[Ruralpunk] aus der Heimat

  • Heute kommt das Eis nur noch im Winter zu Besuch, aber als noch Riesen die Welt bewohnten, kroch die Kälte mit Gewalt über die Welt. Sie schob Hügel auf, zerquetsche den Boden und leckte das Land. Als die Kälte verschwand legte sie zum Abschied noch ein paar Findlinge auf den gequälten Rücken und ließ die Landschaft erschöpft zurück. Diese blieb liegen in all ihren Hebungen und Verrenkungen bis der Schlaf sie überkam. Doch daran erinnern sich nur die Steine und kichern heimlich. Manchmal wundern sich die Bäume über das Gekicher, doch tuen es ab, als eine Verrücktheit der Alten

    Seither haben die Menschen, schon immer eifrig und kurzsichtig in ihrem Schaffen, die Hügel mit Äckern überzogen und auf Wiesen Obstbäume gepflanzt. Doch noch stehen die Wälder. Stumme Soldaten ohne Komando, ohne Reih und Glied, nur ein stures Bangen. Eine totgeweite Armee von Nutzflächen umzingelt. Sie stehen und schützen ihr Heiligtum: die Senken voll stehendem Wasser, die Moore, die die Menschen meiden. Wo der basische Boden ihre Stärkepflanzen tilgt, wo Schnecken die Getreidebrut fressen, wo die Flüche toter Hexen lungern. Hier liegt eine große Macht und jeder der nicht so blind ist wie die Menschen erkennt es ohne Zweifel. So kommt es vor, das manch ein Mensch sich doch zu den Gewässern verirrt, ohne zu bemerken, dass er unerwünscht ist. Die meisten finden verängstigt nach Hause. Sie erzählen von Gesängen und Schreien und manch einer schwört die Köpfe von Frauen aus der Oberfläche ragen zu sehen. So verteufeln die Menschen die Tiefe und die Dunkelheit des Waldes. Matsch und Schleim gilt ihnen als unrein und schlecht. Gottlos nennen sie das Moor und die Schnecken. Auch hierüber kichern die Steine.
    So geht es nun seit Generationen, doch während die Wälder sich in ihrer Position verwurzelten hatten, hatten die Menschen getüfelt. Es waren nun weniger Menschen, aber die Verbliebenden stapfen in stählernden Abbildern ihrer selbst durch die Landschaft. Diese Roboter, betrieben aus den schwarzen Seen ferner Tiefen, schnitten nun das Korn, und pflügten das Land. Und auch ein Baum war in Windeseile zerhackt. So lichteten sich die Wälder und die Menschen rückten langsam näher ans Moor.
    Hier beginnt die Welt.
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    Immer wieder muss ich an Ruralpunk denken und nun möchte ich mal einen eigen Thread dazu aufmachen. :)

    Rückblick: Was hab ich bisher so dazu gebastelt?

    Ruralpunk

    Ich habe in meiner Kindheit das Wochenende oft auf dem Land verbracht und ich möchte mir dies zurückholen. Ich möchte einen Bauernhof und eine Familie und kilometerweit entfernte Nachbarn und selbstgedengelte Erntemecha!!! Sowieso ist mir das Tüfteln und zusammenschrauben wichtig und auch so eine "Redneck"-Ästhetik. Dabei muss es natürlich auch queerfreundlich sein. Aber es darf darin zögerlich, ungeschickt, verletzlich und vorsichtig sein. Also eine weltgewordene gute Outing-Erfahrung.

    Ich glaube auf diese Art, kann ich das mit der konservativen Wertevorstellung, die ich aus meiner Familie kenne, verknüpfen. Ob das dann noch Ruralpunk ist?... fraglich.


