Limyaael's Fantasy Rants übersetzt

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  • Charakter-Geschlecht


    Warum denken die Leute, dass Frauen weibliche Charaktere schreiben sollten?


    Ich habe viele, viele Gründe gesehen, aber diese treten immer wieder zu Tage:


    • Es gibt nicht genug starke weibliche Vorbilder in der Literatur, mit denen Mädchen betonen können. [Anm. d. Übs.: Limyaael benutzt hier das Wort „emphasize“, also betonen, hervorheben. Normalerweise kenne ich in diesem Zusammenhang das Wort „sich identifizieren“ oder „repräsentiert werden“, aber ich benutze ihre ulkige Wortwahl, weil das passend klingt.]
    • Eine Frau, die keine weiblichen Charaktere schreibt, ist keine Feministin.
    • Menschen können realistisch gesehen nur einen Charakter des gleichen Geschlechts schreiben.
    • Das Nichtschreiben einer weiblichen Figur könnte darauf hindeuten, dass eine Frau von sich selbst entfremdet ist.
    • Männliche Charaktere zu schreiben bedeutet, es sich leicht zu machen.

    Und deshalb funktionieren die nicht für mich:


    • Ich werde jetzt ein bisschen persönlich, aber ich verstehe nicht, dass viele Leute, die ich getroffen habe, auf den Fernsehbildschirm oder die gedruckte Seite schauen und eine Reflektion von sich selbst im Rückblick sehen. Klar, es ist in der Regel keine perfekte Reflexion – das heißt, der Charakter muss nur dem entsprechen, was ihnen über sich selbst am Wichtigsten erscheint, sei es Geschlecht oder Rasse oder Religion oder sexuelle Orientierung oder Hintergrund oder etwas anderes (wobei das nicht völlig beliebig ist). Aber ich verstehe die Frauen, die ich online kennengelernt habe, überhaupt nicht, die sagen, dass der Mangel an Widerspiegelung in den Medien und Geschichten einen Mangel an Vorbildern bedeutet, und dass, wenn sie keine Bücher mit "starken weiblichen Charakteren" (natürlich alle verschieden definiert) lesen, sie sich selbst wertlos fühlen. Kann mir jemand bitte sagen, wo zum Henker das her kommt? Ich habe als Kind viele Märchen gelesen und Fiktion. Die meisten von ihnen handelten von Tieren, wie alle Sachbücher, die ich las (zum Beispiel TIME-Bücher über Evolution, Insekten und so weiter). Ich ignorierte die menschlichen Charaktere. Aber irgendwie brauchte ich keine menschlichen "Vorbilder". Die Tiere hatten natürlich in der Regel menschliche Eigenschaften, aber die einfache Tatsache, dass die Hauptfigur von Bichu der Jaguar ein Jaguar anstelle eines Mädchens war, machte ihre Geschichte nicht weniger berührend für mich, oder ihren Mut weniger inspirierend. Die Art und Weise, wie einige Frauen über Bücher mit männlichen Charakteren sprechen, ist so, als ob die Idee, dass die Figur eine andere Reihe von Genitalien hat, sofort alle Ideen der Gemeinsamkeit abschneidet. So ein Murks! Das sind Menschen, die so stark mit sich selbst identifiziert sind, dass sie nicht über sich hinausblicken können, dass sie eine externe Validierung benötigen. Wenn es Leute gibt, von denen du sagen würdest, du kannst dich in ihnen einfach nicht wiederfinden, wie unterscheidet sich das von einem Mann, der behauptet, dass er sich in Frauen nicht wiederfinden kann? Das wäre jedoch falsch, so diese Leute, denn Männer müssen "ihre weibliche Seite" pflegen. Was ist mit Mädchen, die ihre männliche Seite pflegen müssen? Oder am einfachsten- nur Bücher lesen, die wirklich ordentliche Geschichten und gute Charaktere haben? Ist eine Figur besser, weil sie Brüste hat?
    • Schon wieder kompletter Murks. Schlechte Schreiber schreiben einen Charakter des anderen Geschlechts schlecht, aber wieder denke ich, dass das ein selbstzentriertes Problem ist, das aus der Idee resultiert, dass man jederzeit in seinem eigenen Kopf leben und an seiner Identität festhalten muss, als wäre es ein Rettungsboot. Ich habe Mädchen online getroffen, die sagen: "Ich habe Angst, männliche Charaktere zu schreiben, weil ich Männer nicht wirklich verstehe." Woher wissen Sie, ob Sie dies tun oder nicht, bis Sie es versucht haben? Und woher weißt Du, dass Du Deinen männlichen Charakter nicht verstehen wirst? Die besten Charaktere sind Individuen, nicht Stellvertreter und Repräsentanten für Männer oder Frauen überall.
    • Dies gilt nur, wenn Du denkst, dass das physische Geschlecht eines Körpers alles über die Person in ihm bestimmt. Dies ist die Provinz der Menschen, die denken, dass Frauen "natürlich" gute Mütter sind, süße, gute Kommunikatoren, in Kontakt mit der Erde und so weiter und so fort der süße Bullshit hört einfach nie auf, und dass Männer "natürlich" böse proletenhafte Halunken sind, inklusive Mundgeruch. Eine Frau, die männliche Charaktere schreibt, ist angeblich "konditioniert", um so zu schreiben. Dies greift wieder die Vorstellung auf, dass Menschen Maschinen sind und dass die Menschen, die erklären, dass diese Frauen konditioniert sind, die Glücklichen sind, die außerhalb des Käfigs stehen. Sagt mir, meine Lieben: Wenn diese Konditionierung allgegenwärtig ist, wie seid ihr ihr entkommen? Antwort ist natürlich, dass sie es nicht getan haben; sie haben gerade erklärt, dass man, um ihm zu entkommen, einem bestimmten Rezept folgen muss. Dann kann die Person, die den Rezepten folgt, sich den Menschen anschließen, die glauben, sie seien über den der "Schafherde" der einfachen Massen, und genießen es, auf andere herabzuschauen. Ganz schön krasser Grund um Frauen zu schreiben, wenn ihr mich fragt. Würdest Du nicht einen Charakter schreiben, der zu Dir kam und Dir seine Geschichte anvertraute, unabhängig davon, ob du einen Mann, eine Frau, einen Wolf oder ein fühlendes Schwert schreibst?
    • Wie genau? Sich womit genau leicht machen? Es herrscht hier eine Vorstellung, dass eine Frau ihre "Seite" im Stich lässt, wenn sie eine männliche Figur schreibt. Ich sage euch: Ich weigere mich zu glauben, nur weil ich mit einer bestimmten Reihe von Genitalien geboren wurde, dass mich das Teil der einen oder anderen Armee im "endlosen Krieg der Geschlechter" macht. Nicht alle Frauen sind meine Schwestern oder meine Feinde; nicht alle Männer sind meine Brüder oder meine Feinde. Ich kenne böse Bastarde und gehässige Schlampen. Ich glaube nicht, dass ich den leichten Weg wähle, wenn ich eine männliche Figur schreibe, was die meisten von mir bisher waren, weil ich nicht dazu neige, mich selbst in einer bestimmten Schreibtradition zu verordnen. Sagt mir, in welcher Tradition ich schreibe und was ihre Erkennungsmerkmale sind - und zeigt mir einen Nachweis dafür, jenseits eurer eigenen oder der Schriften eurer eigenen "Experten".
    • Das ist der schwächste Einwand von allen, denn er geht zurück auf die Idee, Dich von jemand anderem beschriften zu lassen. Also liest jemand meine Geschichte, in der die weibliche Figur versucht, ihren Geliebten zu ermorden, und dabei zurückermordet wird und erklärt mich zu "einem Antifeministen". Macht mich das zu einem? Nein, natürlich nicht. Andere Leute mögen entscheiden, dass ich es bin, aber wenn sie mich nicht davon überzeugen können, vertrete ich das nicht wirklich. Ich bin das, was ich sage, ich bin, nicht das, was mir nachgesagt wird. Die Leute ärgern sich viel zu sehr über Etiketten und Beleidigungen, als ob jemand, der sagt: "Ich denke, du bist eine Bitch!" ernst genommen werden sollte und wir uns davon einschüchtern lassen sollten. Ich habe noch nie eine Definition von „Feministin“ gesehen, die von Gruppe zu Gruppe gleichbleibend war oder objektive Kriterien hatte, also fühle ich mich vollkommen frei, mich zu nennen, wie ich will, und die anderen so zu bezeichnen, wie ich will. Wenn die sich darüber aufregen, dann heult doch!

    Dieser Essay erwuchs, weil ich von Leserinnen eines Buchs hörte, die einem Buch eine niedrige Wertung verpassten, weil die weibliche Figur- die ihren Geliebten um Geld verriet und den ganzen Weg hindurch schmierig war - am Ende des Buches starb. "Wie wagen Sie es!", schrien sie über die Autorin. "Sie sagt, dass es okay ist, Frauen zu töten!" Egal, dass die Autorin weiblich ist und, dass die andere weibliche Figur des Buchs, die viel stärker war und viele Tugenden hatte, am Ende lebte. Nein, sie hat eine weibliche Figur getötet. Wie kann sie nur! Dadurch verlieren jedes Jahr Millionen junge Mädchen ihr Selbstwertgefühl für den Rest ihres Lebens.


