Sei gegrüßt, Bruder!
Es scheint Monate her zu sein, wenngleich doch erst wenige Wochen vergangen sind, seit ich die schützenden Mauern unseres Klosters am Wehufer hinter mir ließ und mich der Gesandschaft des Erzbischofs anschloss. Die Brandmark ist ein gefährlicher Ort, der seinem Namen alle Ehre macht, und hätte ich erneut die Wahl, hätte ich mich niemals zu diesem Unterfangen überreden lassen – sofern man mir die Möglichkeit eingeräumt hätte, abzulehnen, ohne gleich den Verdacht der Ketzerei auf mich zu ziehen.
Ich hoffe mein letztes Schreiben aus Braunau hat Euch erreicht, ich habe dem Ascheboten gutes Silber gezahlt, damit er die Nachricht in unser geteiltes Baerenburg befördert. Ich schreibe Dir heute aus dem Wehrkastell Kretzengraben, wo man unsere Gesandschaft freundlich empfangen hat. Bislang war man meist weniger angetan, uns Einlass zu gewehren, nur dem Banner des Erzbischofs hatten wir es mehr als einmal zu verdanken, dass man uns nicht einfach von den Torzinnen aus – wie vogelfreie Aschestreuner - mit Pfeilen gespickt hat.
Kretzengraben ist ein relativ kleines Wehrkastel, wie die Söldner, die uns begleiten, mir erklärten. Die von hohen, speerbewehrten Mauern umgebende Gemeinde beherbergt neben einem Dutzend baufälliger Baracken und staubigen Hütten selbstverständlich auch eine alte, steinerne Kirche, und der Kastellherr – ein gewisser Hartmut Reinleger – lebt mit seinen Mannen in einem alten Burgfried, letztes Überbleibsel der einstigen Burg Kretzengraben, welcher noch aus der Zeit vor der Offenbarung stammt.
Überhaupt ist hier alles als daheim in Baerenburg. Zwar lebt man auch im Elend, doch so etwas wie den Siff gibt es hier nicht. Die Kretzengrabener kennen und brauchen einander. Sie respektieren und achten sich, nicht wie man es von den Siffern und den Straßenbanden der Burgstädte her kennt.
Unsere Bitte nach Proviant und Wegzehrung hat Reinleger auf Grund der eigenen, leeren Lagerkammern zwar nicht nachkommen können, doch hat er unserer Gesandschaft angeboten, sie bei der Jagd in den nahegelgenen, kahlen Wäldern zu unterstützen. Ich werde über unsere Fortschritte Dich auf dem Laufenden halten, bis dahin möge der Herr Dich schützen!
Bruder Albrecht