Was ist Mittelalter?

  • Damit meine ich nicht den zeitlichen Rahmen. Wenn jemand völlig ohne Datumsbezug einige Eigenschaften verschiedener Epochen aufzählt, was sind so Sachen, an denen man möglichst klar fest machen kann, welche davon (europäisches) Mittelalter sind, und welche nicht?

    • Es gibt Ritter und einen König.
    • Die meisten Leute kennen nur ihr eigenes Dorf bzw. ihre eigene Stadt.
    • Die Welt außerhalb der Stadtmauern ist gefährlich. Händler schließen sich daher zu Karawanen zusammen, da die Reise alleine einem Todesurteil gleichkäme.
    • Es gibt die Leibeigenschaft, aber keine Sklaverei.
    • Die christliche Kirche hat einen großen Einfluss auf die Politik.
    • Die Kirche zählt außerdem als der Bewahrer des Wissens.
    • Die Straßen der Städte sind dreckig, da es kein vernünftiges Abwassersystem und keine Müllabfuhr gibt.


    Gegenüber der Antike grenzt es sich zusätzlich noch ab:

    • Es gibt nicht mehr ein einzelnes kulturelles Zentrum (Rom) und es gibt auch keine Hegemonialmacht (Römisches Imperium) mehr.


    Gegenüber der Neuzeit grenzt es sich ab:

    • Die Europäer bleiben unter sich. Handelsreisen nach Afrika, China oder Indien finden zwar statt, sind aber die Ausnahmen.
    • Amerika wurde noch nicht entdeckt.
  • Quote

    Damit meine ich nicht den zeitlichen Rahmen.


    Also auch keine geschichtlichen Ereignisse, wie die Kreuzzüge?


    Sollen wir Eigenschaften aufzählen, die wir dem Mittelalter zuordnen? Also "Fehlende Aquädukte". Oder zählen auch allgemeine Vorstellungen zum europäischen Mittelalter, auch wenn die grundsätzlich falsch sind: "Hexenverfolgungen"?

  • Das hängt vom Blickwinkel ab. "Das Mittelalter" hat es als ein historisches Gebilde wohl nie gegeben (Quelle: http://www.tempus-vivit.net/taverne, auch ein guter Ort, um mal ein wenig herumzustöbern). Es gibt Rahmendaten, an denen Geschichtswissenschaftler den Beginn und die Ende von Epochen festmachen - und es gibt die Märchen der Gebrüder Grimm, Bücher und Filme, die bestimmte Vorstellungen vermitteln, wie es "früher, im Mittelalter" so gewesen sein könnte.
    Aber was auch immer es "im Mittelalter" gegeben hat, es hat mit Sicherheit es auch andernorts und zu anderen Zeiten gegeben - das einzige, was im Rahmen der Geschichtsforschung eine sichere Zuordnung erlaubt, sind Ortsbezeichnungen und Jahreszahlen. Wenn es um Klischees geht, siehe Eulenspiegels Beitrag plus:
    - Eine zumindest vage im Hinterkopf beheimatete "Ständeordnung", die jedoch "durchlässig" ist, man kann auf- und absteigen. Diese Ordnung wird in der Regel auch nicht hinterfragt.
    - Eine Bevölkerungsverteilung mit hohem Schwergewicht auf der Nahrungsmittelproduktion, bis zu 90% der Bevölkerung kann damit befasst sein. Zwischen den bewohnten Orten finden sich mehr oder weniger ausgedehnte Bereiche von "ungezähmter Natur".
    - Wichtig natürlich: Das Fehlen der Auswirkungen der Industrialisierung, der Technisierung und der weitläufigen Nutzung von Elektrizität. Heizen und Licht beruhen auf Feuer, Kraft ist in vielen Fällen Muskelkraft, zuweilen auch Wasser- oder Windkraft o.ä. Reisezeiten sind gemessen an heutigen Vorstellungen lang.
    - Überhaupt, die Zeit... Tages- und Jahreszeiten werden meist nicht genauer angegeben, als eben nötig ist - und oft reicht es, einen Zeitrahmen anzugeben. Ausnahmen sind Markt-, Fest- und andere besondere Tage, für die schon im Vorfeld ein hoher Koordinierungsaufwand erforderlich ist, sowie zumindest wohl Teilbereiche des Fernhandels.
    - Aber: Die Leute sind im Schnitt nicht dümmer als die, zu denen man sich heutzutage selbst zählt. Auch ohne Lesen und Schreiben kann man eine gute Vorstellung davon entwickeln, wie die Welt beschaffen ist, was woraus folgt und wie es zusammenhängt.