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    Das nächstgelegende Dorf der Bauernhöfe ist Klein-Quakenbrück. Ursprünglich wurde es von unzufriedenen Artländern gegründet, die aus ihrer Heimat in diese Welt eingewandert sind. Klein-Quakenbrück liegt in einem Urstromtal mit vielen Feuchtwiesen auf denen reichlich Pferde und Schafe grasen. Es besitzt eine trostlose Haltestelle die von der Linie 7 angefahren wird und eine kleine, aber hochverzierte Kirche, die von zwei verfeindeten Pastoren und einem streitschlichtenden Küster geleitet wird. Der ansäßige Fußballverein trifft sich Mittwochsabends, in einer diesigen Kneipe, um alle 8 Spieler der Herrenmannschaft abzufüllen. Die Damenmannschaft, auch wenn sie weniger Beachtung im Ort findet, besitzt hingegen eine volle Startelf mit Auswechselspielerinnen und spielt sogar in der Kreisliga mit. Es herrscht eine noch junge Rivalität zu den Tippelsteinerinnen, die sie vor zwei Jahren mit einem 6:2 vernichtend besiegten. Ansonsten gibt es noch die Dorfbäckerei, die von einer sehr freundlichen jungen Dame geleitet wird und einen guten Schuss Maidcafe in sich trägt, was es verwunderlicherweise zum feinsten Lokal des Dorfes macht. Es ist sehr üblich Sonntags nach der Messe dort Brötchen oder Kuchen zu kaufen. Die Besitzerin hat vor kurzem hinter der Bäckerei eine Kältekammer eingerichtet in der ein Schließfach gemietet werden kann, um Lebensmittel kalt zu Lageren. Darin sieht es etwas gruselig aus mit viel Lammfleisch und man muss aufpassen, dass man sich nicht versehendlich einsperrt. Zumindest fürchten sich einige alte Frauen davor.
    Das aktuelle Aufregerthema in Klein-Quakenbrück ist eine handvoll Goth-Jugendlicher die Nachts auf dem Friedhof anzutreffen sind. Von mir aus sollen sie das gerne tun, aber ich bin nicht ihretwegen hier. Nein. Opa Hannes wird heute beerdigt.
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    Es ist ja norddeutsch, landwirtschaftlich, katholisch mit heidnischem Unterton, also heimatlich für mich. Und was gibt es heimatlicheres als einen Heimatskrimi? Ich brauche also eine Kommissarin in einer schicken Jacke! Vielleicht versetzte ich also Kerstin Krix und Egon Gerber nach Klein-Quakenbrück, mal sehen, aber vermutlich brauch ich zwei Kommissarinnen. Und die brauchen ein Motorrad mit Beiwagen. Ich glaube auch eine Baronin könnte hier in die Gegend passen. Vielleicht was mit Vampiren, mal sehen.
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    Deshalb ist Ruralpunk konservativ, damit eine lesbische Liebesbeziehung dort unanständig ist, was [kn] einfach nicht bieten kann.


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    Hui, da ist viel mehr cooler Kram drin als ich dachte. Das ist doch hocherfreulich. :D Gut fangen wir mit etwas neuem an:

    Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich ursprünglich eine queerfreundliche Welt basteln wollte, hmm. Ich bin in letzter Zeit wütender und mir mehr der normativen Gewalt bewusst, der ich ausgesetzt bin. Daher war mein Plan jetzt diese normative Gewalt zu basteln und erkunden, dies steht jedoch der "guten Outing-Erfahrung" entgegen. Tja, was mach ich da? Ich guck einfach mal was sich ergibt. :)

  • Ich finde das schon wieder klasse.


    Irgendwie musste ich sofort wieder zu einem Teil an meine seltsame Vorliebe düsterer Heimatgeschichten - insbesondere aus dem alpenländischen Raum - denken, wie "Hinter Kaifeck/Tannöd", "Die Sennentuntschi" oder "Das Finstere Tal". Gerade diese Mischung aus friedlicher Heimatidylle gepaart mit düsterem, oft religiös geprägtem Aberglaube und seltsamen Sitten und Riten finde ich immer wieder sehr inspirierend.