    Tut mir leid, dass ich als Frau zur Welt kam - oder zumindest, dass ich bestimmte körperliche Merkmale teile, wodurch Arschlöcher mich als einen natürlichen Verbündeten betrachten.

  • Ach ja, den rant hatte ich schon auf Englisch gelesen.


    Was ich nicht verstehe, aber das ist nicht nur hier so, sondern an ganz vielen Stellen, wo das zu Sprache kommt: Warum meinen alle, dass man sich in irgendeiner Form selbst in der Hauptfigur einer Geschichte entdecken muss? Egal, ob jetzt nur als Leser oder als Autor. Ich kann doch nicht die einzige Person auf der Welt sein, die Geschichten mag, wenn sie die Hauptfigur attraktiv findet? Ok, mit vielen Figuren, die ich cool finde, würde ich bei klarem Verstand nie im Leben zusammen sein wollen. Aber es sind halt die Kerle, bei denen man sich wünscht, man wäre nicht bei klarem Verstand. I'm the type of guy your mum always warned you about. ;)
    Jedenfalls führt das bei mir als 08/15 cis-hetero-Frau eben dazu, dass ich nicht Frauen als Hauptfiguren mag, sondern Männer. Hey, ich brauche halt was zum Anschmachten. :sabber:

  • Mitgefühl und mitfiebern mit einer Person ist vielleicht einfacher, wenn man irgendwas mit ihr gemeinsam hat. Ich finde aber auch nicht, dass das nun das selbe Geschlecht sein muss. Das kann ein ähnliches Schicksal sein (Vater/Mutter früh gestorben) oder ein Charakterzug/ein geteiltes Problem (Introvertiertheit/Schüchtern sein). Vielleicht ja auch der selbe Beruf oder ähnliche Interessen. Ein Charakter ist ja auch die Summe seiner Eigenschaften. Ein bisschen wie bei Horoskopen, wo vielleicht immer ein bisschen zu passen scheint. Da reicht es doch, wenn es bloß ein oder zwei Gemeinsamkeiten gibt - solang die restlichen Eigenschaften nicht total widersprechen. Ein "Typ" ist ein "Typ", unabhängig vom Geschlecht. Die Geschichte mit einer weiblichen Protagonistin, die sich ausschließlich für Handtaschen, Schuhe und Schminken interessiert, würde ich zumindest nicht lesen wollen.
    Ich hab's mal mit einem entsprechenden Computerspiel probiert ("So Blonde", hätte ich mir nie gekauft, war nur eine Art Rezensionsexemplar, sonst hätte ich es gar nicht angefasst) und das hat mir bewiesen, dass das für mich einfach nicht funktioniert.


    @Shay bist du dir denn sicher, dass die Geschichten, die du dann mochtest, dich überzeugt haben, weil der Protagonist männlich war? Also hätte die gleiche Geschichte mit einer Protagonistin mit den selben Charakterzügen gar nicht funktioniert bzw dich nicht gepackt?

  • Ich muss ja zugeben, dass ich zu den Leuten gehöre, denen weibliche Protagonisten, oder zumindest interessante weibliche Figuren im Hintergrund ziemlich wichtig sind. (Die Idee, dass man das andere Geschlecht will, weil man die Protas attraktiv finden will, habe ich nie verstanden, weiß aber, dass sie ziemlich verbreitet ist.);)
    Natürlich bedeutet das nicht, dass Frauen ausschließlich weibliche Figuren schreiben sollen und die Argumente hierfür finde ich auch recht weit hergeholt.
    Trotzdem finde ich, dass Limyaael die Bedeutung der Repräsentation hier etwas verkennt, wobei die Diskussion um dieses Thema damals vermutlich auch noch eine andere war. Heute muss man Kommentare, wie Limyaael sie abgegeben hat, zwar als "weiße cis-Frau" hinnehmen, Ähnliches, also Kommentare im Stil von "jammert nicht rum, weil ihr glaubt, euch in weißen cis-männlichen Protagonisten nicht wiederzufinden" gegenüber PoC oder trans-Sexuelle würde aber höchstwahrscheinlich einen Shitstorm auslösen.
    Den Anspruch, alle Orientierungen, ethnischen Hintergründe usw. in einer Geschichte aufzunehmen finde ich auch übertrieben und unerfüllbar, aber auf dieses Thema soweit achten, wie es dem eigenen Kenntnissstand und Erfahrungshorizont und natürlich auch der Geschichte entspricht, finde ich durchaus sinnvoll.

  • @Shay bist du dir denn sicher, dass die Geschichten, die du dann mochtest, dich überzeugt haben, weil der Protagonist männlich war? Also hätte die gleiche Geschichte mit einer Protagonistin mit den selben Charakterzügen gar nicht funktioniert bzw dich nicht gepackt?

    Wie soll man sich da schon sicher sein? Es gibt ja kaum das gleiche Buch zweimal mit unterschiedlichen Protas. Aber nur so eine lose Aufzählung. An was aus Hanni und Nanni oder Dolly kann ich mich noch erinnern? Wenig. Kann ich Schreckenstein auch nach über 20 Jahren teilweise über ganze Abschnitte hinweg auswendig. Aber klar. Wollte ich Hanni sein? Nö. Hätte ich gerne Stephan von Schreckenstein als Freund gehabt. Logo (BTW: ich habe einen Stephan geheiratet, der dem Buch-Stephan gar nicht mal so unähnlich ist, nur spielt er kein Akkordeon). Wollte ich bei Bille und Zottel gerne Bille sein? Nein. Wäre ich gerne mit Simon zusammengewesen. Oh ja.
    Eine meiner Lieblingsreihen sind die Darwath-Bände von Barbara Hambly. Wegen der weiblichen Hauptfigur, die mir in ihrem Lebensweg und ihrem Charakter gar nicht mal so unähnlich ist. Nein. Wegen dem Eisfalken, einem megacoolen Krieger, der als Chara eher in der zweiten Reihe steht? Ich hab sogar mal alle Stellen, in denen er vorkommt, abgetippt, damit ich nicht immer das andere Zeug dazwischen lesen muss.
    In meinen eigenen Geschichten sind fast alle Protas Männer. Ich hab zwar auch Frauen, aber die sind deutlich schemenhafter. Wenn ich mir dann anschaue, welche der Frauen besser ausgearbeitet sind - die, die was mit einem der Männer am Laufen haben, denn dann kommen sie öfter vor.


    Ansonsten kann ich wenig über Bücher mit weiblichen Hauptfiguren aussagen, denn ich hab seit sicher 20 Jahren kein Buch mehr mit weiblichen Hauptfiguren gefunden, dass mich so vom Hocker gerissen hätte, dass ich mich da jetzt noch daran erinnern könnte (wobei mich insgesamt wenig Romane vom Hocker reißen).


    Warum das so ist, weiß ich nicht. Aber es ist einfach so. Und das ist auch keine Theorie sondern Fakt. Vielleicht liegt es daran, dass ich mit mir selbst und meinem Leben einfach zufrieden bin. Wozu sich in jemand anderen reinträumen, wenn man doch alles hat, was man will? Aber coole neue Leute kennen lernen ist immer interessant.

  • Irgendwie muss ich schon sagen, dass ich so eine totale Abneigung gegen weibliche Figuren traurig finde. Ist jetzt nicht gegen dich persönlich, ich lese das so oder so ähnlich ganz oft. Mir geht aber auch der Reiz dieser "Slash"-Geschichten" (Frauen schreiben schwule Beziehungen zwischen Männern, die sie attraktiv finden) völlig ab.
    Für mich sollte eine Geschichte interessante männliche und weibliche Figuren haben.

  • Interessanter Einblick, Shay. Ich musste bei diesem Thema sofort an Way of Kings bzw. insbesondere den zweiten Band, Words of Radiance denken. Die Bücher fand ich sehr fesselnd und da gab es männliche und weibliche Protagonisten (Kaladin, Shallan), die für mich auf ihre Weise gleichermaßen mitreißend waren. Aber es ist definitiv subjektiv. Kaladin hat mich stellenweise auch genervt. ;) Und Shallan mochte ich im ersten Band überhaupt nicht.

  • Was ich nicht verstehe, aber das ist nicht nur hier so, sondern an ganz vielen Stellen, wo das zu Sprache kommt: Warum meinen alle, dass man sich in irgendeiner Form selbst in der Hauptfigur einer Geschichte entdecken muss? Egal, ob jetzt nur als Leser oder als Autor. Ich kann doch nicht die einzige Person auf der Welt sein, die Geschichten mag, wenn sie die Hauptfigur attraktiv findet? Ok, mit vielen Figuren, die ich cool finde, würde ich bei klarem Verstand nie im Leben zusammen sein wollen. Aber es sind halt die Kerle, bei denen man sich wünscht, man wäre nicht bei klarem Verstand. I'm the type of guy your mum always warned you about.