  • Also auch keine geschichtlichen Ereignisse, wie die Kreuzzüge?


    Ereignisse gerne auc.


    Quote

    Sollen wir Eigenschaften aufzählen, die wir dem Mittelalter zuordnen? Also "Fehlende Aquädukte". Oder zählen auch allgemeine Vorstellungen zum europäischen Mittelalter, auch wenn die grundsätzlich falsch sind: "Hexenverfolgungen"?


    Ich hätte gerne tatsächliche eigenschaften des Mittelalters, die es von anderen Epochen davor, danach oder woanders unterscheiden. Könige und Schwerter wären z.B. recht unbrauchbar zur Abgrenzung von Zeitepochen.
    Wenn ich also solche Sachen in einer Geschichte erwähne, soll sich recht eindeutig sagen lassen "Das ist (nicht) im Mittelalter", auch wenn ich kein einziges zeitliches Datum, auch relativdaten, erwähne.


    Danke schon mal für das Bisherige. Da sind einige recht brauchbare Sachen dabei.

  • Ich glaube das Problem ist einfach, dass es das Mittelalter eigentlich nicht gab. Es gab bloß die Leute der Renaissance die in die Zeit davor viel "Unsinn" hineingedichtet haben um sich von denen abzuheben (wie zum Beispiel die Annahme Leute im Mittelalter hätten geglaubt die Erde sei eine Scheibe...)

    Selbst wenn man sagt dass man außerhalb von Schubladen denkt, bestimmen immer noch die Schubladen das Denken. Erst wenn man sich bewusst ist dass die Schublade selbst nicht existiert kann man wirklich Neues erfinden


    INDEX DER THREADS ZU LHANND

  • Ich hätte gerne tatsächliche eigenschaften des Mittelalters, die es von anderen Epochen davor, danach oder woanders unterscheiden. Könige und Schwerter wären z.B. recht unbrauchbar zur Abgrenzung von Zeitepochen.


    Ich denke was oftmals die Assoziation "Mittelalter" triggert, sind weniger einzelne Punkte die sofort quasi eine hinreichende Bedingung für "ahaaa, Mittelalter!!" darstellen, sondern die Kombination mehrerer Punkte, die jeder für sich eigentlich nicht Mittelalter-exklusiv sind. Z.B. Kettenhemden + Adel/Klerus/Bauern. Ich meine da noch den einen oder anderen Bastler im Ohr zu haben, der/die z.B. meinte "eigentlich ist meine Welt eher Antike, aber nur weil ich X und Y hab, halten es die Leute immer erstmal für Standard-Mittelalter-Fantasy, menno :-/ ".

    Je größer der Begriff, desto kleiner bekanntlich sein Inhalt – und er hantierte mit Riesenbegriffen.
    - Kurt Tucholsky über Rudolf Steiner

  • Ich meine da noch den einen oder anderen Bastler im Ohr zu haben, der/die z.B. meinte "eigentlich ist meine Welt eher Antike, aber nur weil ich X und Y hab, halten es die Leute immer erstmal für Standard-Mittelalter-Fantasy, menno :-/ ".


