Beiträge von Weltenbastler

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    Tharvellin


    © Sturmfaenger
    Zum jährlichen Seelentanz in den Heiligtümern des Totengottes Cobah-Lur versammeln sich die Gläubigen auf den Rängen des Zeremonienplatzes. Sie alle sind dunkel gekleidet und still, verschmelzen beinahe mit der hereinbrechenden Nacht.


    Während die Farben des Tages weichen, heben sich die weißen Linien im Mosaikmuster der Tanzfläche im Restlicht besonders hervor. Die Tänzer befinden sich bereits in Position, liegen nackt ausgestreckt da, das Gesicht zur Mitte gewandt.


    Mit dem ersten Trommelschlag beginnt ihr Tanz, langsam.


    Ihre Schritte fließen ineinander, folgen der Vorgabe des Bodenmusters, das durch sie lebendig zu werden scheint. Allmählich wird der Pulsschlag der Trommeln schneller, wilder, die ersten Tänzer brechen aus dem Reigen aus. Bald folgt keiner mehr dem vorgegebenen Muster. Alle erzählen nun mit ihren Körpern vom wilden Todeskampf, von Verzweiflung und schließlich erschöpfter Fügung. Scheinbar leblos sinken sie nieder, nur begleitet von der reinen hohen Stimme eines Knaben, der mit seiner wortlosen Melodie ein namenloses Sehnen auf den Platz herabruft. Andere Stimmen fallen ein, flehen um Erbarmen, um Hilfe im Dunkel des Nachlebens.
    Noch während der Anrufung beginnen die Körper der Tänzer sanft zu schimmern, erst matt, dann immer heller. Nach und nach erfasst es sie, bis jeder Körper in einen überirdischen bläulichweißen Schein gehüllt ist. Sie beginnen sich nun erneut zu regen, leuchtende Schemen inmitten der Schwärze.


    Ein weiterer Tänzer, der Cobah-Lur selbst verkörpert, erscheint nun wie aus dem Nichts in der Mitte des Platzes - wirft den schwarzen Umhang ab, in den gehüllt er sich auf seine Position begeben hat. Die glühende Bemalung seines Körpers spiegelt die Linien des Lebens auf dem Zeremonienplatz wieder. Er umtanzt die anderen Seelen, geleitet sie nach und nach zu ihren Positionen, auf denen sie niedersinken und symbolisch wieder eins mit dem Kreis des Lebens werden.


    Niemand der diesen Tanz gesehen hat kann wahrhaft behaupten, es habe ihn nicht beeindruckt. Doch die wenigsten wissen, daß der Seelentanz ohne ein unscheinbares graues Pulver sehr viel unspektakulärer wäre.
    Tharvellin heißt es, auch Mondesleuchten genannt, nach der Ähnlichkeit des bläulichweißen Lichtschimmers mit dem Licht eines der drei Monde.
    Traditionell wird es beim Kauf mit reinem Silber aufgewogen – der Aufwand zur Gewinnung der Substanz rechtfertigt diesen hohen Preis zwar nicht, aber das wissen nur diejenigen die Tharvellin herstellen. Auch die meisten Zwischenhändler wissen nicht mehr, denn man macht daraus ein großes Geheimnis.


    Nicht zu unrecht, denn die Hersteller des Tharvellin sind die Ji’rallak, auch das ‚Versteckte Volk’ genannt. Sie legen keinen Wert darauf, in das Großreich Morkandor einverleibt zu werden. Die hohen Preise für das seltene Pulver bedeuten für sie einen willkommenen Zusatzverdienst, es ist eine der wenigen Handelswaren die den Weg nach Morkandor finden. Mit dem Gewinn werden seinerseits wieder seltene medizinische oder sonstige Güter gekauft, die über viele Umwege den Weg in ihre Hände finden.


    Der Ursprung des Tharvellin sind winzig kleine Bakterien. Sie kommen endemisch in „Andhurs Träne“, einem unzugänglichen Salzwassersee im Carad’Narangebirge vor.
    Die Tharvellinbakterien leben frei im Wasser, setzen sich aber wenn die Salzkonzentration des Seewassers durch sommerliche Verdunstung steigt, auch als schleimige Schicht auf Steinen ab. Die Biolumineszenz scheint ein Bestandteil ihres Fortpflanzungszyklus zu sein, sie leuchten nur wenige Wochen im Jahr.


    Während dieser Zeit statten einige Ji’rallak dem Tränensee einen Besuch ab. Sie ernten die leuchtende Schleimschicht von den Uferfelsen. Die Masse wird in der Sonne ausgebreitet. In der Sommerhitze verdunstet das Wasser schnell.


    Die trockene Masse wird zu Pulver zerstampft, in kleine Barren gepresst und für den Transport so luftdicht wie möglich verpackt. Die Bakterien des Tharvellin sind jedoch nicht tot, sie befinden sich nur in einer Art Trockenstarre. Sobald sie wieder mit Salzwasser in Kontakt kommen – sei es der steigende Wasserpegel im Herbst oder der salzige Schweiß menschlicher Haut – dauert es nur wenige Minuten bis sie wieder zu leuchten beginnen.
    Das Pulver ist für religiöse Zeremonien wie den Seelentanz sehr begehrt, scheint es doch die – mit magischen Sinnen übrigens nicht erfassbare – Antwort eines Gottes selbst wiederzuspiegeln.
    Nach der Zeremonie läßt sich die mit Pulver vermischte Salbe, mit dem die Körper der Tänzer eingerieben wurden übrigens problemlos abschrubben, dies muss auch sein, da die Ausscheidungsprodukte der Bakterien für Menschen auf Dauer ungesund sind. Kopfschmerzen, Ausschlag und gelegentlich auch Übelkeit sind die Folge, wenn man sich hinterher nicht gründlich genug schrubbt - ein „Zeichen“ des Wunsches der Götter, das Mondesleuchten nur während bedeutsamer, zeitlich begrenzter Zeremonien einzusetzen.


    Tharvellin hält sich in Gebieten mit höher Luftfeuchtigkeit und außerhalb seines normalen Umfelds nicht lange, es wird von anderen Bakterien zersetzt. Dies bedeutet eine stetige Nachfrage, und dieses wiederum eine stabile Einnahmequelle für das Versteckte Volk.

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    Feuerstern oder "Immerfort"
    © Neyasha


    Der Feuerstern gehört zu den seltensten und gleichzeitig begehrtesten Pflanzen in Ahron. Einst weit verbreitet, findet man ihn nun nur noch in einigen wenigen Gebieten. Das liegt daran, dass der Feuerstern ungewohnte Standorte bevorzugt: Er wächst nur auf vulkanischer Erde; selbst auf erstarrter Lava finden sich immer wieder einzelne Feuersterne.


    Vorkommen
    Früher, als die Faranberge und die Windigen Höhen noch vulkanisch aktiv waren, wuchsen überall rings um sie Feuersterne, doch als die Vulkane jahrhundertelang schlummerten, wurden auch die Feuersterne immer weniger. Heute wachsen sie nur noch im Norden von Ahron, in den Nimrabergen und in den südlichen Genarbergen. Allerdings werden sie auch hier immer weniger, da der fruchtbare vulkanische Boden mehr und mehr für Weinanbau und Getreidefelder genutzt wird. Die empfindlichen Feuersterne wurden dadurch beinahe ausgerottet. Heute ist es sehr schwer sie zu finden, da diese Blumen nur noch vereinzelt auftreten. Lediglich auf der unzugänglichen Feuerebene in den Nimrabergen wachsen sie noch in rauen Mengen.


    Auch die nördlichen Genarberge und die vulkanischen Gebiete von Lidáne bieten den Feuersternen noch eine Heimat, während es ihnen weiter südlich in den Vulkanen des Cumeischen Reiches zu heiß ist.


    Aussehen
    Der Feuerstern ist eine krautige Pflanze, der eine Höhe bis zu einem Fuß erreichen kann. Die Blätter sind klein, herzförmig und sehr dick. Auffällig sind aber vor allem die großen Hochblätter, die in allen Abstufungen von Gelb und Orange gefärbt sind. Die Skonländer halten diese fälschlicherweise für die Blüten, doch die eigentlichen Blüten sitzen klein und unscheinbar in der Mitte der Hochblätter. Sie blühen vom Nebelmond bis zum Hitzemond, während die Hochblätter bis in den Winter hinein erhalten bleiben. Schon im späten Eismond erscheinen sie wieder, weshalb der Feuerstern im Volksmund auch „Immerfort“ genannt wird.


    Verwendung
    Obwohl der Feuerstern keine Heilkräfte besitzt, machen sich immer wieder viele Skonländer auf, um diese Blume zu suchen. Grund dafür ist eine Legende: Jorda, die erste Hohepriesterin von Guda dem Einen, hatte lange um ihren Geliebten Wafir gekämpft, bis Guda sie endlich freigab und ihr gestattete, Wafir zu heiraten. Als sie an diesem Abend in ihre Hütte eintraten, ließ Guda unter ihren Füßen Blumen wachsen, und so gingen sie durch ein Meer von Blüten zu ihrem Bett. Die ganzjährig blühenden Feuersterne waren von da an als Zeichen ihrer unvergänglichen Liebe beinahe überall in Ahron zu finden.


    Auch heute noch ist es Brauch, Feuersternblüten (also eigentlich die Hochblätter) auf die Türschwelle zu streuen, bevor ein frisch vermähltes Paar das Schlafzimmer betritt. Da die Blumen mittlerweile aber so selten geworden sind, streuen viele Skonländer andere Blüten auf den Boden. Dennoch gibt es immer noch zahlreiche Skonländer, die sich vor einer Hochzeit auf den Weg machen, um wenigstens ein paar Feuersterne zu suchen.
    Vor allem im südlichen Ahron ist dies aber beinahe ein unmögliches Unterfangen, da die wenigen Feuersterne zu weit weg sind und auf dem Rückweg verwelken würden. Im Norden, in der Nähe der Nimra- und der Genarberge, und auf den Dorschinseln, wo manche Abenteurer mit dem Boot nach Lidáne aufbrechen, um dort die begehrten Blumen zu suchen, hat sich der alte Brauch aber noch immer gehalten.


    Für die Hochzeit der traditionsbewussten Königin Bergund mit Farn Lendech, dem Sohn des Fürsten von Südland, wurden nicht weniger als zwanzig Soldaten der Stadtwache in die Nimraberge geschickt, um von dort einen großen Sack voller Feuersterne zu holen. Für den Rückweg hatten sie ein königliches Schreiben, das es ihnen erlaubte, die Pferdewechselstellen der Kurierreiter zu nutzen, damit die Blüten in gutem Zustand in der Hauptstadt Koron ankamen.


    Spitze Zungen meinen, dass es der Königin damit gelungen ist, nun auch in den Nimrabergen die Feuersterne endgültig auszurotten.


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    Die Brommelbeere
    © Yelaja


    Bei der Brommelbeere handelt es sich um ein recht genügsames Gewächs, das in Böschungen und an lichteren Waldstellen ideale Wuchsbedingungen findet. Die langen Zweige der Pflanze winden sich über den Boden und ranken sich an Bäumen und Sträuchern empor um ihren saftig grünen, nierenförmigen Blättern mehr Licht zu verschaffen.


    Die mehrjährige Pflanze, die in der knollig verdickten Wurzel Nährstoffe speichert, treibt im zeitigen Frühjahr aus und bildet nach den ersten Blättern auch rasch kleine Blüten, die in Trauben zusammengefasst sind. Der verwachsene Kelch umfasst die Ansätze der fünf Kronblätter, die leuchtend violett und nur am Blattgrund kräftig gelb gefärbt sind. Er bildet eine Röhre, die sowohl die zahlreichen Staubfäden als auch den Fruchtknoten umschließt. Nur die vom Pollen rot gefärbten, spiralig gewundenen Enden der Staubfäden und der Griffel mit der sternförmigen Narbe ragen darüber hinaus.


    Im Spätsommer fallen von den befruchteten Blüten Kronblätter, Staubfäden und Griffel ab und es entwickeln sich kleine noch grüne Beeren, die vorerst vom Kelch umschlossen bleiben. Während die Früchte wachsen und reifen, platzt die Kelchröhre schließlich auf und gibt den Blick auf die schwach orange gefärbten Beeren frei. Die Beeren sind im Durchmesser etwa einen halben Zentimeter groß und enthalten fünf kleine Samen. Die Stelle, an der der Griffel am Fruchtknoten saß, ist durch eine bauchnabelförmige Einstülpung gekennzeichnet. Tiere, wie der braune Baumteufel oder der kurzschwänzige Blauhaubensänger, fressen die leicht süßlichen Beeren gerne und verbreiten die unverdaulichen Samen mit ihren Ausscheidungen.


    Die Brommelbeere war ursprünglich auf ganz Nandún verbreitet. Sie kam vor allem in gemäßigtem Klima vor, konnte aber auch in den kälteren Regionen der Nordwälder und den subtropischen Gebieten der arincandrischen Ostküste gefunden werden.


    Die Blätter der Brommelbeere enthalten ätherische Öle, die sie für Insekten und deren Larven ungenießbar machen und sie auch anderen Pflanzenfressern wenig schmackhaft erscheinen lassen. Getrocknet und als Tee zubereitet lässt sich jedoch ein erfrischendes Getränk von würzig-scharfem Geschmack herstellen.


    Seit durch den intensiven Handel zwischen den Nationen Nandúns und Earhúns das rote Zirbeläuglein, eine Schmetterlingsart, nach Nandún eingeschleppt wurde, ging der Brommelbeerenbestand in den wärmeren bis gemäßigten Gebieten kontinuierlich zurück.


    Das rote Zirbeläuglein legt seine Eier im Herbst auf allerlei Pflanzen, bevorzugt aber auf der Brommelbeere, ab. Nach der Überwinterung im Ei schlüpfen im Frühjahr die Raupen. Die ätherischen Öle, die die Brommelbeere vor anderen Fressfeinden schützen, versagen bei der Raupe des roten Zirbeläugleins und so weiden die gefräßigen 1,5 cm langen Larven die Brommelbeerpflanzen ab, bis einzig die holzigen Zweige übrig sind. Falls es den geschwächten Pflanzen überhaupt gelingt erneut auszutreiben, bleiben die Blätter kümmerlich und die Blüte bleibt ganz aus. Meist bedeutet der Befall durch das rote Zirbeläuglein schon nach einer Saison den Tod der befallenen Brommelbeerpflanze. Heute findet man die Brommelbeere nur noch vereinzelt in kühlen Gebirgsregionen nahe der Baumgrenze und in den nördlicheren Wäldern Nandúns, wo das Klima für das rote Zirbeläuglein zu rau ist.
    Die Brommelbeeren wurden früher zum Färben von Wolle verwendet. Dazu wurden die Brommelbeeren mit Färbersalz vermengt und gestampft. Nachdem der Brei mit einer Mischung aus 3 Teilen Wasser und 2 Teilen Urin vermengt wurde, wurde die gereinigte Wolle in den Ansatz gegeben und zum Sieden erhitzt. Nach 5 Stunden kontinuierlichen Köchelns wurde die Wolle herausgenommen, zuerst in heißen und dann in kaltem Wasser gewaschen und schließlich zum Trocknen und Ausfärben aufgehängt. Die Wolle, die nach der Behandlung noch ihre natürliche Farbe aufwies, nahm während der Trocknung eine kräftig Orange Farbe an.