    Vielleicht passen jetzt meine Gedankengänge nicht direkt zu Ruralpunk, aber das war wie schon gesagt: Es war mein erster Gedanke. Alleine Begriffe wie "Moore" und "Hexen" haben mich sofort getriggert, wenn man es so nennen kann. Und der Norden hat auch viele, interessante Geschichten, die hinter vorgehaltener Hand erzählt werden. Ich weiß noch - und das ist schon Jahre her - dass es mal im ZDF einen Krimimehrteiler über einen Mordserie auf einer Insel in der Nordsee gab und es begann damit, dass eine Kerzenmacherin in ihrem kochenden Wachs ertränkt wurde. Ich fand die Vorstellung damals - und auch heute noch - recht spannend und gruselig. Daher finde ich auch gerade die Idee mit dem Heimatkrimi sehr cool und auch spannend.


    Und ich mag die landwirtschaftlichen Roboter. Es erinnert mich ein wenig an die Bilderwelten von Simon Stålenhag ("Tales from the Loop"), aber das passt und finde ich genial und stimmig.


    Kurzgesagt: Yay!

  • Jetzt fehlt noch n Dorfbüttel, dessen kriminalistisches Geschick mit der verwaltung von Fundsachen erschöpft und ein neurotischer Milchmann, dann fühlt man sich direkt heimisch.

    - "To make an apple pie from scratch you must first invent the universe." Carl Sagan

    - "Mehr pseudo als Mary geht nicht."

  • Ich geb zu, dass ich mit dem Rest deiner Welten nicht besonders viel anfangen kann, aber Ruralpunk gefällt mir. Etwas verwirrt mich allerdings die Kombination von norddeutsch und katholisch. Wenn ich etwas mit dem flachen Land da oben verbinde, dann die protestantische Einfachheit. Wie kommt für dich da der im Vergleich pompöse Katholizismus ins Spiel?

    "»Huch«. machte der Dachs, als er aufwachte. »Heute bin ich aber schlecht gelaunt. So etwas von schlecht gelaunt, ich bin ja richtig gefährlich!«" - Udo Weigelt, Der Dachs hat heute schlechte Laune.

  • Es freut mich riesig, dass ihr so viel Interesse an der Welt habt. :D Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen nur die Zusammenfassung bisher zu posten.
    @Logan
    ich stell mir die Erntemecha wie Roboter bei dem Spiel Scyth vor, weil ich mir die Welt ohnehin so 1910er-1920er vorstelle, aber natürlich mit anderem verquickt. Ich muss auch an den Film "Das weiße Band" denken. Ist ja praktisch auch ein Krimi.
    Der Mord an der Kerzenmacherin klingt böse. Gefällt mir. ^^ Ich muss mal sehen was für Aspekte ich einbaue: Schützenverein, Stoppelmarkt, alles wo man halt saufen kann. ^^


    Etwas verwirrt mich allerdings die Kombination von norddeutsch und katholisch. Wenn ich etwas mit dem flachen Land da oben verbinde, dann die protestantische Einfachheit. Wie kommt für dich da der im Vergleich pompöse Katholizismus ins Spiel?

    Du kennst offensichtlich den Güllegürtel nicht. Wahlkreis Vechta-Cloppenburg ist der politisch konservativste Teil ganz Deutschlands (siehe den schwärzesten Kreis auf der Karte). Seit es die Demokratie in Deutschland gibt, hatte dort das Zentrum/die CDU immer die absolute Mehrheit, selbst während der NS-Zeit!
    (Deshalb ist eine der Geschichten meiner über 90 Jährigen Großmutter auch wie die Nazis versucht haben dem Pastor den Mord an seiner Sekretärin anzuhängen, aber der hatte ein Alibi, weil er mit einem Haufen Kinder im Zoo war.)
    Also ja, die sind Erzkatholisch.

  • @Logan


    ich stell mir die Erntemecha wie Roboter bei dem Spiel Scyth vor, weil ich mir die Welt ohnehin so 1910er-1920er vorstelle, aber natürlich mit anderem verquickt.

