Bislang ging es viel um Unterschiede oder Dinge, die recht speziell sind.
Ich möchte jetzt mal etwas auf die Dinge kommen, die die Leute und Distrikte Verbinden (ja, auch das Gewisper, aber darüber hab ich ja schon einiges geschrieben - da folgt aber noch mehr). Die Rede ist konkret vom Alltag der Leute - der einfachen, normalen Leute, nicht die abgehobenen Tüdelüs in ihren Elfenbeintürmen.
Wie sieht es also in der Stadt auf Streetlevel allgemein aus?
Zunächstmal die Begrifflichkeiten. Normalerweise bezeichnet man ja mit "Oberstadt" oder Uptown - wie auch immer, einen Stadtbezierk, in denen die Villen der Reichen stehen. Hier ist die hintergründige Bedeutung zwar eigentlich die gleiche, tatsächlich ist der Begriff aber durchaus wörtlich zu verstehen. Mit "oberstädtisch" meint man in der Tat räumlich oberhalb. Es läuft natürlich im weiteren auf das gleiche hinaus und der Unterton ist auch derselbe. In der Oberstadt wohnen die Reichen und Einflußreichen, Downtown die einfachen Leute. Etiketten wie "bodenständig" oder "geerdet" sind allgemein ähnlich wie "unbedeutend" oder "ärmlich". Ebenso ist alles "was den Himmel/die Kuppel sehen kann" tendenziell gleichzusetzen mit "reich genug, keinen Boden mehr über sich zu haben". Apropos, auch dieses gehört in den Alltag. Es gibt eigentlich nicht den Boden, es gibt fast immer mehrere Straßenebenen, noch bevor man den eigentlich Grund erreicht. Dieser ist auch mitunter gar nicht so leicht auszumachen und in ein paar Gegenden reichen die Straßenetagen tiefer, als die eigentliche Besiedlung. Die untersten Ebenen in diesen Zonen sind aufgegeben, verrotten langsam vor sich hin und beherbergen jede Menge Zeug, was man eigentlich gar nicht so genau wissen möchte. Gangs haben sich hier eingenistet, andere verwenden die aufgegebenen Gebiete um ungewollte und unwillkommene Dinge (oder Personen) zu entlagern. Konzerne und Gilden sind sich auch nicht zu fein, hier das ein oder andere 'Projekt' zu betreiben - vorzugsweise solcher Art, die anderswo wenig willkommen sind. Ansonsten findet man hier alles, was anderswo keinen rechten Platz hat. Manchmal ist auch genau das der Grund, warum diese Gegenden aufgegeben wurden (aber nicht immer).
Im Allgemeinen beginnen ab Level 30 abwärts die Konstruktionen, die einzelne Häuserblocks verbinden, zunächst vereinzelt, aber je tiefer man kommt, desto massiver, bis man so ab Level 20 rum keinen Quadratzentimeter freie Sicht über den Köpfen hat. Am Anfang kommt noch reichlich Frischluft und auch etwas Licht in die Räume zwischen den Gebäuden, aber je tiefer man kommt, desto schlechter wird die Luft und die Beleuchtung. Tatsächlichen Erdboden sieht man jedoch selten, eher Pflasterung oder Beton. Irgendwann stellt man fest, dass man von Wänden umgeben ist, die aus gewachsenen Fels gegraben wurden.
Die Straßenschluchten sind erfüllt von Fußgängern und Fharzeugen unterschiedlichster Art. Es gibt von Tieren gezogene Kutschen, von Maschinen gezogene Kutschen, Fahrzeuge mit Motoren, mystische Fortbewegungsmittel, Reiter und vor allem Gemeinschaftsfahrzeuge - also, Busse, wenn man so will. Man kann zwar Güter und auch sogar Personen durch den Schleier bewegen, doch das nur in kleinem Umfang. Große Mengen und Objekte lassen sich nur schwer durch den Schleier bewegen. Für den schnellen Transport von Personen gibt es, neben den Straßen, eine Untergrundbahn, die laufend aus- und umgebaut wird, da häufig einzelne Tunnel blockiert werden (aus unterschiedlichsten Gründen). Für kleine Güter gibt es eine Art Rohrpost. Wer es sich leisten kann, sich an das Pylon-Netzwerk anzuschließen (das ist gleichzeitig eine Form von Energietransfer ohne physische Verbindung), kann sich seine Lieferung auch durch den Schleier holen. Wie gesagt, durch den Schleier ist es weder einfach noch frei von Risiken. Im Grunde sind es die Vorkehrungen gegen diese Risiken, was den Transfer so aufwendig und teuer macht. Gewöhnlich gibt es auch für die unteren Bevölkerungsschichten die Möglichkeit, den Schleier in der Form zu nutzen. Das ist verfügbarer in Distrikten mit reichlich Pylontechnologie. Dafür schließen sich aber normalerweise in der Regeln mehrere Personen zusammen, um die Kosten zu stemmen. In einigen Gebieten betreiben die Bewohner von Bezirken eine Art kommunales Bezirksportal für Personen und Güter. Das ist dann auch so eine Art Postzentrale und Delta-Hub. Dennoch wird der überwiegende Teil von Fracht und Gütern meist manuell bewegt. Betrachtet man den Aufwand, ist es schlicht einfacher, einen Karren auf die Straße zu setzen.
Zwischen einzelnen Gebäuden sind idR 8 bis 10 Meter Abstand, durch den die Verkehrswege führen. Darauf und daran findet man reihenweise winzige, oft nicht zugelassene Verkaufsstände und winzige Geschäfte. Respektable Geschäfte haben ihren Haupteingang normalerweise nahe am Boden, aber noch in Reichweite des freien Himmels (also auf Ebene 20 oder so). Ab Ebene 30 bis 40 sind dann keine Geschäfte mehr zugelassen - zumindest nicht solche, die man einfach betreten könnte. Es giubt natürlich Händler und Hersteller in exklusiver Lage, aber der Zugang ist weder für die Ebene an sich, noch für die Geschäfte selbst frei.