    Obwohl sich das intensive und lange haltbare Brommelbeerorange großer Beliebtheit erfreute, wird heute kaum noch mit Brommelbeeren gefärbt. Wenn sich ein junger Mann aufmacht um an einer entlegenen Stelle einen der seltenen Brommelbeerzweige zu pflücken, hat es einen anderen Grund:


    Eine alte Legende erzählt vom jungen Prinzen Deronin. Obwohl seit seiner Geburt ein verwachsenes Auge und eine krumme Nase sein Gesicht verunstalteten und er klein und schwächlich gewachsen war, war er ein fröhlicher und lebenslustiger Geselle. Mit seinem herzlichen und offenen Wesen und seinem wachen Geist gewann er viele Menschen für sich, die sich zunächst durch sein Äußeres abgestoßen gefühlt hatten. So erregte er alsbald das Gefallen der Götter. Und als die Zeit kam, da Deronin sich einer Gottheit weihen sollte, wählte er die Götterzwillinge K’heliwo und K’hesanja, die die Gotteinheit des Lebens sind. Fortan schmückte er sich mit einer Krone aus geflochtenen Brommelbeerzweigen, denn die blühende Brommelbeere war K’hesanjas Lieblingsblume. K’heliwo und K’hesanja sahen dies mit großem Wohlwollen und gewährten ihm eine Gunst und Deronin, dessen einnehmendes Wesen ihm viele Herzen geöffnet hatte, aber noch niemals das einer schönen jungen Frau, wünschte sich, dass er der Frau, deren Gunst er sich erhoffte, gefallen möge. So schenkten ihm K’heliwo und K’hesanja nicht nur eine schöne Gestalt, indem sie die Makel aus seinem Gesicht tilgten, seinen Rücken aufrichteten und ihn stark machten, sondern legten auf seine Brommelbeerkrone auch einen Zauber, so dass er, solange er die Krone trug, von keiner Frau, um die er werben würde, eine Zurückweisung zu befürchten hätte.


    Die Legende erzählt weiter, dass ein wenig von der Macht des Zaubers, der auf Deronins Brommelbeerkrone lag, auch auf alle anderen Brommelbeerzweige übergegangen sei. So ziehen Jünglinge, deren Werben um eine Frau zurückgewiesen wurde, bisweilen aus um den Zweig einer Brommelbeere zu pflücken und so doch noch das Herz ihrer Angebeteten zu gewinnen.



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    Chcíca
    © Sturmfaenger


    Die Clans vom Stamm der N'hakchr halten seit Jahrhunderten das Gebiet des Roten Waldes im Tal von Larrchril, das direkt an das Narbengebirge grenzt und auf dessen Regenschattenseite die Wüste Naszh und die Gebiete der Chon’naclans beginnen.
    Das bekannteste Gericht der Region wird Chcíca genannt.


    Ursprünglich wurde es nur bei besonderen Anlässen wie Bruderfesten, Zweitgeburtsfeiern und Ahnentagen gegessen.


    Ein wichtiger Bestandteil dieser Delikatesse ist der Rogen einer der seltenen Fischarten die sich in solcher Nähe zur Wüste behaupten konnten.


    Es handelt sich dabei um Dácck, die sogenannten Schlangenfische. Sie leben in von Quellen gespeisten Tümpeln, unterirdischen Wasserlöchern und brackigen Seen, die während der niederschlagsarmen Monate beinahe austrocknen. Die Knappheit des Wassers begrenzte früher die Anzahl an Schlangenfischen, die in der freien Natur gefangen oder in Becken herangezogen werden konnten.


    Seit die von menschlichen Sklaven gebauten unterirdischen Kanäle die Region besser mit Wasser versorgen, ist die Züchtung von Dácck-Schlangenfischen in größeren Becken möglich, und damit hat Chcíca als Gericht Einzug in den alltäglichen Speiseplan gehalten.


    Bei der Zubereitung wird der Dácckrogen zunächst zu einer Paste zerstampft, in diese Paste knetet man frisch gehackte Kräuter hinein. Der starke Eigengeschmack des Rogens macht die Zugabe weiterer Gewürze unnötig.
    Entwässerter Quark aus Rhúhmilch, der je nach verbliebenem Wassergehalt bröckelig oder cremig ist, wird mit mit dem salzhaltigen Ausscheidungssekret der pflanzenaussaugenden Salzlaus gewürzt, und bildet die zweite wichtige Komponente des Gerichts.


    Rogenpaste und Quarkmasse werden nun ausgerollt und in mehreren dünnen Schichten übereinandergelegt. Wenn man diesen „Kuchen“ durchschneidet ist der Schichtenwechsel als optisch ansprechendes Streifenmuster zu sehen. Tatsächlich schneidet man nicht nur einmal, sondern so oft, bis man viele würfelförmige Stückchen in der gewünschten Dicke hat.


    Wie groß die Stücke sind hängt vom persönlichen Geschmack desjenigen ab, der das Chcíca zubereitet. Kleine Würfelchen garen schneller durch und schmecken ein wenig anders als solche, die nur oberflächlich angebraten, innen aber noch roh sind. Der einzige Unterschied ist die schnellere Verderblichkeit von größeren Chcícawürfelchen.


    Jedes einzelne wird nun mit einer klebrigen Paste aus verquirrlten Chvrí-Eiern bepinselt und mit grobem Mehl aus getrockneten und anschließend zermahlenen Hollqmaden paniert. Erst dann kommt es in eine weite Pfanne, wo es mit jeder Menge Fett, kleingehäckseltem Ckkurhfleisch und getrockneten H’tnablüten zu einem schmackhaften Pfannengericht angebraten wird.


    Die Tatsache, daß es sich bei den hackfleischähnlichen Ckkurhbestandteilen des Chcíca um Plazentastückchen handelt ist nicht allgemein bekannt, da die verschiedenen Stämme hierzu voneinander abweichende religiöse Ansichten haben.


    Die N'hakchr haben beobachtet, daß die Tiere, selbst wenn es normalerweise Vegetarier sind, die Nachgeburt stets fressen. Sie sind der Ansicht, es handle sich bei dieser Fleischgabe um ein segensreiches Geschenk der Göttinmutter, eine Belohnung für die vollbrachte Leistung der Geburt. Darum halten sie es mit den Nachgeburten mancher ihrer Nutztiere genauso. Sie essen sie, um etwas von dem Segen abzubekommen.
    Die Nachgeburten ihrer eigenen Frauen werden der Göttin zum Dank für die erfolgreiche Geburt als Opfergabe dargebracht.


    Die anderen Clans, allen voran die mächtigen Chon’na, vertreten eine andere Einstellung:


    Während einer Schwangerschaft ist ein Säugling ständig in Gefahr, von bösen Geistern besessen zu werden. Die Mütter verhindern dies indem sie diesen Geistern eine Falle stellen: sie erzeugen mit der Plazenta ein ‚falsches Kind’, die bösen Geister fallen darauf herein, setzen sich darin fest und können dem echten Baby nichts mehr antun.


    Nach der Geburt der Säuglings wird die Plazenta von den Müttern abgestoßen und von den Geburtshelfern rituell zerstört. Den Nutztieren wird erlaubt, die Nachgeburt aufzufressen, da dies ihre Art der rituellen Zerstörung ist.
    Da es zwischen den Chon’na und den N'hakchr in der Vergangenheit schon mehrfach zu Fehden und Kriegen gekommen ist welche die N'hakchr am Ende immer verloren haben, wird die Anstoß erregende Zutat geheimgehalten. Man weiß offiziell nur, daß es sich bei dem fleischigen Bestandteil von Chcíca um Ckkurhfleisch handelt, und soweit es die N'hakchr betrifft, wird dies auch immer so bleiben.

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    Cobolsuppe
    © Taipan


    Fragt man als Fremder in Haagest einen Auir, Tanibeder oder Garuda nach einer traditionellen Speise der Grobor, so wird man mit Sicherheit Cobolsuppe als Antwort bekommen. Und jeder, der diese Suppe kostet, wird verwundert feststellen, dass dabei vielerlei Fleisch bzw. Fisch verwendet wird, nur nicht wie man vom Namen erwaten würde das Fleisch der Cobol oder anderer Pferderassen. Trotzdem waren und sind die kleinen Pferde der Grobor seit jeher eng mit der Suppe verbunden.


    Cobolsuppe ist nicht gleich Cobolsuppe, sondern unterscheidet sich je nach Region, in der sie zubereitet wird. So wird für die Gayaner Cobolsuppe Fisch verwendet, für die Jhegarer Ziegenfleisch und für die Betu Cobolsuppe Muscheln mit Seetang, nur um einige der vielen lokalen Variationen zu nennen, wobei die Gayaner Cobolsuppe die bekannteste ist. Pferdefleisch wird auf alle Fälle nicht verwendet, gilt doch bei den Grobor der Verzehr von Pferdefleisch bei religiösen Feierlichkeiten – und für solche wurde sie ursprünglich gekocht – als Tabu. Einige Zutaten sind aber bei jeder dieser Suppe gleich, nämlich Parret, ein sehr würziger Ziegenkäse aus den Buckeln und die Cobolpaste, deren Zusammensetzung nur den Markors, den Priestern des Korogaismus bekannt ist und auch nur von jenen zubereitet wird. Weitere wichtige Zutaten sind Curnammehl, Sahne, Robaten – eine schmackhafte Knolle – und anderes Gemüse.


    Coboltanz und Cobolsuppe – Historischer Hintergrund
    Ursprünglich war die Cobolsuppe ausschließlich für feierliche Anlässe bestimmt, bei denen fast immer mindestens ein Coboltanz aufgeführt wurde und wird. Was zuerst da war – Tanz oder Suppe – können heute nicht einmal die Markors sagen, die seit jeher über das Zeremoniell gewacht haben. Beide gehören auf alle Fälle zu einer religiösen Zeremonie, deren tiefere Bedeutung allerdings im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen ist, wie vieles im Korogaismus. Ein Coboltanz findet stets in der Nacht statt, nicht selten sogar in geschlossenen, für den Zweitpunkt des Tanzes unbeleuchteten Räumen. Hier wird ein speziell abgerichteter Cobol zu wilder Musik von einem Grobor geritten oder besser gesagt zum Tanzen gebracht. Der Reiter hält bei dem Spektakel Fackeln in den Händen, kann diese natürlich auch werden, solange das Feuer nicht erlischt. Normalerweise werden auch am Cobol selbst kleine Spiegelchen oder gar Sonnensteine befestig, vor allem an den Hufen, den Beinen, dem Kopf und in Mähne und Schweif, die das unruhige Fackellicht widerspiegeln und/oder selbst leuchten. Die wilde Musik, das Fackellicht, die unberechenbaren Spiegelungen und die exstatischen Bewegungen von Reiter und Cobol lassen dabei eine angenehm gespenstische Stimmung entstehen. Während des Tanzes – oft sind es mehrere Tänze von mehreren Pferd-Reiter-Paaren hintereinander – gehen einige große Töpfe mit Cobolsuppe durch die Runde, von denen jeder Grobor mit einem eigenen großen Schöpflöffel so viel nimmt, wie er will oder wie viel in den Schöpflöffel passt, bevor er den Topf an den nächsten weiterreicht. Die Zuseher haben keine eigenen Schüsseln und müssen, wenn sie mehr wollen, auf die nächste Runde warten. Dass in der Dunkelheit dabei der ein oder andere Unfall passiert, ist normal und einen Coboltanz mit Flecken zu verlassen, ist keine Schande. Gefürchtet werden nur schwerere Verbrühung, die auch vorkommen, wenn auch zum Glück selten.


    Als der tiefgläubige Eparch Vartion von Porell 1148 n. MF den Coboltanz verbieten ließ – er war der Ansicht, bei den schaurigen Ereignis würden Dämonen oder heidnische Götzen angerufen werden – waren die Grobor dazu gezwungen, entweder auf ihre geliebte Suppe zu verzichten oder diese auch ohne des Tanzes zuzubereiten. Entgegen ihrer vorsichtigen Art entschiedenen sie sich für letzteres und um ein Zeichen des Protestes zu setzen, wenn auch ein sehr vorsichtiges, kam die einst seltene Suppe immer häufiger auf die Tische der Grobor, anfangs zwar hauptsächlich auf denen der Wohlhabenden von ihnen, aber mit der Zeit auch bei immer mehr Grobor der Mittelschicht. Natürlich verzichtete man in den eigenen vier Wänden auf das halbblinde herumreichen des Suppentopfes. Als Vartions Pferde liebender Nachfolger Arnan von Enkil-Moril als eine seiner wenigen Amthandlungen das Tanzverbot wieder aufhob – es wurde danach noch dreimal verhängt und wieder aufgehoben – war die Cobolsuppe aus der Alltagsküche der Grobor nicht mehr wegzudenken, wurde und wird aber auch weiterhin traditionell während des Coboltanzes gegessen, auf die traditionelle Art.


    Heute ist die Cobolsuppe das Groborgericht schlechthin, obwohl nur wenige Nichtgrobor in den Genuss kommen, eine richtige Cobolsuppe zu essen. Denn nach wie vor hüten die Markors das Geheimnis der Cobolpaste und verdienen ein kleines Vermögen bei der Herstellung und dem Verkauf der roten Paste, sie müssen dafür nicht einmal hohe Preise verlangen. Versuche an das Rezept zu kommen hat es genug gegeben, bisher ohne Erfolg. Sicher ist man sich bis jetzt nur, dass mindestens neun Kräuter verwendet werden – die neun, die bekannt sind – und dass für die rote Farbe eindeutig kein Cobolblut verantwortlich ist, wie man früher angenommen hat. Tatsächlich kommt die rote Farbe nämlich von der Rinde der Putrat, einem häufigen Strauch im Osten von Haagest.


    Gayaner Cobolsuppe (Rezept)


    Zutaten


    500 g Fisch (Zarrezzi, Horkar und Fächerbarsch)


    1 l Wasser


    ¼ Glannwein (aus Algen zubereitetes alkoholisches Getränke)


    1 Zwiebel


    5 getrocknete Nesselkapseln


    10 schwarze Pfefferkörner


    400 g Curnammehl


    400 g Butter


    500 g Robaten


    250 g Karotten


    100 g Parret


    ¼ l Sahne


    1 Würfel Cobolpaste


    Salz, Neggrelkraut


    Fisch ausnehmen, entgräten und in 3 cm große Stückchen schneiden. Zwiebel würfelig schneiden. Wasser, Glannwein, Zwiebel Nesselkapseln und Pfeffer in einen Topf geben und fünf Minuten kochen. Fischstücke hinzufügen etwa 10 Minuten kochen lassen, bis sie gar sind, dann herausnehmen. Robaten und Karotten würfelig schneiden. Aus Butter und Mehl eine Einbrenne anrühren, nach und nach mit der Suppe aufgießen, Robaten und Karotten hinzufügen und die Suppe solange kochen, bis Robaten und Karotten bissfest sind. Käse und Cobolpastenwürfel fein reiben und mit der Sahne vermengen; die Mischung vorsichtig in die Suppe einrühren. Die Cobolsuppe so lange weitergaren, bis der Käse und die Cobolpaste geschmolzen sind. Mit Salz abschmecken. Die Fischstücke in die Suppe geben und sie noch einmal kurz erhitzen, aber nicht zum Kochen bringen. Neggrelkrautblättchen darüber streuen und servieren.

