Shay :
Hm, für geographische Informationen, insbesondere sind Atlanten typische Quellendarstellungen. Wie willst du sonst wissen, wo Rouen liegt oder ob eine Karte korrekt ist. Du musst vergleichen. Und wenn ich gezeigt habe, dass ein, zwei Orte im interessanten
Wenn jemand argumentiert, ist das keine Behauptung, sondern Beleg. Referierte Grundlagen und Hintergründe werden, wenn überhaupt durch allgemeine Verweise Handbücher und Quellenkunden belegt. Da habe ich einiges vorgestellt, um mich in den Posts nicht immer zu wiederholen. Wenn etwas davon strittig ist, musst da das benennen, angreifen. Und wo es herrschende Meinung ist auch begründen. Dann müsste ich meine Sicht begründen. Eigentlich. Aber wir sind ja nicht an der Uni. Nur musst du benennen, welche Punkte du anzweifelst. Ich kann ja nicht hellsehen.
Warum wird nicht alles minutiös belegt? Dann würde es bei manchen Absätzen einen ganzen Tag dauern und wie ich schrieb, stehen wir auf den Schultern von Riesen. Belegt werden strittige und entscheidende Stellen. Außerhalb der Uni, in einem Forum eher nur die angezweifelten Punkte.
Du selbst belegst auch nicht alles und reagierst auf entsprechende Nachfragen, etwa mit der Karte. Und WeepingElf hat recht: Die neue Theorie, die das altbekannte angreift, muss begründet werden. Vertreter der herrschenden Meinung sind dann an der Reihe dies zu beurteilen, Fehler und Gegenargumente zu finden.
Wenn gesagt wird, dass Quellenkritik allein nicht reicht, torpediert das die ganze Geschichtswissenschaft. So etwas machen z.B. auch Verschwörungstheoretiker. Darum werde ich da erstmal getriggert und reagiere unwirsch.
Und geh mal davon aus, dass ich weiß, was ich schreibe. Wenn du dich so lange damit beschäftigt hast, die Quellen kennst und die maßgebliche Literatur oder einen großen Teil derselben - bei so einem populären und umfangreichen Thema kann heute keiner mehr alles kennen, musst du dich auch nicht zu verstecken. Ein oder zwei Bücher zur Methodik und zu Quellen und ich hätte kein Problem, dich als Experten zu betrachten. Dazu wird jemand durch Beschäftigung mit einem Thema und die Aneignung der entsprechenden Fähigkeiten. Gut, Sprachen lasse ich da beiseite, aber da muss auch jeder mit Latinum und Graecum beurteilen wie gut er das kann und was er beurteilen kann und was nicht. Bei dem Herodotzitat wird das deutlich, dass Übersetzungen in die irre führen können.
So, Herodot, Vater der Geschichte. Er geht immer bis zu dem Punkt zurück, an dem er die erste historische Nachricht vermutet. Er berichtet auch einiges vom Mythos, aber er gibt den genannten Punkt an. Auch bei geographischen Angaben diskutiert er das manchmal. Das kann schon jeder sagen, der ihn bloß liest und bedarf hier eigentlich keines Belegs. Es ist herrschende Meinung und gehört sogar zur Allgemeinbildung.
Wie kam er auf die Idee seine "Historien" zu veröffentlichen? Er wollte Geld verdienen und hielt öffentliche Vorträge. Vereinfachte Vorträge, denn für mehr Wissen sollte gezahlt werden, egal ob zur Erziehung oder Unterhaltung. Seine Vorträge kamen in Athen so gut an, dass er, um es kurz zu machen, von den Athenern bezahlt wurde, das aufzuschreiben. (Das sind Grundlagen, die sich in Handbüchern finden und wird eigentlich nicht belegt. es sollte in Handbüchern und Quellenkunden zu finden sein., es ergibt jetzt keinen Sinn, das Beispiel zu belegen.)
In einer erweiterten Version, aber sicher nicht vollständig. Es gab Handel und alles über die Kelten war eine wertvolle Information. Daher gibt Herodot hier nur sehr wenig und ungenaue Informationen. (Das ist eine Argumentation. Da es nicht wirklich weiterführt, hat es keinen Sinn darüber zu streiten. Ich habe damit aber gesetzt, dass es Beschränkungen für Herodot gab, was nicht strittig ist. Würde ich es mit einem Beleg versehen, würde ich mich nur auf eine Autorität berufen, was argumentativ keine Folgen hat. Argumente zur Person sind Fehlschlüsse. Ja, ich wollte hier nur ein Beispiel. Und ich habe natürlich Zitate wegen des Urheberrechts ganz außen vor gelassen.)
Genug der Beispiele, kommen wir zum Text. Herodot, Buch II, Kapitel 33, Satz
die von Shay wiedergegebene Übersetzung:
"Der Istros (die Donau) entspringt bei den Kelten und der Stadt Pyrene, strömt mitten durch Europa hindurch und teilt es – die Kelten aber sind außerhalb der Säulen des Herakles, Nachbarn der Kynesier, die als letzte von den Völkern Europas gegen Westen wohnen –; es mündet aber der Istros ins Meer, indem er durch ganz Europa in den Pontos Euxeinos fließt, da, wo Istria liegt, eine Kolonie der Milesier." (Herodot II 33, ).
Ich könnte das philologisch auch mit heute üblichen Begriffen erklären, aber mit denen der klassischen Antike dürfte es gerade für Weltenbastler interessanter sein. Ich vereinfache aber. Die Begriffe finden sich bei Wikipedia. Aber das ist im Grunde so ein Punkt, der nur erfahren werden kann, wo dem Altsprachler vertraut werden muss.* Wilfried Stroh, Latein ist tot - Es lebe Latein erklärt das Prinzip ohne zuviele Begriffe an einem Beispiel von Cicero, wobei die duale Struktur (s.u.) im Lateinischen eher selten gegeben, typisch Griechisch ist. Griechischschüler begegnen dem meist schon in den ersten Stunden.
