde.
    Und dann stellte man in der Tat eine ursächliche Verbindung zwischen kultureller, moralischer, etc. Dekadenz und dem Zerfall des Römischen Reiches her. Das ist dann also die Dekadenztheorie:
    Die Römer seien dekadent geworden, Luxus, Intrigen, Habgier und all die bösen Dinge führten zu einer gesellschaftlichen Schwächung und Barbarisierung, die dazu führten, dass man sich den äußeren Feinden nicht mehr erwehren konnte und somit überrannt wurde von den barbarischen Horden, die das "dunkle MA" einleiteten.


    Als Beginn dieser Dekadenz wurde allgemein das 3. Jh. angesehen (eine Begrifflichkeit für den Zeitraum 235-284).


    In der moderneren Forschung konnte man diese Theorie, namentlich die ursächliche Verknüpfung einer angeblichen kulturell-moralischen Dekadenz und dem darausfolgenden Untergang Roms widerlegen und dieser Theorie durch den Zeitgeist der Forscher beeinflusste Vorstellungen nachweisen.


    Die Dekadenztheorie ist also vielmehr ein Modell, warum Rom untergegangen ist, als eine Beschreibung, wie (in welcher zeitlicher Abfolge von welchen Ereignissen - und damit beschreibend) Rom untergegangen ist. ("untergehen" ist dabei auch schon implizit wertend, aber das führt zu weit)


    Deswegen sage ich, die Dekadenztheorie sei nicht zutreffend, weil sie schon vor einiger Zeit trefflich widerlegt wurde und die Ursächlichkeit von jener Dekadenz und dem Untergang nicht stimmt.
    Faktisch ist es zur Zeit so, dass man sich wissenschaftlich streitet, woran's denn nun gelegen hat. Eine besondere Rolle spielt dabei weiterhin das 3. Jh. als eine Zeit großer Veränderungen des römischen Reiches, die in ihrem Wesen aber durch gewisse Prozesse in der direkten Nachzeit (unter Diokletian und Konstantin, 284-337) jedoch nicht einfach ursächlich als Untergangsgrund angenommen werden können.


    Zu dem Wikipediaartikel kann ich nur sagen: Wikipedia ist prinzipiell für historisch-wissenschaftliche Betrachtungen nicht zitierwürdig.


    PS: Entschuldigung für das off-Topic, aber das konnte ich so einfach nicht stehen lassen, weil es ein Missverständnis war/ist und eine Aufklärung über diesen Sachverhalt vielleicht auch Logan und anderen Bastlern zugute kommt, die über Dekadenz jetzt vielleicht mehr aufgeklärt sind.

    Weil Inspiration von oben kommt und Arbeit von unten.
    -Elk (20.10.18, 23:02)



    Plan. Act. Reflect. Repeat 'til finish.

  • Zu der Dekadenz*theorie* mag das ja alles so stimmen, es tut so oder so nicht viel zu Sache... aber Du hast sie ausschließlich selbst eingebracht, sie kam von keinem andern hierher, soweit ich erkennen kann. Und dies Verhalten kritisiere ich.

  • Ich mag dieses "Dekadenzthema" bei Untergängen nicht und diese Sichtweise, dass soetwas gleich zum Untergang einer Kultur führt, als ob Zivilisation ausgerechnet durch ihre sonst wie geartete, vermutlich zwangsweise christlich-westliche "Moral (TM)" erst "Zivilisation" wäre.


    Eine andere Idee zur Isolation: Warum nicht bewusst? Oft passiert es, dass Menschen sich weitab der ehemaligen, eigentlichen Autorität verlassen oder gar einfach nicht mehr so recht zugehörig fühlen, frei nach dem Motto "Wir sind hier und die anderen dort, warum richten wir uns noch nach ihnen? Warum schaffen wir hier für die Feiglinge, die da oben hocken?" Die Isolation könnte bewusster Ausdruck einer politischen Strömung sein, die sich vielleicht auch erst nach anfänglichen Auseinandersetzungen durchgesetzt hat. Genug Beispiele dafür, dass Kolonien sich von verhassten, vielleicht auch sie ausnutzenden Heimatgefilden lossagen, weil sie sich einfach nicht mehr als Teil des Herkunftsortes, sondern ihrer neuen Heimat fühlen gäbe es ja auch auf der Erde.

  • Es gäb einige:


    Strategischer Rückzug Womöglich war Cimorra einer Gefahr ausgesetzt, die sich die Gemeinschaft in dem Sektor nicht stellen wollte (konnte), also zog sich der Großteil zurück und hinterließ nur einen Rest. Da dadurch natürlich die Ordnung nicht mehr gewährleistet ist, fangen den Zurückgebliebenden an sich wohl zuerst selbstzuversorgen (was Unordnung schaffen kann).