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    Rykischer Bluttopf
    © Ehana


    In Rykis, dem nördlichsten Landesteil des alten Okro, stößt man bisweilen auf Einheimische, die auf dem offenen Feuer ein Gericht zubereiten, das eine ungewöhnlich dunkle Färbung aufweist und überaus kräftig riecht, so dass man noch zwei Häuser weiter mitbekommt, dass hier gerade der sogenannte rykische Bluttopf zubereitet wird. Dieser dickflüssige Eintopf besteht zum Großteil aus Fleisch und Innereien, und die Rykier verspeisen ihn mit Stolz, denn seine Entstehungsgeschichte mit der Geschichte von Rykis selbst untrennbar verbunden.


    Entstehung
    Der rykische Bluttopf entstand zur Zeit der gewalttätigen Auseinandersetzungen, die wenige Wochen nach der Gründung des okroischen Großreichs an der ehemaligen Grenze zwischen Okro und Rykis ausbrachen. Die Oberen beider Gebiete hatten beschlossen, sich wegen vieler gemeinsamer Interessen zu einem Staat zusammenzuschließen, eine Idee, die im Volk auf großen Widerstand gestoßen war. Vor allem die Rykier waren gegen die Reichsgründung gewesen, hatten sie davon doch weniger Vorteile als die Okroer, für die das Vorhaben in erster Linie Zugriff auf die gewaltigen rykischen Eisenerzvorkommen bedeutete. Kein Wunder also, dass kurz nach der offiziellen Ausrufung des „Großreichs Okro und Rykis“ Unruhen ausbrachen, die unter der Bezeichnung „Nachgründungskriege“ in die Geschichte beider Länder eingehen sollten.


    Wenige Wochen, nachdem erstmals auf rykischem Gebiet eine kleinere Gruppe okroischer Soldaten von der aufgebrachten Bevölkerung angegriffen und vertrieben worden war, deutete alles darauf hin, dass es bald eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Streitkräften beider Gebiete geben würde. Den Rykiern wurde rasch klar, dass es schwierig werden würde, gegen das okroische Aufgebot zu bestehen. Erstere waren ihren südlichen Nachbarn, was die Waffentechnik anbelangt, zwar deutlich voraus, dafür aber waren die Okroern ihnen zahlenmäßig weit überlegen.


    Ein Teil des rykischen Aufgebots sammelte sich in der Nähe der Stadt Ryn, der ehemaligen Hauptstadt, unter dem Kommando ihres obersten Heerführers, eines Mannes namens Garid Kadene. Letzterer sah, wie so manche seiner Landsleute, für die Zukunft von Rykis schwarz – zu bewusst war ihm, dass die Okroer die Rykier allein wegen ihrer schieren Anzahl überrennen würden. Dennoch hatte er sich in den Kopf gesetzt, die Moral seiner Truppen aufrechtzuerhalten. Als für ihn absehbar war, dass etwa noch eine Woche Zeit vergehen würde, bis die Okroer Ryn erreicht hätten, beschloss er, auf dem Marktplatz der Stadt ein großes Fest abhalten zu lassen, bevor seine Truppen gegen die Okroer ins Feld zögen.


    Einen geschlagenen Tag lang überlegte er, wie er das am besten bewerkstelligen könnte. Ein herkömmliches Fest wäre kontraproduktiv, da in Strömen fließender Alkohol der Kampfkraft seiner Truppen nicht gerade zuträglich sein würde. Schließlich hatte er eine Idee. Er ließ per Eilboten in allen innerhalb einer Tagesreise liegenden Ortschaften darum bitten, zur Kräftigung des Heeres so viel schlachtfähiges Vieh, wie man nicht unbedingt fürs eigene Überleben benötigte, für die Truppen zu stiften und nach Ryn zu schicken. Im Laufe seiner Grübeleien war ihm nämlich gekommen, dass seine Soldaten auf keine andere Weise besser Kraft und Entschlossenheit für das Kommende sammeln konnten, als wenn man ihnen vor dem Kampf noch einmal die Gelegenheit bot, sich richtig mit Fleisch vollzuessen. Fleisch war etwas, das es in Rykis seltener gab als in Okro, denn ersteres hatte einen deutlich geringeren Anteil an den fruchtbaren Ebenen des Nham-Tals, die sich hervorragend für die Viehzucht eigneten. In beiden Völkern aber galt der Genuss von Fleisch als mächtige Energiequelle, was in ihrer gemeinsamen Religion und Weltanschauung begründet liegt. Dieser zufolge können Seelenträger – also intelligente, kulturschaffende Wesen wie Menschen –, wenn sie einen Nicht-Seelenträger, also Tiere, verspeisen, deren Lebensenergie in sich aufnehmen und werden so körperlich und geistig in gesteigertem Maße leistungsfähiger, als wenn sie nur pflanzliche Nahrung zu sich nehmen würden. Die okroische Armee hatte den Rykiern also nicht nur zahlenmäßig einiges voraus, sondern konnte es sich auch leisten, ihre Soldaten häufiger mit Fleisch zu versorgen. Wenn den rykischen Soldaten das schon nicht regelmäßig vergönnt sein sollte, dann wenigstens vor dieser Schlacht. Und so kam es dazu, dass besagtes Fest als Schlachtfest ausgerufen wurde.


    Garid Kadene ließ den Marktplatz von Ryn räumen und alle Schlachter und Fleischer der Stadt sowie jeden, der ein großes Messer anbrachte und aussah, als hätte er schon einmal ein Tier getötet und ausgenommen, einen riesigen Schlachtplatz aufbauen. In der Mitte des Marktplatzes ließ er eine Reihe großer Kessel und Bratpfannen aufstellen, in denen das Fleisch zubereitet werden sollte, und auf dessen anderer Seite sollten die etwa dreitausend Soldaten, aus denen der in Ryn lagernde Teil des Heeres bestand, Platz finden. Zwei Tage vor dem Zeitpunkt, an dem man die Ankunft der Okroer erwartete, ließ er die von der Bevölkerung gestifteten Tiere auf den Platz treiben, und unter den neugierigen Blicken der Ryner begann das Spektakel.


    Den Leuten an den Kesseln und Pfannen hatte Kadene im Voraus erklärt, dass sie ein Gericht zubereiten sollten, das den Rykiern bislang nur am alljährlichen Neun-Götter-Fest zu essen vergönnt war, nämlich Ghan, einen kultischen Eintopf. Seine Wahl fiel deshalb auf dieses Gericht, da es das einzige war, das ihm einfiel, das aus einer Vielzahl von Fleischsorten bestand und einfach in großen Mengen zuzubereiten war. Dieser Eintopf bestand etwa zu drei Vierteln aus Fleisch und zu einem Viertel aus der Rugha, einer weißen, leicht faserigen, unterirdisch wachsenden Knolle. Den Ryner, der in einer großen Metallschale die Gewürzmischung für die vielen Kessel anrühren sollte, hatte er allerdings separat beiseitegenommen. Die Gewürze sollten dem Gericht nicht nur in einem etwas anderen Mischungsverhältnis zugefügt werden, als man es sonst beim X tat – schließlich wollte er nicht den Zorn der Götter auf sich ziehen, indem er ihre Kultspeise für so etwas Profanes wie eine Soldatenspeisung hernahm –, sondern er wies den Würzer auch an, eimerweise Samen der Fidhere-Pflanze beizumischen. Es handelte sich dabei um ein Kraut, das man in Rykis gern kranken Kindern verabreichte, damit sie schneller zu Kräften kamen. Die getrockneten Samen wurden dabei zerrieben und mit etwas Wasser geschluckt. Sie hatten einen grässlich intensiven Geschmack, an den sich jeder Rykier mit Schaudern erinnerte, wenn er den Namen der Pflanze nur hörte, und deshalb war Kadene bewusst, dass er seine Soldaten niemals freiwillig dazu bewegen könnte, die Samen zu essen, wenn es keine wirkliche Notwendigkeit dafür gab. Kadene hatte auch keine Ahnung, wie sich die Samen geschmacklich im Essen auswirken würden, ließ es aber einfach darauf ankommen, denn in dieser Situation war ihm alles recht, was die Kampfeskraft der Soldaten zu steigern vermochte. So geschah es. Der Würzer gab die Gewürze in einem anderen als dem normalen Mischverhältnis in den Trog, und gab, wie von Kadene beauftragt, die Fidhere-Samen hinzu. In den Pfannen hatte man indessen das Fleisch der frisch geschlachteten Tiere angebraten – alles bunt durcheinander, Muskelfleisch und Innereien, von Säugetieren und Vögeln, nichts sollte verkommen. In diesem Punkt stimmte das Rezept noch mit dem des Z überein, denn für die Zubereitung des kultischen Gerichts bedurfte es ebenfalls des Fleisches und der Innereien von neun verschiedenen Tierarten, um die neun Hauptgötter zu ehren. Das Fleisch kam in die Kessel, darauf Wasser und die geschälten und kleingeschnittenen Rugha-Knollen. Das Ganze ließ man eine Zeitlang kochen. Anschließend verfügte Kadene, abweichend vom kultischen Rezept mehrere große Schöpfer Blut in jeden der Kessel zu geben, denn wie auch Fleisch galt Blut als Quelle der Lebenskraft, und während des andauernden Schlachtens fiel ständig jede Menge davon an und versah den Boden des Marktplatzes mit einer zunehmend dunkler werdenden Färbung. Und das, obwohl auch ständig nebenher Blutwurst hergestellt wurde. Nach dem Blut kam in die Kessel noch ein großer Löffel von Kadenes Würzmischung, und das Ganze wurde noch einmal ausgiebig auf dem Feuer gelassen, damit es schön einkochen konnte. Als Kadene nach einiger Zeit von dem Eintopf probierte, war er von seiner dunkelbraunen Farbe und dem kräftigen Geschmack überrascht. Er wusste genau, wie der Ghan schmecken sollte, und davon war dieser Eintopf doch deutlich entfernt. Er wusste nicht, ob es an der veränderten Grundwürzung, der Blutzugabe oder den Fidhere-Samen lag, aber er befand das Gericht für äußerst wohlschmeckend und erklärte die Soldatenspeisung für eröffnet.


    Im Folgenden erlebte Ryn das wohl größte Gelage seiner Geschichte. Das Heer schlug sich mit dem Fleischeintopf, der Blutwurst und den in der Gegend so verbreiteten Brotfladen voll, und als keiner der Soldaten auch nur einen Löffel voll mehr hinunterbrachte, durfte auch die übrige Bevölkerung mitessen. Man erzählte sich, dass viele der Soldaten wenige Stunden nach dem Essen und auch noch an den darauffolgenden Tagen begeistert davon erzählten, wie gut sie sich seit dem Genuss des Eintopfs fühlten. Ob das jetzt wirklich von dem Essen selbst oder lediglich von der Wirkung der ermutigenden Worte des Feldherrn kam, wusste keiner so recht. Aber es war auch egal – Kadenes Ziel, die Motivation der Truppen zu steigern, war erreicht, und als er sie am darauffolgenden Tag gegen die Okroer in den Kampf ziehen sah, war ihm, als wären sie mit weit größerem Einsatz als sonst bei der Sache. Dem Ryner Heer gelang es zwar nicht, die Okroer zu besiegen – wie jeder weiß, endeten die Nachgründungskriege mit großen Verlusten auf beiden Seiten und der Beibehaltung des politischen Status quo, also des Großreichs Okro-Rykis –, aber Kadenes Eintopfrezept gelang es, sich nachhaltig in das Bewusstsein der Rykier einzuprägen. Man sagt, dass der Boden des Marktplatzes von Ryn noch Jahre nach dem Spektakel leicht dunkler gefärbt war von all dem Blut, das während der Aktion geflossen war, und es gibt auch Geschichten von Städtern, die gar fortan ihr eigenes Schlachtblut dort entsorgt haben, um die Färbung zu bewahren.


    Das Rezept
    Aus der Entstehungsgeschichte mag man dem Eindruck erliegen, dass die Herstellung des Eintopfs ein Leichtes ist, schließlich wurde er ja in ungeheuren Mengen für eine Kompanie Soldaten zubereitet. In Wahrheit bedarf es dafür jedoch weitaus mehr als nur des Zusammenwerfens von möglichst viel Fleisch mit ein paar Knollen und einer Handvoll verschiedener Gewürze. Vor allem die Würzmischung war es, die den Rykiern, die den Eintopf später nachkochen wollten, große Probleme bereitete. Sie war allein Kadene und dem damaligen Würzer bekannt, und während ersterer das Geheimnis des Eintopfs eisern für sich behielt, war letzterer nach dem okroischen Angriff aus der Stadt geflohen. Nach Kriegsende gab es einige Versuche, das Gericht, das die halbe Stadt als so unglaublich wohlschmeckend und kräftigend in Erinnerung hatte, nachzukochen, doch so recht wollte es nicht gelingen. Man wusste zwar, dass die Würzung anders war als bei Z, aber es schmeckte trotzdem nicht nach dem, was der Feldherr auf dem Marktplatz hatte auftischen lassen. Und an den verwendeten Fleischsorten schien es nicht zu liegen, so dass es nichts anderes sein konnte als das Mischverhältnis der Gewürze.


    Jahre später, als es mit der Gesundheit von Feldherr Kadene bergab ging und er glaubte, das nächste Jahr nicht mehr zu überleben, verriet er, weil er das Geheimnis des Eintopfs nicht mit seiner Seele ans andere Ende der Welt entschwinden lassen, ihn vielmehr gern noch einmal genießen wollte, seiner Tochter das Mischverhältnis der Gewürze. Sie bereitete den Eintopf den Anweisungen ihres Vaters gemäß zu, aber es schmeckte immer noch nicht nach dem Essen vom Marktplatz. Schließlich sah er ein, dass der besondere Geschmack nur von den Fidhere-Samen kommen konnte, und er nahm sich seine Tochter zur Brust, schärfte ihr ein, dass er ihr nun das wahre Geheimnis des Eintopfs anvertrauen würde, sie es aber nur „aufrechten Rykiern“ anvertrauen dürfe, damit kein Feind es jemals gegen das rykische Volk würde einsetzen können. Sie schwor, dem gerecht zu werden, und der alte Feldherr erklärte ihr, dass er damals größere Mengen an Fidhere-Samen hinzugefügt hatte. Sie hieß ihn zunächst für verrückt, da kein Rykier freiwillig Fidhere-Samen zu sich nahm, gab seinem Drängen jedoch schließlich nach und kochte erneut einen Kessel des Eintopfs, diesmal mit reichlich Fidhere-Samen darin. Als Kadene von dem Eintopf probierte, trat ein breites Lächeln auf sein Gesicht, und er hatte den Beweis, dass es in der Tat die Samen des Krauts waren, die den Geschmack des Eintopfs maßgeblich bestimmten.


