Sprache ohne Negation

  • Ich habe ihn so verstanden, dass durch die Aussage "Das ist ein Stuhl" allein der Unterschied zwischen "Stuhl" und "Nichtstuhl" hervorgehoben werden soll. Sonst müsste ja nicht gesagt werden, dass es sich hier um einen "Stuhl" handelt, sondern man würde einfach den Mund halten.


    Beziehen sich deine beiden Sprecher A und B auf ein und dasselbe Ding oder auf einen Stuhl und einen Tisch?



    Interessante Gedanken dazu kann man in der Zeitung SOPHIST lesen.
    Und zwar in der Ausgabe 1/2007, Seite 33 online hier

  • Irgendwie kommt mir beim Lesen des Threads stets "Du bist nicht hässlich" in den Sinn.



    Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, Negationen völlig auszuschließen, sondern sie lediglich anders einzusetzen. Es gibt ja verschiedene Negationen: "Ich habe keinen schönen Hut" ist etwas völlig anderes als "Ich habe einen unschönen Hut" und "Ich habe einen schönen Nicht-Hut" (was auch immer das sein soll, geht ja nur um die Formuierung)
    Selbst wenn ein Volk nicht gänzlich ohne Negationen auskommen kann, so ist es doch möglich, diese zu beschränken. Etwa, indem es nur ein einziges Negationswort gibt, welches nur auf eine komplette Aussage, nicht jedoch auf einzelne Teile davon bezogen werden kann. Dadurch könnte man erreichen, dass es ein schlichtes "Nein" gibt (eben dieses eine Wort) und auf Fragen geantwortet werden kann, indem sie verneint oder bejaht werden. Will man jedoch selbst eine Aussage treffen würde man lieber auf dieses Hilfswort verzichten, da es ja keine exakten angaben ermöglicht. Für die Aussage "Ich habe einen unschönen Hut" benötigt man also entweder ein entsprechendes, bereits in sich negiertes Wort (hässlich) oder man muss die Aussage wiederholen ("Ich habe einen Hut. Ich habe keinen schönen Hut.")


    Ich weiß, das ist nicht das, was gefragt wurde, aber ich denke das Beste, das man kriegen kann.

  • Aber nur so aus Neugier, hättest Du ein paar Beispiele?


    Da ich primär nach natürlichen Sprachen suchte, habe ich die Überschriften zu Artikeln zu künstlichen Sprachen nur sehr flüchtig überflogen. Also, ohne erneute Recherche: Nein.


    Ein paar weitere Gedanken zum Thema:
    In einer nicht negierenden Sprache könnte ich mir eine Struktur vorstellen, die die Negation ersetzt. Wie diese aussehen könnte weiß ich nicht. In allen mir bekannten Sprachen ist die Negation inhärent verankert. Damit ist eine solcherartige Struktur obsolete und nie entstanden.
    Womit es IMHO auch unsinnig ist, irgend etwas hier mit Beispielen aus einer bekannten Sprache Be- oder Widerlegen zu wollen. Dumm nur, dass Beispiele Aus unbekannten Sprachen niemandem bekannt sind.


    Zu Ja/Nein Fragen: Streng genommen ist "Das ist falsch" keine Negation. "Das ist nicht richtig" wäre eine.
    Womit ich meine eigene obige Aussage sehr schön ad absurdum geführt hätte.

  • Das heißt aber letztlich dass diese Sprache um auf Negationen zu verzichten letztlich jedes Wort mehrfach braucht. Einmal in der positiven Form und einmal in den Negativen Formen.


    Zum Beispiel:
    Ich finde nicht dass du das machen kannst = Ich bin nicht der Meinung dass du das machen kannst.
    Wenn man nun ein Wort für Meinung hat braucht man auch ein Wort für "nicht Meinung", nennen wir es einfach mal in der Übersetzung Nönung
    Ich bin der Nönung dass du das machen kannst.


    Der Satz selber ist positiv, weil ich das Wort durch ein Wort mit einer negativen Besetzung ersetzt habe. Macht man im Deutschen ja auch. "Der Hut ist nicht schön" - "Der Hut ist hässlich". Was bei uns natürlich durchaus ein kleiner aber feiner Unterschied ist, aber das muss ja nicht in jeder Sprache so sein, oder?