    Wirtschaftliches Desinteresse Was ist, wenn Cimorra plötzlich keine Bedeutung mehr innehätte? Sei es weil es in anderen Sektoren bessere Quellen nun gibt, oder an sich die Welt nicht genug abwirft um systemtechnisch relevant zu sein? Dies kann zu Bedeutungslosigkeit und einem Abwanderungszug führen, der Welt ziemlich alleine da stehen lässt. Das Resultat wäre verminderter Handelsweg und letztlich eine ähnliche Situation wie am Ende des strategischen Rückzugs.


    Politische Manipulation Cimorra war bedeutend, wurde aber absichtlich isoliert um Profitierende von den Ressourcen Cimorras abzuschneiden. Das muss nicht immer ein offensichtliches Disaster sein, soetwas geht auch über Hintertürchen... ist aber sehr schwer umzusetzen, da dadurch die Bedeutung Cimorras in der Politik erhöht werden könnte und somit eine vollständige Abschneidung der Welt vom Rest schwierig zu bewerkstelligen wäre.


    Ich finde immer, Zusammenbruch entsteht aus der Not - etwas was die Ordnung durcheinander bringt. Bei großen Kulturen ist da eine große Katastrophe immer präsent, doch letztlich macht es doch eher der Zeitraum aus. Man kann Ordnung auch über lange Zeit vernichten, in dem man eines nach dem anderen entfernt, was die Leute brauchen um nicht in Selbstjustiz, Willkür und Barbarei zu verfallen.

  • Nun ist es aber so, dass Cimorra aber irgendwann dann einmal isoliert wurde, also die Verbindung zur Erde oder anderen Welten verloren hat. Und hier ist eine Frage, die ich mir stelle: Wie kann man eine Welt isolieren?
    ....
    Die Frage, die ich mir auch stelle ist: Alle Verbindungen mit anderen Welten sollen nicht vollkommen unterbunden sein. Nur wie soll das gehen, wenn die Welt isoliert ist bzw. die Haupthandelswege nicht mehr existent sind??
    ....
    Desweiteren stelle ich mir auch die Frage, wie es zum Niedergang der Hochkulturen Cimorras kam, die auf einem "Atlantis"-Level waren, doch irgendwie dann doch der Barbarei verfallen sind.


    Ich denke die ersten zweite Fragen kann man getrost zusammen fassen. Neben den diverse bereits geannten Ideen fiele mir noch Folgendes ein:
    Eine Katastrophe wie z.B. ein nur fast kollabiertes Wurmloch, dass aber zu so ein Nadelöhr verkommt, dass nur noch Nachrichtenaustausch möglich ist. Oder aber die Verbindung zwischen Erde und Cimorra durchlief mehrere wichtige Zwischenknotenpunkte (Stationen, Planeten, Portalknotenpunkte, ...). Viele davon wurden zerstört (z.B. Supernova), wodurch nur noch über immense Umwege über andere weit abseits liegende Knotenpunkte ein Kontakt herstellbar wird, was jedoch immense Zeit + Energie + Kosten erfordert.
    Auch gebe es die Möglichkeit der gewollten beiderseitigen Isolation (auch wenn sehr wahrscheinlich eine Seite den ersten Schritt getan hat). Einfach weil sich die Kulturen voneinander entfernten und solche Differenzen (religiös / philosophisch / politisch) entstanden, dass sie sich voreinander "schützen" wollten. Kontakt wäre dann grundsätzlich möglich, doch würde Denjenigen großes Misstrauen entgegenschlagen.
    Seuchen. Auf einer Seite bricht eine Krankheit aus, derer man nicht Herr wurde. Deshalb unterbrach eine von beiden Seiten den Kontakt. Weitere Kontakte evtl. nur noch über tote Gegenstände möglich, die sofort eingehend in magischem Feuer sterilisiert werden. (Hoffe ich habe das Konzept zu Cimorra richtig erraten.)


    Niedergang von (Hoch-)kulturen. Da braucht man an sich nur etwas isoliertere Kulturen anzuschauen (bzw. den Theorien dazu :pfeif: ), da die IMHO besser zu einer isolierten Welt passen. Rom lag nie isoliert, da spielten zu viele Faktoren rein. Ganz anders aber z.B. bei den Ruinen der Anasazi, deren Kultur fast durch eine Trockenperiode ausgelöscht wurde. Oder Krankheiten (z.B. eingeschleppte Pocken vernichteten 90% der indianischen Population), die wiederum gut zu oben genanntem Grund der Isolation von anderen Welten führen könnte. Oder die Osterinsel, deren Kultur allem Anschein nach durch Raubbau an der Natur zu Grunde ging. Das könnte auf Cimorra z.B. passieren nach Beginn der Isolation.

  • Das Buch "Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen" von Jared Diamond ist zu diesem Thema übrigens absolut empfehlenswert! Sehr interressant und auch sehr spannend geschrieben.


    Allgemein sind die Bücher von Jared Diamond für Weltenbastler äußerst Nützlich: Das Buch "Arm und Reich: Die Schicksale menschlicher Gesellschaften" würde ich sogar als Pflichtlektüre für jeden Weltenbastler erachten, der daran interessiert ist, die Interaktion der Völker auf seiner Welt einigermaßen realistisch zu gestalten.

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