    Dem Wunsch ihres Vaters gemäß verbreitete Kadenes Tochter das Rezept unter einigen vertrauenswürdigen Ryner Familien. Sie teilte die Befürchtungen ihres Vaters nicht, da das Fidhere-Kraut auch bei den Okroern als äußerst übel schmeckend galt und sie es nicht einmal zu Heilzwecken nutzten, respektierte aber seinen Wunsch. Die Generationen nach ihr taten es ihr gleich, und noch heute, in einer Zeit, in der sich Rykier und Okroer längst miteinander versöhnt haben, wird das Rezept ausschließlich in der alten rykischen Schrift und nur innerhalb von Familien weitergegeben, die bereits seit jeher in diesem Gebiet leben.
    Während die kultische Variante des Eintopfs weiterhin nur an religiösen Feiertagen aufgetragen – und von den Rykiern nun, da sie das Geheimnis der Fidhere-Samen kennen, nur widerwillig gegessen wird –, hat Kadenes Abwandlung trotz des Zubereitungsaufwands Einzug in die Küche auch der einfachen Leute gehalten, zunächst nur in Ryn, dann zunehmend auch in den umliegenden rykischen Orten. Oft tun sich mehrere Familien zusammen, legen ihre Schlachtungen auf den gleichen Tag und sprechen sich bezüglich der Fleischarten ab, um anschließend gemeinsam den Eintopf zuzubereiten und zu essen. Den unbestrittenen Aufwand machen der köstliche Geschmack und die Tatsache wett, dass das Gericht durch seine Entstehungsgeschichte wie kein zweites für den rykischen Nationalstolz steht, und auf diesen legen die Rykier auch mehr als siebenhundert Jahren der Zugehörigkeit zum okroischen Großreich großen Wert.


    Rykischer Bluttopf


    nach Garid Kadene


    3 Teile Fleisch von neun Tierarten (Muskelfleisch und Innereien, diesbezügliches Mischungsverhältnis gleichgültig)


    1 Teil Rugha-Knollen


    Wasser (sollte Fleisch und Knollen bedecken, dann nochmals etwa halb so viel nachgießen)


    Frisches Blut eines beliebigen Tiers (etwa 1/2 der Wassermenge)


    Drei Handvoll Fidhere-Samen


    [… es folgt eine Auflistung von neun verschiedenen Gewürzen samt Mengenangaben …]


    Das Fleisch kurz anbraten, mit Bratensaft in einen Kessel geben. Rugha-Knollen schälen und hinzufügen. So viel Wasser zugeben, dass die festen Bestandteile gerade bedeckt sind, dann noch etwa die Hälfte der Wassermenge hinzugeben. Den Kessel abdecken und alles kochen lassen, bis Fleisch und Knollen gut durchgegart sind. Langsam und vorsichtig das Blut unter ständigem Rühren hinzugeben – nicht zu schnell, sonst gerinnt es. Erst jetzt die genannten Gewürze hinzugeben. Die Fidhere-Samen nicht wie bei der Verwendung als Medizin zerstoßen, sondern ganz lassen. So lange kochen, bis der Eintopf eine dickliche Konsistenz angenommen hat. Mit Brot und Blutwurst servieren.


    Im Gegensatz zu Kadenes Version beinhaltet das Kultgericht Ghan kein Blut und natürlich auch keine Fidhere-Samen. Ein absolutes Muss ist dabei allerdings, dass das Fleisch von neun Tierarten kommt und auch jeweils zu 1/9 von jeder Art stammt. Bei dem Schlachtspektakel auf dem Marktplatz von Ryn hingegen hat man das Mengenverhältnis der einzelnen Sorten untereinander nicht abgestimmt, sondern einfach genommen, was gerade da war. Hauptverantwortlich für den Geschmack sind ohnehin die Fidhere-Samen.

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    Die Tracht der Kumae-Hirten
    © Gomeck


    Die Alben im Landesinnern und im Süden haben neben dem großgewachsenen Stræpn auch noch andere Haustiere, unter anderem das Kumæ, ein kleiner grassfressender Hornträger, der zu den Schmuckhornskuænga zählt. Diese Tiere reichen den Alben gerade einmal bis zur Hüfte, doch sie haben neben einem langen, dichten Fell, welches für die Textilgewinnung genutzt wird, und wohlschmeckendem Fleisch noch einen weiteren delikaten Vorteil: sie geben eine Milch, die nicht nur unter den Alben als äußerst schmackhaft gilt.
    Alben halten die Kumæ in mittelgroßen Herden von bis zu 50 Tieren, und für ihre Pflege und Haltung gibt es eigens hierfür ausgebildete Hirten. Sie kümmern sich um die Aufzucht der Jungtiere und sind Tierarzt, Züchter, Melker und Schlachter zugleich.


    Dass es hierfür einen eigenen Hirtenberuf gibt, kommt nicht von ungefähr. Der Umgang mit den launischen Tieren erfordert viel Fingerspitzengefühl, denn die Kumæ sind äußerst sprunghaft, und man sagt ihnen sogar eine ausgeprägte Boshaftigkeit nach.


    Aus diesem Grund tragen die Kumæ-Hirten stets Beinschoner an Ober- und Unterschenkel und zum Schutz des Unterleibs hat sich eine halbierte Schale einer ca. 20cm durchmessenden Nuss etabliert, die um den Körper gebunden wird, denn die gebogenen, dicken Hörner der Kumæ werden selbst den Hirten gegenüber teilweise mit großer Wucht eingesetzt, wenn den Tieren irgendetwas nicht gefällt.


    Nun ist es ja so, dass die Alben nicht sehr fruchtbar sind. Nur sehr selten führt ein Geschlechtsakt zur Befruchtung. Wen nimmt es Wunder, dass es eine Menge Mittelchen und Tinkturen, Kräuter und anderes gibt, von dem man nachsagt, die Potenz zu steigern. Was jedoch ebenfalls gemunkelt wird, ist, dass die Hirten der Kumæ besonders potent seien. Ob das durch die Vortäuschung eines übergroßen Geschlechtsteiles durch den Unterleibsschutz herrührt oder dadurch, dass es quasi durch die Angriffe der Kumæ-Hörner zwar malträtiert, aber durch den guten Schutz dadurch möglicherweise gestärkt wird, das weiß man heute nicht mehr.

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    Die Tracht der Perlenmacher
    © Sturmfaenger


    Vor einigen Jahren war es, da kam ein Fremder in unser Dorf.


    Er führte ein bepacktes Luhr hinter sich her, sah aber nicht aus wie einer der anderen Händler die uns sonst besuchen. Wäre er auf einem Pferd angekommen, man hätte ihn für einen reichen Mann gehalten. Er war im besten Alter, von angenehmer Gestalt, und seine Augen blickten freundlich auf uns neugierige Bauern, die ihm vom Wegesrand aus unsere Grüße entboten. Herausgeputzt war er, dieser Fremde, wie wir es noch nie gesehen hatten.
    Auf seinem Kopf saß ein kegelförmiger Hut, der schon von ferne in der Sonne blitzte und schimmerte. Als er näher kam, konnten wir sehen, daß es sich um einen Filzhut handelte, der über und über mit winzigen Glimmersteinchen besetzt war. Er hatte keine Krempe, stattdessen hingen lange Fransen vom Rand herab, auf die wiederum die verschiedensten Steinperlen aufgefädelt waren. Zu beiden Seiten seines Gesichts waren sie zu einer Art Zöpfe zusammengebunden, wohl, damit sie ihm nicht die Sicht behinderten. In seinen Bart waren ebenfalls Perlen eingeflochten. Es klickte und klimperte leise sobald er den Kopf bewegte. Er trug einen knielangen, lindgrünen Kapuzenmantel, der vorne von einer Brosche zusammengehalten wurde, in deren schimmernden Schmuckstein das Zeichen Khem’raels eingeschnitten war.
    Als wir ihn später in der Dorfschenke wiedersahen hatte er seinen Mantel abgenommen. Unter ihm trug er eine schlicht geschnittene dunkelgraue Tunika, auf deren Vorderseite sich allerdings ein wahrer Sternenhimmel aus kleinen elfenbeinfarbenen Perlen erstreckte. Die Tunika trat aber vor dem prächtigen Halskragen und dem buntbesetzten Gürtel in den Hintergrund, die beide mit denselben von Glimmer durchsetzten Steinkügelchen bestickt waren.


    Der Fremde war recht gesprächig. Er erzählte uns, er sei ein Mitglied der neu gegründeten Zunft der Perlenmacher und auf der Durchreise nach Hamosh’huna, um den dortigen Karawanen Proben der eigenen Handwerkskunst anzubieten.


    Als einer von vielen sei er ausgesandt worden, um die Zunft im Lande bekannt zu machen, neue Rohstoffquellen zu erschließen und recht viel Werbung zu betreiben. Dabei zwinkerte er uns zu, nippte an seinem Becher mit Wein und verschenkte einige Steinperlen unter uns Zuhörern. So erzählten wir ihm von den Felsen und den Steinen die wir in den Hügeln bei unseren Feldern finden, und er besah interessiert was wir ihm brachten, und steckte ein paar Proben ein.


    Er gab auch bereitwillig Auskunft auf unsere vielen Fragen. Über sein Gewerbe, über die Art der Steine aus denen die Perlen bestanden und was sie kosteten, ob er sie alle selbst geschnitzt habe, und wie sich die neue Zunft aus den bisher getrennten Berufsgruppen wie Perlenschnitzern, Siegel-, Gemmen- und Kameenmachern zusammensetzte. An diesem Abend schenkte er der Tochter des Dorfvorstehers ein Armband, und verließ unser Dorf am frühen Morgen des kommenden Tages.


    Die Jahreszeiten wandelten sich, und eines Tages näherte sich wieder ein Mann dem Dorf. An der Farbe seines Umhangs erkannten wir, daß es der Perlenmacher war.
    Aber wo war seine blitzender glitzernder Kegelhut?


    Fort war er, bekannte der nun barhäuptige Fremde freimütig über einem Becher verdünnten Weines, und erzählte, wie die Erste Konkubine des Lordfürsten an dessen Form und Aussehen Gefallen gefunden hatte. Nun hatte die neugeschaffene Zunft die exklusiven Zulieferrechte und verdiente gut an der neuen Hutmode, welche sich rasch ausbreitete. Allerdings war es den Perlenmachern von nun an verboten sich als einfache Handwerker mit derselben Art von Kopfbedeckung zu schmücken wie die hochgestellten Frauen des Reiches.


    Der Fremde trug es mit Humor, und freute sich über die Bestellungen, welche die Mädchen und Frauen des Dorfes bei ihm aufgaben. Der Tochter des Dorfvorstehers schenkte er ein weiteres Armband. Es war aus den Steinen gemacht, die er bei uns im Dorf erhalten hatte, und wir staunten über die Schönheit die in unseren Hügeln steckte. Wir gaben ihm mehr davon mit, und diesmal bezahlte er gar dafür. Wir winkten ihm nach, als er von dannen zog.
    Als wir den Perlenmacher das nächste Mal sahen, trug er auf dem Kopf eine Art Kranz aus einer in sich gedrehten Filzschnur, in die bunte - allerdings nicht glitzernde - Perlen eingeflochten waren. Dieser Filzkranz diente dazu, den bunt gestreiften Schal auf seinem Kopf zu halten, der als Schutz vor der Sonne diente.


    Aber wie staunten wir als wir sahen daß sein glitzernder Halskragen fehlte! Stattdessen trug er nun eine Anzahl von Ketten unterschiedlicher Länge. Einige von ihnen hingen ihm bis fast an den Gürtel hinunter.
    Er ließ sich von uns einen Krug Most spendieren und zeigte uns sodann die Narben an seiner Kehle, die er bei einem Überfall erhalten habe. Man habe den Halskragen für wertvoller gehalten als er sei, und in den letzten Jahren ihn und auch andere seiner Zunft mehrfach hinterrücks überfallen. Er sei mit dem Leben davongekommen, aber einigen anderen sei es nicht so gut ergangen. Daraufhin hatte die Zunft beschlossen, den Halskragen abzuschaffen. Halsketten waren leichter abzunehmen und demonstrierten die Kunst der Perlenschleifer ebenso gut.


    Nachdem er abgereist war sahen wir, daß die Tochter des Dorfvorstehers eine neue Halskette trug.


    Im Jahr darauf reiste der Perlenmacher wieder durch, doch statt des bisherigen Mantels trug er einen neuen aus dunkler Wolle. Diesmal schnalzten wir nur verständnisvoll mit der Zunge – wer hatte auch ahnen können, daß die Aufständischen, die seit Monaten das Land unsicher machten, ausgerechnet lindgrüne Mäntel als Erkennungszeichen gewählt hatten!
    Diesmal durfte der Fremde im Haus des Dorfvorstehers übernachten, und bekam von unserem besten Sirdalschnaps vorgesetzt, und am nächsten Morgen entblößte die Tochter des Dorfvorstehers ihre perlweißen Zähne in einem strahlenden Lächeln.


    Er ging wieder fort, der Fremde, der doch inzwischen für uns längst kein Fremder mehr war. Und als er diesmal wiederkam, mit mehr als einem Luhr, mit mehr als nur einem Teil seines Werkzeugs, da wußten wir, daß er bleiben würde. Und so war es auch.


    Seither wohnt er nun mit seiner Familie hier im Dorf, stellt Perlen aus unseren Steinen her und hat sich vor zwei Jahren gar einen unserer Burschen als Lehrjungen genommen. Für die tägliche Arbeit trägt er seinen Schurz aus ungefärbtem Leder, sein Haar und seine Haut sind grau vom Steinstaub, aber seine Augen leuchten jedesmal, wenn er seine Frau betrachtet. Er ist nicht besser oder schlechter als ein jeder von uns, und zieht seine Tracht nur an wenn er Besuch von jenen erhält, die seine Perlen kaufen.


    Und wenn nun, selbst nach all den Jahren, Fremde durchs Dorf kommen und Witze reißen über die Perlenmacher, die ganz furchtbar flatterhaft und eitel sind und ihre Tracht öfter ändern als selbst die modebewußtesten Weiber, so schütteln wir nur den Kopf. Denn wir wissen es besser.

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    Der Phinai
    © Zeromaru


    Der Phinai ist warmblütig und gehört zu den Hundeartigen. Er lebt hauptsächlich in Gebirgswäldern mit gemäßigtem bis subtropischem Klima. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 10 Jahren.
    Ein Phinai hat eine Kopfrumpflänge von 95-117cm, der Schwanz ist ca. 50cm lang und äußerst kräftig und beweglich, die Schulterhöhe beträgt 60-73cm und sein Gewicht reicht von 34-57kg. Die Männchen sind kleiner und leichter. Die Schulterknochen sind sehr dick und treten hervor, wodurch sind eine kleine Ablage bildet, welche an den Seiten stabilisiert wird. Der Kopf ist sehr kompakt, mit einer kurzen und dicken Schnauze. Die Ohren stehen senkrecht und haben einen breiten Ansatz und eine spitze Form. Die Füße sind circa 30-40cm lang. Die Pfoten sind rundlich und breit, haben 5 Zehen und kurze Krallen. Ihr Fell ist kurz und schützt vor allem gegen Regen und Hitze. Mit Schnee und Kälte kommen sie auch zurecht, bevorzugen es allerdings bei solchem Wetter im Bau zu bleiben, wenn sie nicht mit Jagen beschäftigt sind. Die Farbe reicht von schwarz über grau bis hell braun und ist in der Regel in diesem Spektrum gescheckt. Die Sinne eines Phinai sind ausgezeichnet. Er kann gut riechen, hören und sehen.


