Integration von Planetenystemen

  • So, das hier wollte ich schon vor einer Ewigkeit reinstellen.


    Ich habe auf dem WBT 2016 einen Workshop gehalten zum Thema "Numerische Integration von Planetensystemen" und wollte dieses Angebot endlich auf das gesamte Forum ausweiten. Es richtet sich an Bastler, die ein Universum haben, das nach denselben pyhsikalischen Gesetzen wie unseres funktioniert und die ein Sonnensystem mit mehreren Sternen und/oder Planeten haben. Ich arbeite als Masterarbeit an Themen der Stabilität in solchen Systemen und habe dadurch einiges an Erfahrung dazu. Ich kann, wenn ihr mir die Daten für ein System gebt, eine Integration damit durchführen und schauen, ob es über längere Zeit stabil bleibt. Alternativ kann ich auch aus Textbeschreibungen ein System basteln und schauen, wie ich das stabil kriege. Falls ihr interessiert seid, nütlziche Informationen für mich wären:


    -Massen von Stern und Planeten (bevorzugt alles in Sonnenmassen)
    -Abstände der einzelnen Planeten (bevorzugt in Astronomischen Einheiten)
    -Exzentrizität und Neigungen der Bahnen, falls da irgendwas festgelegt sein soll


    Eine Million Jahre Rechenzeit sollten bei einer einstelligen oder knapp zweistelligen Zahl von Objekten kein Problem sein, 10 oder 100 Millionen sind je nach System auch drin, wenn ich gerade nichts anderes rechnen muss. Wenn das System am Anfang chaotisch ist, werde ich versuchen, euch eine stabile Lösung zusammen zu basteln, was vielleicht zwei, drei Versuche braucht. Ich kann auch beim fertigen System abschätzen, wann welche Planeten am Himmel zu sehen sein werden, wie oft und wie hell sie sind, zumindest ungefähr, oder auch wie lang Jahreszeiten dauern.


    Was mein Integrator nicht kann:
    -hierarchische Systeme, also Stern-Planet(en) und Planet(en)-Mond(e) gleichzeitig, das müsste ich jeweils separat machen. Mit Doppelsternen ab ich wenig Erfahrung, aber machbar wäre es schätze ich, kompliziert wirds nur, wenn beide Sterne Planeten haben sollen.
    -relativistische Effekte, aber das ist nur bei sehr engen Systemen überhaupt messbar und auch da nicht wirklich entscheidend
    -Kollisionen, Magnetfelder und alles was über das Rechnen mit Punktmassen hinaus geht.

    Und manchmal, manchmal, reimt sich irgendwas auf "od"


    Unterschätzen Sie niemals das dramaturgische Potential eines Kopfbahnhofes!

  • *staubwedel* *hust*

    Hi,

    ist dein Angebot noch aktuell? Falls ja, würde ich es gerne in Anspruch nehmen wollen, wobei es mir primär um ein Riesenplanet-Riesenmond-System geht (und ob da weitere größere Monde möglich sind), aber in einem zweiten Schritt Zusatzinfos zum physikalisch möglichen gesamten Planetensystem wären natürlich auch sehr brauchbar (da bin ich noch flexibel).

    Und wie möchstes Du meine "Aufgabe" haben? Hier als Antwort oder per "Konversation"? (mir ist es egal, ich hab da keine Geheimnisse)

  • Uff, das ist vier Jahre her, dass ich das das letzte Mal gemacht habe... ich weiß nicht, ob ich Zeit habe, mich da nochmal einzuarbeiten. Abgesehen davon, dass ich die Programme auf diesem Rechner hier noch nie ausprobiert habe. Ich kann hier nichts zusagen an der Stelle.


    Und wie schon in meinem Startpost geschrieben: Stern/Planeten und Planet/Monden gemeinsam berechnen geht nicht. Du kannst gerne bekannte Daten hier in den Thread schreiben, zumindest mal drüberschauen kann ich ja...

    Und manchmal, manchmal, reimt sich irgendwas auf "od"


    Unterschätzen Sie niemals das dramaturgische Potential eines Kopfbahnhofes!

  • Danke für die extrem schnelle Antwort :)

    Erst mal: Das Ganze hat überhaupt keine Eile.

    Und ja, gleichzeitig muss ja nicht beides berechnet werden, wobei ich mir das ganze Planetensystem eher einfacher mache (ich kupfere einfach von unserem ein wenig ab, da sollte es keine Copyrightprobleme geben ;) ).