    Ah. Scyth. Stimmt. Ja. kann ich mir sehr gut vorstellen. Auch finde ich einen 1910er und 1920er Flair sehr schick. :thumbup:


    Habe heute "Bares für Rares" gesehen und da wurde ein Ölgemälde aus der Romantik gezeigt, auf dem eine Bauernfamilie zu sehen war, die einen Bildstock geschmückt hat. Und irgendwie musste ich bei diesem Bild sehr an dieses Setting denken. Gerade auch mal nach Romantik und auch Impressionismus gegoogelt und gerade so Bilder von idyllischen Feldern passen schon sehr in deine Welt.

  • Ich finde es interessant, wie das Setting für einige hier starke Heimatassoziationen weckt, während es sich für mich - in einer industriell geprägten Mittelstadt aufgewachsen - eher fremd wirkt. Da bin ich mal gespannt, welche Eindrücke vom Landleben hier verarbeitet werden, wie ich sie nur aus Geschichten meiner Großeltern kenne.


    Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es ausgerechnet eins der am meisten fiktionalen Elemente, die Mecha-Tüftelei, sein wird, mit dem ich mich am meisten identifizieren kann, weil ich zumindest aus meiner Familie eine gewisse DIY-Mentalität kenne.


    Was die Frage der Queerfreundlichkeit angeht, kann ich den Zwiespalt gut verstehen: Einerseits reale Probleme ansprechen und so verarbeiten zu wollen, andererseits ein positives Beispiel und einen gewissen Eskapismus zu wollen. Mir fiele dazu ein, das Setting in der Hinsicht nicht zu einheitlich machen oder Grenzgebiete, z.B. zu kn und Umland (wenn es sie denn gibt), zu erforschen.

    "Am Anfang wurde das Universum erschaffen. Das machte viele Leute sehr wütend und wurde allenthalben als Schritt in die falsche Richtung angesehen."
    - Douglas Adams, "Das Restaurant am Ende des Universums"

  • Ohne Opa Hannes war Vaddern viel gereizter. Plötzlich lag alle Verantwortung auf ihm. Die Jungs sollten nun Messdiener werden und verbrachten mehr Zeit in Klein-Quakenbrück in der Kirche, deshalb kommandierte er vor allem Lotte und mich herum. Er meinte es würde Zeit, dass wir erwachsen würden. Mutter blieb meist still und wahrte eine fröhliche Fassade. Als Fronleichnahm näher rückte, wurden wie jedes Jahr alle Wichter (Wicht: plattdeutsch für Mädchen) im Dorf zum Blumenpflücken geschickt. Lotte und ich sammelten stundenlang auf den Wiesen. Wir ließen stets einen Keks für die Ackergnome an jedem Maulwurfhügel zurück. Ein dummer Aberglaube, aber Lotte nahm ihn sehr ernst, vermutlich weil sie die andere Hälfte der Kekse aß.
    Das Pflücken der Blumen machte Spaß, am Waldrand sahen wir sogar einen Ameisenbären; das Knüpfen des Blumenteppichs hingegen war mühseelig. Am Morgen von Fronleichnahm standen wir alle früh auf, die Jungs verschwanden zur Kirche und wir brachten den Blumenteppich mit Muttern zur Kapelle von Familie Rikste, nahe der Hexengräber, und schmücken die Mutter Gottes. Als die Prozession, geführt von den beiden Paschtoren mit der Monstranz, endlich an der letzten Kapelle ankam, waren die Blumen längst in der Hitze hässlich geworden. Dennoch wurden die Heiligen angerufen und für eine gute Ernte und das Ausbleiben von Sturm und Hagel gebetet. Viele warfen zusätzlich Kekse in die Felder, auch wenn die Paschtoren es nicht billigten. Die meisten haben sicher eigene Kekse gebacken, aber Fräulein Yamamoto hat bestimmt trotzdem ein gutes Geschäft gemacht. Die beliebte Bäckerin und Unternehmerin war auch bei der Prozession dabei, schließlich hatte ihr die Gemeinde letztes Jahr ein Sankt Alwemmskreuz geschenkt, dem Schutzheilige der Mechaniker und Brennenden. Es soll sie vor Brand schützen, denn sie hatte aus kn eine Flammennymphe für ihre Bäckerei importiert.
    Normalität kehrte ein. Die Ackergnome zerstörten nicht die Ernte und die Sönnenbrände heilten ab.
    Eine Woche nach Fronleichnahm begann Lotte zu Schlafwandeln. Drei Nächte später war sie fort.

