Wenn ich also, wie von Caspar angedacht, ein evolutionäres Konzept an eine Welt anlege, und dort mehrere kulturschaffenden Lebensformen vorfinde, dann sehe ich da nur sehr wenige Möglichkeiten.
1.) Am Wahrscheinlichsten dürften unterschiedliche Arten sein, die jedoch allesamt aus einer Vorgänger-Spezies entstammen.
2.) Eine Spezies "liftet" eine andere zu höherer Intelligenz hoch. (Was mag aus unseren Hunden in 20.000 Jahren werden?
)
3.) Der Lottogewinn des gesamten Universums (nicht nur einer Galaxie). Zwei kulturschaffende Spezies entwickeln sich auf einem Planeten. Und ihr "Lebenszeit" überschneidet sich Teilweise sogar.
4.) Eine andere höhere Macht greift ein. (Aliens, ein sich selbst bewusstes Universum, Götter) Doch damit gelangen wir bei ISSO an, was hier ausgenommen war.
Sehe ich auch so. Und ich werde insbesondere auf 2) eingehen, das erscheint mir als am interessantesten.
Für eine friedliche und dauerhafte Koexistenz mehrerer Spezies dürften imho mehrere Faktoren sein:
- Ihre Lebensräume überschneiden sich nur teilweise. Z.B. Land- und Meeresbewohner.
- Die Spezies profitieren essentiell voneinander. Das muss sich keineswegs auf den Handel beschränken. Ich könnte mir ebenso gut vorstellen, dass nur eine Spezies Zugang zu bestimmten Ressourcen hat, die Andere benötigen. Oder aber besondere Schutzmöglichkeiten. Oder entstandener Abhängigkeit bei der Vermehrung (Blüten ohne Bienen?
).
Wenn es zu einer Koexistenz kommen kann, brauchen wir erstmal mehrere kulturschaffene Spezies. Wenn diese von ein und der selben Spezies abstammen sollen, ist es erstmal notwendig, dass auf einen langen Zeitraum nicht essentiell von einander profitieren. Im Gegenteil, es darf kein Kontakt bestehen. Wir brauchen eine verdammt lange räumliche Trennung. (Eine wirklich absolute soziale Trennung kann ich mir nicht vorstellen).
In der Frühgeschichte der Menschheit scheint es solche Trennungen gegeben zu haben, die vermutlich zu verschiedenen parallel existierenden Arten der Gattung homo geführt haben. Allerdings verdichten sich die Hinweise darauf, das zumindest der Neandertalensis und der Cro-Magnon-Mensch fruchtbare Nachkommen gezeugt haben, das würde den Gattungsbegriff wieder schwermachen (allerdings, auch wenn es oft anders dargestellt wird: bewiesen ist hier noch nichts!).
Eine solche notwendige Trennung wird immer unwahrscheinlicher, je größer die Weltbevölkerung wird (je mehr Menschen, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich treffen, dass sie auch physische Barrieren (Meere, Wüsten, Gebirge) überqueren um neue Siedlungsräume zu erschließen). Das macht eine Aufspaltung relativ früh in der "Entwicklung des Menschen" wahrscheinlich. Andrerseits, wenn wir davon ausgehen, das die Sache mit der "Kulturschaffenheit" (blöder Begriff, aber ich weiß keinen besseren) evolutionär ein eher seltenes Phänomen ist, sollte sich unsere Spezies erst nach solchen "Merkmalen" wie Werkzeuggebrauch, Daumen, "rudimentärer Sprachgebrauch" spalten, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass beide Spezies hinterher tatsächlich kulturschaffend tätig sein können.
Dann haben wir aber die Möglichkeit für diverse Arten der Gattung homo. Für die Entstehung einer kleingewachsenen Menschenart (aka Zwerge) kann ich mir spontan 2 Szenarien vorstellen.
1) Simpel: Inselverzwergung. Der Flores-Mensch ist ja schon erwähnt worden. Eine Population gelangt zufällig auf eine für sie eigentlich unerreichbare Insel und entwickelt sich dort ohne Kontakt zur Außenwelt weiter.
2) Wenn wir einen Zwergischeren Zwerg haben möchten, könnte ich mir folgendes Szenario vorstellen. Durch eine wie auch immer geartete Naturkatastrophe (Kometeneinschlag, magisches Was-auch-immer) könnte auf einen Schlag ein Großteil der Nahrungsgrundlage unserer Spezies wegfallen. Die klassische Reaktion wäre wahrscheinlich, die unfruchtbar gewordene Region zu verlassen, mit etwas Fantasie wäre aber vielleicht auch denkbar, dass sich ein Teil der Population stattdessen in ein vorgefundenes Höhlensystem zurückzieht und dort beispielsweise essbare Pilze in genügend großer Zahl vorfindet. Zwar ist es wahrscheinlich, dass die Auswirkungen der Naturkatastrophe nach wenigen Generationen abgeklungen sind, also bevor wir eine weitgehende Evolution unserer neuen Höhlenmenschen haben, aber - und das ist der Clue bei kulturschaffenen Spezies - eine recht kleine, isolierte Population kann sich aufgrund von, keine Ahnung, nennen wir es kulturelle Engstirnigkeit, anders verhalten, als wir es aufgrund von postulierten Gesetzmäßigkeiten der Evolution erwarten würden. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass unsere Höhlenmenschen ihre Pilzzucht weiterbetreiben. Eine eigene Spezies werden sie aber nur, wenn sie isoliert bleiben, also wenn es irgendeine physische Barriere zu den anderen Population gibt. Und zwergwüchsig wird sie nur, wenn das die Beschaffenheit der Höhlen vorteilhaft macht. Weitere Nebeneffekte dürften Lichtempfindlichkeit oder Blindheit sein, dafür könnten sich andere Sinne, z.b. der Geruchssinn und das Gehör verbessern. Merkmale, die man klassischen Zwergen eher nicht nach sagt.
