Warum denken die Leute, dass Frauen weibliche Charaktere schreiben sollten?
Ich habe viele, viele Gründe gesehen, aber diese treten immer wieder zu Tage:
- Es gibt nicht genug starke weibliche Vorbilder in der Literatur, mit denen Mädchen betonen können. [Anm. d. Übs.: Limyaael benutzt hier das Wort „emphasize“, also betonen, hervorheben. Normalerweise kenne ich in diesem Zusammenhang das Wort „sich identifizieren“ oder „repräsentiert werden“, aber ich benutze ihre ulkige Wortwahl, weil das passend klingt.]
- Eine Frau, die keine weiblichen Charaktere schreibt, ist keine Feministin.
- Menschen können realistisch gesehen nur einen Charakter des gleichen Geschlechts schreiben.
- Das Nichtschreiben einer weiblichen Figur könnte darauf hindeuten, dass eine Frau von sich selbst entfremdet ist.
- Männliche Charaktere zu schreiben bedeutet, es sich leicht zu machen.
Und deshalb funktionieren die nicht für mich:
- Ich werde jetzt ein bisschen persönlich, aber ich verstehe nicht, dass viele Leute, die ich getroffen habe, auf den Fernsehbildschirm oder die gedruckte Seite schauen und eine Reflektion von sich selbst im Rückblick sehen. Klar, es ist in der Regel keine perfekte Reflexion – das heißt, der Charakter muss nur dem entsprechen, was ihnen über sich selbst am Wichtigsten erscheint, sei es Geschlecht oder Rasse oder Religion oder sexuelle Orientierung oder Hintergrund oder etwas anderes (wobei das nicht völlig beliebig ist). Aber ich verstehe die Frauen, die ich online kennengelernt habe, überhaupt nicht, die sagen, dass der Mangel an Widerspiegelung in den Medien und Geschichten einen Mangel an Vorbildern bedeutet, und dass, wenn sie keine Bücher mit "starken weiblichen Charakteren" (natürlich alle verschieden definiert) lesen, sie sich selbst wertlos fühlen. Kann mir jemand bitte sagen, wo zum Henker das her kommt? Ich habe als Kind viele Märchen gelesen und Fiktion. Die meisten von ihnen handelten von Tieren, wie alle Sachbücher, die ich las (zum Beispiel TIME-Bücher über Evolution, Insekten und so weiter). Ich ignorierte die menschlichen Charaktere. Aber irgendwie brauchte ich keine menschlichen "Vorbilder". Die Tiere hatten natürlich in der Regel menschliche Eigenschaften, aber die einfache Tatsache, dass die Hauptfigur von Bichu der Jaguar ein Jaguar anstelle eines Mädchens war, machte ihre Geschichte nicht weniger berührend für mich, oder ihren Mut weniger inspirierend. Die Art und Weise, wie einige Frauen über Bücher mit männlichen Charakteren sprechen, ist so, als ob die Idee, dass die Figur eine andere Reihe von Genitalien hat, sofort alle Ideen der Gemeinsamkeit abschneidet. So ein Murks! Das sind Menschen, die so stark mit sich selbst identifiziert sind, dass sie nicht über sich hinausblicken können, dass sie eine externe Validierung benötigen. Wenn es Leute gibt, von denen du sagen würdest, du kannst dich in ihnen einfach nicht wiederfinden, wie unterscheidet sich das von einem Mann, der behauptet, dass er sich in Frauen nicht wiederfinden kann? Das wäre jedoch falsch, so diese Leute, denn Männer müssen "ihre weibliche Seite" pflegen. Was ist mit Mädchen, die ihre männliche Seite pflegen müssen? Oder am einfachsten- nur Bücher lesen, die wirklich ordentliche Geschichten und gute Charaktere haben? Ist eine Figur besser, weil sie Brüste hat?
- Schon wieder kompletter Murks. Schlechte Schreiber schreiben einen Charakter des anderen Geschlechts schlecht, aber wieder denke ich, dass das ein selbstzentriertes Problem ist, das aus der Idee resultiert, dass man jederzeit in seinem eigenen Kopf leben und an seiner Identität festhalten muss, als wäre es ein Rettungsboot. Ich habe Mädchen online getroffen, die sagen: "Ich habe Angst, männliche Charaktere zu schreiben, weil ich Männer nicht wirklich verstehe." Woher wissen Sie, ob Sie dies tun oder nicht, bis Sie es versucht haben? Und woher weißt Du, dass Du Deinen männlichen Charakter nicht verstehen wirst? Die besten Charaktere sind Individuen, nicht Stellvertreter und Repräsentanten für Männer oder Frauen überall.
