Ich bin zwar kein Historiker aber Geograph. Und aus dieser Sicht weiß ich, dass die wichtigsten aller Grundlagen zur Entwicklung von Städten nach heutiger Auffassung eine Überproduktion an Nahrungsmitteln über den Eigenbedarf durch Landwirtschaft ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass die ältesten Städte im Bereich des sogenannten Fruchtbaren Halbmondes (also der Bogen von der östlichen Mittelmeerküste nach Mesopotamien) entstanden, da von hier die landwirtschaftliche Revolution ausging. Die Überproduktion an Nahrungsmitteln machte eine Arbeitsteilung möglich, aus der sich das Handwerk entwickeln konnte. Dies führte zu technischen Innovationen, weil sich Menschen nicht mehr mit Jagen und Sammeln beschäftigen mussten, sondern sich auf eine spezielle Sache konzentrieren konnten. Eine Stadt brauchte daher in der Umgebung eine Landwirtschaft, die die Stadt mit ausreichender Nahrung versorgt. Handwerker selbst brauchten prinzipiell daher kein Land außer dem Stückchen, auf dem ihr Haus stand. Da ein Schmied von einem anderen lernen konnte, konnten sie direkt nebeneinander leben. Mit der Zeit wuchs die Diversität an Handwerken und damit entstand auch so etwas wie ein Handel, der zunächst sehr lokal war. Gab es in einer anderen Stadt Dinge, die in einer Stadt begehrt waren und hatte man etwas Adäquates zum Tauschen, so konnte Handel mit der anderen Stadt getrieben werden. So entstanden Handelswege. Am Anfang vermutlich nicht mehr als größere dörfliche Siedlungen, zogen Städte immer mehr Menschen an und so brauchte es bald besondere Regeln um das Gemeinwesen zu organisieren. Mit steigendem Wohlstand wurden Städte bei fremden Herrschern oder Räubern aus dem Umland ein Magnet für Feinde des städtischen Friedens und so begannen Städte Mauern um sich herum zu bauen, die ihren Bürgern besonderen Schutz gewährte.
Die Größe der Einwohnerzahl hing immer von den Versorgungsmöglichkeiten einer Stadt ab. Es erscheint uns zwar heute fast unglaublich, dass Rom schon vor 2000 Jahren 1 Mio. Einwohner hatte. Dazu muss aber folgendes bedacht werden:
1. die Bedürfnisse waren um Größenordnungen primitiver als heute, was Konsum angeht
2. lebte ein großer Teil der Menschen unter unwürdigen Bedingungen in Mietskasernen
3. war Rom als Nabel der Welt in ein umfassendes Netz von Handelswegen eingebunden. Was aus dem Umland nicht zur Versorgung genügte, konnte also
durch Fernhandel kompensiert werden.
4. darf nicht vergessen werden, dass die Lebensbedingungen das Gemeinwesen in schweren Zeiten instabil werden ließ.
Seuchen und Hungersnöte kosteten nicht selten tausenden Menschen das Leben
Rom und Alexandria besaßen zur Entstehung früher Metropolen exzellente Ausgangsbedingungen. Alexandria Hafenstadt, Königssitz, im äußerst fruchtbaren Nildelta; Rom mit dem Hafen Ostia, Hauptstadt der Römischen Republik, später des Imperiums, mitten in Italien mit der fruchtbaren Poebene und idealer Ausgangspunkt für den Mittelmeerhandel.
Die Bedürfnisse heutiger Metropolen können nur durch die Errungenschaften der industriellen Revolution befriedigt werden. Industrielle Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, chemische Industrie, industrielle Konsumgüterindustrie, Schwerindustrie, Energieversorgung und ein komplexes, motorisiertes Transportwesen waren notwendig, damit Städte mit der Rasanz wachsen konnten wie im Europa des 19. und frühen 20. Jahrhunderts oder Asien/Afrika/Lateinamerika heute.
Ganz wesentlich ist hier aber auch die Medizin, wodurch die Bevölkerung ab dem 19. Jahrhundert nicht nur in den Städten, sondern auch insgesamt extrem wuchs.
Die industrielle Revolution führten so gesehen nur dazu, dass Menschen den ländlichen Raum verließen.
Als Schlüsseltechnologien werden hier die Dampfmaschine und die nutzbare Elektrizität gesehen.
In meinem Heimatdorf kann man diese Entwicklung gut nachvollziehen. Seit dem Mittelalter dümpelte die EWZ bei etwa 350 rum, ging durch den Dreißigjährigen Krieg runter und danach wieder auf das alte Niveau. Im 18. Jahrhundert stieg sie leicht an, im 19. Jahrundert verdoppelte sie sich auf knapp 800 am Ende des Jahrhunderts. In der Kirchenchronik ist zu lesen, dass die EInführung von Impfungen die Sterblichkeit massiv verringerte. Der Anteil an Kindern war mit rund 25% sehr hoch. Fast jeder Einwohner war zu dieser Zeit Bauer und/oder Leineweber, nur wenige waren spezielle Handwerker, vor allem Stellmacher, Bäcker etc. Durch die Industrialisierung der Landwirtschaft wuchs auch die Nachfrage nach Mineraldünger, sodass geologische Erkundungen stattfanden und man unter unserem Ort auf ergiebige Kalilagerstätten stieß. Der Bergbau begann 1904, es wurde eine Fabrik zur Verarbeitung gebaut. Mitte des 20. Jahrhunderts lag die Einwohnerzahl dann schon bei 2000. Der Energiebedarf der Fabrik war so groß, dass sie ein eigenes Kraftwerk erhielt. 1971 erreichte der Ort mit knapp 3200 Einwohnern seinen historischen Höchststand und hielt sich bis zur Wende auf dem Niveau von etwa 3000. Seit der Wende ist sie um gut 800 Einwohner zurückgegangen.
So viel erst einmal dazu. Ich hoffe, das hat zum Verständnis etwas beigetragen.