Zugegeben, 2) erscheint bei genauerer Betrachtung ohnehin nicht sonderlich plausibel...
- Die Spezies profitieren essentiell voneinander. Das muss sich keineswegs auf den Handel beschränken. Ich könnte mir ebenso gut vorstellen, dass nur eine Spezies Zugang zu bestimmten Ressourcen hat, die Andere benötigen. Oder aber besondere Schutzmöglichkeiten. Oder entstandener Abhängigkeit bei der Vermehrung (Blüten ohne Bienen?
).
- Keine Nahrungskonkurrenten.
Dieser, in vielen Beiträgen dieses Threads geäußerte Gedanke erscheint mir sehr naturalisierend.
Selbst wenn es stimmen sollte, dass "in der Natur" nicht zwei Spezies ein und die selbe biologische Nische besetzen können, hätte das keine Relevanz für die im Thread gestellte Frage.
Rassistische Theorien waren und sind der Überzeugung, beeinflusst vom Sozialdarwinismus, dass menschliche "Rassen" um die Vorherrschaft auf der Erde (gleichzusetzen mit "in der Nische", wenn wir - wie auch {aber nicht nur} rassistische Theoretiker - von der Suprematie des Menschen über alles andere Leben ausgehen?) konkurrieren. Falsch daran ist nicht nur der Rasse-Begriff - das Begriffe wir Rasse und Unterart auf den Menschen biologisch nicht anwendbar sind ist in diesem Thread schon herausgestellt worden -, falsch ist auch genereller die Naturalisierung von kulturellen Phänomenen. Das passiert schon durch die Begrifflichkeiten, die versuchen, kulturelle Phänomene als biologisch zu definieren.
[wichtiger Einschub]: Es ist ausdrücklich nicht meine Absicht, irgendwen, der hier geschrieben hat, in die Nähe des Rassismus zu rücken [/wichtiger Einschub]
Diese Naturalisierungs- und Biologisierungstendenzen sind kein alleiniges Merkmal rassistischer Theorien, sie herrschen in abgeschwächter Form auch in diversem modernen cultural-clash- und clash-of-civilisations-Geschwafel vor (entschuldigt die abwertende Wortwahl).
Warum sollten verschiedene Zivilisationen, Kulturen (sofern sie überhaupt klar von einander abgrenzbar sein sollten) clashen? Aus wirtschaftlichen Gründen, Begrenztheit der Ressourcen etc.? Bei aller vordergründigen Konkurrenz: China und die USA können nicht ohne einander. Aus wirtschaftlichen Gründen.
Selbst wenn die recht abstrus abgegrenzten Kulturen / Zivilisationen beispielsweise Huntingtons nicht direkt biologisch definiert, aber der Konkurrenzkampf dieser Kulturen mutet doch stark sozialdarwinistisch an.
Kulturen kann man dabei meines Erachtens durch kulturschaffende Arten ersetzen: Warum sollten unterschiedliche Kulturschaffende Arten clashen? Andersartigkeit führt nicht per se zu kriegerischen Handlungen, nicht mal per se zu Konkurrenzkampf. Sie wird auch nicht nur dann akzeptiert, wenn "die andersartigen" essentiellen Nutzen bringen.
Verschiedene Völker haben die meiste Zeit friedlich nebeneinander gelebt, auch wenn sie anders gesprochen, gedacht und eventuell auch anders ausgesehen haben. Natürlich haben sie voneinander profitiert (Handel und so), aber die meiste Zeit dürften sie sich gegenseitig ziemlich egal gewesen sein. Warum sollte sich das ändern, nur weil keine fruchtbare Fortpflanzug möglich ist? Oder weil jemand spitze Ohren hat?
puh, soviel wollt ich gar nicht schreiben....
edit:
Nach der Lektüre dieses Threads ([Philosophie] Sind wir die einzige kulturschaffende Spezies? {wenn ich nen link daraus mach zerstöre ich meinen ganzen Post}) und den darin aufgeworfenen Fragen was Kultur eigentlich ist und warum wir überhaupt so verkrampft danach (und damit nach einer Abgrenzung vom "Tierischen") suchen halte ich den Begriff "Kulturschaffende Spezies" in der von mir hier genutzten Form für unglücklich. Wir neigen dazu, angebliche herausragende Merkmale des Menschen zu sammeln und als Legitimation für die (moralische) Unterscheidung in Mensch & Tier zu nutzen. In meinem Post wäre es wohl sinnig, "kulturschaffend" durch den gleichzeitig engeren als auch weiteren Begriff "menschenähnlich" zu ersetzen. Das löst das Problem nicht, der Begriff Mensch bleibt undefiniert (und soll es auch bleiben; jede Definition, die über das rein biologische hinausgeht, grenzt Menschen aus, eine rein biologische erscheint aber auch nicht richtig), der Begriff menschenähnlich dementsprechend auch. "menschenähnlich" trifft jedenfalls eher, was ich meine.