    Ah, du sprichst damit drei unterschiedliche Dinge an: warum Leute Figuren wollen, die genau sind wie sie. Warum Autoren denken, es sei notwendig, nur nette und gute Charaktere zu schreiben. Und zuletzt das Bad Boys einen dunklen Reiz ausstrahlen.
    Zum ersten Punkt kann ich nur sagen, dass es sich dabei um eine politische Erscheinung handelt oder genau genommen um einen Versuch, die Minderheiten / Randgruppen durch eine mediale Darstellung Abhilfe zu leisten. Zwar haben die Pioniere dieser Idee (wie die Erfinderin der postkolonialen Studien, Gayatri Spivak) stets betont, dass sie Repräsentation nicht im Sinn von "Vertretung" sondern im Sinn von "Darstellung" wollen (Spivak verwendet sogar im englischen Text diese deutschen Worte). Aber letzten Endes läuft es trotzdem immer darauf hinaus, dass diese Politik die Interessen dieser Gruppen vertreten soll. Weil das keine Emanzipation bringt, versucht diese Politik immer, sich selbst zu übertreffen und den schweren Stand der Gruppe durch noch mehr Repräsentation zu lindern.


    Was den zweiten Punkt angeht, ist das eine Frage der irreführenden Wortwahl: "Sympathie". Autoren wird geraten, das Publikum brauche "sympathische Charaktere" oder der Charakter muss sympathisch rüberkommen. Den Endpunkt dieser Logik sehen wir in schrecklichen Geschichten wie "Butterfly Effect", wo, um das Mitgefühl des Publikums zu erregen, der Protagonist immer unverschuldet zum Opfer wird, ohne das die Strategie aufgeht und wir ihn in der Tat sympathisch finden (stattdessen wirkt die Inszenierung der Schikane entfremdend, es wirkt, als wolle uns jemand zwingen, den Protagonisten ins Herz zu schliessen). In Warhheit brauchen wir nur ein Innenleben, wir brauchen nur die Motivation des Charakters, um seine Geschichte nachvollziehen zu können.


    Zu Punkt drei kann ich nur sagen, ja die Bad Boys (oder Femme Fatales oder Genderqueere Gangster ;) ) können reizvoll sein, aber das ist nicht die narrative Lösung.




    Ähnliches, also Kommentare im Stil von "jammert nicht rum, weil ihr glaubt, euch in weißen cis-männlichen Protagonisten nicht wiederzufinden" gegenüber PoC oder trans-Sexuelle würde aber höchstwahrscheinlich einen Shitstorm auslösen.

    Das kommt darauf an, wer wo jammert. Sowohl das pro-Repräsentationslager als auch das anti-Repräsentationslager haben ja inzwischen (von der Opposition, nicht von den Internetriesen) geschützte Rückzugszonen, von wo aus sie ihre Shitstorms entfalten. Diese Hauptquartiere der Gekränkten sind Orte, wo das Jammern in die eine oder andere Richtung komplett normalisiert sind und auf blosse Zustimmung stossen.


    Die Shitstorms entfalten sich gegen "Dissidenten" (okay, bombastische Wortwahl) oder auf "neutralem Gebiet", wo die Opfer des Shitstorms entweder schwach und angreifbar sind oder aber komplett immun gegen Kritik und sich die Shitstormer dadurch als ultimative Opfer stilisieren.



    Den Anspruch, alle Orientierungen, ethnischen Hintergründe usw. in einer Geschichte aufzunehmen finde ich auch übertrieben und unerfüllbar, aber auf dieses Thema soweit achten, wie es dem eigenen Kenntnissstand und Erfahrungshorizont und natürlich auch der Geschichte entspricht, finde ich durchaus sinnvoll.

    Es ist gut und sollte vielleicht sogar unser gesellschaftlicher Standard unsere grundlegende Erwartunghaltung sein, ja, aber es steht eben in keinem Zusammenhang mit Emanzipation für diese Gruppen. Sobald Leute darin eine emanzipatorische Hilfe sehen, wird aus einer literarischen oder artistischen Frage genau die Art politische Massnahme, die Publikum und Schreiber zu Mitgliedern in einem sozialen Club macht, der zwar die Welt verbessern will aber zu diesem Zweck elitäre Regeln aufstellt und wer diese Regeln bricht wird rausgeschmissen.
    Wenn manche Leute wirklich so weit gehen und von Geschichten fordern, dass in ihnen alle Randgruppen gleichzeitig auftauchen, dann ist das zwar definitiv eine Ausnahme-Position, aber diese Ausnahmeposition ist kein Ausrutscher, sondern eigentlich ein total normales Weiterdenken von dieser "sozialer Club" Logik. Schliesslich erhoffen sich diese Menschen, dass sie Prestige erhalten, wenn sie sich an noch mehr Etikette-Regeln halten als die, die von ihnen gefordert wurden. Wenn sie also extra-extra kritisch gegen Autoren vorgehen und wer am allerkritischsten ist, trägt den Titel "Clubmitglied des Monats". ;) Solange Anstand als eine Art Emanzipation begriffen wird, denken alle, gerade sie sollten sich "politisch" anstrengen, indem sie besonders kleinlich auf diesen "Anstand" achten. Und dem fallen dann unzählige Geschichten und Schreiber zum Opfer.


    In meinen eigenen Geschichten sind fast alle Protas Männer. Ich hab zwar auch Frauen, aber die sind deutlich schemenhafter. Wenn ich mir dann anschaue, welche der Frauen besser ausgearbeitet sind - die, die was mit einem der Männer am Laufen haben, denn dann kommen sie öfter vor.

    Da ist es dann aber auch interessant die Frage zu stellen, ob das daran liegt, dass Männer oft aktiver geschrieben sind als Frauen. Ich meine du sagst selbst, dass Frauen dann besser ausgearbeitet sind, wenn sie mit Männern "was am Laufen haben" und das ist ja kein immanentes Prinzip des Universums, sondern eine Entscheidung der Autorin (nicht nur im generischen femininum, sondern konkret bei vielen Frauen sind die weiblichen Figuren oft passiv...siehe mein Rant zu aktiven Schurken).
    Ich weiss, dass bei dir auch die Attraktion eine Rolle spielt, aber diesen Umstand sollten wir nicht ignorieren. Ich interessiere mich deshalb für weibliche Protagonisten, weil ich passive Figuren nicht auf den Tod ausstehen kann und deshalb aktivere Frauen in Geschichten haben will, damit wir endlich mehr Spass an weiblichen Protas haben. :)

  • Gestaltwandeln


    Dieser Rant ist mit nichts verbunden... außer vielleicht den Leuten, die ich online kennen lernte, die glauben, sie seien Gestaltwandler, und die Art und Weise, wie Gestaltwandlungen oft in der Fantasy verwendet werden.


    Was mich verwirrt, ist wie oft die Person, die im Roman zum Tier wird, als Bedrohung dasteht, als reißende Bestie ohne Funken Menschlichkeit. Oder, wenn es die Art Wandler ist, die mehr als 2 Formen annimmt- wie etwa das Changeling in Terry Brooks' The Elfstones of Shannara - dann dient es der Täuschung und Intrige, aber die Bedrohung bleibt immer. Der Formschieber, Werwolf oder Dämon (oder welcher Begriff auch immer verwendet wird) ist ganz offensichtlich darauf bedacht, die menschliche Gesellschaft zu zerstören. Die Menschen müssen sich also zusammenschließen und die Bedrohung töten.


    Online ist es fast umgekehrt mit Menschen, die sich als Gestaltwandler sehen. Ich habe eine Reihe von Webseiten gelesen, die von "weres" (auch Shifter, Therianthropen und anderes genannt) geschrieben wurden, die sich dem Menschen überlegen erklärt haben und die zu der tierischen Form zurückkehren wollen, von der sie glauben, dass ihre Seele dahin gehört. Sie würden alles aufgeben - Intelligenz, Kunst, menschliche Familie, alles - für eine Chance, auf vier Füßen zu laufen. Dort werden Menschen, die sich selbst als Menschen betrachten, als schrecklich, destruktiv, dumm oder zumindest ignorant dargestellt. "Mundanes" ist der übliche Begriff, und in den Augen einiger Shifter verdienen sie nur, verlassen oder sogar getötet zu werden.


    Warum diese beiden vereinfachenden Ansichten - eine, die der Menschenwelt gewidmet ist, die andere dem Tier?


    Es macht für mich keinen Sinn, weil der Shapeshifter so gut Symbol für beides sein könnte. Er kann hin und her fließen, wenn er will, zum Besten aus beiden Welten. Ich konnte leicht den Nervenkitzel sehen, über ein solches Wesen zu schreiben, oder sogar, wenn ich anders wäre, mir selbst glauben, einer zu sein. Du hast die Freiheit, schneller zu laufen und stärker zu sein, als jeder Mensch und schöner, als viele Menschen sind. Aber auch die Fähigkeit, Kunst zu denken und zu schaffen und bequem zu leben. Nicht der Wald oder das Haus, sondern beides.


