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Der rote Ring
© Sturmfaenger
Der Rote Ring von Maddhyata
Das Wahrzeichen der kleinen belamidischen Stadt Maddhyata ist der Rote Ring, die größte und älteste Hahnenkampfarena im gesamten Umkreis.
Hier finden Hahnenkämpfe statt, und zwar mit verschiedenen Züchtungen des Rotrand-Steppenhahns, einer Tierart, die zum ersten Mal vor hundertdreißig Jahren von einer maddhyatanischen Händlerin in der Provinz Belamabad eingeführt wurde.
Das Gebäude
Die Rotringrena wurde ursprünglich vor hundertfünfzehn Jahren aus Holz errichtet, nach einem Brand vor dreiundvierzig Jahren jedoch als Steingebäude wieder aufgebaut. Dabei wurde mit Bedacht ein achteckiger Grundriß gewählt, um den acht etablierten Hahnenkampfschulen jeweils den gleichen Respekt zu zollen. So schließt sich an jede der acht Kanten ein geräumiges Außengebäude an, welches jeweils einer Spornschule die Möglichkeit zur Versorgung der Hähne vor und nach den Kämpfen bietet. Vier der acht Ecken weisen Eingangstore auf.
Im Inneren befinden sich viele steil aufsteigende Sitzreihen, welche um die kreisrunde Kampffläche gruppiert sind. Das rundumlaufende, rot lackiertes Holzgeländer, welches die Zuschauer von den Kampfhähnen trennt, gab der Arena ihren Namen. Aufklappbare Holzlucken im Dachbereich sorgen für Helligkeit, abends verwendet man Fackeln.
Der Rotrand-Steppenhahn – Was ist das für in Tier?
Der Rotrand-Steppenhahn kann bis zu 80cm hoch und 50kg schwer werden. Die Hennen dieser flugunfähigen Vogelart sind trotz ihrer Größe recht unscheinbar, ihr Federkleid besitzt die Farbe vertrockeneter Grashalme. Die Hähne, bewaffnet mit scharfen Schnäbeln, Spornen und Krallen, haben ein sehr viel auffälligeres Gefieder, in denen die Farbkontraste von schwarz über sattes Dunkelbraun bis zu gelblichem Weiß reichen. Die typischen Hautlappen und Kämme der Haushuhnrassen besitzt diese Vogelart nicht, die Hälse der Hähne haben aber direkt unterm Kopf einen zwei Finger breiten Rand aus federloser Haut. Normalerweise ist diese blass, verfärbt sich jedoch in der Werbungs- und Brutpflegephase zu einem hellen Rot. Während dieser Zeit gehen die Hähne gern aufeinander los, attackieren alles, was in ihr Territorium rund um das Nest eindringt, und schmettern ihm ein lautes „Chräää!“ entgegen. In freier Wildbahn flüchtet der Unterlegene. In der Arena ist dies unmöglich - schwere Verletzungen oder der Tod eines der Tiere sind die Folge.
Die Spornschulen – Wirtschaftsfaktor Maddhyatas
Die Vogelart wurde durch die Kauffrau Ejmi at’Emmahi bekannt, die auf einer Reise über die Steppen der Ulai-Nomaden Geschmack am Fleisch der Tiere fand, und hoffte, sie in Maddhyata erfolgreich züchten zu können. Die natürliche Aggressivität der Hähne brachte sie jedoch bald auf die lukrative Idee, daß sich mit Hahnenkämpfen wesentlich mehr verdienen ließ. Heutzutage gibt es in Maddhyata acht Spornschulen, von denen jede eine eigene Zuchtlinie verfolgt, auf deren Eigenschaften sie schwört. Um Verletzungen besser behandeln zu können und den Hähnen das Kämpfen zu erleichtern, wurde den Hähnen das Gefieder gestutzt. Jede Spornschule stutzt ihre Hähne auf unterschiedliche Weise.
Für die Stadtbewohner war es bald Ehrensache, ein treuer Anhänger einer der Spornschulen zu sein, und die Anhängerschaft wird heute innerhalb der Familien weitervererbt.
Zu den halbjährlich stattfindenden Kämpfen finden sich Besucher aus ganz Morkandor ein, und die Stadt quillt förmlich über vor Geschäftigkeit. Eintrittsgelder, Wetteinnahmen, Unterbringung und Verpflegung der vielen Gäste sind in Maddhyata längst zu einer unverzichtbaren Einnahmequelle geworden, und die Spornschulen haben dadurch großen politischen Einfluß erlangt: jeder Schulleiter hat einen Platz im Stadtrat. Das wiederum treibt die anderen Stadträte oft zur Verzweiflung.
Das Hahnlose Wappen
Die Aggressivität der Steppenhähne scheint auf die Spornschulen abgefärbt zu haben, jede hält sich für die Beste und gönnt den anderen Schulen nicht den geringsten Vorteil. Als beschlossen wurde, den Steppenhahn ins Wappen aufzunehmen, brach im Stadtrat wieder einmal ein Kleinkrieg los. Durch die unterschiedlichen Gefieder-Stutzmethoden unterscheidet sich die Silhouettenform der Kampfhähne je nach Schule. Für die Spornschulen schien es unzumutbar, einen Hahn einer anderen Schule im Stadtwappen zu haben, und jeder beharrte auf die unverzichtbare Silhouette des eigenen Hahns. Die anderen Stadträte schlugen vor, sie alle aufzunehmen, doch dem Bürgermeister platzte bei der Aussicht auf einen solchen „Hühnerstall im Wappen“ der Kragen. Als er nach einem beispiellosen Wutanfall wieder zur Besinnung kam, verkündete er, die Rivalität unter den Schulen sei Maddhyatas eigentliches Wahrzeichen, und darum würde diese, und NUR diese, Einzug ins Wappen halten. -
Das Wappen ist ein schwarzes, Rivalität symbolisierendes Viereck, auf dem der Ablauf des Wettbewerbs selbst abgebildet ist, bei dem die Schulen paarweise gegeneinander antreten, und so den Sieger ermitteln. Die acht gelben Kreise sind als Symbol für die acht Schulen darin angeordnet, jeweils zwei berühren einen größeren, grünen Kreis. Die vier grünen Kreise wiederum berühren paarweise jeweils einen größeren, blauen Kreis. Die beiden blauen Kreise kommen im roten Ring zusammen, Symbol für die Arena, aus der nur einer der gelben Schulkreise als Sieger hervorgehen kann.