    Tja... ich fürchte, das liegt daran, daß "Mittelalter" der große Restebereich für alles ist, das sich nicht durch Eigenheiten auszeichnet.
    - Graeco-romanische Antike zeichnet sich durch entsprechende Begriffe aus, sei es für "Stände" bzw. Bevölkerungsgruppen, sei es für Phänomene oder Wesenheiten; auch die Benennung von Personen ist dabei enorm wichtig ("Tertius" = römische Antike, "Archimnemnon" = griechische Antike, "Hans" = Mittelalter). Bei anderen Weltgegenden (Asien, Afrika, ...) verhält es sich entsprechend.
    - Keine einem kulturellen System zuzuordnenden, oft aber "sprechenden" Personennamen sowie keine Nutzung von geschmiedetem Eisen und keine komplexen Gesellschaftsformen legen die Einordnung in eine Art "Vorzeit" nahe.
    - Nutzung von Dampfkraft und / oder Elektrizität bezeichnen das "Nach-Mittelalter". "Nach-mittelalterlich" können auch bestimmte Denkkonzepte und Begriffe wirken, allerdings verlangt das schon eine gewisse Komplexität dessen, was einzuordnen ist.
    - Alles andere wird als "Mittelalter" eingestuft.

  • Das ist eine sehr interessante Frage...


    Für mich ist wohl die wichtigste Eigenschaft des Mittelalters eine irgendwie geartete feudale Grundordnung. D.h. es existiert kein "Staat an sich" als theoretisches Gebilde, und auch andere entsprechende abstrakten Entitäten (Kirche, Länder, ...) gibt es nicht. Alles basiert auf den Beziehungen individueller Personen. Man ist nicht französischer Staatsbürger, sondern Untertan vom Herr von X, der dem Graf von Y lehnspflichtig ist, der dem Herzog von Z und der irgendwie dem französischen König, was für mich als einfacher Mensch aber herzlich egal sein kann.


    Davor ist für mich die Antike, d.h. eine städtisch geprägte Kultur, mit fester Gesetzgebung und einer hochentwickelten Bürokratie. Danach kommen irgendwann Absolutismus und Aufklärung, die ähnliche Züge haben. Aber dazwischen ist das Mittelalter und da geht es nciht darum, was in irgendeinem Buch steht, sondern darum, wie der Richter gerade drauf ist, ob ihm meine Nase passt und ob er vielleicht mit meinem Onkel vor 17 Jahren mal einen saufen war.

  • Ich denke was oftmals die Assoziation "Mittelalter" triggert, sind weniger einzelne Punkte die sofort quasi eine hinreichende Bedingung für "ahaaa, Mittelalter!!" darstellen, sondern die Kombination mehrerer Punkte, die jeder für sich eigentlich nicht Mittelalter-exklusiv sind. Z.B. Kettenhemden + Adel/Klerus/Bauern. Ich meine da noch den einen oder anderen Bastler im Ohr zu haben, der/die z.B. meinte "eigentlich ist meine Welt eher Antike, aber nur weil ich X und Y hab, halten es die Leute immer erstmal für Standard-Mittelalter-Fantasy, menno :-/ ".

    Das könnte daran liegen, dass dieser Bastler anachronistische Elemente verbindet.
    Wenn er zum Beispiel eine Antike Welt mit mittelalterlichen Elementen verbindet.


    Wenn ich z.B. von einer Welt spreche, in der es Aquädukte gibt und meine Armee in Legionen eingeteilt ist, dann denken auch alle Leute automatisch an die Antike, obwohl der Rest der Welt eher mittelalterlich geprägt sein könnte.
    Und wenn ich von Flugzeugen spreche, dann denken die meisten Leute an die Neuzeit, obwohl der Rest der Welt auch eher mittelalterlich geprägt sein könnte (siehe z.B. Fading Suns).