    Vielleicht ist es diese Komplexität, die das leuchtende Symbol in den Legenden verstumpfen lässt, das Tier zum Reißtier und den Menschen zum unwissenden Umweltzerstörer. Beide liefern Material für fesselnde Geschichten. Ich persönlich habe das Gefühl, dass der Wandler, der Grenzen überschreitet, eine bessere Story macht, aber vielleicht macht es Leute auch nervös. Schwarz-Weiß-Denken, der Bifurkations-Trugschluss, ist bequem und hat viel Eigenkraft. Ich habe es bei Menschen auf allen Seiten des politischen Spektrums gesehen, auch wenn sie sich der Spaltungen und Komplexitäten auf ihrer eigenen Seite vollkommen bewusst sind; sie entscheiden einfach, dass sie komplex, individuell und würdig sind, um sie gekümmert zu werden, während die andere Seite stumm und eindimensional ist. Pro-Choicer und Pro-Lifers, Demokraten und Republikaner, Feministinnen und Antifeministen, Menschen in Geschichten und Menschen, die glauben, sie seien Gestaltwandler - es ist einfacher auf diese Weise.


    Was mich bitter amüsiert, denn indem sie die Welt in das Würdige und Unwürdige aufteilen, handeln die "Weres" sehr, sehr menschlich.


    Um die Sprache der Wissenschaft zu verwenden, sind Shifter vielleicht "transgressiv", und die Menschen finden es schwierig, damit umzugehen. Oder vielleicht scheinen sie einfach irre *Zucken*

  • Fehlbare Charaktere schreiben


    Inspiriert durch einige Postings über Fehler in Mary-Sue-Gemeinschaften und anderswo.


    1. Stell zunächst sicher, dass Dein Charakter wirklich Fehler hat, und nicht nur Eigenschaften, die im Handumdrehen zum Vorteil eingesetzt werden können oder den Charakter nur vorübergehend für jemand anderen unattraktiv machen könnten. Ist es wirklich ein Makel, wenn dein Charakter zu selbstlos ist, oder wenn dein Charakter dazu neigt, ihrem Partner beim Tanzen auf die Füße zu treten? Die Selbstlosigkeit verwandelt sich zu leicht zur Ausrede, die Figur zu bewundern. Die zweite Eigenschaft ist klein, unwahrscheinlich, wird kaum in einer Situation außerhalb eines Tanzes erscheinen, und könnte höchstwahrscheinlich mit Training überwunden werden...


    2....was uns hierzu führt:. Stell sicher, dass Fehler Deines Charakters nicht mit ein wenig kreativer Problemlösung verschwinden. Fehler sind keine Probleme. Sie werden nicht so gelöst, wie man ein Logikrätsel lösen könnte. Auch wenn die Leute ihren Charakteren Fehler geben, scheint es eine Tendenz zu geben, ihnen einen Weg zu bieten, auf dem sie ihnen ausweichen können. Vielleicht hat der Charakter "eine Tendenz, sich aufzuregen", aber "hat einen kühlen Kopf, wenn es darauf ankommt." Sie ärgert sich also nur, wenn es nicht wichtig ist; in einem echten Notfall würde sie das Richtige tun und den Tag retten. *prust* Wie bequem. Der Fehler verschwindet, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er dem Charakter in die Quere kommt. So läuft das nicht. Wenn jemand dazu neigt, sich zu ärgern und bei der kleinsten Gelegenheit vor Zorn an die Decke zu gehen, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass sie kühl reagieren würde, wenn sie zum Beispiel erführe, dass sie nicht in das College ihrer Wahl kommen konnte oder, dass ihr Freund sich von ihr getrennt hatte oder, dass ihre Eltern sich scheiden ließen. Sie könnte anders reagieren - Schock statt schreien - aber wahrscheinlich nicht nur nicken und in einer Weise reagieren, wo alle Welt sie bewundern würde. Lassen Sie die Geschichte nicht als Therapie für Ihre Figur wirken, so dass sie am anderen Ende komplett glücklich, lächelnd und leuchtend wieder auftaucht, von allen fiesen Fehlern saubergeschrubbt. Fehler sollten nicht verschwinden, wenn der Charakter sie braucht.


    3. Stell sicher, dass die Fehler sich spielerisch ergänzen - das heißt, mit den anderen Fehlern, die Deinem Charakter zugewiesen hast. Jemand, den Du als arrogant beschreibst, ist wahrscheinlich nicht auch schüchtern und unsicher, außer vielleicht im Innern, wo niemand es erfahren wird. Ich empfehle, bei so einem Dillemma die schlechtere der widerspüchlichen Eigenschaften zu wählen und die andere gehen zu lassen. Wenn die Figur aufgrund der Handlung in einer bestimmten Weise handeln muss, dann musst Du sie vielleicht arrogant statt schüchtern machen, auch wenn Schüchternheit die lähmendere wäre, aber es ist schwer zu sehen, wie eine Person beides auf einmal sein könnte.


    4. Versuche nicht, den Charakter absichtlich als Gegensatz zu jemand anderem zu konstruieren. Wenn die Figur still ist, wenn sie sich zu Wort melden sollte, übergewichtig und ständig lügt, mach die Figur, die ihr schlimmster Feind ist, nicht gesprächig, dünn und zu einem absoluten Wahrheitserzähler. Kontraste funktionieren besser, wenn sie nicht so absolut sind und das Publikum ein wenig darüber nachdenken muss.


    5. Achte darauf, Deinem Charakter nicht zu viele "Schwächen" im Gegensatz zu Fehlern zu geben; Ich habe einige Charakterprofile gesehen, die dies tun. Ich definiere Schwächen als etwas, über das der Charakter keine Kontrolle hat. Wenn ich die Fehler eines Charakters als "ein schwaches Immunsystem, Allergie gegen die Sonne und Lepra" aufgelistet sehe, dann werde ich losprusten, denn das sind keine Dinge, für die der Charakter verantwortlich gemacht werden kann. Einige Autoren scheinen versucht zu sein, ihren Charaktere aller Schuld zu tilgen, was albern ist; dadurch haben sie nur eine perfekte Miss Schund. Es ist sicherlich möglich, eine Figur zu schreiben, die Unrecht hat und mit der der Leser mitfühlt, aber hat sie die ganze Zeit nur Recht, wird von Menschen nur für Dinge angeschnauzt, die ihr angeboren sind und Du wirst einige Leser verlieren, die sich mit einem Augenrollen von deiner Geschichte verabschieden.


    6. Apropos Schuld, versuch mal, dass Dein Charakter verheerende Fehler macht. Sicherlich kann jeder mindestens eine Sache im eigenen Leben nennen, die bitter bereut wird und bei denen der Wunsch besteht, dass es nie geschehen sei, und das deren Schuld war, im Gegensatz zu jemand anderem. Wenn Dein Charakter den Makel hat, ständig Geburtstage zu vergessen, was ziemlich nebensächlich ist, lass das zum Vorfall mit jemandem werden, der wirklich gehofft hatte, dass der Charakter sich an seinen Geburtstag erinnern würde. Gut geschrieben, kann sich das zu einem ausgewachsenen Kampf entwickeln, bei dem es wahrscheinlich um etwas ganz anderes geht und beide Charaktere in einem völlig neuen Licht zeigen.


    7. Überleg Dir auch, Deinem Charakter "unattraktive" Fehler zu verleihen. Damit meine ich Eigenschaften, die extrem schwer zu nutzen sind. Fehler wie schnelle Temperamente, ein Einzelgänger zu sein, zu viel Mitgefühl zu haben oder unverschämt zu sein, können sich zum Vorteil wenden und werden oft gar nicht als schmerzhaft dargestellt. Aber was ist mit einem Charakter, der Versprechen nicht hält? Wer predigt ständig, dass seine eigene Lebensweise richtig ist? Wer sagt anderen Leuten: "Ich habe es dir ja gesagt?" Diese sind schwieriger zu verändern und attraktiv zu machen. Natürlich können sie auch dazu veranlassen, dass ein Autor nicht über einen Charakter schreiben möchte. Aber hier kommt die wunderbare autorielle Doppelvision ins Spiel. Du kannst aus Sicht der Figur schreiben, mit ihr sympathisieren, während Du gleichzeitig vollkommen weisst, was externe Zuschauer (vielleicht auch Du selbst) von der Handlung denken. Du bekommst beide Standpunkte zu sehen!


