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[01. Türchen] Antworten von Silph
[02. Türchen] Enes Tall von Amanita
[03. Türchen] Sturmreiter von Veria
[04. Türchen] Tanahareni und das Geheimnis des blinden Malers von Vinni
[05. Türchen] Ein neuer Anfang von Efyriel
[06. Türchen] Die Braut mit den langen, blonden Haaren von Shay
[07. Türchen] Die drei Zeitalter der Schöpfung von Eld
[08. Türchen] Hochzeit von Silph
[09. Türchen] Karmos Vermächtnis von Entropy
[10. Türchen] Zorn der Götter von Nemedon
[11. Türchen] Arrest Shay
[12. Türchen] Mit Palmen und Trompeten von Jundurg
[13. Türchen] Ein kleines Stückchen Freiheit von Taliesin
[14. Türchen] Fischhirte und Quallengärtner von Vinni
[15. Türchen] Neulich im Hallenbad von Amanita
[16. Türchen] Ciohéhus Brautwerben von Sturmfaenger
[17. Türchen] Die Schildung von Shay
[18. Türchen] Märchenstunde von Veria
[19. Türchen] Das Loch im Himmel von Sturmfaenger
[20. Türchen] Die Stunde des Siegers von Shay
[21. Türchen] Das Urteil des Siegers von Shay
[22. Türchen] Der Pakt der Tränen von Sturmfaenger
[23. Türchen] Auf nasser Straße von Eld
[24. Türchen] Auf nasser Straße II von Eld
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Das erste Türchen des Weltenbastler-Adventskalenders 2014 führt hinein in eine Höhle, aus der Feuerschein und der Duft von Räucherwerk hervordringen. Menschen verlassen die Höhle, sie unterhalten sich gedämpft, und auch wenn hier und da schon wieder laut gelacht wird, so liegt auf ihren Gesichtern doch ein Hauch von ehrfürchtigem Staunen.
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Antworten
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Der Stamm verlief sich langsam. Einige bedankten sich bei Semjon, einige brachten Geschenke. Alle sprachen leise mit ihm und respektsvoll; die junge Frau, die ihm etwas Heißes zu trinken reichte, wagte es nicht einmal, ihm in die Augen zu sehen. Semjon lächelte trotzdem für sie und bedankte sich. Es war nunmal der Effekt, den der Tanz auf die Menschen hatte. Die Demonstration von Geschick, aber vor allem die verwirrenden Reflektionen von Licht und Schatten, die um den Spiegeltänzer herumwirbelten, verstärkt durch die Räuchernebel. Heute Abend hatte Semjon in einer Höhle getanzt, im Schein von zwei Feuern, und mit vier Wasserschalen als Hilfe, die ihre eigenen strahlenden Lichtspiele ergänzten. Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass die meisten Menschen das noch beeindruckender fanden. Für ihn selbst war es nichts weiter als Werkzeug. Nur die beiden Obsidianspiegel waren mehr. Für sie hatte er eine weite Reise auf sich genommen und sein Leben riskiert. Der letzte, schwerste Test für jeden Spiegeltänzer.
Es war ein guter Tanz gewesen. Nicht leicht oder einfach, und es war immer anstrengend, aber trotzdem war Semjon zufrieden mit sich. Er hatte Antworten erhalten und die Antworten waren wertvoll gewesen für den Stamm. Ob gut oder schlecht, das stand ihm nicht zu zu wissen. Die Ältesten würden in den nächsten Tagen darüber beraten. Semjon würde dann schon weitergereist sein. Es sei denn, sie luden ihn ein, ein paar Tage zu bleiben, weil sie vielleicht noch mehr Antworten brauchten.
Für diese Nacht würde er in der Höhle bleiben. Sie war trocken und die Feuer und die vielen Menschen hatten sie erwärmt. Auch fühlte sie sich freundlich an. Es würde eine ruhige Nacht werden und er würde gut schlafen.
Semjon stellte die leere Schale beiseite und stand auf. Die Räucherschalen mussten geleert und gereinigt werden und die Glut der Feuer zusammengekehrt, bevor er sich schlafen legen konnte. Auch das war seine Aufgabe. Niemand aus dem Stamm würde es wagen, die heiligen Gerätschaften anzufassen.
„Spiegeltänzer?“ fragte eine leise Stimme hinter ihm.