  • Das die Frage, was das Mittelalter sei oder ausmache, zu beantworten ist bezweifel ich eher. Zunächst einmal streitet sich die Wissenschaft um die Dauer des Zeitalters: Begann es zur Zeit Constantin des Großen (Anfang 4. Jh.) oder erst zur Zeit Karls des Großen (um 800)? Sodann gab es je nach Zeit und Region große Unterschiede: Der von Shay beschriebene Personenverbandsstaat ist eine Erscheinung des Frühmittelalters, ab dem 11. Jahrhundert entwickelte sich erneut die Vorstellung vom Staat. Der Feudalismus entwickelte sich, wie die meisten Adelstitel erst im Laufe des Mittelalters. Zur Zeit Karl des Großen war es ein Zeichen der Knechtschaft und für den Bayernherzog Tassilo eine große Schande und Strafe, Vasall des Kaisers werden zu müssen. Noch zur Zeit der Ottonen hatte der Kaiser Macht über die Kirche, die sich erst im Investiturstreit weitestgehend vom Kaiser emanzipieren konnte.


    Dann gibt es noch den Mythos Mittelalter, das was sich 'die Leute' so unter Mittelalter vorstellen. Wir gehen davon aus, daß es keine Legionen gab. Widukind von Corvey bezeichnet die Aufgebote der Stämme anläßlich seiner Beschreibung der Schlacht auf dem Lechfeld als Legionen. Aquädukte? Das letzte funktionierende Aquädukt der Stadt Rom wurde, wenn ich mich recht erinnere, erst von den Landsknechten Karl V. unterbrochen. Moderne Gerichtsordnungen? Die Grundlagen wurden im Mittelalter entwickelt. Amerika? Nicht nur die Wikinger, sondern wahrscheinlich auch die Hanse schickten Schiffe dorthin. Portugiesische Fischer fuhren schon vor Kolumbus alljährlich nach Neufundland. Soziale Immobilität? Zum großen Teil erst in der Neuzeit durchgesetzt. Für viele reicht das Mittelalter bis zur französischen Revolution.


    Jeder Mythos ist höchst variabel, so auch die Vorstellungen vom Mittelalter. Hinzu kommt, daß Mythos und Wissenschaft für den einzelnen Menschen durchaus vereinbar ist. Jeder wird sich, wenn er es auch besser weis, sog. 'romantische Vorstellungen' dazu bewahrt haben. Ein allgemeingültiges Mittelalter-Feeling wird also nicht festzulegen sein.


    Abgesehen davon ist das Mittelalter eine Erscheinung unserer Welt, oder vielleicht besser gesagt eine Interpretation einer Phase unserer Geschichte. Humanisten, die eine Bezeichnung für die dunkle Zeit zwischen dem leuchtenden Vorbild der Antike und der eigenen nach Erleuchtung strebenden Zeit erfanden, Historiker, die diese Vorstellungen aus weitgehend praktischen Gründen weiterführen, obwohl wir längst wissen, daß es eigentlich keine großen, klar abgrenzbaren Zeitalter gibt, oder eben so viele wie es Generationen gibt.


    Sollte man also hier nicht besser darüber reden, inwieweit Beschreibungen unserer Welt als Kennzeichnung von historischen Phasen anderer Welten mit anderen Entwicklungen und anderen Einrichtungen taugen?


    Kann man nicht eher einzelne Erscheinungen durch Vergleiche beschreiben, z.B. ein Feudalsystem so ähnlich, wie im Sachsenspiegel beschrieben, ein Justizsystem wie in der späten römischen Politik und fürs Militär ein Gefolgschaftswesen wie das der merowingischen Könige?


    Muß man nicht auch dann gleichzeitig die Unterschiede benennen? Z.B. Städte, aber ohne Mauern und ohne Selbstverwaltung.

  • "Mittelalter" ist vor allem eins: Willkürlich nämlich ...


    Weder sind Anfang oder Ende dieser Zeit definiert, noch ist irgendein Element zwingend vorhanden ...
    Gemeinhin wird alles, was nicht modern ist, obwohl keine Faustkeile mehr benutzt werden, gerne in die Schublade MA gesteckt (sogar das Setting Mittelerde wird so benannt). In dem Zeitraum, der MA genannt wird, liegen etliche entscheidende "Zeitenwandel" - von der Minnezeit zur Hexenverfolgung beispielsweise. Das sind derartig tiefe Einschnitte, dass es schlicht falsch ist, beide "Zeitalter" zusammenzufassen.