  • Ich mag den Text. Irgendwie bodenständig, doch voller kleiner Seltsamkeiten und ländlichem Aberglauben.


    Gibt es einen Grund, warum du "Paschtoren" geschrieben hast? Ich kenne es nur als "Pastor". Deswegen frage ich mich, ob hier eine kleine Besonderheit eingebastelt ist.

  • @Joshuah
    Danke, ich hab mich so über den Kommentar gefreut. :kuschel: Er sagt mir, dass ich einen guten Job gemacht habe.
    Ich bin richtig froh das gestern Nacht noch zusammengeschustert zu haben, ich hatte schon mehrfach fast aufgegeben. Und jetzt freu ich mich total darauf weiterzuschreiben. :klatsch:


    @Logan
    Jawoll, genau das wollte ich machen. Bodenständig, voller Seltsamkeiten und ländlichem Aberglauben :D Besser hätte ich mein Ziel nicht formulieren können.
    Yess, dir ist sogar das kleine Detail aufgefallen. :D Meine Oma spricht Pastor immer als Paschtor aus und das fand ich sympathisch es so zu übernehmen. Außerdem bastel ich ja quasi einen eigenen Katholizismus und Volksfrömmigkeit, also ist mir das sehr recht. ^^


    Ich hoffe, dass ich nächstes Mal auch wieder so tolle Kommentare bekomme. :festknuddel:

  • "Egon fahr schon mal das Motorrad vor. Wir müssen heute nach Ruralpunk. Es wurde eine Leiche gefunden."

    Krestin Krix zog ihre schicke braune Wildlederjacke an und klappte den Fellkragen hoch. Es war verdammt kalt und alle Straßen und Landstriche waren vereist. Auch die aufgehende Sonne am klaren Himmel würde daran heute nichts ändern. Sie stieg in den Beiwagen des Motorads ein und während Egon losfuhr, goss sie sich einen Schluck Kaffee aus ihrer Thermosflasche ein.
    "Die Leiche wurde von einem Bauern in einem zugefrorenen See gefunden."

    "In einem See? Was macht ein Bauer im Winter in einem See?" fragte Egon.

    "Achtung hier musst du rechts!" sagte Kerstin mit dem Finger zeigend. "Eissägen vielleicht? Ich hab keine Ahnung. Kriegen wir raus." winkte sie ab. "Jedenfalls vermuten sie, dass es sich um den Leichnam von Lotte Delm, 16 Jahre, handelt. Sie ist dieses Jahr in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni verschwunden."
    "Hmm, halbes Jahr." Egon Gerber mochte Mordfälle nicht, aber er ließ sich nichts anmerken und fuhr wortlos weiter die kurvige Straße entlang durch den dichten, glitzernden Wald.


    "Ahhh, Sie müssen die Kriminalbeamten aus der Stadt sein." empfing sie eine mittelalte Frau, die sie nach dem Weg fragen.

    "Ehmm. Ja, genau. Sagen Sie wie kommen wir denn zum Jüffer See?"

    "Jau, Sie müssen ja zur Leiche, nich? Da müssen sie ans andre Ende vom Dorf. Da iss'n Wegweiser."

    Kerstin bedanke sich. Sie mochte es nicht, wenn der ganze Ort schon Bescheid wusste was vorgefallen war, aber praktisch war es manchmal schon.
    Beim Wegweiser stellten sie ihr Motorrad ab und Kerstin stieg aus. Gut, dass der Boden gefroren war, sonst hätte sie sich ihre Stiefel versaut. Zum See brauchten Sie einige Minuten zu Fuß. An frostigen Acker und Wiesen vorbei tauchten sie zwischen den Bäume ein, die den See schützen wie Wimpern ihren Augapfel schützen. Der Bruchwald hatte etwas Unheimliges, gab Kerstin zu, aber es mochte daran liegen, dass sie in der Akte gelesen hatte, dass die Landbevölkerung die Moore und deren Wälder für verflucht hielten.