    Selbst wenn man sagt dass man außerhalb von Schubladen denkt, bestimmen immer noch die Schubladen das Denken. Erst wenn man sich bewusst ist dass die Schublade selbst nicht existiert kann man wirklich Neues erfinden


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  • Zu Hans Beispiel "das ist falsch", das keine Negation darstellt, kann man allgemein zum Dualitätsprinzip abstrahieren: In vielen Kulturen glaubt man, dass alles ein Gegenteil hat. Die Negation ist sehr verwandt zum Gegenteil eines Dings. Es wäre deshalb unwahrscheinlich, dass sich in einer Sprache Gegenteile bilden lassen aber keine Negationen! Gegenteile sind jedoch sehr wichtig, da Sprache ohne Gegenteile (oder allgemein ohne Alternativen) kaum noch etwas ausdrücken kann. Wozu sage ich "Ich habe Hunger" wenn die Gesprächsteilnehmer dies in Ermangelung von Alternativen eh schon wissen? Aus dieser Sicht wäre doch wieder ein sehr dummes Volk am Wahrscheinlichsten, dass einfach kaum nachdenkt und eine Äußerung nicht bewirkt, dass sie Möglichkeiten in zutreffend und unzutreffend teilen, sondern nur, dass sie überhaupt daran denken.

  • Ich bin mir allerdings nicht so sicher, wie verbreitet ein grundlegendes Dualitätsprinzip ist. Wenn es zu jeder Sache eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, braucht es nicht unbedingt eine Negation, sondern eher "Abzählbegriffe", die angeben, wieviele Möglichkeiten denn zutreffen. Beispielweise kann man "am Verhungern sein", "hungrig sein", "Appetit haben", "gesättigt sein" und "übersättigt sein" als Alternativen sehen, von denen keine exakt ein Gegenteil hätte, denn jede schließt wenigstens einige der anderen aus.

  • Eine menschliche Sprache ohne Negation fällt mir nicht ein. Allerdings besitzen Katzen eine sehr primitive Sprache, in der es keine Negation gibt.
    So kann eine Katze zum Beispiel ausdrücken:
    - Ich habe Hunger.
    - Mach die Tür auf.
    - Mir geht es gut.
    - Mir geht es schlecht.
    - Lass mich in Ruhe.
    - Ich will spielen.


    Aber zu vielen Sachen fehlt ihnen die Negation.

  • Es ist sehr gewagt, von Miauen, Schnurren und Katzenkörpersprache darauf zu schließen, dass Katzen keine Negation ausdrücken können. "Lass mich in Ruhe" kann genauso interpretiert werden als "Ich will nicht spielen". Es kommt eben darauf an, welche menschlichen Worte wir ihr quasi in den Mund legen. :weissnicht:

  • Es ist sehr gewagt, von Miauen, Schnurren und Katzenkörpersprache darauf zu schließen, dass Katzen keine Negation ausdrücken können. "Lass mich in Ruhe" kann genauso interpretiert werden als "Ich will nicht spielen". Es kommt eben darauf an, welche menschlichen Worte wir ihr quasi in den Mund legen. :weissnicht:

    Nein. Es gibt ja mehrere Alternativen:
    - Ich will spielen.
    - Ich will essen.
    - Ich will gestreichelt werden.
    - Ich will in Ruhe gelassen werden.


    Für alle vier Alternativen gibt es in der Katzenkommunikation einen Ausdruck. Eine Negation zeichnet sich aber dadurch aus, dass eine Möglichkeit nicht zutrifft, ohne zu erläutern, welche Alternative stattdessen zutrifft.
    Der Ausdruck "Ich will nicht spielen." lässt zum Beispiel offen, ob man stattdessen lieber gestreichelt werden mag oder lieber etwas essen mag oder lieber in Ruhe gelassen werden will.


    Diesen Ausdruck gibt es innerhalb der Katzenkommunikation nicht: Es gibt keine Äußerung, die eine einzelne Möglichkeit ausschließt, aber alle Alternativen offen lässt. (Dies ist aber das Markenzeichen der Negation.)


    Dass es keinen Ausdruck für "Ich will nicht spielen" gibt, erkennt man auch daran:
    - Versuche mit einer Katze zu spielen, die in Ruhe gelassen werden will. Und spiele anschließend mit einer hungrigen (Haus-)Katze. Beiden Katzen ist gemein, dass sie nicht spielen wollen. Die Äußerungen unterscheiden sich jedoch drastisch. Wenn es eine "Ich-will-nicht-spielen"-Äußerung gäbe, müsste diese spezielle Äußerung aber von beiden Katzen vorgetragen werden.