Im Altgriechischen ist oft eine gegenüberstellende Satzstruktur gegeben. Hier stehen thematisch Donau und Kelten gegenüber. Der Aufbau ist Donau und Kelten- Donau - Kelten - Kelten - Donau -Donau. Die Erwähnung von Pyrene und Istria bildet einen gewissen Rahmen. Das ganze ist in einer Periode gegliedert, was ein Sprechabschnitt ist. Die Stichworte stehen für Moiren, das was mit einem Atemzug gesprochen werden soll. So sehr wir auch im altsprachlichen Unterricht Grammatik und Satzaufbau lernen, bevorzugt die antike Literatur die Periode. Die Schwierigkeit bei Autoren wie Cicero besteht darin, dass auch das Verständnis damit verknüpft ist. Mit unserer Sprache hätte Cicero ähnliche Probleme wie wir mit ihm.
Was folgt daraus? Wir haben hier Informationen zur Donau und zu den Kelten, die wir aber trennen müssen. Hier ist es nicht ganz so kompliziert wie bei Cicero. Dieser Übersetzer hat das geschickt durch einen Einschub mit Gedankenstrichen gelöst.
"die Kelten aber sind außerhalb der Säulen des Herakles, Nachbarn der Kynesier, die als letzte von den Völkern Europas gegen Westen wohnen" bezieht sich nur auf die Kelten.
"; es mündet aber der Istros ins Meer, indem er durch ganz Europa in den Pontos Euxeinos fließt, da, wo Istria liegt, eine Kolonie der Milesier." bezieht sich nur auf die Donau
Es sei erwähnt, dass die Informationen in diesen Abschnitten genau genug passen, um als zutreffend bezeichnet zu werden.
Auf beides bezieht sich das etwas kompliziertere "Der Istros (die Donau) entspringt bei den Kelten und der Stadt Pyrene, strömt mitten durch Europa hindurch und teilt es".
Der zweite Teil scheint sich nur auf die Donau zu beziehen. Es gab allerdings Stimmen, die nach meiner Erinnerung, da immer zwei Einheiten zusammengefasst sind, die Frage aufwarfen, ob Herodot schon von der zu seinen Lebzeiten begonnenen Ausbreitung der Kelten nach Osten, gehört hat und hier darauf anspielt. (Die strikte Trennung von Sachtext und schöner Literatur ist jüngeren Datums.) Eigentlich wollte ich die Info weglassen, aber es ist ganz interessant. Da es für uns keine Bedeutung hat, spielt es keine Rolle, dass ich nach den Belegen für diese Ansicht lange suchen müsste und die Argumentation ist ja auch genannt.
Es bleibt: "Der Istros (die Donau) entspringt bei den Kelten und der Stadt Pyrene,"
Nun, die Donau entsprang tatsächlich bei den Kelten, kulturell sowieso, wahrscheinlich auch sprachlich, wenn wir auf spätere Verhältnisse als Tatsachen schauen, was etwa auch Tacitus berichtet. Bisher ist also kein grober Schnitzer festzustellen.**
Was machen wir nun mit Pyrene? Die Erwähnung von Istria an der Mündung und von Pyrene an der Quelle zeigt deutlich, dass Herodot eine Stadt in der Nähe der Quelle meint, wobei Nähe m.E. natürlich relativ verstanden werden muss. Das erscheint mir evident.
Hat er hier einen Fehler produziert? Oder gab es zwei oder mehr Pyrene? Angesichts der bisher korrekten Informationen tendiere ich zu letzterem. Für Kelten und frühe Latene-Kultur ist es egal, weil Spanien und die Donauquelle so oder so zur Beschreibung gehören.
Ja, mit modernem Satzverständnis wäre das einfacher zu erklären, aber nicht ganz korrekt und nicht so schön.
Dann ist da noch die Frage, welcher Sprache der Stadtname angehört. In Dokus gerne vorgetragen, äußere ich mich hier nicht dazu, was ich davon halte: Pyr entspräche dem griechischem Feuerrot. Wie andere Objekte sollen einige keltische Stadtmauern mit besonderen Steinen/Quarzen/sonstwas versehen gewesen sein, so dass sie bei bestimmtem Sonnenstand rot leuchteten wie der Rosengarten in den Dolomiten. Deshalb wäre Pyrene generell ein griechischer Name für keltische Städte gewesen. Einfach zu schön, um es nicht zu erwähnen. Aber, da Platon ähnliches für Atlantis beschreibt, ... Nun, ihr versteht, dass ich es für sinnlos halte hierfür nach Belegen zu suchen.
* Und der Sprachrhythmus muss oft noch zusätzlich heran gezogen werden. Da eine der wenigen überlieferten Pythias-Stellen in einem bestimmten Versmaß geschrieben ist, wissen wir, dass am Anfang des Ethnonyms guiones eine Silbe fehlt. Beispiel für eine Ergänzunh ist Inguiones, was alle Ingos freuen wird. (Das müsste bei Ludwid Schmidt, in seinem dicken Handbuch zu den gernanischen Stämmen genauer erläutert sein. Wegen meiner Augen kann ich die Seite nicht nachschlagen, aber es gibt einen Index für jeden Band.)
** Wäre da nicht nur ein Satz des Kapitels zitiert, wäre da etwa der Fehler, dass die Donau als parallel zum Nil gesehen wird.