    Bevor sie den Fundort erreichten, entdeckte eine junge Dorfpolizistin sie schon und kam in ihren Gummistiefeln und Parker über der Uniform auf sie zu.

    "Moin. Ich bin Juliane Eilers, sie müssen Frau Krix sein." Sie schüttelten sich die behandschuhten Hände. "Genau. Und das hier ist mein Kollege Egon Gerber." "Angenehm." nickte dieser, mit einem nicht ganz gelungenen Lächeln, zu.
    "Ja, dann zeigen sie uns doch bitte den Fundort, Frau Eilers."
    "Oh Nein, das geht nicht." Sie schüttelte wehemend ihren Kopf, sodass ihr blonder Pferdeschwanz ihr ins Gesicht klatschte. "Zu gefährlich. Der See ist verflucht."
    Kerstin und Egon sahen sich an und maschierten wortlos an der Polizistin vorbei, die ihnen sorgenvoll nacheilte, um sie umzustimmen. Vergeblich. Juliane traute sich nicht die Herrschaften physisch zurückzuhalten, stattdessen griff sie ihre Kette mit einem kleinen goldenen Kreuz und betete kurz. Sie blickte sich ängstlich um. Eis. Eis. Ein Busch im Wind. Oh nein! Ein Reh stand am anderen Ufer des gefrorenen Sees. Es starrte sie an. Juliane blieb stehen als wär sie eine Schneiderpuppe. "Das ist nicht gut." flüsterte sie. Das Reh schien sich aufzurichten und verschwand hinter den dunklen Bäumen. Juliane holte die beiden Heiden ein. Irgendwer musste sie ja schützen.

  • Ich habe die ganze Zeit immer mal wieder still hier mitgelesen, jetzt sage ich auch mal was :)
    Ich finde das Projekt grandios, Ruralpunk hat so einen gewissen Dorfcharme der mich sehr an meinen eigenen Heimatort erinnert.


    Auch dass die Bewohner scheinbar sehr von ihrer Mundart geprägt sind finde ich irgendwie angenehm, so klingt eine Unterhaltung hier bei uns auch :D


    Aber scheinbar ist Ruralpunk ja ein Ort wo ungewöhnliches vor sich geht...
    Ich freue mich auf mehr. :)

  • Einen Tag vorher
    Die Festivitäten zur Wintersonnenwende waren endlich vorüber und während die Erwachsenen und Jugendlichen noch ihren Rausch ausschliefen, waren die Kinder schon unterwegs. Ihre Schlitten zogen sie auf einen verschneiten Hügel und rutschten und johlten vor Freude, während um sie herum weiter der Schnee fiel. Mit den dicken Wollsocken in den Gummistiefeln zogen sie irgendwann weiter. An den Mieten vorbei wo einige Lauchigel sich im Laub zum Überwintern versteckt hatten. Vorbei an den Erntemechas, die wie riesige Kriegsmaschinen aussahen mit ihren Sensen und Greifzangen. Marie hatte ihre Werkstatt auch geschlossen und so zogen die Kinder weiter. Peter hatte eine Idee. Jetzt wo ihre Eltern schliefen, konnten sie durch den Wald zum Königsteich gehen, und sie konnten auf dem Eis rutschen. Sofort eilten die Kinder los, manche weil sie die Gelegenheit nutzen wollten, manche weil sie Angst alleine hatten.
    Im Wald war es unheimlig. Eis hatte den Boden geforen und Schnee schluckte die so verzerrten Geräusche. Sie entdeckten Tierspuren im Schnee die sie nicht kannten, trotzdem stapften sie weiter. Sie sahen keine der schwarzen Birken vor denen ihnen so viel Angst eingebläut wurde. Und auch keine Wölfe; die Nehlen hatten die Population massiv verringert. Am See angekommen blickten sie auf eine leere schneebedeckte Fläche, dahinter ging die niedrige Moorlandschaft weiter, aber zu dieser Jahreszeit war alles steif gefroren. Vorsichtig betraten die Kinder das Eis. Ein leises Knacken, aber keine Risse. Sie trauten sich weiter und schoben den Schnee zur Seite. Das Eis trug sie. Und kurze darauf rannten sie und schitterten, fiehlen hin und froren. Maike stolperte am anderen Ufer über etwas im Eis. Als sie es sich genauer ansah, war sie verwirrt. Da ragte ein gekrümmter Finger aus dem Eis. Sie rief die anderen und wischte den Schnee beiseite. Jemand war hier eingefroren. Bleich, schmal und splitternackt. Maike wollte das Eis zerschlagen, aber Peter bekam es mit der Angst und trieb alle wieder nach Hause. Maikes Vater sah sich darauf hin den Fund an und alamierte sofort die Polizei. Wenige Stunden später wusste es das ganze Dorf und die Kirchenglocken riefen zum Gottesdienst. Noch bevor die Leiche befreit und identifiziert wurde, wussten alle wer es war. Und die Gerüchte begannen.