    8. Und das führt in die nächste Sache. Die Figur wird ihre Fehler wahrscheinlich nicht als Fehler betrachten; sie kann durchaus die Art von Ausreden und Ausweichmaßnahmen benutzen, die Autoren oft in ihre Charakterprofile stecken. Der Trick ist nicht, die Charaktere als immer im Recht zu präsentieren, ebenso wenig wie das Gegenteil (das die Charaktere immer im Unrecht wären). Wenn sie denkt, dass all ihre Fehler ausgebügelt sind und Du es schaffst, zu zeigen, dass sie das nicht sind, gut! Wenn ihre Wahrnehmungen mit der Realität übereinstimmen und alle ihre Fehler weggebügelt wurden, dann ist das, was von diesem Charakter übrig bleiben wird, nichts als ein Pappausschnitt.


    9. Lass andere Leute realistisch auf die Fehler Deines Charakters reagieren. Wenn jemand die ganze Zeit Pause macht und jammert, werden wahrscheinlich andere Leute sie anblaffen, es sei denn, sie haben unmenschliche Selbstkontrolle oder bemitleiden sie sehr. Wenn eines dieser letzteren der Fall sein muss, für Story-Zwecke, dann zeige vielleicht wie die anderen gedanklich mit den Augen rollen, wenn sie nichts laut aussprechen. Ich kann Dir nicht sagen, wie oft ich etwas gelesen habe, was eine Figur getan hat, erwartete, dass die anderen ihr die Schuld geben, und sah, wie sie es stattdessen akzeptierten - solange die Figur der Held der Geschichte war. Kleinere Charaktere werden nicht so glücklich und werden oft von den Menschen um sie herum und sogar vom Autor für genau die gleichen Fehler, die der Lead macht, vernichtend kritisiert. Wenn der Leser grundsätzlich gegen etwas ist, was Dein Charakter sagt oder tut, kann es helfen, andere Ansichten in der Geschichte zu haben, die zustimmen, dass sie nicht die zweite Wiederkunft ist.


    Puh. Jetzt fertig.

  • Mit „Angstigen“ Charakteren umgehen (Furcht, Scheu, Beklemmung)


    1. Lass den Charakter auf die Beklemmung in einer Weise reagieren, die zur einzigartigen Geschichte dieses Charakters passt. Die meisten von uns würden wahrscheinlich in Tränen ausbrechen, wenn unsere ganze Familie vor uns ermordet sähen, aber wie lange unser Schock andauerte, wie heftig die Trauer war und was wir als nächstes täten, würde ganz von uns abhängen. Es hängt auch von Dingen wie dem Alter der Figur ab, davon wie die Familie gestorben ist, davon wie nah der Überlebende den Menschen war, die gestorben sind, und so weiter. Eine Sache, die mich an Büchern beunruhigt (wie bei vielen Fantasy-Werken), die mit einem dramatischen Vorfall beginnen, um den Charakter Existenzangst (TM) zu geben, ist, wie viele der Charaktere genau auf die gleiche Weise reagieren. Ein Mädchen vom Land, das sieht, wie ihr Dorf von Orcs abgeschlachtet wird; einem Stadtjungen, der zurückkommt, um seine Familie zu finden, die von einem Räuber ermordet wurde; einem königlichen Erben, der als Bauer aufwächst, der seine Familie von dunklen Agenten ermorden lässt - es spielt keine Rolle. Sie schreien und weinen und denken dann darüber nach, wie sie ihre Familie für den Rest ihres Lebens vermissen werden. Ständig. Trauer im wirklichen Leben ist in der Regel etwas komplexer als das. Entwickle die Existenzangst in Übereinstimmung mit der Situation und Persönlichkeit Deines spezifischen Charakters.


    2. Gehe auf Beklemmung, deren Ursache nicht mit Mord oder Vergewaltigung oder Missbrauch zusammenhängt, ein: vielleicht einfach um zu sehen, was dann passiert. Ich weiß, dass ich mich über viele Dinge geärgert habe, die nichts davon mit sich zu tun hatten. Ein erbitterter Streit kann Menschen auseinandertreiben und genug Schmerz verursachen, ohne dass ein wütender Charakter dem anderen Gewalt antut. Die Überbenutzung von Vergewaltigung und Tod betrügt Dein Publikum nur; Schau Dir an, wie die meisten Menschen auf die Abendnachrichten reagieren. Bösartigkeit anderer Art kann die Wirkung von Frische haben.


    3. Lass Deinen Charakter nicht auf klischeehafte Weise auf das traumatische Ereignis reagieren - also zum Beispiel, verwandle Deine Figur nicht wegen Vergewaltigung in eine Lesbe und gib nach der Szene des Familienschlachtens Deiner Figur nicht jede Nacht schreiende Albträume. Viele Menschen kennen diese Klischees und verlassen sich trotzdem auf sie. Es hilft auch nicht immer, der realen Psychologie zu folgen, da dies auf Fallstudien basiert und keine davon Deinem individuellen Charakter entsprechen kann. Siehe Punkt 1.


    4. Achte auf Zeichen des Traumas, die tatsächlich belasten. Selbst Missbrauchsopfer scheinen Prellungen zu bekommen, die in ein paar Tagen verblassen, oder attraktive Narben (Würgs). Was ist mit einer Markierung - besonders relevant, wenn die Figur ein Gefangener, ein Sklave oder sonst in einer Situation ist, in der niemand einen Grund hat, sie gut zu behandeln - die die Hälfte ihres Gesichts bedeckt, oder Wunden, die ihre Fähigkeit, sich zu bewegen, wenn sie geheilt wird, stören, oder einen gebrochenen Knochen, der schlecht gesetzt ist, so dass sie ihren Arm nie wieder wirklich benutzen kann? Es ist erstaunlich, wie selten diese auftauchen - und wenn sie es tun, werden sie mit einer Plattitüde von der wahren Liebe des Charakters über "Du bist mir sowieso schön" entschuldigt. Allzu oft scheint das Leiden vorübergehend, und das verbilligt es. Erforsche, was Verbrennungen oder Folter jemandem antun könnten, sowohl körperlich als auch geistig. Und lies die Bücher Deines Genres, die sich damit beschäftigen, sowohl für das, was getan wurde (und damit was Du vermeiden möchtest) als auch für gute Beispiele dafür. Eines der besten Beispiele in der Fantasy ist Lois McMaster Bujolds „Curse of Chalion“ Reihe, mit einem Protagonisten, Cazaril, der ein Galeerensklave war. Er hat eine Menge Schwierigkeiten, sich trotz seiner Läsionen zu bewegen, die Narben lassen alle denken, er sei ein Krimineller, und er neigt dazu, beim Anblick eines komfortablen Zimmers zu weinen, wenn er zum ersten Mal wieder in die Zivilisation zurückkehrt.


    5. Akzeptiere die Tatsache, dass Heilung einige Zeit in Anspruch nimmt. Wenn es in Deiner ganzen Geschichte um Heilung aus der Angst geht, dann ist das natürlich eine Sache. Aber das Trauma wird oft im Laufe eines Nachmittags oder sogar ein paar Stunden weggeworfen - vor allem in Romanen/Geschichten/Fanfic, wo die Romantik im Mittelpunkt der Handlung steht. Dann macht die Waaahre Liiiiieeebe des Charakters alles besser. Ickibick. Nimm Dir etwas Zeit und zeige, wie sich Dein Charakter erholt, nicht nur ein 2-Bit-Papp-Ausschnitt.


    6. Akzeptiere die Tatsache, dass nicht jeder mit Sympathie auf die Beklemmung des Charakters reagieren wird. Beschwert sie sich die ganze Zeit darüber? Wahrscheinlich werden einige Leute anfangen, ihre Augen zu rollen, oder zumindest sie weniger ernst nehmen, nachdem sie es herausfinden. Weint, heult, schreit sie hysterisch? Davon werden die Leute auch ziemlich müde werden. Besteht sie darauf, Dinge zu tun, die sie nicht tun kann, wie schnell zu bewegen, wenn sie gerade geheilt ist, und dann alle zu verlangsamen? Das könnte das Leben anderer in Gefahr bringen. Denke immer daran, dass, während Dein Charakter das Zentrum der Geschichte sein kann, sie nicht das Zentrum des Universums Deiner Geschichte sein sollte. Überlege, was mit den anderen Charakteren Schlimmes geschehen sein könnte, nicht nur, um ihnen ihre eigene Beklemmungen und Ӓngste zu geben, sondern auch, um zu zeigen, wie sie auf Deine Hauptfigur reagieren könnten und warum.


    Es betrübt mich, wenn Trauma für billige Romantik oder Sympathie gespielt wird.

  • Zu den fehlbaren Charas...


    Warum müssen Charas unbedingt schwerwiegende Fehler haben? Sie sollen halt interessant sein. Und der Plot soll interessant sein, was bedeutet, dass er irgendwelche Konflikte enthält. Solche Konflikte können aus Fehlern des Charas entstehen, aber sie müssen es nicht. Und es gibt Situationen, wo Fehler einfach unglaubwürdig sind.


    Mal ein Beispiel aus meiner Welt:
    1. Die Allerheimer Bruderschaft gilt als die beste Söldnergruppe Aurhims.
    2. Sie sind (nahezu) weltweit aktiv.
    3. Sie nehmen nur die Besten bei sich auf.
    4. Über das Vorankommen innerhalb der Bruderschaft entscheidet allein das Können.