Semjon sah sich um, die Räucherschale, die er gerade aufgehoben hatte, in den Händen. Hinter ihm stand ein junger Mann. Er sah gesund aus, hart und sehnig, und er hatte wache, kluge Augen. Aber in diesem Moment wirkte er vor allem nervös. Dabei gab es keine Regel, die verbat, einen Spiegeltänzer außerhalb des Tanzes anzusprechen. Im Gegenteil, wenn Semjon einen Stamm besuchte, fand er sich eigentlich ständig in Gespräche verwickelt. Menschen hatten immer Fragen, und wenn sie keine hatten, dann erzählten sie gerne von dem, was sie bewegte. Semjon mochte das. Es machte das Leben sehr viel bunter und interessanter.
Er lächelte für den jungen Mann.
„Mein Name ist Semjon“, erinnerte er ihn. „Du kannst ihn benutzen.“
Der junge Mann nickte. Eine kurze, schnelle Bewegung, auch sie verriet deutlich seine Anspannung.
„Ich heiße Kaloma“, antworte er.
Semjon senkte grüßend den Kopf.
„Was kann ich für dich tun, Kaloma?“ ermutigte er.
„Ich habe eine Frage… wenn das erlaubt ist, meine ich.“
„Natürlich ist es erlaubt. Ich weiß nicht, ob sie ich so einfach beantworten kann“, Semjon machte eine Geste auf seine Umgebung, die heruntergebrannten Feuer und die erloschenen Räucherschalen. Es war die Aufgabe eines Spiegeltänzers, Antworten zu geben, „aber ich will es gerne versuchen.“
Kaloma versuchte ein Lächeln. Es gelang nicht ganz und er rieb nervös seine Finger.
„Es ist eine unangenehme Frage“, warnte er.
„Nur zu.“
Für einen Moment zögerte Kaloma noch, als sei er sich nicht sicher, ob er sich wirklich überwinden konnte. „Gibt es irgendeinen Plan?“ brach es dann aus ihm heraus. „Irgendeinen Sinn?“
Semjon sah ihn nachdenklich an. „Einen Plan für was?“ fragte er freundlich. „Sinn in was?“
„Für alles“, antwortete Kaloma heftig. „Für das Leben. Für die Welt. Gibt es eine Macht, die sie lenkt? Einen größeren Plan, der alles zusammenhält?“
„Das ist eine sehr schwere Frage.“
„Für einen Spiegeltänzer sollte sie leichter sein als für jeden anderen. Ihr sprecht mit den Göttern.“
Semjon nickte, um diese Meinung anzuerkennen, dann deutete er Kaloma, sich zu setzen. Stellte die Räucherschale beiseite und setzte sich neben den jungen Mann.
„Wenn ich tanze“, begann er, „dann suche ich Antworten. Manchmal kommen sie als Bilder, manchmal als Wissen, manchmal kommen sie auf andere Art. Es heißt, sie kommen von den Göttern, aber ich wage nicht, das zu beurteilen. Ich spreche nicht von Angesicht zu Angesicht mit ihnen.“
„Du hast nie einen Gott gesehen?“
„Vielleicht. Aber ich weiß nicht, woran man einen Gott erkennt.“
Kaloma bedachte diese Antwort. Sie schien ihm nicht zu gefallen, aber er hatte offenbar keinen Ratschlag zu geben.
„Warum willst du wissen, ob es einen Plan gibt?“ fragte Semjon sanft.
„Ich fände es einfacher, wenn es so wäre. Es wäre beruhigend.“
„Es würde bedeuten, dass alles vorherbestimmt ist. Dass wir keine eigenen Entscheidungen treffen können.“
„Es würde bedeuten, dass keiner von uns unwichtig ist. In einem Plan hätte jeder von uns seinen im zugewiesenen Platz. Ein Plan hat keinen Erfolg, wenn auch nur ein winziger Teil abweicht.“
„Wenn es keinen Plan gibt, macht es jede eigene Entscheidung noch viel wichtiger. Wenn ein Mensch sich entscheidet, hat es Folgen. Entscheidet er sich anders, hat es andere Folgen. Vielleicht für einen ganzen Stamm oder mehr.“
„Aber er würde es nicht wissen.“
„Würde er es wissen, wenn es einen Plan gibt?“ hielt Semjon dagegen. „Wenn du das glaubst, dann ist deine Frage, ob es einen Plan gibt, Beweis genug, dass es keinen gibt.“
Kaloma dachte eine Weile darüber nach und Semjon wartete geduldig. Niemand konnte jemals überblicken, welche Folgen eine einzelne Entscheidung hatte. Im unmittelbaren Umfeld vielleicht, aber nicht besonders weit. Und alles war verbunden, überall.