- Dies gilt nur, wenn Du denkst, dass das physische Geschlecht eines Körpers alles über die Person in ihm bestimmt. Dies ist die Provinz der Menschen, die denken, dass Frauen "natürlich" gute Mütter sind, süße, gute Kommunikatoren, in Kontakt mit der Erde und so weiter und so fort der süße Bullshit hört einfach nie auf, und dass Männer "natürlich" böse proletenhafte Halunken sind, inklusive Mundgeruch. Eine Frau, die männliche Charaktere schreibt, ist angeblich "konditioniert", um so zu schreiben. Dies greift wieder die Vorstellung auf, dass Menschen Maschinen sind und dass die Menschen, die erklären, dass diese Frauen konditioniert sind, die Glücklichen sind, die außerhalb des Käfigs stehen. Sagt mir, meine Lieben: Wenn diese Konditionierung allgegenwärtig ist, wie seid ihr ihr entkommen? Antwort ist natürlich, dass sie es nicht getan haben; sie haben gerade erklärt, dass man, um ihm zu entkommen, einem bestimmten Rezept folgen muss. Dann kann die Person, die den Rezepten folgt, sich den Menschen anschließen, die glauben, sie seien über den der "Schafherde" der einfachen Massen, und genießen es, auf andere herabzuschauen. Ganz schön krasser Grund um Frauen zu schreiben, wenn ihr mich fragt. Würdest Du nicht einen Charakter schreiben, der zu Dir kam und Dir seine Geschichte anvertraute, unabhängig davon, ob du einen Mann, eine Frau, einen Wolf oder ein fühlendes Schwert schreibst?
- Wie genau? Sich womit genau leicht machen? Es herrscht hier eine Vorstellung, dass eine Frau ihre "Seite" im Stich lässt, wenn sie eine männliche Figur schreibt. Ich sage euch: Ich weigere mich zu glauben, nur weil ich mit einer bestimmten Reihe von Genitalien geboren wurde, dass mich das Teil der einen oder anderen Armee im "endlosen Krieg der Geschlechter" macht. Nicht alle Frauen sind meine Schwestern oder meine Feinde; nicht alle Männer sind meine Brüder oder meine Feinde. Ich kenne böse Bastarde und gehässige Schlampen. Ich glaube nicht, dass ich den leichten Weg wähle, wenn ich eine männliche Figur schreibe, was die meisten von mir bisher waren, weil ich nicht dazu neige, mich selbst in einer bestimmten Schreibtradition zu verordnen. Sagt mir, in welcher Tradition ich schreibe und was ihre Erkennungsmerkmale sind - und zeigt mir einen Nachweis dafür, jenseits eurer eigenen oder der Schriften eurer eigenen "Experten".
- Das ist der schwächste Einwand von allen, denn er geht zurück auf die Idee, Dich von jemand anderem beschriften zu lassen. Also liest jemand meine Geschichte, in der die weibliche Figur versucht, ihren Geliebten zu ermorden, und dabei zurückermordet wird und erklärt mich zu "einem Antifeministen". Macht mich das zu einem? Nein, natürlich nicht. Andere Leute mögen entscheiden, dass ich es bin, aber wenn sie mich nicht davon überzeugen können, vertrete ich das nicht wirklich. Ich bin das, was ich sage, ich bin, nicht das, was mir nachgesagt wird. Die Leute ärgern sich viel zu sehr über Etiketten und Beleidigungen, als ob jemand, der sagt: "Ich denke, du bist eine Bitch!" ernst genommen werden sollte und wir uns davon einschüchtern lassen sollten. Ich habe noch nie eine Definition von „Feministin“ gesehen, die von Gruppe zu Gruppe gleichbleibend war oder objektive Kriterien hatte, also fühle ich mich vollkommen frei, mich zu nennen, wie ich will, und die anderen so zu bezeichnen, wie ich will. Wenn die sich darüber aufregen, dann heult doch!
Dieser Essay erwuchs, weil ich von Leserinnen eines Buchs hörte, die einem Buch eine niedrige Wertung verpassten, weil die weibliche Figur- die ihren Geliebten um Geld verriet und den ganzen Weg hindurch schmierig war - am Ende des Buches starb. "Wie wagen Sie es!", schrien sie über die Autorin. "Sie sagt, dass es okay ist, Frauen zu töten!" Egal, dass die Autorin weiblich ist und, dass die andere weibliche Figur des Buchs, die viel stärker war und viele Tugenden hatte, am Ende lebte. Nein, sie hat eine weibliche Figur getötet. Wie kann sie nur! Dadurch verlieren jedes Jahr Millionen junge Mädchen ihr Selbstwertgefühl für den Rest ihres Lebens.
Tut mir leid, dass ich als Frau zur Welt kam - oder zumindest, dass ich bestimmte körperliche Merkmale teile, wodurch Arschlöcher mich als einen natürlichen Verbündeten betrachten.