    Ist es in so einer Konstellation wahrscheinlich, dass einer von denen so jähzornig ist, dass er ständig unnötigen Streit mit gefährlichen Gegnern vom Zaun bricht? Klar kann einer von denen Fehler haben, aber die sollten sich nicht auf seine Fähigkeiten als Söldner auswirken. Es sind halt Profis und zu einem Profi gehört meiner Meinung nach auch, dass er weiß, wo seine Schwächen sind und entsprechende Situationen tunlichst vermeidet oder an seinen Schwächen arbeitet.


    Hab ich schon erwähnt, dass ich unbedarfte Bauernjungs als Protas nicht mag? ;)

  • Allgemeine Regeln für Fantasy
    Im Allgemeinen:


    1. Denk daran, dass die Tricks von Schriftstellern in der Regel persönliche Herangehensweisen sind.


    Es gibt einen Grund, warum vielen Schreibtipps eine Warnung vornangestellt wird, die in etwa so klingt: "So mache ich es. Es wird vielleicht auch für Sie funktionieren...oder auch nicht." Nimm die Tricks, die für Dich funktionieren. Wenn das Hören eines bestimmten Lieds oder einer Playlist Dich in die Stimmung fürs Fantasy-Schreiben bringt, toll! Wenn Du am besten in einer unübersichtlichen Umgebung arbeitest, super! Wenn Du Charakterprofile benötigst, oder eine bestimmte Zeit, oder eine bestimmte Stimmung, bevor Du schreiben kannst: gut, dass Du das weisst und anwendest! Der beste Trick ist zu wissen, was für Dich funktioniert, und es zu verwenden. Früher habe ich mich in Qualen getrieben, weil ich immer wieder versuchte, Übungen zu machen, und keine von ihnen funktionierte. Seitdem habe ich akzeptiert, dass ich es einfach nicht so machen kann. Ich verwende auch keine Charakterprofile, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht für andere Menschen funktionieren.


    2. Entscheide, wie viel "Kontamination" Du bereit bist zu riskieren.


    Es gibt einige Fantasy-Autoren - zum Beispiel Michael Moorcock - die gar nicht viel Fantasy lesen, weil sie sich nicht von dem beeinflussen lassen wollen, was bereits getan wurde. Dies könnte der Weg sein, um etwas ganz Originelles zu schreiben, aber ich denke, Du musst erst eine gute Basis in der Fantasy haben oder Du wirst keine Ahnung haben, was vorher überhaupt gemacht wurde. Wenn Du das Feld liebst und es bereits seit ein paar Jahren liest, dann ist Dein Wissen wahrscheinlich gut genug (und vielleicht hat sich Dein Stil genug festgelegt), um das "Risiko" in beide Richtungen einzugehen.


    3. Habe eine Liebe dafür.


    Ja, Fantasy ist Genre-Kram. Ja, vieles davon ist imitativ und nicht sehr gut. Aber ich hoffe aufrichtig, dass sich die meisten Leute nicht hinsetzen, um einen Fantasy-Roman zu schreiben, mit dem Ziel, genau das zu produzieren. Selbst mittelmäßige Fantasy wurde wahrscheinlich hart erarbeitet. Ich denke, es ist unmöglich, überhaupt gute Fantasy zu schreiben, ohne eine Liebe dafür. Es ist nichts, was man achtlos wegschleudern sollte, es sei denn, man schreibt wirklich nur für "persönliche Unterhaltung" und nicht, um Fantasy zu schreiben.




    Weltenbau




    4. Behalte einen physischen Sinn für Deine Welt im Kopf.


    Der wichtigste Teil eines Fantasy-Romans ist, glaube ich, der Schauplatz. So wird Deine Geschichte kategorisiert, das ist es auch, was Fantasy-Romane von magischem Realismus abhebt oder von Romanen, wo die Menschen einfach ein bisschen anders handeln und denken als in echt. Du solltest in der Lage sein, diese Welt so detailliert zu beschreiben, dass der Leser mit Dir in diese Welt verschwindet.


    Die Methoden zum Versinken im Schauplatz variieren. Einige Schriftsteller - zum Beispiel Kay - reisen in die Länder, auf denen sie ihre Geschichten basieren, und bleiben dort, während sie schreiben. Das ist natürlich keine Option für viele Leute, aber es zu studieren und Fotos anzusehen, wäre machbar. Oder vielleicht nutzst Du die Landschaft um Dein Haus, für die Du eine starke Liebe hast, und kannst dieses Wissen nutzen, um die Umgebung real zu machen. Oder vielleicht kannst Du Dir einen Ort vorstellen, der nicht wie etwas ist, was Du jemals gesehen hast, aber Du kannst ihn Dir stark genug vorstellen, dass Du ihn real machst. Wenn es schneit, lässt Du uns die Kälte spüren. Wenn es ein Berggipfel ist, lässt Du uns die Höhe spüren. Wenn es eine Stadt ist, was unterscheidet sie von tausend anderen nicht bemerkbaren Städten? Manchmal kannst Du mit einer generischen Beschreibung davonkommen; "Dorf" ruft offensichtlich ein anderes Bild auf als "Stadt". Aber zumindest einige Orte sollten anschaulich beschrieben werden, oder Deine Welt wird generisches Fantasyland bleiben.



    5. Widersprich nicht den grundlegenden Regeln deiner Welt - es sei denn, Du bist bereit, zurückzugehen und alles zu ändern.


    Mit anderen Worten, wenn Du feststellst, dass Drachen zu Beginn der Geschichte ein wichtiger Teil der Wirtschaft sind, dann wäre es nicht sinnvoll, absolut nichts über sie zu schreiben. Erwähne sie beiläufig, falls sich die Geschichte nicht mit ihnen befasst, aber sorg dafür, dass sie vorhanden sind. Einige Fantasy-Autoren, die ich gelesen habe (und das gilt auch für veröffentlichte), schaffen reiche Details und scheinen sie zu vergessen, oder sagen in ihrer Geschichte, dass ein Gesetz der Magie keine bekannten Ausnahmen hat und dann schleichen sich Ausnahmen ein [Anm. d. Übs.: teilweise ist die Geschichte der Titanik so dramatisch, weil das Schiff als unsinkbar galt und dann bei seiner Jungfernfahrt unterging. Es gibt Fantasy-Romane, wo die Magie-Gesetze als unbrechbar gelten und dann im Lauf der Geschichte gebrochen werden. Aber ich glaube nicht, dass Limyaael das meint. Sie meint wirklich Autoren, die sich selbst widersprechen und es nicht bemerken.]. Das Äquivalent wäre, Deinem Helden einen vierten Wunsch zu geben, nur um ihn aus Schwierigkeiten rauszuholen. Tu es einfach nicht. Wenn eine bessere Idee als die erste Dich wirklich mitten beim Schreiben getroffen hat und Du Deine Einstellung ändern willst, um sie einzuschließen, dann tue dies auf jeden Fall - aber dann sei bereit für die Arbeit, so mühsam sie auch sein mag, zurückzugehen und all die Widersprüche auszusondern, die jetzt existieren. Fantasy muss so intern konsistent wie möglich sein, oder Du wirst den Leser daran erinnern, dass dies ein ausgeklügeltes Spiel des Scheins ist, das vielen Kinderphantasien unterlegen ist, da sich die Regeln aus einer Laune heraus ändern können.



    6. Akzeptiere, dass einige Details es nicht in Deine Geschichte schaffen werden.


    Wenn Du eine lange Zeit damit verbracht hast, die Mythologie/Genealogie/Charakterprofile aufzubauen, besteht die Versuchung darin, alles, was Du über die Welt weisst, mit dem Leser zu teilen. Das kann nicht passieren. Einige Informationen sind einfach nicht relevant; Vielleicht mag Nandra, die Attentäterin, den Geruch von Orangen wirklich, aber wenn sie nie um Orangen herum ist, warum sollte die Autorin es erwähnen? Einige Informationen wären einfach mühsam für den Leser durchzusitzen, wie die Auflistung aller Verwandten des Königs oder alle Details einer bestimmten Religion. Und einige, offen gesagt, lassen sich am besten aus der Geschichte heraushalten. Behalte Deinen Stolz auf die Details Deiner geschaffenen Welt sorgfältig im Auge und trimme sie zurück, wenn sie drohen, die Handlung zu überwuchern oder Deine Leser zu verwirren. Eine flüchtige Erwähnung von Details kann der Geschichte Tiefe verleihen, ohne dass Du erklären müsstest, was bei einem Gefecht vor vierzig Jahren in erschöpfendem Detail passiert ist. (Sieh es mal so: Wenn der Leser neugierig genug ist, was nebenbei erwähnt wird, kann sie immer fragen).