    Phinai sind reine Fleischfresser und jagen Nachts aus der Deckung des Unterholzes heraus. Ihr Beute sind hauptsächlich kleinere Tiere sowie Jungtiere von größeren Arten. Dabei töten sie die Beute jedoch nicht sofort, sondern schleifen sie zu ihrem Bau um sie dort zu verzehren. Aufgrund ihres Rückens können sie kleinere Beutetiere quasi mit ihrem Schwanz festschnallen und so transportieren. Sie verzehren 14-22% ihres Eigengewichts an Nahrung. Dabei lassen sie nur sauber abgenagte Knochen zurück. Die Überreste deponieren sie außerhalb ihres Kernreviers, damit verhindern sie das Maden schwer zugänglichen Stellen wie dem Schädel befallen und dann ihren Bau befallen. Aas wird von ihnen nur angerührt wenn keine andere Beute in Witterungsreichweite ist oder es keinen Verteidiger gibt. Dabei achten sie drauf das das Tier nicht schon zulange am verwesen ist.


    Ein Phinai-Weibchen beansprucht nur ein kleines Kernrevier, indem sich ihr Bau befindet und eine langsam fließende Wasserquelle. Als Bau bevorzugen sie leicht erhöhte Höhlen, da diese nicht mit Wasser voll laufen. Daneben jagen sie aber in einem weiträumigen Gebiet. Die Gebietsmarkierung erfolgt durch Urin, welcher die besondere Eigenschaft hat, bei Kontakt mit Borke zu leuchten. Bei der chemischen Reaktion wird fast nur Borke umgewandelt, daher kann sich so eine Markierung bis zu 10 Jahre hinweg halten, vor allem wenn sie zwischenzeitlich erneuert wird. Der damit verbundene Geruch verfliegt jedoch recht schnell wieder. Dadurch wird anderen Weibchen angezeigt, dass dieser Platz sicher ist und bei Abwesenheit der Geruchsnote können andere Weibchen dieses Revier in Beschlag nehmen. Die Männchen haben kein festgelegtes Revier und streifen durch die Wälder.


    Artgenossen gehen sich grundsätzlich aus dem Weg. Dabei dulden Weibchen innerhalb ihres Kernreviers allerdings keine Artgenossen. Artgenossen werden mit Jaulen und Knurren vertrieben, wobei gegen Weibchen weniger rabiat vorgegangen wird als gegen Männchen. Die Geschlechtsreife tritt nach 2 Jahren ein. Während der Paarungszeit im Frühling sind Weibchen besonders aggressiv anderen Weibchen gegenüber, erlauben Männchen jedoch kurzfristig die Betretung ihres Reviers. Dabei gilt der Grundsatz dass das erste Männchen auch den Nachwuchs zeugt. Der Vater wandert dann weiter. Die Trächtigkeit erstreckt sich über 90 Tage.Der Wurf umfasst 3-5 Welpen. Nach der Geburt ist der Nachwuchs blind und taub und damit absolut von der Mutter abhängig. Der Nachwuchs verbleibt bis zum erreichen der Geschlechtsreife bei der Mutter und hilft bei der Aufzucht des folgenden Wurfs. Bei erreichen der Geschlechtsreife ziehen die Weibchen dann los um sich ein eigenes Revier zu suchen und die Männchen beginnen ihre Wanderschaft.


    Phinai sind extrem scheu und und lassen sich nur bei extremer Nahrungsknappheit in der Nähe von Ansiedlungen antreffen. Selbst leichte Beute wie Kälber verschmähen sie wenn es die Situation es nicht unbedingt erfordert.

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    Die gelbfüßige Speikrabbe
    © Gomeck


    Im äußersten Nordwesten Æýansmottírs, an der Höhlenküste, gibt es ein Phänomen, das schon zahlreiche Seefahrer und Fischer vor Rätsel gestellt hatte. Alle vier Jahre erscheint an der gesamten Küstenlinie oberhalb der Gischtgrenze ein dünnes, rotes Band von ca. 2 Schritt Höhe.


    Lange Zeit rankte sich darum ein Mythos: Am Anbeginn der Zeit gab es einen großen Kampf zwischen dem Gott der Lüfte und dem Gott des Wassers. Vier Jahre lang tobte der Kampf zwischen den beiden, und schließlich, als der Gott des Wassers müde wurde und unachtsam, da gelang es dem Gott der Lüfte, ihm mit seinem gewaltigen Schwert den Kopf abzutrennen, der aus dem Wasser ragte. Der Kopf rollte daraufhin in die Fluten und versank im Meer, der Stumpf seines Halses jedoch wurde zu Stein. Der Gott der Lüfte betrachtete den steinernen Stumpf, und er beschloss, darauf Leben zu erschaffen, und so entstand Æýansmottír und alles Leben darauf. Doch die Wunde verheilte nur sehr sehr langsam, und sie brach alle vier Jahre erneut auf und begann zu bluten - erst jetzt, viele Jahrtausende später, war die Wunde fast verheilt und Æýansmottír, das einst der Hals des Gottes des Wassers war, zeigt nur noch an dieser einen Stelle, was Æýansmottír einst war.


    Diese Sage erzählt man sich heute noch den kleinen Kindern, doch eines Tages wurde das Geheimnis des roten Bandes gelüftet. Der Forscher Sulætým aus der Hauptstadt Ákar-ínam bereiste die nördlichen Regionen und suchte auch die unzulänglichen Steilküsten der Höhlenküste auf - die Klippen der Höhlenküste tragen ihren Namen aufgrund der vielen kleinen und großen Höhlen, geschaffen von Wind und Wasser, und darin hatte sich im Laufe der Zeit eine ganz eigene Flora und Fauna gebildet. Wie bei seinen Forschungsreisen üblicherweise verbrachte Sulætým einige Tage und Nächte in den Höhlen der Küste, wobei er eine interessante Entdeckung machte.
    Tief in den Ritzen und Spalten der Klippen fand Sulætým unter anderem eine Krabbe von auffälliger Färbung. Sie war etwa handtellergroß, der Rückenpanzer war im wesentlichen Graugrün, doch einige leuchtend rote Streifen verliefen vom Kopf bis zum hinteren Teil des Körpers. Die langen, dünnen, spinnenartigen Beine waren dagegen gelb, nur an den Innenseiten der Beine verlief ein blauer Schatten. Die Bauchseite war ebenfals blau.
    "Ich hatte diese Tiere noch nie zuvor gesehen, doch die Höhlen waren voll von ihnen, wenn man einmal wußte, wonach man suchen sollte. Mich wundert inzwischen auch nicht, dass noch niemand zuvor diese Tiere entdeckt hatte: sie verlassen ihre Verstecke nur des Nachts, und auch sonst sind sie sehr scheue Tiere. Ich mußte stundenlang regungslos sitzen, bevor sie sich heraustrauten, und machte ich auch nur eine zu schnelle Bewegung, huschten sie mit erstaunlicher Geschwindigkeit wieder in ihre Ritzen und Spalten!"


    Sulætým fand noch mehr heraus: die Krabben konnten hervorragend auf dem windzerfressenen Felsen klettern, und sie ernährten sich von Pflanzenmaterial und kleinen Tieren, die die stürmischen Fluten des Nordmeeres gegen die Klippen warfen. Natürliche Feinde hatten die Krabben wenige. Es gab eine seltene Art der Küstenflugtiere, ein kleinerer Raubweýðar, der mittels hoher Schreie sich im Dunklen orientieren kann und so nachts auf Beutejagd geht, ferner lebten drei Arten der Nacht-Túk hier in Küstennähe, Flugbeutler, die mit ihren großen Augen auch noch bei geringstem Licht ihre Umwelt gut wahrnehmen können.
    Das Interessanteste allerdings war, dass sie ausschließlich im Küstenbereich des "Roten Bandes" lebten, weshalb Sulætým genauer nachschaute. Er nahm auch das rote Band in Augenschein, welches schon fast vier Jahre alt und schon stark verwittert war. Es handelte sich um eine dünne, harzige Schicht, in denen unendlich viele kleine runde Vertiefungen zu sehen waren. Zu des Rätsels Lösung verhalf ihm dann doch noch eine kleine Portion Glück - ein paar Wochen später, als er zufällig wieder in Inam-nú an der Nordküste war, erreichte ihn die Nachricht, dass das rote Band wieder frisch und leuchtend die Klippen zierte. Was er vorfand, war eine klebrige Substanz, und darin eingebettet unzählige Eierchen, kugelrund und hellgelb gefärbt.


    "Ich untersuchte einige - man konnte allerdings nichts darin erkennen. So beschloß ich, hier noch einige Zeit auszuharren. Nach ungefähr 5 Tagen konnte man im Innern der Eier Umrisse eines Tieres erkennen, die Eier wuchsen und dehnten sich noch weiter aus, und nach weiteren 15 Tagen schlüpften daraus tatsächlich junge Krabben, gerade so groß wie ein halber Fingernagel. Die rote Schicht war mittlerweile hart geworden, so dass die Krabben darüber hinweg in Richtung Meer gelangen konnten. Sie wurden von den Wellen erfasst und von der Strömung davongetragen. Aufgrund der äußerlichen Ähnlichkeit, die bereits zu erkennen war, bin ich davon überzeugt, dass es sich um die Jungen der Krabbe in den Höhlen handelte. Ohne nähere Untersuchungen kann ich nur spekulieren, doch ich vermute, dass sie ihre erste Lebenszeit im Meer verbringen und erst später wieder hierher an die Küste zurückkommen. Vier Jahre scheint ein Zyklus ihres Lebens zu sein, in denen sie beginnen hier an den Felsen ihre Eier ablegen, hoch genug, dass die Wellen sie nicht erreichen, doch tief genug, dass die Gischt die Eier feucht hält, was vermutlich für die Reifung notwendig ist."


    Anmerkung des Autors:


    Sulætým hat damit tatsächlich recht, doch was er nicht herausfand: wodurch die rote Schicht entsteht. Erst spätere Forschungen, die sich intensiver mit dem Phänomen auseinandersetzten, brachten zu Tage, dass es sich um Sekret der erwachsenen Krabben handelte, welches aus dem Maul ausgeschieden wird. Dies brachte dem Tier den Namen Speikrabbe ein. Alle vier Jahre schwärmen die Tiere zu Tausenden aus den Höhlen, die Weibchen heften die Eier, die sie bereits in sich tragen, an die Felswand, genau oberhalb der Wellengrenze, anschließend kleiden die Männchen die Eier mit dem Sekret ein, welches überaus zäh ist und von der leichten Gischt der Wellen nicht abgewaschen werden kann. Erst im Laufe der Zeit zersetzt die salzhaltige Luft die Schicht nach und nach, bis sie nach vier Jahren wieder aufgefrischt wird. Die jungen Krabben verbringen tatsächlich die ersten Monate ihres Lebens komplett im Wasser - in den ersten Tagen dezimiert sich ihre enorme Anzahl erheblich, ihr Körper ist noch weich und eine willkommene Nahrung für viele Fische und andere Tiere. Nach etwa 2 Wochen hat sich ihr Schalenpanzer allerdings soweit erhärtet, dass sie recht gut geschützt sind. Trotzdem kommt nur ein kleiner Bruchteil der geschlüpften Tiere nach etwa 6 Monaten zurück an die Küste - wie sie genau diesen Ort wieder finden, ist ein Rätsel.


    Sie werden ca. 8 Jahre alt, erleben also zwei Fortpflanzungs-Zyklen. Danach sind die Tiere recht geschwächt und sterben in aller Regel kurz danach.

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    Die Gedhal
    © Ehana


    (Die Betonung liegt auf der zweite Silbe. Das dh spricht sich wie ein weiches behauchtes d. Wer das nicht aussprechen kann, kann es gern durch ein normales d ersetzen, das wäre dann Hauptstadtdialekt. ;-))
    Dringt man tiefer in die Bergwälder um Aï Dham vor, stößt man bisweilen auf einen silbrig glänzenden Belag, der sich bodennah in feinen Spuren um die verholzten Teile von Bäumen und Sträuchern windet. Man kann sich dann sicher sein, dass man sich gerade in einem Gebiet aufhält, in dem der Vogel lebt, von dem man sich, obwohl man ihn nur sehr selten zu Gesicht bekommt, aufgrund seines außergewöhnlichen Verhaltens auch fernab seines Lebensraums gleichermaßen fasziniert und ungläubig erzählt – der Gedhal.


    Aussehen


    Der Gedhal gehört zu den größeren Vögeln der Region um Aï Dham. Vom Kopf bis zum Schwanzansatz ist er etwa so lang wie der Unterarm eines Menschen. Dazu kommt jedoch noch sein langes, prächtiges Schwanzgefieder, das beinahe noch einmal so lang ist. Der Körper ist gänzlich mit kurzen Puderdunen besetzt. Anders als bei vielen anderen Vögeln der Region erscheint der Kopf des Gedhal geradezu nackt, weil ihm darauf keine längeren Schmuckfedern wachsen. Das Gefieder ist beim Männchen von einem leuchtenden Rot, auf den Flügeln und am Kopf kommen noch violette Sprenkel hinzu. Das Weibchen ist etwas dunkler, aber ebenfalls rot. Die prächtigen Schwanzfedern sind bei beiden abwechselnd rot und violett, sanft geschwungen und können mit einer unglaublichen Präzision bewegt werden. Mit ihrer rotvioletten Färbung fügen sich die Vögel hervorragend in die Flora der Bergwälder ein, die ebenfalls von Rottönen dominiert wird. Dies ist auch nötig, denn Gedhalen verbringen den Tag schlafend in den Baumwipfeln und werden erst bei Einbruch der Dämmerung aktiv.


    Nahrung


    Der Gedhal ernährt sich ausschließlich von Insekten, und diese fängt er mit einer Methode, wie sie von keinem anderen Vogel bekannt ist. Aus seiner Bürzeldrüse sondert er ein Sekret aus, das er aber nicht wie andere Vögel zur Gefiederpflege verwendet, denn dazu wäre es denkbar ungeeignet – die Substanz ist im feuchten Zustand extrem klebrig. Vielmehr hebt der Vogel mit seiner kräftigen Muskulatur das Schwanzgefieder und verteilt das Sekret auf tief hängenden Stauchzweigen, an Gräsern und auch an der Rinde von Bäumen. Es bildet lange, klebrige Fäden, die dem Gedhal auch den Namen „Spinnervogel“ verliehen haben. Wenn sich bald die ersten Insekten heillos in dem Gespinst verklebt haben, schreitet der Vogel zur Tat und pickt sie mit seinem scharfen Schnabel, der die Fäden leicht durchtrennen kann, heraus und vertilgt sie.
    Im frisch aufgetragenen Zustand ist die Substanz kaum zu erkennen. In der Hitze des Tages trocknet sie und härtet aus. Sie schimmert dann leicht silbrig und wirkt wasserabweisend. Zwischen dünnen Zweigen, Gräsern und Blättern werden die Fäden dennoch durch die häufigen Regenfälle zerstört, einfach weil sie der Wucht der herabprasselnden Tropfen nicht standhalten. In den Furchen von Baumrinde etwa kann sich die Substanz aber über Jahre hinweg halten, vor allem wenn es sich um einen Baum handelt, der gern von den Spinnervögeln zum Nahrungsfang benutzt wird und so immer neue Schichten hinzukommen. Wer aufmerksam durch die Bergwälder um Aï Dham streift, wird also mit Sicherheit früher oder später auf die silbrig glänzenden Anzeichen dafür stoßen, dass dies ein Gebiet ist, in dem Gedhalen leben.