    Also, mal sehen, was ich bisher habe:

    • der Planet sollte etwa die 2-fache Jupitermasse haben
    • ihn umkreist u.a. ein Mond von etwa 1,5-facher Marsmasse (ist aber nicht viel größer als Mars, nur schwerer (um eine Atmosphäre halten zu können), sollte hier aber egal sein, denke ich)
    • wenn ich mich nicht um ein paar Potenzen verhauen habe, sollte der Planet damit ca. 3800-mal(?) schwerer als der Mond sein
    • die Umlaufzeit des Mondes sollte ca. 5-10 Erden-Tage dauern (ist nicht so wichtig), lieber etwas mehr (=größere Entfernung), damit die Strahlung des Planeten nicht zu heftig ist; bei ohnehin gebundener Rotation ist zur Not die planetenzugewandte Seite wüst und leer und unbelebt
    • die Gezeitenkräfte des Planeten sollten nicht zu heftig auf den Mond wirken (Stichwort: Io), aber noch "spürbar" sein, damit schwacher Vulkanismus möglich ist

    Ist das so überhaupt möglich? Und wenn ja, sind innerhalb (Bonusaufgabe: auch außerhalb?) des Mondorbits noch weitere größere Monde (ca. Io-/Europa-Größe) denkbar? Oder nur Ringe/Trümmer? (Oder ist ein Ringsystem hier sogar eher unwahrscheinlich?) Und welchen Abstand ungefähr hätte der Mond vom Planeten bzw. müsste haben, damit das so einigermaßen physikalisch zusammenpasst?

    (zum Vergleich: Ganymed ist ca. 1 Mio km von Jupiter entfernt und braucht etwas mehr als 7 Tage für einen Umlauf; ich weiß nicht, wie sich die doppelte Planetenmasse nun auf das Ganze auswirkt, um z.B. ebenso 7 Tage Umlaufzeit zu erhalten)

    Noch eine Bonusaufgabe: Ist meine Annahme möglicherweise nicht völlig falsch, dass das Supermagnetfeld des Gasriesen auch den Mond vor Sonnenteilchen usw. schützen sollte (analog zum Magnetfeld der Erde) und der Mond somit zum Biosphären-Schutz nicht unbedingt ein eigenes benötigt?


    Zum Gesamtsystem habe ich mir gedacht, dass ...

    • der Doppeljupiter ungefähr in 1-1,2 AE Abstand um eine "handelsübliche", ca. 4-5 Mrd. Jahre alte gelbe Normalo-Sonne kreist, die habitable Zone (für den Mond nötig) sollte dann ähnlich wie bei unserer Sonne sein.
    • bei genau 1 AE Abstand und identischer Sternenmasse sollte ein Jahr genauso lang dauern wie auf der Erde ... oder?

    Sind dann innerhalb des Planetenorbits um die Sonne weitere Planeten möglich? (wenn ja: wo in etwa, wie viele, nur Gas- oder nur Gesteinsplaneten oder spielt das keine Rolle?)

    Oder wird das Gesamtsystem zu instabil, wenn es weitere Gasriesen gibt (wenn auch kleiner als z.B. Saturn)?

    Ich brauche zwar hier nicht unbedingt weitere Planeten, aber es wäre schöner für die Mondbewohner, wenn sie nachts ab und zu weitere Planeten und Nachbarmonde sehen könnten. Von einem Ringsystem hätten sie ja nichts, wenn sie nur auf der planetenabgewandten Seite leben.


    Vielen Dank schon mal, selbst wenn Du nur 1-2 meiner tausend Fragen %-) beantworten kannst ...

  • Erstmal: Für das reine Zweikörperproblem braucht man keinen Integrator, da reichen die Keplerschen Gesetze. Relation zwischen Umlaufzeit, Masse und Abstand ist


    (Umlaufzeit in Sekunden)2 =4*Pi*(Große Halbachse in Metern3)/(Gesamtmasse der Beiden Körper in kg* Gravitationskonstante)


    Berechnungen am besten immer erst in SI-Einheiten (Meter, Kilogrmm, Sekunden) machen und erst das Endergebnis in eine intuitivere Einheit umrechnen.