    7. Versuche das Selbstbewusstsein zu vermeiden.


    Originell zu sein ist immer wunderbar, aber wenn Du Deinen eigenen Stolz und Deine Freude an der Kreativität durch endlose Selbstprüfung zerstörst, wirst Du die Geschichte wahrscheinlich nie abschliessen. Sagen wir, Du willst wirklich vermeiden, Geschlechterfragen anzusprechen. Der Weg, dies zu tun ist, die Geschichte zu schreiben und dann zu sehen, ob es ein Problem ist. Analysier nicht unbedingt jedes Gespräch, das Deine Frauen und Männer haben, um zu sehen, ob Du sie gleich behandelst oder die Frauen zu feministisch machst oder die Männer zu chauvinistisch machst. (Du kannst die Stimme der Erfahrung hier erkennen). Wenn Du tatsächlich ein Problem hast, wird es sich mit ziemlicher Sicherheit bemerkbar machen. Wenn Du keins hast, dann ist es lächerlich, Dich um Eindrücke zu kümmern, die der Leser aus Deiner Geschichte mitnehmen könnte.


    Die Guten



    8. Betrachte gewöhnliche Funktionen Deiner Helden.


    Das gilt für das Offensichtliche - zum Beispiel mach Deine Heldinnen nicht zu den schönsten Dingen auf Beinen - aber auch für Sachen, die nicht sehr viel Aufmerksamkeit erregen. Hat der Charakter Akne? Kleine Kratzer, wo ihr Kätzchen ihr Bein bekletterte? Schmutzige Zähne? Dinge wie diese sind viel seltener als aufmerksamkeitsbelangende Narben, Krankheitsspuren oder stereotype Eigenschaften - wie "intelligente Augen" - die Menschen verwenden, um anzuzeigen, dass ihre Charaktere auf der Seite des Guten sind. Treibe das nicht zu weit, um Deine Leute entweder schön oder dramatisch hässlich zu machen. Die meisten Menschen, die die Straße hinuntergehen, sind weder das eine noch das andere, und es gibt eine gute Chance, dass eine beliebige Person Deiner Welt wohl wahrscheinlich auch gewöhnlich aussehen wird. "Normal" ist ein Standard, der sich natürlich von dem der Erde unterscheiden kann. Wenn blau zufällig eine gemeinsame Haarfarbe in Deiner Welt ist, könnte die Person auf den Straßen von New York verblüffend aussehen, aber ganz normal im Dorf Taiya. Im Grunde rate ich einfach nur davon ab, es mit dem Aussehen des Charakters zu übertreiben.



    9. Verlier die Floskeln.


    Manchmal ist die beste Antwort auf eine dramatische Geste, etwa eine Selbstaufopferung der Helden, Das Schweigen. Eine Sache, die ich in einem Fantasy-Roman befürchte, ist die Rede am Ende darüber, wie viel besser Das Gute ist als das Böse, oder wie mächtig Liebe ist, oder wie die Helden den Tag gewonnen haben, trotz allem, was sich gegen sie verschworen hat, und so weiter und so fort. Ein Motiv ist eine Sache. Vielleicht zupft Deine Heldin am Ende eine Blume, die sie zum ersten Mal gezupft hat, als sie noch ein Kind war. Dies kann den Leser leicht an den Anfang Deiner Geschichte erinnern und ein Nachdenken anregen. Wenn die Figur auf die Blume starrt und in einen Lobgesang über ihre verlorene Unschuld ausbricht, ist es viel einfacher, Dein Publikum zu verlieren. Schlag ihnen nicht mit Klischees oder Symbolik über den Kopf. Wenn Du Dein Schreiben gut genug gemacht hast, dann wird die Bedeutung auf die Leser kriechen.



    10. Vermeide melodramatische Single-Tränen und Dergleichen.


    Denk dran: einige Gesten und Worte haben die Kraft des Klischees. Eine einzige Träne zu vergießen, die auf das Blütenblatt einer Blume fällt, ist das unentgeltlichste Beispiel, an das ich denken kann, aber es gibt viele andere, vor allem den Helden, der bevor er in den Kampf geht noch Zeit für einen letzten sehnsuchtsvollen Blick auf seine Liebe findet. Wenn Du das Gefühl hast, dass du wirklich eine Geste brauchst, mach sie zu einer, die dem Charakter innewohnt und den Leser an diese Person erinnert, anstatt nur Heldentum im Allgemeinen. Fantasy kann Archetypen verwenden, ja, aber es ist viel schwieriger, sie als glaubwürdige Menschen zu schreiben. Das ist ein Grund, warum ich Terry Goodkind so sehr, sehr verabscheue; Er beginnt mit einer Geste, in der seine Figur Kahlan seiner anderen Figur Richard ein zahnloses Lächeln schenkt, was nur in der Beziehung zwischen diesen beiden eine Bedeutung hat - und fährt fort, indem er dieses Lächeln so lang lobpreist und lyrisch umschreibt, bis man die Figuren in den Fleischwolf AAAAAAGGGH stecken will. Gesten, genau wie Wörter und Symbole, müssen in Maßen verwendet werden, und wenn Du Deine Arbeit gut genug gemacht hast, brauchen sie nicht die endlose Ausarbeitung, die viele Autoren verwenden.



    11. Erwäge, den Tod schnell und plötzlich zu machen.


    Fantasy-Charaktere können in der Regel immer wieder für die Todesszene verweilen, es sei denn, sie sind Nebenfiguren, und bereuen ihr Unrecht oder halten Abschiedsreden oder was auch immer sie für notwendig halten. Dies geschieht sogar, wenn die Umstände, unter denen sie sterben, wie ein Schwert durch das Herz, nicht zulassen würden, dass so etwas passiert. Die gegenteilige Situation kann tatsächlich eine größere Wirkung haben. Wie wird sich deine Heldin fühlen, wenn dein Held auf dem Schlachtfeld stirbt, bevor sie zu ihm gelangen kann und ihnen nie einen richtigen Abschied gibt? Sie mag trauern, sie kann ihren eigenen privaten Abschied konstruieren, sie mag es hassen, aber so oder so ist es viel einfacher, mehr Spielraum zu geben und Klischees zu vermeiden, ohne diese anhaltende Todesszene.



    Die Bösen



    12. Gib Deinem Bösewicht eine Geschichte.


    Gemeint ist keineswegs eine Fallgeschichte, wie etwa : "Seine Mutter hat ihn missbraucht, so wuchs er auf und verabscheute Frauen aus tiefster Seele." Sadismus, Wahnsinn und Kindesmissbrauch werden viel zu häufig als Motive der Schurken in der Fantasy verwendet. Warum kann der Bösewicht nicht denken, dass er Recht hat, und vielleicht sogar einige der Leser auf seiner Seite haben? Es bedeutet nicht, dass er gewinnen muss, nur dass sein Motiv, die Welt zu erobern, glaubhaft ist. Kay macht dies sehr gut in Tigana, indem er eine Bande "Helden" kreiert, die vor nichts Halt machen, sogar vor Sklaverei nicht, um ihr Ziel zu erreichen, und einen "Schurken", Brandin, der tut, was er tut, aus Liebe zu seinem toten Sohn. Ich persönlich fand es viel einfacher, mit Brandin zu sympathisieren als Alessan, Anführer der "Helden". Aber Sympathie muss nicht einmal so weit gehen; den Bösewicht zu einer Person zu machen, mit der der Leser sympathisieren könnte, ist oft genug.



    13. Verwende auch keine klischeehafte Sprache, um über die Schurken zu sprechen.


    Muss es wirklich "der Dunkle" oder "der Schatten" sein? Obwohl ich Robert Jordan in dieser Hinsicht für den schlimmsten Täter halte, verwenden viele Fantasy-Autoren die Begriffe Dunkel und Licht und wenden die gleichen Adjektive auf die Dunkelmächte an: "Fäulnis", "böse", "verräterisch", "schrecklich", "tödlich", "bösartig", "monströs". Letztlich erreichen diese Sprachklischees so viel wie die finale Ansprache darüber, dass Liebe mächtiger ist als das Böse. Versetz dich ein Weilchen in die Position der Dunklen und frage dich, ob Dein konkreter Bösewicht wirklich einer ist, der dieses Etikett verwenden würde, oder ob er sich ein neues für sich beanspruchen würde.



    14. Gib Deinen Schurken etwas Geschmack.


    Selbst die Freuden des Bösewichts werden in der Regel als ausschweifend dargestellt - er hat zum Beispiel Sex mit Kindern. Dies kann effektiv sein, aber es wird in der Regel mehr für Schockwert verwendet. Nirgendwo heißt es, dass jemand, der die Welt erobern will, bedeutet, dass er keine Wertschätzung für die feineren Dinge hat. Warum machst Du ihn nicht zu einem Kenner der Kunst, der Weine oder der Musik? (Ja, das ist ein bisschen augenzwinkernd, aber es geht mit der Gabe eines sympathischen Bösewichts einher; er muss nicht durch jede Faser seines Körpers ein reines Böses sein.



    Linguistik



    (Yippie!)