    @ Kinno Katana
    Eine Katze nutzt ja nicht nur eine Lautproduktion zu Kommunikationszwecken. Sie benutzt ebenso Gebärden. (Die Bekannteste ist wohl Buckel, gesträubtes Haar und erhobener Schwanz. Aber die Katze beherrscht noch mehrere andere Gebärden.)


    Aber wieso ist das noch keine Sprache? Zumindest der WIkipedia Artikel schreibt dazu, dass es auch Sprache im Tierreich gibt. (Als Beispiel wird zwar nicht die Katze sondern der Hund genommen, aber deren Kommunikationsqualität ist ja ähnlich hoch.)

  • Sprache erfordert einen Satzbau. Äh, hm, pff, nänänänänä, iiiieh-- das sind Lautäußerungen, die umgangssprachlich zwar zur Sprache gezählt werden, aber eigentlich eine einfachere Form der Verständigung sind. In diesen malerischen Ausdrücken ist zwar eine Bedeutung (für andere verständlich) enthalten, die von Land zu Land abweicht und mit der man sogar Artgenossen, die diese Geräusche verstehen, belügen kann.
    Äh, hm, pff, nänänänänä, hä, iiieh...ergibt zwar in der Kombination einen Sinn, aber eine Sprache kann deutlich mehr Informationen vermitteln. Dieser "Satz" vermittelt nur die gegenwärtige Gefühlslage bzw. Situationseinschätzung eines Menschen und weiter nichts.


    Das diese Verständigung viel mit Sprache zu tun hat, stimmt. Aber so weit wie die Wikipedia würde ich mich nicht aus dem Fenster lehnen.

  • Mal eine ähnlich frage:
    Gibt es sprachen ohne Geschlechter?
    Also nicht im Sinne von Koch nicht Köchin
    sonder nicht er oder sie sondern es


    mfg
    Empire

  • Gibt es sprachen ohne Geschlechter?
    Also nicht im Sinne von Koch nicht Köchin

    Nun ja... in gewisser Weise könnte man sagen, dass zum Beispiel Japanisch eine Sprache ohne Geschlechter ist. Sämtliche Worte sind geschlechtsneutral, mit Ausnahme der extra Worte für Mann und Frau, die aber selten genug verwendet werden (nur dann wenn man explizit von einem Mann oder einer Frau spricht) und einigen geschlechtsspezifischen Worten wie Bruder oder Schwester.
    Ich könnte mir denken dass man durchaus auf diese Worte auch noch verzichten könnte...

    Selbst wenn man sagt dass man außerhalb von Schubladen denkt, bestimmen immer noch die Schubladen das Denken. Erst wenn man sich bewusst ist dass die Schublade selbst nicht existiert kann man wirklich Neues erfinden


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  • Eben das mein ich nicht.
    Ich mein nur das es keine Geschlechts Spezifischen Artikel oder Wort Formen gibt.
    Obwohl mich das jetzt auch interesiert ob es eine FÖLLIG geschlechtsneutrale Sprache gibt.^^

  • Hallo zusammen :)



    Eben das mein ich nicht.
    Ich mein nur das es keine Geschlechts Spezifischen Artikel oder Wort Formen gibt.
    Obwohl mich das jetzt auch interesiert ob es eine FÖLLIG geschlechtsneutrale Sprache gibt.^^

    Was meinst du mit 'völlig geschlechtsneutral'? Ich denke, ein völliges Fehlen von Geschlechtsbezug wird schwer möglich sein, da die biologische Geschlechterdistinktion eine zentrale anthropologische Konstante ist und in allen menschlichen Kulturen auf die eine oder andere Weise eine prägende Rolle spielt. Zumindest im Lexikon sollte Genusbezug zu finden sein (wenigstens für Verwandtschaftsbezeichnungen oder als modifizierendes Element 'männlich:' oder 'weiblich:').


    Ob und wie Sprachen das Konzept 'Geschlecht' in ihr grammatisches System integrieren, ist eine andere Frage. Da gibt es eine Menge unterschiedlicher Lösungen, unter anderem Sprachen, denen eine Genusdistinktion im grammatischen System vollkommen fehlt. Generell ist Genus mit Referenzobjekten verknüpft, also eine Kategorie, die normalerweise mit Substantiven zusammenhängt. Daher finden wir Genusmarkierungen oft an Substantiven oder an Begleitwörtern (wie Artikeln, Demonstrativa, Adjektiven) oder Substituenten (wie Pronomina). Ein anderer Bereich, an dem Genusmarkierungen auftauchen können, ist das (verbale) Prädikat des Satzes, etwa, wenn wir Kongruenzmarker am Verb haben, die das Genus des Subjekts (oder Objekts) markieren. Ein damit zusammenhängender Sonderfall wären Partizipien oder historisch aus Partizipien entstandene Verbalformen, die ebenfalls Genus des Subjekts markieren (können). Wichtig ist aber, dass die Verbalformen alle auf das Genus eines Referenzobjekts verweisen.