    Lebensweise


    Der Gedhal erwacht in der Abenddämmerung und macht sich dann auf Nahrungssuche. Tagsüber würde die Spinnersubstanz in der Hitze zu schnell austrocknen und hart werden, so dass er große Schwierigkeiten hätte, Nahrung zu fangen. Sofern es nur ein bisschen Licht, etwa von einem der Monde, gibt, kann er ausgezeichnet im Dunkeln sehen. Tagsüber verbirgt er sich mit seinem farbenfrohen Federkleid perfekt in den Kronen von Bäumen mit rötlichen Blättern, von denen es in und um Aï Dham so mancherlei Arten gibt, und verschläft die Hitze. Gedhalen können zwar fliegen, legen für gewöhnlich aber keine großen Strecken zurück. Meist beschränkt sich ihre Flugaktivität darauf, in der Dämmerung von einem Baum herunter- und im Morgengrauen auf den nächsten hinaufzukommen, oder zwischen verschiedenen Bäumen hin- und herzuwechseln. In Bodennähe sind sie meist auf den Beinen unterwegs, wenn es darum geht, die Fangsubstanz zu verteilen.


    In der Balzzeit kann man nachts aus den Wäldern den charakteristischen Balzschrei des Gedhalmännchens hören, wie es Weibchen anzulocken versucht. Es sitzt dabei meist in irgendeiner Baumkrone und ruft von dort aus eine schnelle Abfolge kurzer, schriller Töne in die Nacht hinein. Zuvor hat es aus Zweigen und der Spinnersubstanz zwischen ein paar Astgabeln eine Art Nest für den künftigen Nachwuchs gebaut, für das es nun nach einer passenden Bewohnerin sucht. Zeigt sich ein Weibchen, nähert sich ihm das Männchen vorsichtig und vollführt dabei mit seinem beeindruckenden Schwanzgefieder kreisende Bewegungen, die dem Weibchen seine Gesundheit und Kraft demonstrieren und es in das Nest locken sollen. Entschließt sich die Angelockte zur Paarung, lässt sie sich zunächst symbolisch in dem vom Männchen gebauten Nest nieder, bevor es zur Kopulation kommt. Das Weibchen legt zwischen drei und fünf Eiern. Nach etwa dreißig Tagen schlüpfen die kleinen Gedhale. Das Weibchen bleibt so lange bei den anfangs nackten und blinden Kleinen, bis sie groß genug sind, um das Nest zu verlassen; einstweilen kümmert sich das Männchen um die Beschaffung von Nahrung. Der Überschuss an Spinnersubstanz, der währenddessen im Bürzel des Weibchens entsteht, wird dazu benutzt, um das Nest zu reparieren. Sind die Jungen flügge, trennen sich die Wege der Eltern wieder. Gedhale leben die meiste Zeit des Jahres einzeln und finden sich nur zur Paarung und Aufzucht der Jungen zusammen.


    Der Gedhal und die Menschen


    Mit seinen ungewöhnlichen Verhaltensmustern und dem prächtigen Schwanzgefieder übt der Gedhal seit Jahrhunderten große Faszination auf die Oremh aus, in deren Staatsgebiet sein Lebensraum zum Großteil fällt. Unzählige Versuche gab es, die schönen Vögel einzufangen und als Ziervögel in den herrschaftlichen Stadtvillen der hohen Adelsfamilien zur Schau zu stellen. Kein einziger war von Erfolg gekrönt – der Gedhal verweigert sich in Gefangenschaft konsequent der Nahrungsaufnahme. Allem Anschein nach frisst er nichts, das er nicht mit seiner Sekretmethode selbst gefangen hat. Außerdem wird sein Lebensrhythmus, der ja ausgeprägte Nachtaktivität vorsieht, durch das Halten und Vorführen in Käfigen empfindlich gestört. 3128 n. Dh. sorgte ein Experiment für Aufsehen, das auf Anregung des damaligen Herrschers der Lahar-Dynastie in Aï Dham durchgeführt wurde. Man fing ein Gedhalpärchen ein und setzte es im Innenhof eines Adelsanwesens aus, den man zuvor aufwendig mit einem feinmaschigen Netz überspannt und umzäunt hatte, damit die Vögel nicht davonfliegen konnten. Den Hof selbst hatte man so ausgewählt, dass er eher einem Garten entsprach und sich in ihm viele Bäume, Sträucher und auch ein paar künstliche Gewässer und Felsformationen fanden, wie sie auch im natürlichen Lebensraum des Gedhal vorkommen. Alles nützte nichts – das Männchen versuchte erst gar nicht, sich um Nahrung zu kümmern, und starb bald darauf. Das Weibchen fing irgendwann an, seine Sekretspuren auszulegen, und fing auch ein paar Insekten, zeigte aber nur wenige Tage später genauso lethargisch wie sein Partner und teilte letztlich dessen Schicksal. Seitdem hat es keinen groß angelegten Versuch mehr gegeben, einen Gedhal einzufangen – jedenfalls keinen, der bekannt geworden ist. Die Vögel scheinen genau mitzubekommen, wenn man sie aus ihrem ursprünglichen Gebiet entführt, mag das, in das man sie bringt, ihrem Lebensraum noch so ähneln. Trotz dieser gescheiterten Versuche – oder vielleicht gerade deswegen – ist die Faszination der Oremh für die Gedhalen ungebrochen. Nur wenige haben die schönen Vögel bislang beobachten können, ziehen sie sich doch bei Tage zum Schlafen zurück und suchen sie des Nachts sofort den Schutz der nächsten Baumkrone auf, wenn sich ein größeres Wesen nähert.


    Bei den Siú, den seit jeher sehr naturverbundenen südlichen Nachbarn der Oremh, gilt als besonders von den Göttern gesegnet, wer im Wald eine Gedhal-Schwanzfeder findet, denn dies geschieht selten genug. Auf keinen Fall würde ein Siú seinem Glück auf die Sprünge helfen, denn das derart sinnlose Töten oder Quälen von Tieren gilt als Sakrileg, und wer gewaltsam versuchen würde, an eine Gedhalfeder zu kommen, dem würde diese sicherlich kein Glück bringen, sondern eher das Gegenteil.

    << WBO 2008
    Die Pisikki osaemki
    © Yelaja


    „Im Süden Nanduns, in den Dschungelgebieten der pestritischen Halbinsel berichten die Eingeborenen von kreisrunden Lichtungen inmitten des dichtesten Waldes, in deren Zentrum nur eine einzelne Pflanze wächst. Bei den Eingeborenen heißt es, dass in diesen Pflanzen böse Geister wohnen würden, die den Boden vergifteten, so dass dort nichts sonst mehr wachsen könne. Die Einheimischen nennen die Pflanze Suhuyakka, Geisterbaum.


    Wenn eine solche Pflanze in der Nähe eines Dorfes wächst, bedeutet dies ein schlechtes Omen für das Dorf, denn der Zorn des bösen Geistes könnte schreckliches Unheil heraufbeschwören. Die Dorfbewohner bringen deshalb jeden Monat, wenn der letzte Tag des Schwarzmondes gekommen ist und der böse Geist in der Pflanze am unruhigsten ist, bei Sonnenuntergang Opfergaben an den Rand der Lichtung um den Geist zu besänftigen. Am folgenden Morgen sind die Gaben verschwunden.


    Manchmal nach einem Jahr oder oft aber erst nach vielen Jahren beschließt der Geist, dass das Dorf genug geopfert hat und verlässt die Pflanze, die daraufhin abstirbt. Binnen einiger Wochen verrotten die krautigen Teile der Pflanze und es bleibt nur das schwarz glänzende Holz zurück, das so hart und widerstandsfähig ist, dass das Gerippe der Geisterpflanze noch über Jahre und Jahrzehnte erhalten bleiben kann. Eine stete Mahnung an die Dörfler, dass der Geist immer wieder zurückkehren könnte, um die Pflanze erneut in Besitz zu nehmen.“
    aus den Reiseberichten von Semialla vom Haus R’haseya


    Die Pflanze, von der in Semiallas Bericht die Rede ist, wurde inzwischen eingehender untersucht um zu ergründen, inwiefern der Glaube der Einheimischen, dass die Pflanze von Geistern besessen sei, zutreffe.
    Die Gilde der Züchter schickte den Gelehrten Osamek zur Untersuchung der Pflanze aus. Er erkannte jedoch bald, dass die Pflanze, genauer gesagt ihr Wurzelwerk, nicht Lebensraum für Geister, sondern für Kolonien winziger Säugetiere war. Das Leben der kleinen Nager und das der Pflanze sind so eng miteinander verstrickt und hängen sogar in dem Maß voneinander ab, dass es nicht möglich ist, dass eine Art isoliert von der anderen überlebt.
    Wo also ein Suhuyakka wächst, befindet sich auch eine Kolonie der Nager. Ebenso kann man unter den schwarzen Überresten eines Suhuyakka mit Sicherheit die verlassenen Tunnelsysteme einer Kolonie der Lacentina pisikki osameki, wie Osamek die neue Art nannte, finden.


    Osamek wählte den Namen, da er an eine Verwandtschaft der Nager mit Lacentina sulei, dem arincandrischen Steppenhamster, glaubte. Heute hat sich der Name Pisikki osameki oder kurz Pisikki durchgesetzt, da man inzwischen weiß, dass Pisikki zu den eierlegenden Säugetieren gehört, während Lacentina sulei lebende Junge gebiert.
    Ein Pisikki ist etwa 2 bis 2,5 cm lang und von gedrungener, mäuseartiger Wuchsform. Anstatt des für Mäuse charakteristischen unbehaarten Schwanzes besitzen die Pisikki jedoch nur einen kleinen Stummelschwanz. Das kurze hellbraune bis ockerfarbene Fell des Pisikki hat sechs dunkelbraune bis schwarze Querstreifen auf dem Rücken sowie eine dunkle Partie, die die Schnauze umgibt und in einem dünnen Streifen auf der Stirn ausläuft.
    Die Pisikki sind hoch soziale Tiere und leben in Staaten mit bis zu 6000 Tieren zusammen. Die Koloniemitglieder gehören verschiedenen Kasten an, denen unterschiedliche Arbeitsbereiche zugeteilt sind. Die Mitlieder der Kasten unterscheiden sich auch in ihrem Körperbau voneinander und sind so optimal an ihren jeweiligen Arbeitsbereich angepasst.


    Ein Großteil der Koloniemitglieder gehört zu einer wenig spezialisierten Arbeiterkaste, die vielfältige Aufgaben in den Bereichen Brutpflege, Hygiene und Nahrungsversorgung übernimmt. Die Angehörigen dieser Kaste sind relativ klein. Ihre Ohren und Augen sind verhältnismäßig groß und ihre Gliedmaßen sind weniger kräftig als die anderer Kasten.
    Eine andere, weniger zahlreich vertretene Kaste ist auf die Verteidigung der Kolonie spezialisiert. Diese Kriegerkaste zeichnet sich durch einen kräftigen Körperbau aus. Die vorderen und hinteren Gliedmaßen sind mit großen, sehr spitzen Krallen besetzt und aus speziellen Analdrüsen kann ein ätzendes Sekret auf Angreifer gespritzt werden.
    Die Mitglieder der Gräberkaste sind ebenfalls stämmig gebaut. Die Mittelhand- und Fingerknochen ihrer vorderen Gliedmaßen sind miteinander verwachsen und bilden so mit den Klauen, die ständig weiter wachsen, effektive Grabwerkzeuge. Auch die Krallen der Hinterbeine sind schaufelartig verbreitert.


    Die Mitglieder der Gründerkaste ähneln den Gräbern vom Aussehen her, aber sie treten nur kurz vor der Samenreife des Suhuyakka in der Pisikki-Kolonie auf und spielen bei der Verbreitung der Suhuyakka-Samen und der Gründung neuer Pisikki-Kolonien eine entscheidende Rolle. Die vorderen Gliedmaßen sind als Grabwerkzeuge entwickelt, wenn auch die Verwachsung der Handknochen fehlt. Die hinteren Extremitäten sind als dagegen eher unspezialisiert und gleichen denen normaler Arbeiter. Im Gegensatz zu den anderen Kasten gehören der Gründerkaste nur weibliche Individuen an.
    Während die Mitglieder aller anderen Kasten steril sind, sind die Mitglieder der Herrscherkaste fruchtbar und somit für die Produktion der Nachkommenschaft der Kolonie verantwortlich. Die Königinnen haben einen vergrößerten Unterleib, in dem die Geschlechtsorgane sitzen. Der Hoden der Könige ist ebenfalls voll entwickelt und im Gegensatz zu den männlichen Individuen anderer Kasten ist er bei ihnen unterhalb des stummeligen Schwanzes deutlich zu erkennen.


    Nahrung und Wohnung der Pisikki-Kolonie:


    Wenn die Abenddämmerung über den Dschungel der pestritischen Halbinsel hereinbricht, erwacht die Pisikki-Kolonie langsam zum Leben.
    Die Arbeiterinnen, die tagsüber nur die nötigsten Aufgaben erledigt haben, beginnen emsig mit ihren Verrichtungen. Viele schwärmen aus dem Nest aus und suchen im Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit nach Samen, Früchten und jungen Trieben, die sie einsammeln um sie als Nahrungsvorräte zurück in ihr Nest zu schaffen.
    Dort übergeben die Sammler ihre Beute an andere Arbeiter, die die Nahrung zu den Vorratskammern des Nestes schaffen und sie dort zerkauen. Der Nahrungsbrei wird dann mit dem Saft des Suhuyakka vermischt und in kleinen Erdmulden eingelagert.
    Andere Arbeiterinnen sind damit beschäftigt die Wände des Nestes zu reinigen, indem sie sie mit dem Suhuyakka-Saft benetzen. Der Saft des Suhuyakka wirkt desinfizierend und hilft so beim Schutz der empfindlichen Pisikki so vor Krankheitserregern und bei der Konservierung ihres Nahrungsbreis. Die Pisikki-Arbeiter gewinnen ihn, indem sie vom Suhuyakka gebildete Wurzelknöllchen anknabbern und den austretenden Saft auflecken.


    In einer von den Gräbern frisch ausgehobenen Kammer sind die Arbeiter damit beschäftigt die Wände zu stabilisieren, indem sie die Kammer mit einer Mischung aus Suhuyakka-Saft, Speichel und Erde auskleiden. Aus der gleichen Mischung legen sie auch kleine Mulden für den Nahrungsbrei an. Andere Gräber wühlen sich nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche durch den Boden und suchen nach den Wurzeln fremder Pflanzen, um sie abzunagen, damit sie den Wuchs des Suhuyakka nicht behindern und ihm das Licht nicht streitig machen.