    Ich halte sehr wenig davon, diesen Begriff zu verwenden - Sozialstruktur, Stellung der Religion, Herrschaftssystem und Techlevel, Stellung der Frau, Erbsystem ... es gibt dutzende Elemente, die ein Setting bestimmen. Und immer wird man, sobald irgendwer einen Hut aus Eisen trägt, "Mittelalter" hören ...


    (und dann immer diese ganzen Sachen wie "Im Mittelalter war das so und so und dies ging nicht" - Schreikrampf)

  • @ Riothamus
    Eigentlich gilt das Mittelalter ab dem 6. Jahrhundert. Wenn du mit dem 8. Jahrhundert beginnen würdest, würde ja das halbe Frühmittelalter rausfliegen. Und Konstantin der Groß (280-372) bzw. die Völkerwanderung (375-568 AD) gehörten früher zwar noch zum Frühmittelalter. Doch in der heutigen Geschichtschreibung zählt man sie zur Spätantike.
    In der heutigen Geschichtsforschung teilt man wie folgt ein:

    • Spätantike: (284 bis 568 ) Beginnt mit dem Amtsantritt durch Kaiser Diokletian und damit Beendigung der Zeit der Soldatenkaiser.
    • Frühmittelalter: (568/632 bis 962/1066) Beginn ist der Einfall der Langobarden in Italien (568 ) bzw. die arabisch-islamische Expansion 632.
    • Hochmittelalter: (962/1095 bis 1250) Beginn ist die Gründung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (962), das morgenländische Schisma (1054), die normannische Eroberung Englands (1066) bzw. der Beginn des Ersten Kreuzzuges (1095)
    • Spätmittelalter: (1250 bis 1453/1500) Beginn ist der Tod des Stauferkönigs Friedrich II.
    • Neuzeit: Ab 1453/1500. Beginn ist der Fall Konstantinopels (1453), der Abschluss der Zersplitterung des Heiligen Römischen Reiches (der Ewige Landfrieden um 1495) bzw. die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus (1492).


    @JvF
    Mittelerde ist nicht komplett Mittelalter:

    • Das Erste Zeitalter ist eher mystisch und niemand würde es "mittelalterlich" nennen.
    • Das Zweite Zeitalter ist eher die Antike. Valinor nimmt dabei den Platz des unentdeckten Amerikas ein. Das Zeitalter endet mit dem zweiten Sieg über Sauron und der Aneignung des einen Rings durch Isildur
    • Das Dritte Zeitalter ist dann das Mittelalter. Es beginnt mit dem Tode Isildurs. Das Dritte Zeitalter endet mit dem Wurf des Ringes in den Vulkan durch Frodo bzw. Gollum und die endgültige Vernichtung Saurons.
    • Das Vierte Zeitalter ist dann die frühe Neuzeit (Renaissance). Es beginnt mit der Übergabe der Macht von den Elben an die Menschen.

    Tolkien hat in seiner Welt also eine komplette Entwicklungsgeschichte von mystischer Vorzeit über Antike und Mittelalter bis zum Beginn der Neuzeit beschrieben.
    Das "Problem" ist, dass die vier bekanntesten Bücher von Tolkien alle am Ende des Dritten Zeitalters spielen. Das Silmarillion beinhaltet jedoch die ersten beiden Zeitalter. Und das vierte Zeitalter wird kurz angesprochen, aber es gibt imho keine eigenständige Geschichte dazu.

  • Ähm ...


    Hallo, Eulenspiegel,


    einmal: Der letzte Buchstabe meines Nicks ist kein "F"


    und zum Anderen:

    Quote

    und niemand würde es "mittelalterlich" nennen.

    ist so eine Sache: Wenn du zwischen "niemand" und "würde" den Einschub ",der einigermaßen Ahnung von Geschichte und/oder Literatur, vielleicht auch ein wenig Textverständniss, auf jeden Fall aber keine Neigung zu vorschnellen, pauschalisierenden Urteilen oder Einordnungen besitzt" - ähm - einschieben würdest, dann würde ich dir vorbehaltlos zustimmen können.
    Nur ... eben ... ja.