„Nein“, sagte Kaloma schließlich. „Auch wenn es einen Plan gibt, wir würden nicht wissen, welche Folgen unsere Entscheidungen haben.“
„Die Zweifel würden bleiben“, bestätigte Semjon.
„Glaubst du, dass es einen Plan gibt?“
„Ich glaube daran, dass es einen Unterschied macht, welche Entscheidungen wir treffen. Und ich glaube daran, dass wir frei dazu sind, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen. Vielleicht gibt es einen Plan, aber wir sind nicht an ihn gebunden. Wir können ihn verändern.“
„Und wir würden nicht einmal wissen, dass wir ihn verändert haben“, vollendete Kaloma. Es klang hoffnungslos. Ein wenig bitter, das auch. „Wo liegt da der Sinn?“
„Wenn es einen Plan gäbe“, fragte Semjon statt einer Antwort, „würdest du dann wissen wollen, wie er aussieht?“
„Nur, wenn ich weiß, dass ich ihn ändern kann.“
„Das würdest du nicht.“
„Das würde ich nicht?“
Semjon schüttelte den Kopf. „Das würdest du nicht. Wenn du den Plan kennst, und ihn ändern kannst, dann weißt du auch, dass jeder andere ihn ändern kann. Du wärst also viel zu sehr damit beschäftigt, alle diese möglichen Änderungen zu bewerten und herauszufinden, wie du sie beeinflussen kannst, um überhaupt noch etwas zu tun.“
„Wenn nur ich den Plan beeinflussen kann…“
„Das ist sehr selbstverliebt, findest du nicht? Du willst einen Plan, und du willst als Einziger die Möglichkeit, ihn zu ändern.“
Kaloma wurde rot ob dieses Hinweises. „Ich würde mich sicherer fühlen“, verteidigte er sich.
Semjon lächelte. „Das würden wir alle. Aber das ist nicht der Weg des Lebens.“
Kaloma schwieg. Das Blut wich nur langsam aus seinen Wangen und er hielt den Blick gesenkt.
„Warum ist das Leben so kompliziert?“ wollte er schließlich wissen.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Semjon ehrlich. „Aber ich denke, es liegt daran, dass wir alle unterschiedlich sind und unterschiedliche Dinge wollen. Darum kommen wir uns gegenseitig in die Quere.“
„Das erklärt nicht zerstörerische Überflutungen oder verheerende Stürme.“
„Nein. Das erklärt es nicht. Aber vielleicht gibt es tatsächlich einen Plan, zu dem solche Ereignisse gehören.“
„Glaubst du an einen Plan, Spiegeltänzer?“
Semjon wies Kaloma nicht darauf hin, dass er dieselbe Frage bereits gestellt hatte. Er glaubte auch nicht, dass der junge Mann eine andere Antwort erwartete.
„Ich glaube daran, dass unsere Entscheidungen einen Unterschied machen“, sagte er darum. „Und dass wir darum versuchen sollten, sie weise zu treffen.“
„Darum tanzt du?“
„Ich tanze, weil ich nicht anders kann. Es ist das, was ich tun will.“
„Deine Entscheidung.“
„Meine Entscheidung. Und ich habe sie nie bereut.“
„Ich wünschte, es wäre so einfach, wie es klingt.“
Semjon beobachtete Kaloma nachdenklich. Der junge Mann hatte sich zurückgelehnt und sah jetzt zur Decke der Höhle hoch, als hoffe er, dort eine Antwort zu finden. Semjon wusste, es gab keine Antwort. Er hatte viele Menschen getroffen wie Kaloma. Menschen, die zweifelten, die nicht wussten, was sie mit ihrem Leben anfangen wollten. Menschen, die davon überfordert waren, dass ihnen niemand sagte, was sie tun sollten. Wo der Sinn lag, nach dem sie sich sehnten. Die meisten lernten, mit diesem Gefühl zu leben. Damit, und mit der Angst.
„Ob es einen Plan gibt oder nicht, spielt keine Rolle“, sagte Semjon schließlich. Es war nicht viel, aber es war das Beste, was er anzubieten hatte. „Aber irgendetwas gibt es. Etwas, was wohlgesonnen ist und Hilfe gibt.“
Kaloma warf ihm einen zweifelnden Seitenblick zu. „Woher weißt du das?“ fragte er.
„Wenn ich tanze“, erinnerte Semjon. „Bekomme ich Antworten.“
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