    Sprachen ohne Genusunterscheidung im grammatischen System gibt es viele. Haben die Substantive kein inhärentes Geschlecht, besitzt der Rest des grammatischen Systems oft ebenfalls keine Genusunterscheidung - jedoch mit Ausnahmen. Denkbar sind z.B. Sprachen, die im Pronominalsystem zwischen 'er' - 'sie' (und 'es') unterscheiden, deren Substantive (und Artikel, Adjektive etc) jedoch kein Genus aufweisen. Solche Systeme sind normalerweise auf das natürliche Geschlecht von Personen und höheren Tieren beschränkt. Einige amerikanische Indianersprachen funktionieren so.


    Unser Englisch ist ebenfalls etwas exotisch in dieser Hinsicht. He, she, it im Pronominalsystem, aber die meisten Substantive (inklusive vieler Tiere wie cat, dog, horse) werden mit it bezeichnet, ohne Rücksicht auf das natürliche Geschlecht (Ausnahmen sind allerdings Halter - Tier-Beziehungen). Das grammatische Genussystem ist hier also schon reduziert, im Gegensatz zu verwandten Sprachen wie dem Deutschen, das immer noch ein volles Genussystem für Substantive besitzt. Im Gegensatz zu natürliches Genus ist das deutsche System jedoch ein Beispiel für grammatisches Genus: Genuszuweisung berücksichtigt längst nicht immer biologische Fakten (der Tunnel, die Brücke, das Mädchen!).


    Aber zurück zur Genusabwesenheit: Das Indonesische, Baskische, Türkische und Finnische sind typische Beispiele für genuslose Sprachen. Sie besitzen Pronomina für die 3.SG, die keinen Bezug nehmen auf das Genus der jeweiligen Person. So steht id. dia je nach Situation für 'er', 'sie' (und manchmal auch für 'es'). Substantive besitzen kein Geschlecht (mit wenigen Ausnahmen), Demonstrativpronomen zeigen ebenfalls kein Genus an: orang perempuan itu - jene Frau, orang laki-laki itu - jener Mann, wobei itu jeweils für 'jen:' steht.


    Genussensitive Subjekt- oder Objektkongruenz an Verben ist relativ selten. Ein Beispiel wäre das Russische Vergangenheitstempus, das männliche und weibliche Subjekte (in der 3.SG) unterscheidet. Auch im Lateinischen gibt es Fälle von Genuskongruenz, etwa: Tenebrae obortae sunt - Finsternis ist eingetreten (wobei das weibliche Geschlecht vom Nomen tenebra abhängt und das Partizip damit kongruiert). Wenn mehr Beispiele gewünscht sind, müsste ich mal in meiner Literatur suchen :)


    Für einen kleinen Überblick über die Sprachen der Welt siehe auch: World Atlas of Language Structure Die Karte zeigt ein sample aus den 6000+ Sprachen der Welt, weiße Bommel stehen für genuslose grammatische Systeme, die blauen und roten Bommel zeigen unterschiedliche Arten der Genuszuweisung an (grob natürliches vs. grammatisches Geschlecht mit anderer Terminologie). Wie man sehen kann, sind Sprachen ohne Geschlecht sogar in der Mehrzahl.

    "Aye, horsemen for companions,
    Before the merchants and the clerk
    Breathed on the world with timid breath.
    Sing on: somewhere at some new moon,
    We'll learn that sleeping is not death,
    Hearing the whole earth change its tune"