Eine weitere Tradition sind wandernde Geschäfte, die auf und über den Straßen umherziehen und ihre Waren und Dienste anbieten. Manche kann man kontaktieren und zu sich bestellen - oder man macht einen Treffpunkt aus (s. den fliegenden Imbiß bei 5th Element).
Übrigens sind die einzelnen Ebenen der Straßen nicht unbedingt oder durchgehend voneinander getrennt. Oft liegen zwei bis drei oder mehr Ebenen offen zu einander, geöffnete oft auf wechselnden Seiten. Natürlich kreuzen sich die unterschiedlichsten Wege, die zwischen oder auch durch die Gebäude führen. Es ist nicht ungewöhnlich, das sogar Hauptstraßen durch komplette Gebäude führen. Manch einer wohnt zwar in einem Wohnblock in einem Eckapartment, vor seiner Haustür kann aber durchaus ein Schnellweg führen. Oder er wird irgendwann gebaut. Man nimmt in der Regel wenig Rücksicht auf die Anwohner, führt eine neu geplante Straße durch einzelne Wohnungen, werden dieser halt geräumt. Anders wäre es natürlich, wenn die Bewohner auch die Besitzer wären, aber das kommt ja eigentlich nie vor. Leute, die tatsächlich etwas besitzen (also mehr, als in einen Seesack passt), leben auf Ebene 40 bis 50+.
Der durchschnittliche Bürger der Stadt, gleich welchen Distrikts, lebet in der Nähe des Boden in einem Apartment. Diese haben in der Regel nur einen Raum zuzüglich einen kleinen Waschbereich - manchmal aber nicht einmal das. Wie man sich den Raum einrichtet interessiert niemand. Wenn man möchte, kann man durchaus Wände einziehen und den Raum unterteilen. Die meisten begnügen sich allerdings damit, die Aufteilung zu belassen. Diese Räume sind ohnehin selten größer als 10 bis 15 Quadratmeter. Eine solche Wohnung beinhaltet normalerweise ein Minimum an Versorgung. Man hat eine gewisse Menge Energie, Wärme und Wasser. Je nach Distrikt und/oder Preisklasse gehört ein Gewisperzugang dazu.
Wer eine Arbeit hat, muß ungefähr zwei Drittel seines Einkommens für so eine Wohnung investieren. Mit anderen Worten, der durchschnittliche Lohn eines Arbeiters beträgt eineinhalb mal soviel, wie eine Apartmentwohnung kostet. Wenn wir es mit konkreten Zahlen belegen wollten, bekäme ein Arbeiter wöchentlich 150 Münzen und eine Wohnung mit Wasser, Strom und Heizung kostet wöchentlich 100 Münzen. Bleiben natürlich die Kosten für Lebensmittel. Die betragen in der Regel zwischen 70 und 120 Münzen.
Diese Diskrepanz ist ziemlich bedeutsam und setzt sich nach oben eigentlich fort - zumindest bis zu einerm gewissen sozialen Grad. Der Teil des Geldes, der einem immer irgendwie fehlt, wird über Konzessionen, Subventionen und vor allem Vergünstigungen seitens der Arbeitgeber zu stande. Das sorgt dafür, dass alle in einem Zustand der Abhängigkeit bleiben und ohne die zusätzliche Fürsorge der "Gesellschaft" nicht über die Runden kämen. Arbeitgeber gewähren ihren Arbeitern sozusagen einen wöchentlichen "Wohngeldkredit", den der Arbeiter mit Überstunden und ähnlichem abzahlen kann. Was natürlich nicht an die große Glocke gehängt wird, ist, dass die Wohnungen normalerweise im Besitz derselben Leute ist, wie die Arbeitsstellen.
Auch wenn ein Distrikt für eine bestimmte Spezies bekannt ist, so sieht man in den Straßen meistens eine ganze Bandbreite anderer Spezies. Es gibt natürlich Spannungen. Es bleibt nicht aus, dass Angehörige einer Spezies einen gewissen Zusammenhalt entwickeln und es zu Grüppchenbildungen kommt. Das kann durchaus zu ausgewachsenen ethnischen Frontenbildungen führen. Und das führt mitunter zu echten Auseinandersetzungen.
Betritt unser Durchschnittsstädter die Straße (manchmal direkt von seiner Wohnung aus), findet er sich gewöhnlich in einem Getümmel von unterschiedlichsten Personen verschiedener Spezies wieder, die sich durch die Gänge und Gassen schieben. Auf dem Weg zur Arbeit legt man die Strecke zum Teil zu Fuß, zum Teil über Beförderungsmittel zurück. Die Hälfte des Tages verbringt man dann auf seiner Arbeit, legt den selben Weg zurück und ruht sich zuHause für die nächste Schicht aus. Zwischendurch spart man sich etwas Zeit und Geld zusammen, um sich etwas zu amüsieren.
Für die allermeisten einfachen Leute läuft ein Großteil des Lebens genauso ab. Wochenenden gibt es übrigens nicht, man spart sich seine Freizeit einfach zusammen und nimmt sie sich, wie es passt.
Die Alternative ist natürlich das Leben eines Freischaffenden. Mit der Freiheit, nicht von einem Arbeitgeber abhängig zu sein, kann man sich seine Zeit vollkommen frei einteilen. Natürlich hat man keine Garantie, in der nächsten Woche genug Geld für Miete, Versorgung und Essen zu haben.