    Frage einfach Leser/Konsumenten - und revidiere das "Niemand"

  • Ich wollte lediglich darstellen, daß schon die Dauer des Mittelalters umstritten ist, und habe als Beipiel die extremsten Positionen für den Beginn desselben benannt. Desweiteren habe ich im selben Beitrag darauf hingewiesen, daß man heute davon ausgeht, daß es keine klar abgrenzbaren Zeitalter gibt. (Außer natürlich im ursprünglichen Sinn als Lebensdauer des Einzelnen.) Man kann keine allgemeingültigen Grenzen dafür definieren. Sowohl die politischen, als auch die wirtschaftlichen, kulturellen und technischen Voraussetzungen änderten sich allmählich und in den verschiedenen Regionen unterschiedlich schnell. Versuche ein bestimmtes Datum zu präsentieren können somit nur falsch sein. Es ergäben sich nach den Regeln der modernen Logik nur unsinnige Aussagen. Zwischen den Zeiten liegen vielmehr längere Übergangszeiten.


    Ja, mir ist bekannt, daß die unsinnigen Aussagen unterschiedlich definiert werden, doch gilt folgende Tautologie: Entweder gilt: Alle den Wandel entscheidend ausmachenden Aspekte sind zu dem für die jeweilige Theorie entscheidenden Datum geänderte. Oder es gilt: Manche der den Wandel entscheidend ausmachenden Aspekte sind nicht zu dem für die jeweilige Theorie entscheidenden Datum geänderte. (Die fraglichen Aussagen bilden einen Kontradiktorischen Gegensatz, will heißen: eine muß wahr sein, die andere muß falsch sein. )Man kann's auch anders formulieren, so braucht man aber nur Gegenbeispiele finden und die Sprache ist nicht zu mathematisch.


    Dennoch hier eine alltäglichere Formulierung: Klare Abgrenzungen können sich nur ergeben, wenn ein bestimmtes Merkmal zur Unterscheidung herangezogen wird, was mir unsinnig erscheint. Sonst könnten wir sagen: Das Mittelalter Ein begeisterter Parlamentarier könnte - nur als fiktives Beispiel - die Existenz des Senats als entscheidend betrachten und käme so zum Pontifikat Gregors des Großen, bei dessen Amtseinführung zum letzten Mal römische Senatoren in Erscheinung getreten sein sollen. Für die Stadt Rom selbst ergäbe das sogar ein in vieler Hinsicht nachvollziehbares Ergebnis, z.B.: die staatliche Verwaltung brach zusammen, selbst die Lebensmittelversorgung Roms konnte nicht mehr garantiert werden. Die Kirche unter Papst Gregor, der selbst einst praefectus urbis war, sprang ein. Die Versorgung Roms wurde durch die Kirchengüter in Süditalien und Sizilin übernommen. Bevor es zu einem weiteren Mißverständnis kommt: Dies ist nur ein von mir ad hoc ausgedachtes Beispiel für eine Abgrenzung, die nur einen Aspekt berücksichtigt, wie es die meisten Abgrenzungsversuche tun. Auch diese Abgrenzungsversuche sind nachvollziehbar - bis man darauf kommt, daß andere Erscheinungen weiter reichten oder Anderes sich früher geändert hat. Folgende Abgrenzungen wurden vorgeschlagen:


    313 Toleranzedikt von Mailand (Gibbon, Christentum)


    308-337 Konstantin der Große


    324 Sieg Konstantins über Licinius


    375 Einfall der Hunnen in Europa (Katastrophentheorie)


    378 Schlacht bei Adrianopel


    394 Ende der olympischen Spiele (Kultur)


    395 Tod des Theodosius (Teilung des Reiches; Unterschiedliche Entwicklung von Osten und Westen)


    410 Eroberung Roms durch die Westgoten


    476 Absetzung des letzten weströmischen Kaisers (Politisch-soziale Strukturen)


    482 Herrschaftsantritt Chlodwigs (christl., germanische Reiche)


    529 Schließung der Akademie in Athen (Wissenschaft, Kultur)


    568 Einfall der Langobarden in Italien


    622 Hedschra Mohammeds (Pirenne, Wirtschaft, Teilung des Mittelmeerraumes)


    633 Beginn der islamischen Expansion


    711 Landung der Araber in Spanien


    768-814 Karl der Große


    Da sich die Abgrenzungen, wie gesagt, vorwiegend auf einen bestimmten Aspekt, einige sind in der Liste angegeben, beziehen, dürfte sich immer ein Gegenbeispiel finden. Werden aber mehrere Daten benannt, handelt es sich ja schon um eine Übergangszeit. Also: Q.e.d.


    Eine andere Argumentation bei: Boshof, Düwel, Kloft, Grundlagen des Studiums der Geschichte, Köln, Weimar, Wien, (4. Auflage) 1994.


    Diese Betrachtungen sind auch für den Weltenbau wichtig: Wenn die Zeiten sich allmählich ändern, wenn die Zeiten nicht klar abgrenzbar und definierbar sind, können die Zeitalter, d.h. die Kategorien unter denen wir Geschichte betrachten nicht als zwangsläufiger Ablauf angenommen werden. Es muß dann also erklärt werden, warum ein Zeitalter einem irdischen Zeitalter gleicht, d.h. warum auf eine andere Welt unsere Anschauungen angewandt werden. Nur bei einem klaren Einschnitt könnte man ein Ereignis als Erklärung heranziehen. Spätestens seit dem Positivismus-Streit wissen wir, das Rankes Forderung, darzustellen "wie es eigentlich gewesen sei" nicht erfüllbar ist. Selbst wenn die Subjektivität ausgeschlossen wird, sind wir immer noch von Quellen abhängig. In unseren Welten setzen wir die Geschichte und beschreiben einfach, wie es gewesen ist. Sollten diese Welten dann nicht auch eigene Interpretationen haben? Wie sollten bei anderen Voraussetzungen unsere Kategorien angewandt werden? Ok, wir können auf die Wirkung abheben, die eine Welt auf die meisten Menschen macht, aber beim Weltenbau wird doch auf Konsistenz geachtet - unsere Welt auch oft als Korrektiv genommen. Bezüglich eines Zeitalters ist also die Frage nach dem Zustandekommen derselben Interpretation wie in der realen Welt interessanter als das Zustandekommen eines typischen Zeitalters. Natürlich kann es auch interessant sein, eine Welt zu kontruieren, die die durch völkerkundliche Arbeit, sprich in diesem Forum genannten Vorstellungen als Realität beinhaltet. Doch auch hier scheint es mir wieder sehr interessant: Wie beeinflußt das die In-Welt Vorstellungen von der Welt und der Geschichte?

  • Wenn es darum geht, ob eine Welt als typisch mittelalterlich benannt werden kann, und was sich jeder einzelne so darunter vorstellt, muß ich folgendes benennen:


    1 - Der Versuch Erungenschaften des vorhergehenden Zeitalters zu bewahren, ohne daß die Ressourcen dazu ausreichen, wobei die Errungenschaften auch noch anders interpretiert werden.
    2 - Monarchien, oder besser: Personen, nicht Institutionen stehen im Mittelpunkt
    3 - starke 'ethnologische' Momemente, will heißen die Verknüpfung der Vorstellungen verschiedener Ethnien mit den Errungenschaften einer zumindest teilweise von Philosophie durchdrungenen Hochkultur
    4 - Die Mehrheit wird wohl Einzelbeispiele benennen: Burgen, Ritter, Grundherrschaft, Vasallität, etc.

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