  • Um zurück zum Thema zu kommen: Zunächst einmal muss man sich klar darüber sein, was eigentlich Negation ist. Es handelt sich nämlich nicht direkt um einen sprachlichen, sondern um einen logischen Begriff. Negation kann sich in der Sprache einmal ein direktes Gegenteil bezeichnen und zum Anderen eine Gruppe von Dingen, Eigenschaften oder Tätigkeiten mit Außnahme eines Teils dieser Gruppe. Im ersten Fall ist es recht einfach, die Negation zu umgehen, einfach indem es zu jedem Gegenteil ein entsprechendes anderes Wort gebildet wird. Im zweiten Fall ist es jedoch deutlich schwieriger, da der Umstand umschrieben oder auf eine implizite Weise ausgedrückt werden muss. Gerade eine primitive Sprache kommt daher wohl kaum ohne Negation aus.
    Es ist jedoch vorstellbar, dass, aus welchem Grund auch immer, in einer Kultur eine negative Antwort verpöhnt ist, sodass andere Strategien gesucht werden müssen, um die gewünschte Antwort zu erzeugen.
    Möglich wäre,
    dass eine Verbform (z.B. Konjunktiv oder eine Vergangenheitsform) in bestimmten Fällen eine negierende Konnotation erhält, ("Der Mann wäre da.")
    dass sich ein Kasus zu eine Negationskasus wandelt, u. U. in Kombination mit bestimmten Pronomina ("Diesen Mannes ist da.")
    dass Wörter wie "weg" oder "andere" generalisiert werden, wodurch aber eigentlich nur ein anderes Negationspartikel entsteht, ("Der Mann ist weg.")
    oder dass die explizite Nicht-Nennung des zu Negierenden die eigentliche Negation darstellt. ("Ist da.")


    edit:
    Außerdem könnte aus einer Sprache, die bisher nicht über Töne verfügt eine Tonakzentsprache werden, die Negation also als Tonunterschied realisiert.
    Denkbar wäre auch die Verschiebung eines Akzentes auf eine andere Silbe.


    Interessant wäre auch eine Sprache, in der dieser Vorgang in der Vergangenheit geschehen ist, die ursprüngliche Negation aber kein Problem mehr darstellt. Dadurch hätte die Sprache mehr Möglichkeiten zu negieren, als andere Sprachen. Man könnte also genauer differenzieren oder sogar pragmatische Inhalte grammatisch ausdrücken.

  • Ich habe den Thread schon eine Weile mitverfolgt und mich oben ja auch schon zu OT verleiten lassen. Daher hier nochmal etwas topigere ;D Gedanken. Wie Heinrich auch würde ich zunächst einmal danach fragen, was eigentlich Negation ist. Sie beschränkt sich ja nicht auf nein und nicht sondern ist in verschiedenen Teilen von Sprache zu finden: Im grammatischen Bereich haben wir Negatoren für ganze Sätze bzw. Prädikate (nicht, not) und für Nominalphrasen (kein, no), im Lexikon finden wir lexikalische Elemente (nein, falsch..) und Wortbildungselemente (un-schön, Nicht-beachtung, a-synchron, Des-Interesse).


    Dagegen hat sprachliche Negation mit der gleichnamigen logischen Operation zunächst wenig zu tun. Im Gegensatz zur Logik, die ja selbst als Verknüpfungsmuster von Argumenten in Jahrtausenden aus wenigen europäischen Sprachen komponiert und verfeinert worden ist, folgt die Negation natürlicher Sprachen teilweise anderen Gesetzmäßigkeiten und war in ihrer rohen prä-logischen Ausprägung schon weit vorher existent. Ein schönes Beispiel dafür ist die Bedeutung doppelter Verneinungen. Im Gegensatz zu logischer oder mathematischer (- und - = +) Auflösung zweier Negatoren kann der Einsatz von zwei Negatoren in natürlichen Sprachen eine andere Funktion haben, vgl. etwa substandardsprachliche Englischvarietäten: They ain't do him no good wo sich die Negationen nicht aufheben sondern eher verstärkend wirken.


    Aber zurück zur Möglichkeit der negationslosen Sprache: Ich könnte mir zwei Szenarien vorstellen, in denen wir einer solchen Sprache zumindest nahe kämen. Erstens könnte man an eine äußerst primitive Sprache denken, die semantisch gröber als heutige Sprache funktionieren würde und über rudimentäre Referenz auf sichtbare Objekte nicht hinausgehen würde. Sämtliche Abstraktionsebenen, die unsere Sprachen so effizient machen, würden ihr aber notwendigerweise fehlen (keine Deixis, keine Thematisierung von Vorgängen, Prozessen, abwesenden Dingen, Zeitlichkeit? etc). Allerdings würde auch das pure Verweisen auf sichtbare Objekte (Tisch) - wie Nevada schon erwähnt hat - bereits zwangsläufig den kognitiven Prozess einer Kategorisierung von Objekten bedeuten (in Tische und - eben - Nicht-Tische).