    Von Kampf und Verteidigung


    Die Eingänge zum Nest werden von den Kriegern der Pisikki-Kolonie streng bewacht. Eindringlinge, seien es räuberische Hundertfüßler oder diebische Arbeiter einer benachbarten Kolonie, werden mit Krallen, Zähnen und einem Wehrsekret, das in den Analdrüsen der Krieger gebildet wird, bekämpft. In der Nacht erklettern die Krieger den Suhuyakka und suchen nach Schädlingen, die sich an der Pflanze festgesetzt haben.
    Obwohl sich die Pisikki tagsüber in ihr Nest zurückziehen, bleiben einige Krieger auch zwischen Sonnenauf- und -untergang in Bereitschaft. Sie befinden sich in Kammern, die in der Nähe des Suhuyakka-Stamms dicht unter der Oberfläche liegen, und sind stets bereit den Suhuyakka gegen Fressfeinde oder andere Angreifer zu verteidigen.


    Herrscherkaste und Pflege der Brut:


    In der Pisikki-Kolonie leben mehrere Königinnen (meist 3 bis 6) und ein König. Diese Herrscherkaste ist einzig für die Produktion der Nachkommenschaft der Kolonie verantwortlich. Ein Hofstaat aus Arbeitern bringt den Herrschern Futterbrei, putzt sie und schafft die Ausscheidungen der Herrscher in die Kotkammern der Kolonie.
    Die Königinnen besitzen eine Samenblase, die bei der Kopulation mit dem Männchen den Samen aufnimmt. Der Samen einer Verpaarung genügt zur Befruchtung von 100 bis 150 Eiern. Da eine Königin täglich etwa 50 Eier ablegt, genügt es, wenn sich der König jede Königin alle 2 bis 3 Tage begattet. Die von einer Königin gelegten Eier werden von den Arbeitern in die Brutkammern geschafft und dort bebrütet, bis nach etwa sechs Tagen die nackten und noch blinden Pisikki-Jungen schlüpfen. Ammen, die ebenfall der Arbeiterkaste angehören, aber mit einem besonders reichhaltigen Futter versorgt werden, säugen die Jungtiere, bis sie nach weiteren acht Tagen alt genug sind um feste Nahrung zu sich zu nehmen und selbst in den Dienst der Kolonie zu treten.


    Die Eier der Pisikki-Kolonie werden von den Arbeiterinnen regelmäßig mit Suhuyakka-Saft desinfiziert, da sehr empfindlich sind und ohne dies Behandlung schon vor dem Schlupf absterben würden.
    Welcher Kaste ein Pisikki angehört, steht schon zum Zeitpunkt des Schlupfes fest. Vermutlich wird die Entwicklung der Eier durch die Temperatur, bei der sie bebrütet werden, gesteuert. Die Entwicklung neuer Königspaare erfolgt immer im Frühjahr, wenn der Saft des Suhuyakka reich an hormonähnlichen Substanzen ist. Ausgewählten Jungtieren wird der Saft zusätzlich zur Ammenmilch gefüttert, so dass sich ihre Geschlechtsorgane voll entwickeln können.


    Vom Werben und Kämpfen:


    Während die jungen Königinnen im Frühjahr bei ihrer Kolonie verbleiben, ziehen die Männchen aus um dem König einer fremden Pisikki-Kolonie seinen Platz streitig zu machen. Die Männchen wandern nur in der Nacht. Tagsüber verstecken sie sich in kleinen Erdlöchern oder zwischen den Wurzeln eines Baumes um zu schlafen. Wenn die Männchen eine fremde Kolonie gefunden haben, postieren sie sich vor einem der Nesteingänge und machen durch laute Pfeifgeräusche auf sich aufmerksam, um so den amtierenden König herauszufordern.
    Nachdem der König der Kolonie herausgekommen ist, imponieren sich die Rivalen zunächst indem sie sich auf die Hinterbeine stellen und lauf pfeifen. Dieses Imponierverhalten wiederholt sich einige Male und dazwischen umkreisen und beschnuppern sich die Kontrahenten immer wieder. Wenn nach einigen Stunden noch keines der beiden Männchen aufgegeben hat, schlägt das Imponierverhalten plötzlich in einen echten Kampf um und die Tiere greifen sich mit Krallen und Zähnen an. Nach einem kurzen, aber heftigen Schlagabtausch kapituliert der Unterlegene schließlich und das siegreiche Männchen zieht als König in die Pisikki-Kolonie ein.


    Von Reinlichkeit und Körperpflege:


    Die Pisikki verbringen einen nicht unerheblichen Teil ihrer Zeit mit dem Reinigen ihres Körpers. Vor allem tagsüber, wenn sich alle Tiere innerhalb des Nestes aufhalten, sind Schlafen und Fellpflege die Hauptaktivitäten der Pisikki. Die Tiere lecken sich selbst oder andere Koloniemitglieder ab und bestreichen ihr Fell mit dem Sekret ihrer Analdrüsen um es vor dem Befall durch Milben oder andere Parasiten zu schützen.
    Zum Abkoten begeben sich die Pisikki in die sogenannten Kotkammern. Dabei handelt es sich um relativ große Kammern im unteren Bereich der Kolonie. Der Kot der Königspaare und der Jungtiere wird von den Arbeitern dort hingebracht. Auch die Körper gestorbener Nestkameraden werden in die Kotkammern gebracht. Wenn eine Kotkammer voll ist, verschütten die Gräber den Zugang und legen eine neue Kammer an.


    Von der Teilung einer Pisikki-Kolonie:


    Da der Suhuyakka nur einmal Samen ansetzt und dann abstirbt, muss sich auch die Pisikki-Kolonie auf das Verlassen ihres alten Nestes vorbereiten, wenn der Suhuyakka im Frühjahr seine Blüten bildet.
    Die Königinnen legen je nach Größe der Kolonie bis zu 10 unbefruchtete Eier, aus denen sich Gründerinnen entwickeln. Die Arbeiter in den Brutkammern beginnen zudem damit, aus einigen ausgewählten Jungtieren neue Herrscher heran zu ziehen. Der Saft des Suhuyakka ist auch zur Blütezeit reich an den Hormonsubstanzen, die die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Jungtiere fördern.
    Nachdem die Samen des Suhuyakka reif sind, stirbt die Pflanze ab. Die Gründerinnen der Pisikki-Kolonie verlassen dann das Nest und klettern am Suhuyakka zu seinen Samenständen hinauf. Sie brechen die Samenkapseln auf und verschlucken einen der Samen. Danach kehren sie in die Kolonie zurück.


    Kurz vor dem Aufbruch der Kolonie in der folgenden Nacht fressen die Arbeiterinnen, die Nahrungsvorräte der Kolonie leer, um den Nahrungsbrei in ihren Mägen zu transportieren. Nach Einbruch der Nacht verlässt die Kolonie ihr altes Nest. Die Tiere teilen sich in mehrere Tochterkolonien auf, in der jeweils eine Gründerin und eine Königin vertreten sind. Die jungen Könige verlassen dagegen die Gemeinschaft um sich eine neue Kolonie zu suchen.
    Der alte Suhuyakka bleibt zurück und bildet, nachdem Blätter und Rinde innerhalb weniger Wochen verrottet sind, ein meterhohes, schwarz glänzendes Denkmal für die aufgegebene Pisikki-Kolonie.


    Die jungen Kolonien ziehen nachts umher, um einen geeigneten Standort für ihre Suhuyakka-Pflanze zu finden. Am Tag versteckt sich die Kolonie im Unterholz des Dschungels.


    Wenn die Kolonie einen geeigneten Platz gefunden hat, beginnen die Gräberinnen sofort damit neue Tunnel in den Boden zu graben. Die Arbeiterinnen nagen währenddessen die vorhandene Vegetation ab, um Platz für den Suhuyakka zu schaffen. Inmitten des geschäftigen Treibens beginnt die Gründerin damit sich ebenfalls in die Erde einzugraben. Sie gräbt sich senkrecht nach unten, bis sie eine Tiefe von etwa 10 cm erreicht hat. Nachdem sich der Gang, den sie gegraben hatte, durch nachrieselnde Erde wieder verschlossen hat, rollt sich die Gründerin zusammen und stirbt. Bei ihrem Tod werden Sekrete in ihren Verdauungstrakt abgegeben, die die äußerte Schale des Suhuyakka-Samen auflösen. Erst jetzt kann der Samen keimen und ein neuer Suhuyakka wachsen.


    community.weltenbastler.net/index.php?attachment/7817/

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    <<< Treffen


    Weltenbastler-Stammtische


    Von Anfang an entstanden auch mehr oder weniger regelmäßige Stammtische in ganz Deutschland verteilt und über die Grenzen hinaus. Die regelmäßigsten von ihnen sind nachfolgend aufgelistet und haben auf eigenen Seiten die Möglichkeit, sich näher vorzustellen.
    Die Stammtische finden entweder in Lokalen/Biergärten/Kneipen/Bistros statt, bei besonderen Anlässen (Rhein in Flammen o.ä.) unter freiem Himmel oder bei Bastlern zu Hause, sofern für alle gut erreichbar.
    Manchmal artete ein solcher Stammtisch aber sogar in ein außerordentliches Groß-Treffen aus, wie bisher schon in Bayern anlässlich des Kaltenberger Rittertuniers oder in Wien geschehen, mit einer größeren Anzahl von Teilnehmern und einer Dauer von zwei oder mehr Tagen, was natürlich Übernachtungsmöglichkeiten voraussetzt.


    Wenn du dich für die Stammtische interessierst, solltest du dich im Forum anmelden, hier gelangst du dann auch (nach erfolgreicher Anmeldung) zum Treffen-Board.


    Nordlichter-Stammtisch:
    Häufigste Treffenorte: Hamburg, Kiel


    NRW-Stammtisch:
    Häufigste Treffenorte: Aachen, Mönchengladbach, Korschenbroich/Kleinenbroich, Bonn


    Bayern-Stammtisch:
    Häufigste Treffenorte: München


    Wien-Stammtisch:
    Häufigste Treffenorte: Wien (wer hätte es gedacht ;) )



    Seltene Stammtische bzw. sporadische, unregelmäßige Regionaltreffen:
    Baden-Württemberg: Einen Stammtisch gabs bisher, und zwar im August 2012 in Tübingen.
    Münsterland/Ruhrgebiet: Seltene, sporadische Treffen
    Rhein-Main-Gebiet: Früher aktiver, inzwischen sehr still geworden
    Berlin: Bisher ein Stammtisch

    << Community


    Die Weltenbastler-Treffen


    Die Weltenbastler sind zwar in erster Linie zunächst eine Online-Gemeinschaft, doch bereits kurz nach der Gründung der Weltenbastler seinerzeit gab es bereits ein erstes reales Treffen von immerhin vier Urgesteinen der Bastler: Dorte, Jerron, Keykeeper und Haschkeks.


    Dieses zugegeben kleine, kuschlige und in einer Jugendherberge stattfindende Treffen war der Grundstein für zukünftige Entwicklungen, denn Weltenbastler sind mitnichten nur virtuelle, menschenscheue Gestalten, sondern durchaus kontaktfreudige, neugierige Menschen, die sich seitdem immer wieder irgendwo in Deutschland zum gemeinschaftlichen Basteln, Quatschen, Blödeln und Rumhängen treffen. Nebenbei wird dann übrigens auch über Welten geredet. ;)


    Dabei muss von vorne herein zwischen kleineren lokalen Treffen, sogenannten "Stammtischen", und großen überregionalen Treffen unterschieden werden, die von Anfang an nebeneinander existierten.


    Berichte und Bildeindrücke von den überregionalen Treffen sind für angemeldete Benutzer im Treffen-Board einsehbar.


    Dort findet sich für "Neulinge", die mit dem Gedanken spielen, auch mal an so einem Treffen teilzunehmen, auch eine Treffen-FAQ.

    << WBO 2007
    Das Erntebittfest der Norr
    © Taipan


    Anhänger des Menaismus, die es vielleicht irgendwann einmal für längere Zeit nach Norr oder Vinorr verschlägt, werden früher oder später bemerken, dass die Norr, obwohl sie sehr gläubige Menaisten sind, doch sehr sonderbare religiöse Feste und Zeremonien feiern, die einzigartig in Alaton sind und eigentlich keinen richtigen Sinn zu ergeben scheinen, bei genauerer Nachfrage nicht einmal für die Norr selbst. Sie feiern diese Feste, weil sie immer so gefeiert worden sind, und nur wenige haben jemals versucht dies zu hinterfragen. Zu diesen vielen Festen gehört auch das Erntebittfest, das jedes Jahr ungefähr einen Mond nach dem Erntedankfest gefeiert wird, und zwar am ersten Neumondtag des Hamorot. Neben dem etwas seltsamen Tag der Feier unmittelbar nach der Ernte, zeichnet sich das Fest auch den Ort der Zeremonie und durch den Gott aus, der dabei verehrt wird.


    Das Erntebittfest:
    Das Erntebittfest ist anders, als man es vermuten könnte, kein Fest zu Ehren der Göttin Logathla, die sonst angerufen wird, wenn man um reiche Ernte bitte oder sich dafür bedankt, sondern ein Bittfest an den Regen- und Flussgott Weldrogo. Schon lange davor sammeln die Norr in großen Krügen Regenwasser und tragen diese in eine Senke oder, falls es keine Senken in der Umgebung gibt, zwischen mehrere Hügel, die im Notfall sogar künstlich aufgeschüttet werden. Aber auch andere Flüssigkeiten wie Milch, Bier, Schnaps, Met oder bei reichen Familien auch importierter Wein zur Senke gebracht, vor allem wenn sie eine Familie besonderen Beistand wünscht oder zeigen will, was sie sich leisten kann. Die Feierlichkeiten beginnen mit der eigentlichen Zeremonie zu Mittag, wenn die Sonne am höchsten steht. Dabei geht der Priester - es können auch mehr Priester sein - unter den Augen der warteten Menge, die in monotonen Gebeten Weldrogo um seine Gnade für die nächste Ernte bittet, von einem Gefäß zum nächsten, um diese mit würdigem Ernst zu leeren. Bei größeren Siedlungen und sammel- und spendenfreudigen Gläubigen kann das durchaus bis zum Sonnenuntergang dauern, doch ist der letzt Tropfen in der Senke vergossen, kommt Leben in die bis jetzt nur ehrfürchtig um Gnade bittende Menge. Nun werden neue Fässer herbeigeschafft oder sind schon herbeigeschafft worden, diesmal nur mit Alkoholischem gefüllt und die Norr beginnen ausgelassen bis zum nächsten Morgen zu feiern, um Weldrogo noch zusätzlich auf sich aufmerksam zu machen. Für die Priester ist es aber dann meist an der Zeit, sich nun zurückzuziehen. Weil Weldrogo ein Regengott und sein Symbol der Regenbogen ist, wird es immer als gutes Zeichen gesehen, wenn es während der Zeremonie regnet oder, was noch ein viel besseres Zeichen und für die Anwesenden deutlich angenehmer ist, wenn ein Regenbogen zu sehen ist. Die Norr sind sich dann sicher, dass das kommende Jahr gut wird.