  • ...'Die Fallers' meets 'X-Files'...! :o

    Ui, das kenn ich tatsächlich beides nicht, ABER du hast schon Recht. ^^


    Ich bin ziemlich happy über die mittelgroßen Versatzstücke von Ruralpunk, sie ergeben für mich ein kohärentes Gesamtbild. :)

    Hauptantrieb ist es mir das Landleben meiner Heimat zurückzuerobern. Das Katholische was mich geprägt und viel geschadet hat, gegenübergestellt den angeblichen Hexen, die damals in meiner Heimatstadt ermordet wurden. Die Volksfrömmigkeit die sich mit ehemaligen heidnischen Traditionen vermischt haben und so ein ganz eigene Interpretation des Katholizismus schaffen. Natürlich der Fokus auf Frauen in der patriarchalen Religion. Die Geschichten meiner Oma, die den zweiten Weltkrieg auf dem Land erlebt hat und meiner Eltern, die als Kinder auf dem Dorf mithelfen mussten. Meine eigenen Erinnerungen mit meinem besten Freund in meiner Kindheit auf dem Bauernhof und unser Werklen an Maschinen, daher sind die Erntemecha ästhetisch zwischen Redneck und dem Brettspiel Scyth. Also ist das Ganze auch ein technologisch/sozialer eigner Zeitraum (kurz nach der Hexenverfolgung, zwischen den Weltkriegen, Kindheit meiner Eltern 10-25 Jahre nach dem Krieg, meine Kindheit). Dazu kommt der Heimatkrimi was ich schön finde und ich noch nie so hatte. Das wird dann mit Deadly Premotnition/Twin Peaks vermischt, um Aberglaube/Heidentum/Hexentum und die Dorfgemeinschaft einzubringen und natürlich geht es insgesamt dann auch noch um Queernis in dieser Gegend, weil es ja darum geht meine eigenen Erfahrungen und Traumata auszudrücken, bzw. meine Kindheit zurückzuerobern.
    Ich bin tatsächlich sehr sehr zufrieden mit dieser Mischung. <3

  • Melchor stecke sich eine Zigarette an. Vom Hügel aus überblickte er die ganze Landschaft, das Dorf, nur der finstere Wald endete seine Weitsicht. Die Felder waren gut bestellt, ein Wind trieb die jungen Ähren umher. Bald würde er die Sensen wetzen müssen oder vielleicht Elligs um ihren Erntemecha bitten; man wird ja nicht jünger.

    *töff töff töff töff töff töff* Melchor drehte sich um. Eine ungewohnt unramponierte Dampflok fuhr die Gleise auf der anderen Seite des Hügels entlang. Er kratze sich am Kinn, als er die Lok dahinbrausen sah. Hmm, er zog an seiner Zigarette, die auf einmal nach Oma Antjes Vanillepudding schmeckte und viel dichterer weißer Dampf(?) aus seinem Mund quoll.

    "Tja. Denn is dat wohl so", dachte er und warf seine neumodische Zukunftszigarette auf den Boden, um sie neben den üblichen Stummeln zu zerdrücken.

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