    Das zweite Szenario wäre sicher realistischer und würde in Richtung eines Radikal-Japanischen gehen. Wenn Gesichtsverlust, Widerspruch und negative Äußerungen kulturell unzulässig sind und nach Möglichkeit vermieden werden, kann man sich zumindest tendenziell eine Sprache vorstellen, die den Gebrauch von Negation wenn möglich unterdrückt. Statt also Nein! zu sagen und sein Gegenüber zu brüskieren, würde man sagen Ja, aber... Statt Adjektive zu verneinen (nicht gut, nicht lecker) könnte man negativ komparieren (morphologisch oder per Hilfswort, weniger gut, weniger lecker). Letzteres wird z.B. im Indonesischen gerne gemacht, wenn man zu starke Aussagen vermeiden möchte (saya kurang pasti - wörtlich: ich bin mir weniger sicher = ich bin mir nicht sicher).


    Allerdings hat die zweite Variante sicher auch ihre Grenzen (in irdischen Sprachen oder ähnlich gemachten). Zum Beispiel sind negative Wortbildungsmorpheme äußerst produktiv und halten sich manchmal deutlich länger in Sprachen als ihre positiven Gegensätze. Wer würde etwa heute noch von abdingbar, umstößlich oder verkennbar sprechen? Dagegen sind unabdingbar, unumstößlich und unverkennbar oft gebrauchte Wörter.


    Ach ja, übrigens @Jalandira

    Quote

    Hm ich meine es gibt auf der Erde sogar ein Volk das eine Sprache ohne
    Zahlen hat, warum sollte es also nicht ohne Verneinung gehen? Ich meine
    sogar auch so etwas gibt es im Amazonasbereich, da schlummert so eine
    Erinnerung daran in meinem Hinterkopf^^

    Du meinst sicher Dan Everetts Thesen über das Piraha (mit Tilde über dem letzten a) :) Du hast Recht, allerdings sind seine Ergebnisse unter Linguisten recht umstritten, da sich der Rest der 6000+ Sprachen anders verhält (was kein k.o.-Argument ist, allerdings starke Zweifel produziert).

    "Aye, horsemen for companions,
    Before the merchants and the clerk
    Breathed on the world with timid breath.
    Sing on: somewhere at some new moon,
    We'll learn that sleeping is not death,
    Hearing the whole earth change its tune"

  • Ich denke, das Problem liegt darin, dass grundsätzlich jede Aussage verneint werden kann. Eine Sprache ohne Negation ist meiner Ansicht nach unmöglich, denn wenn jemand eine falsche Aussage tätigt und jemand eine positiv formulierte Antwort gibt, um den anderen zu korrigieren, wurden keine Negationswörter, -partikel, etc. verwendet und dennoch müsste man die ursprüngliche, falsche Aussage als negiert betrachten. Es hat also logisch betrachtet eine Negation stattgefunden, auch wenn diese positiv formuliert worden war.

    über rudimentäre Referenz auf sichtbare Objekte nicht hinausgehen würde

    Aber bereits hier kann man negieren. Wenn jetzt einer versehentlich den Baum mit "Fels" betitelt und ein anderer antwortet ihm "Baum", hat er logisch betrachtet die ursprüngliche Aussage negiert. Oder nicht? Selbst wenn jetzt eine falsche Aussage stehengelassen würde, sie wäre immer noch falsch und durch die Realität an sich negiert (es ist nunmal ein Baum, kein Fels).


    Meiner Ansicht nach ist Pirahã übrigens gar nicht so speziell. Wir d hatten das mal in einem Hebräischkurs diskutiert, unser Dozent dort ist ein Hobbylinguist und kann stundenlang über sprachliche Besonderheiten diskutieren.
    Ein Teil des Kurses äusserte damals die Vermutung, dass wohl jede Sprache diese Entwicklungsstufe einmal durchlaufen habe und dass es wohl noch weitere gebe, die sich ähnlich verhielten.
    Interessant fand ich vor allem die Aussagen zum Pronominalsystem. Ich denke, dass klare Aussagen gut möglich sind, ohne ein ausgeklügeltes Pronominalsystem zu haben. Beispielsweise habe ich für eine meiner Sprache ein "Pertinationssystem" entwickelt (lat. "pertinere" = "betreffen"), das nur zwei Personen unterscheidet: "ich bin/wir sind betroffen von der Handlung" (1. Person) und "ich bin/ wir sind nicht betroffen von der Handlung" (2. und 3. Person)

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