    Für das innere und äußere Limit gibt es zwei Abschätzungen, die man verwenden kann: Roche-Grenze und Hill-Sphäre. Der Bereich zwischen diesen Abschätzungen ist für Monde prinzipiell denkbar. Wie massereich die jetzt genau sein dürfen, um sich gegenseitig nicht zu stark zu beeinflussen, genau das ist dann die Aufgabe vom Integrator. Mein eingerostetes Bauchgefühl sagt, dass bei einem marsgroßen Mond um einen Doppeljupiter sicher innen und außen noch ein paar kleine Monde Platz haben. Ein größerer wäre sehr wahrscheinlich in einer Bahnresonanz, also seine Umlaufzeit stünde in einem ganzzahligen Verhältnis zum Hauptmond. Ringe sind grundsätzlich zu erwarten.


    Mit Magnetfeldern und Gezeitenkräften kenne ich mich nicht so gut aus, ich würd aber sagen, das kriegt man schon hin. Wir haben so wenig Ahnung von Planetensystemen, die nicht das Sonnensystem sind, dass ein kategorischer Ausschluss auf dem Level mir nicht als angemessen erscheint.


    Zum Gesamtsystem: Wir kennen genug Beispiele mit vielen massereichen Planeten innerhalb von 1 AE. Du kannst dich gerne mal durch diesen Online-Katalog wühlen. Vieles Konstellationen, wo man vor der Entdeckung gesagt hätte, dass das von der Theorie her gar nicht zu erwarten gewesen wäre. Ich hab auf meinem Rechner noch einen Plot gefunden, was so typische Größenordnungen bisher entdeckter Planeten (Stand 2015) waren:


    Ein Beispiel für ein Mehrplanetensystem wäre 55 Cancri mit zwei Gasriesen, zwei Super-Neptunen und einer Super-Erde, alle bis auf den einen Gasriesen unter 1 AE. Prinzipiell funktioniert es also, um konkret für ein System die Stabilität zu berechnen braucht man die konkreten Zahlen.


    Meta-Hinweis: Ich bin mittlerweile seeeeehr weit vom "realistischen" Weltenbasteln weg und es fällt mir schwer aus meinem Fachwissen Bastelratschläge zu machen. Als Bastler ist mein Impuls "Ist eh alles nicht so wichtig, mach einfach, wie du es am coolsten findest", aber ich weiß natürlich nicht, um welche Art von Welt es dir hier geht und ob physikalisch korrekte Planetensysteme Teil deiner Ästhetik sind. Hoffe trotzdem, dass dir die Infos etwas Kontext geben.

    Und manchmal, manchmal, reimt sich irgendwas auf "od"


    Unterschätzen Sie niemals das dramaturgische Potential eines Kopfbahnhofes!

  • Vielen Dank für deine Erläuterung, Einschätzung und die Zeit, die Du dafür aufgewendet hast :agree:

    Das hat mir schon sehr geholfen. So exakt brauche ich die Zahlen nicht (bis auf Umlaufzeiten und relative Masse- und evtl. Abstandsverhältnisse werden vermutlich keine konkreten Zahlen erwähnt), ich wollte vor allem vermeiden, dass es komplett unrealistisch wird.

    Ich bastle ehrlich gesagt auch lieber ungefähr nach der Formel "(abgeschätzte) Quadratwurzel aus (Bauchgefühl * Halbwissen * Menschenverstand) + 1-2 Teelöffel ISSO", aber vor allem in einem SF-nahen Setting schadet es nicht, wenn es zumindest möglich erscheint statt völlig undenkbar, sodass sich jeder Astronomie/-physik-Erstsemester-Student die Haare raufen würde %-)


    Ja, dass es viele Beispiele für Gas- und andere Riesen innerhalb von 0,1-1 AE um Sterne gibt, war mir bekannt, aber häufig handelt es sich dabei um Rote Zwerge, daher war ich mir unsicher, ob das auch für Sterne wie unserer Sonne gelten würde; da sind die "Massenverhältnisse" doch etwas anders (die Listen der Exoplaneten sind mittlerweile seeehr lang und unübersichtlich). Aber es kann auch schlicht daran liegen, dass Rote Zwerge mit nahen Gas/Eisriesen schlicht einfacher zu entdecken sind als "Gelbe Normalos" oder gar Rote Riesensterne mit nahen (und erst recht fernen) Gas/Eisriesen: Die Sterne wackeln weniger und Bedeckungen/Verdunkelungen durch die Planeten fallen auch viel schwächer aus.


    Nochmal vielen Dank! :)

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