    15. Erkenne, dass Deine Welt wahrscheinlich keine globale Kommunikation hat.


    Wenn es nicht wie auf der Erde zugeht, wo Menschen in weit entfernten Gebieten durch mehr oder weniger zuverlässige Kommunikationssysteme miteinander verbunden sind, dann ist es im Extremfall unwahrscheinlich, dass jeder auf einem Kontinent dieselbe Sprache sprechen wird. Du musst nicht 10.000 Wortvokabeln und funktionierende Grammatiken für alles nehmen, aber zu erwähnen, dass andere Sprachen als nur die deines Helden existieren, ist ein nettes Kopfnicken in Richtung Realismus. (Dies ist ein weiteres besonderes Vergehen Jordan‘s; die Menschen haben Akzente und Idiome, sprechen aber dieselbe Sprache, egal wie isoliert sie sind).



    16. Erkenne, dass Sprache in der Politik oft eine sehr spaltende Rolle spielt.


    Schau Dir Quebec an, wo sich Französisch-Sprecher von Englischsprachigen trennen wollen. Schau Dir die Spannungen in den Vereinigten Staaten zwischen Menschen, die denken, dass Englisch die offizielle Sprache des Landes und neuer Einwanderer sein sollte. Schau Dir Spanien an, wo eine Terrororganisation namens ETA für die Unabhängigkeit von Menschen kämpft, die Euskara, die baskische Sprache, sprechen. Sprache kann eine ausgezeichnete Motivation für politische Intrigen sein.



    17. Denk dran, dass Deine Charaktere kein Englisch sprechen.


    Das bedeutet, dass das Erstellen von Wortspielen, Rätseln und Witzen, die vom Englischen abhängen (z. B. eine Verwechslung zwischen "Eisen" und "Ironie"),) unmöglich sein wird. Brauchst Du wirklich den Witz drin? Wahrscheinlich nicht. Wenn Du Witzeinlagen brauchst, gibt es andere Quellen dafür.



    18. Denk dran, dass einige Wörter nicht für eine Fantasywelt geeignet sind.


    Solche Wörter enthalten nicht nur offensichtliche Dinge wie "Telefon" und "Kühlschrank", sondern Begriffe wie "Vaterfigur", "Psychologie" und "Feminismus" (die ich alle in Fantasy-Werken gesehen habe, die angeblich in mittelalterlichen Welten stattfinden). Ich bin auch wählerisch über Wörter wie "Herkules", die von bestimmten Legenden oder Menschen oder Orten in unserer eigenen Welt abhängen. Nicht jeder ist so kleinlich, aber denk dran, dass es darauf hinwirkt, die Illusion Deiner Welt als eine separate Realität zu zerstören, in der sie noch nie von der Erde gehört haben. Nichts, was Du tun möchtest.



    Nicht-Menschen



    19. Stell sie nicht als den Menschen unterlegen dar.


    Einer von vielen Lieblingstricks von Fantasy-Autoren ist es, darauf hinzuweisen, dass, obwohl Elfen ein langes Leben haben, sie einfach nicht wissen, wie wertvoll die Liebe ist, so wie es Menschen tun! Dies ist ein billiger Trick, genau wie die Träne, die auf die Blume fällt. Wenn Du Dir die Mühe machst, eine nicht-menschliche Kultur zu schaffen, erschaffe sie wirklich, anstatt sie nur als billige Folie für die Menschen zu verwenden.



    20. Mach Deine Elfen nicht mit spitzen Ohren.


    Oder Deine Zwerge zu kurzen Menschen mit Bärten, oder Deine Drachen zu Eidechsen mit Flügeln...Du verstehst schon. Das Sich-Verkleiden führt zum gleichen hohlen Spiel des So-als-ob wie eine Geschichte, wo wegen Autoren-Launen gar keine Regeln eingehalten werden. Es mag emotional befriedigend sein, sich Menschen mit spitzen Ohren vorzustellen und darüber zu schreiben, aber wenn der Leser wirklich keinen Unterschied zwischen Menschen und Elfen sieht, dann hat es überhaupt keinen Sinn, über die spitzen Ohren zu schreiben - es sei denn, der Autor schreibt es wirklich nur zu seiner eigenen emotionalen Zufriedenheit und gibt anderen Menschen nichts.


    Und zu guter Letzt...



    21. Der Schluss sollte nicht statisch sein


    Wird Deine Welt dort enden, wo das Buch aufhört? Wissen wir genau, was als nächstes passieren wird? Die Fantasy mit ihrem extrem hohen Anteil an Happy Ends und ihre Herkunft aus Märchen läuft hier Gefahr, dass genau das passiert. Eine Geschichte kann bis zum Ende real bleiben und sich dann in Pappe verwandeln, weil der Autor alle Fragen beantwortet hat, der wahre Erbe auf dem Thron sitzt, verheiratet mit der Frau, die er liebt, alle glücklich, die Bösen tot - und es gibt nichts anderes mehr zu tun. Am besten ist es, die Welt außerhalb der Geschichte weitermachen zu lassen, denn das macht sie lebendiger. Du musst nicht in jedem Punkt ein unsicheres Ende finden, aber auch kleine Gnaden sind schön. Tad Williams zum Beispiel lässt zwei Prophezeiungen in den Körper seiner Memory,Sorrow und Thorn Trilogie eingehen, die nicht in den Büchern selbst erklärt oder gelöst werden. Sie sind dort gelassen, so dass der Leser sich vorstellen und sich fragen kann, was als nächstes passiert ist, aber nie wirklich wissen.



    22. Ende mit einer neuen Note.


    Wenn die Geschichte sehr ernst war, denk an etwas Humorvolles. Wenn die Geschichte an einem Ort begann und an diesen Ort zurückkehrte, dann betrachte ein Ende, das von einem anderen Ort in die Zukunft blickt. Dies wird dazu beitragen, die hoch klingenden Plattitüden und die bewusste Symbolik zu vermeiden, die Fantasy-Autoren offenbar aufhäufen wollen. Du hast vielleicht ein sehr schönes Bild von einem weißen Vogel, der über das Meer schwebt, aber wenn er nach Osten in den Sonnenaufgang fliegt und die Heldin ihn anschaut und darüber nachdenkt, wie ihre Seele wie der Vogel ist und in den Sonnenaufgang der Hoffnung und blah blah blah fliegt, fallen Sie viel eher kopfüber in die Müllhalde, als weiterzulaufen.


    Natürlich sehr voreingenommen, mein Rant. Aber mir gefällts.

  • Mir ist schon ein paar mal aufgefallen, dass manchmal einzelne Übersetzungen suboptimal sind. Hier ist es jetzt besonders deutlich:

    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

  • Mir ist schon ein paar mal aufgefallen, dass manchmal einzelne Übersetzungen suboptimal sind.

    Das ist richtig.


    Verbesserungsvorschläge sind immer willkommen. Ich bin zwar Muttersprachlerin, aber ich habe am Tag viel zu tun und benutze deswegen Translator-Software und bessere dann nach. Das ist jetzt vielleicht ein ernüchternder Blick hinter die Kulissen, aber ich bin an dieses Projekt nicht mit dem Anspruch an Perfektion rangegangen, sondern mit dem Anspruch an Zugänglichkeit. Ich will, dass auch diejenigen deutschsprachigen Menschen, die keine 400 Essays in englischer Sprache lesen würden, Zugang zu Limyaaels Rants auf Deutsch haben.




    Quote from Gwen

    Wenn blau zufällig eine gemeinsame Haarfarbe in Deiner Welt ist,

    Hier kann ich auch "verbreitete Haarfarbe" schreiben.



    Quote from Gwen

    9. Verlier die Floskeln.

    "Lose the platitudes" vielleicht als "Lass die Plattheiten sein" ??



    Quote from Gwen

    Vielleicht zupft Deine Heldin am Ende eine Blume

    Okay, sie zupft an einer Blüte? Ich habe das bewusst so übersetzt.


    Der Satz im englischen Original lautet:



    Quote from Limyaael

    Perhaps your heroine plucks a flower at the end that she first plucked when she was still a child.

    Klingt auf mich auch im Original unbeholfen.
    Eventuell ist Folgendes besser?
    "Vielleicht pflückt Deine Heldin am Schluss der Geschichte eine Blume, die sie zuerst in Kinderjahren pflückte.


    Ich gebe zu, dass meine Übersetzung das Textverständnis eines so schon imperfekten Textes nicht gerade erleichtert. Ich gebe mir, in der Zeit die ich habe, viel Mühe. :-/
    Wenn ich nur noch einen Rant die Woche machen soll, damit mehr Leute mitkommen oder sich die Lesbarkeit erhöht, kann ich das auch tun. Vielleicht sollte ich da mal eine Umfrage machen?




    Quote from Gwen

    Eine einzige Träne zu vergießen, die auf das Blütenblatt einer Blume fällt, ist das unentgeltlichste Beispiel, an das ich denken kann

    :draufzeig:
    Ok, da sollte eindeutig "unnötig" stehen. Sorry Veria, das muss beim Lesen bestimmt schmerzen.

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