    Gründe und Ursachen:
    All die Besonderheiten des Erntebittfestes kann man viel leichter verstehen, wenn man sich die Mühe macht zu untersuchen, woher die Norr ursprünglich kamen, denn das Fest an sich ist deutlich älter als 2.000 Jahre und entstand daher nicht in Alaton, sondern in Meseleth, bevor die Norr (wie fast alle anderen Xolarer auch) von dort vertrieben wurden. Denn bevor die Norr nach Alaton fliehen mussten, lebten sie in dem Gebiet zwischen der Meledis im Norden, dem Spinellgebirge im Osten und dem Turebensee im Osten. Obwohl des Gebiet wegen des Gebirges im Vergleich zum Rest der Gespenstersteppe nicht so stark unter der jährlichen Trockenzeit zu leiden hatte, war doch der Regen überlebenswichtig, um eine Ernte zu garantieren und Ernteausfälle aufgrund von zu spätem oder zu wenigem Regen, kamen regelmäßig vor. Für die Norr war es leicht zu erkennen, wann es kritisch wurde, denn dann trockneten abgesehen vom riesigen Turebensee all die vielen kleinen Seen aus, die hier so zahlreich zu finden sind. Und schließlich war man wohl dazu übergegangen, die Zeremonien in solchen ausgetrockneten Seen stattfinden zu lassen, um Weldrogo noch deutlicher zu zeigen, dass Regen dringend notwenig war.
    Als die ersten Norr den Norden von Alaton erreichten, klammerten sie sich an ihre alten Feste, um nicht ganz den Bezug zu ihrer alten Heimat zu verlieren. Im Fall des Erntebittfestes stellten sich aber gleich mehrere Schwierigkeiten. So lag die Erntezeit in Meseleth im Spätwinter und Frühling, während sie in Norr im Sommer und Herbst liegt, also unmittelbar vor dem Erntebittfest. Außerdem waren ausgetrocknet Seen so gut wie nicht zu finden, schon gar nicht im regenreichen Hamorot. Hier hat man sich schließlich mit Senken und Hügeln geholfen, die gar nicht so selten extra aufgeschüttet wurden. Abgesehen von Weldrogos Priestern - und da nicht einmal von allen - und ganz wenigen Historikern, weiß heute kein Norr mehr davon, was aber niemanden davon abhält, an der Hauptzeremonie teilzunehmen und das Fest ausgelassen zu feiern.

    << WBO 2007
    Das Verknüpfen der Chyinn
    © Sturmfaenger


    Im Reich der Chyinn, auf der zerklüfteten Unterseite des Weltenbrösels Arseyya, gibt es keinen Himmel. Über den Köpfen der Chyinn befindet sich eine kilometerdicke Felsdecke, das Licht fällt seitlich oder von unten ein.
    Dörfer sind meist in die Felswände gehauen, Weiden und Felder gibt es in den Schräglagen, die tagsüber von Sonnenlicht erhellt werden. Hier und dort gibt es auch relativ ebene Landstriche, wo die Wände großer Höhlen weggebrochen sind, die Erosion am Werk war oder dicke Felsschichten sich versetzt übereinander türmen.
    Die menschenähnlichen Chyinn die hier leben verehren seit Jahrtausenden Ynggt, die göttliche Netzknüpferin. Ihrem Glauben nach hält die vielarmige Göttin die Fäden in den Händen, die die Welt zusammenhalten, und hört dabei nie auf, Licht, Zeit und Leben hineinzuweben. Durch Ynggts Güte bricht der Felsenhimmel nicht herunter, und der Boden bröckelt nicht weg. Da sie so viele Pflichten hat, muß Ynggt regelmäßig daran erinnert werden, den Chyinn ihre Gunst nicht zu entziehen.
    Alle achtundachtzig Tage - die Zahl steht symbolisch für Ynggts unzählige zupackenden Hände - versammeln deswegen die Priester im ganzen Reich die Gläubigen, um das Ritual des Verknüpfens durchzuführen.
    Die Netzknüpferin sitzt nach dem Glauben der Chyinn im Herzen Arseyyas und kann sich nicht bewegen.
    Alles was sie spürt sind die Vibrationen, die die Chyinn durch ihre Rituale verursachen, und die über die unsichtbaren Stränge des Netzes zu ihr gelangen.
    Darum sorgen die Priester dafür, daß sich die Gläubigen in einer Senke versammeln, oder mehrere Hügel den Versammlungsplatz umgeben, denn das Netz ruht in den Felsen, und je näher sie dem Netz während des Rituals sind, desto mehr Aufmerksamkeit wird Ynggt ihnen schenken.


    Sobald sie die Vibrationen spürt, schickt Ynggt ihren Geist aus, da sind sich die Priester sicher. Ihr Bewußtsein fliegt mit den Winden, die durch die Landschaft wehen.
    Darum wählt man den Kultplatz so, daß er im Freien liegt. Viele hundert Meter Platz sollen bis zur Felsendecke sein, damit der Wind ungehindert wehen kann. Als Faustregel gilt: Mindestens so viel Raum soll bis zur Decke sein, daß ein Flederkattu ohne Reiter sie nicht erreichen kann. Kann man mit bloßem Auge keine Kattu-Nester sehen, ist die Decke weit genug entfernt.
    Das Ritual selbst beginnt, wenn das erste Licht auf den Ritualplatz fällt. Alle Gläubigen versammeln sich zu einem großen Kreis, in dessen Mitte der Gadoor, der ranghöchste Priester in seiner Zeremonienrobe aus schimmerndem Pej'jahaar seinen Platz einnimmt.
    Auf sein Signal hin beginnen die Gläubigen einen lauten Singsang, der von Klatschen, Stampfen und Schellengeläute begleitet wird. Dies wird die Aufmerksamkeit der Göttin wecken.
    Gleichzeitig wird eine Reihe von Lichtern um den Ritualplatz herum entzündet, damit der herannahende Geist Ynggts sein Ziel problemlos findet. Liegt der Versammlungsplatz in einer Senke, so bildet man einen Kreis aus achtundachtzig in den Boden gesteckten Fackeln, wenn er zwischen Hügeln liegt zündet man auf ihren Kuppen Signalfeuer an.
    Der Priester mit der lautesten Stimme singt derweil die achtundachtzig Beinamen Ynggts im Wechsel mit den Gläubigen, anschließend werden dumpfe Trommeln geschlagen.
    Erst dann kann man sicher sein, daß Ynggt zuhört.
    Es ist Zeit, ihr zu erzählen, was in den letzten achtundachtzig Tagen so alles passiert ist. Der Gadoor verkündet die Namen derjenigen, die gestorben sind. Ihre Seelen, die immer noch in der Nähe weilen, sollen von Ynggts Geisteswind fortgetragen werden, damit die Göttin ihre Seelenfäden wieder ins Netz einweben kann.
    Mütter, die Kinder zur Welt gebracht haben, kommen als nächste an die Reihe. Sie treten vor und der Gadoor bindet jedem Säugling kleine Schellenglöckchen um, damit Ynggt sie hören kann und daran denkt, ihre Seelenfäden in kräftigen Mustern mit denen der Dorfgemeinschaft zu verweben.


    Nun treten die Paare vor, die sich gefunden haben oder trennen möchten.
    Nachdem dies auch geklärt ist, folgt der wirrste und lauteste Teil der Zeremonie. Jeder darf Ynggt nun seine Wünsche mitteilen, seinen Dank aussprechen oder die Unzufriedenheit über das Muster äußern, in das sein Leben gerade eingewebt wird. Um Zeit zu sparen geschieht das alles auf einmal, in der Menschenmenge schreit einer lauter als der andere, damit die eigene Stimme von Ynggt auch wirklich gehört wird.
    In einem abschließenden Sprechgesang danken alle der Göttin noch einmal daß sie auch weiterhin Teil des Netzes sein dürfen, und bitten sie um Vergebung für die ganze Arbeit, die sie ihr aufhalsen. Das Ritual endet mit dem Versprechen, an jedem der folgenden achtundachtzig Tage Opfer für Ynggt darzubringen, um sie für ihre Mühen zu entschädigen.
    Wie es die Tradition gebietet, leert sich der Platz nun schnell, nur die Priester bleiben zurück um das erste der versprochenen Opfer darzubringen. Anschließend beeilen sie sich, zurück ins Dorf zu kommen, denn die frischvermählten Paare richten im Anschluß an die Zeremonie ein großes Festessen aus.

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    Die Veshaten
    © Sturmfaenger


    Hierbei handelt es sich zweifelsohne um einen der geheimnisumwittertsten Geheimbünde, die unser Kontinent in seiner wechselhaften Geschichte gesehen hat. Sie bewahren das gefährliche Erbe unserer Geschichte, denn einer muß es tun. Sie bewahren es im Geheimen, und sie bewahren es gut. Viel Unheil ist durch sie verhindert worden, und doch sorgen Abtrünnige alle paar Jahrhunderte dafür, daß das Mißtrauen ihnen gegenüber niemals erlischt. Ist es da ein Wunder, daß sie den Mantel der Verborgenheit noch enger um sich ziehen?


    DER AUSLÖSER
    Nachdem uns Menschen durch den Gott Illanu die Gabe der Magie zuteil geworden war, lernten unsere Ahnen mit ihr umzugehen. Sie benutzten sie zum Guten, und sie benutzten sie zum Schlechten. Die Zeit der Magiekriege war eine der dunkelsten Epochen der Menschheitsgeschichte, wie sie uns überliefert ist. Die Aufzeichnungen berichten von Schwelfeuer und gelenkten Blitzen, von Saugfallen, Schmerzbringern und Magierkriegern, die ihre Feinde geistig vergewaltigten, ihnen ihre Geheimnisse entrissen und sie zu Dingen zwangen, die unaussprechlich sind.
    Damals gelang es unseren Vorfahren unter großen Mühen, dieses Grauen zu beenden. Die überlebenden Königreiche einigten sich auf den Verzicht von Kampfmagie - niemals wieder sollte die göttliche Gabe auf diese Weise mißbraucht werden.
    Es war verboten, das Wissen auch nur zu lehren, von seiner Anwendung ganz zu schweigen. Jeder der es doch tat wurde bestraft und verfolgt, und nach ein paar Jahrzehnten glaubte man das Übel ausgemerzt zu haben.
    Die Ächtung aller Kampfmagie machte die Altlasten des Krieges jedoch nicht zunichte.
    Die rastlosen Seelen wahnsinnig gewordener Magiekrieger bildeten eine Bedrohung die erst lange nach dem Ende der Kriege als solche erkannt wurde, als die ersten Besessenen Unheil anrichteten. Diese sogenannten Wandergeister zogen von Mensch zu Mensch, nährten sich von den Energien ihrer Opfer und verfolgten ihre eigenen Ziele.
    Sie waren jedoch nicht die einzige Gefahr, welche die Menschen bedrohte, die versuchten, die Schrecken der Vergangenheit zu vergessen. Viele Gebiete konnten nur mühsam neu besiedelt werden, spielten sich hier doch seltsame Dinge ab, die auf die magieverzerrenden Wirkungen von immer noch aktiven Fallen, Schilden und anderen Hinterlassenschaften des Krieges zurückzuführen waren.
    Hinzu kamen versprengte Kampfmagier, die ihre Macht nicht aufgeben wollten, und ihre Künste im Verborgenen weiter ausübten. Unsere Vorfahren, damit beschäftigt, die Vergangenheit zu verdrängen, wurde zunehmend wehrloser gegen diese Bedrohungen.


    DIE VORGÄNGER
    Verschiedene Gruppen, von denen uns heute nur noch einzelne Namen wie "Naerius' Speer" und "Brithils Atemhauch" bekannt sind, bildeten sich in den Jahren der Verleugnung, die auf die Magiekriege folgten. Sie rekrutierten sich aus alt gewordenen Magierkriegern, die dem Übel der Kampfmagie zunächst abgeschworen hatten, und nun begreifen mußten, daß Feuer manchmal mit Feuer bekämpft werden muß, um einen Flächenbrand zu stoppen. Sie begannen ihr Werk, und sie hatten Erfolg.
    Sie besiegten ein paar Wandergeister in den magischen Sphären, zerstörten Fallen und legten einigen Möchtegerntyrannen das Handwerk.
    Bald schon eilte die Kunde von den hilfreichen Kampfmagiern durch das Land, und alarmierte Tempel und Obrigkeit. Die einen fürchteten den Tabubruch und den Zorn der Götter, die anderen sahen sich durch die steigende Popularität der Magiergruppen in ihrer Machtposition bedroht. Dieser vorgelebte verantwortungsvolle Umgang mit Kampfmagie beschleunigte zudem die Aufarbeitung der Kriege, und warf schlechtes Licht auf die Taten der damals Beteiligten, die teilweise immer noch an der Macht waren. Man verbot die Magiergruppen und ließ sie ebenso gnadenlos verfolgen wie jene, die sie ausmerzen wollten. So hatten die Vorgänger der Veshaten von jeher zwei gute Gründe, geheim zu operieren: um die von Wandergeistern Besessenen in Sicherheit zu wiegen und um am Leben zu bleiben.


    DIE GRÜNDUNG
    Von unseren heutigen Schriftgelehrten wird zumeist der Einiger des Reiches, Jalakar der Erste, als Gründer der Veshaten genannt, und tatsächlich ist er es auch gewesen, der die versprengten Einzelgruppierungen der Vorgängerorganisationen der Veshaten zu einer Gemeinschaft zusammenführte.
    Anfangs war er ein Gegner von ihnen, wie sein Vater und Großvater zuvor.
    Erst als er, bereits zum König gekrönt, selbst von einem Wandergeist besessen ward und von dem berüchtigten Xyastan von Rhenien aus dieser geistigen Knechtschaft befreit wurde, änderte sich seine Meinung dazu.
    Unter Jalakars Regie wurden die verschiedenen Gruppen zu den Veshaten vereint und ihre Position mit einem stabilen gesetzlichen und finanziellen Unterbau ausgestattet.
    In Zusammenarbeit mit den Tempeln wurde ein strenges Paket an Reglements verabschiedet, auf welches jeder neue Rekrut eingeschworen wurde. Der strenge Verhaltenskodex band und verpflichtete sie dazu, das Wissen um die Kampfmagie nicht zu mißbrauchen und mit keinem zu teilen, der nicht Teil der Organisation war.
    Dabei wurde besonders darauf geachtet, sämtliche politischen Ambitionen aus ihren Reihen zu verbannen. Ihr einziges Augenmerk sollte die Vernichtung von Kampfmagie sein.
    Die Veshaten arbeiteten im Hintergrund wo immer es möglich war, doch ihre Erfolgsquote bei der Säuberung des Landes war einer der Faktoren, die es Jalakar ermöglichten, in den folgenden Jahren sein Jelenachreich zu gründen, die Keimzelle unseres heutigen Morkandor.


    GESCHICHTE BIS IN DIE GEGENWART
    Während der ganzen Zeit, in der das Reich der Jelenach existierte, widmeten sich die Veshaten ihrer Aufgabe. Dazu zählte auch, abtrünnigen Veshaten das Handwerk zu legen. Bei diesen Gelegenheiten drangen auch die meisten Fakten über den Bund in das öffentliche Bewußtsein, darum wissen wir so viel von ihnen.
    Doch irgendwann waren die meisten auffindbaren Fallen beseitigt, und nur die schlausten Kampfmagier und Wandergeister noch übrig, die sich versteckten und schwer fangen ließen. Nicht nur das, einige der Gegner der Veshaten versuchten nun ihrerseits aktiv, sie zu vernichten.
    Dies machte die Aufgabe umso schwieriger, und die Veshaten wurde reformiert, um mit den geänderten Bedingungen besser fertigzuwerden. Sie wurden offiziell aufgelöst, und es wurden keine Mühen gescheut, um sie in Vergessenheit geraten zu lassen. Nicht einmal der neue Herrscher erfuhr vor seiner Krönung von ihnen, die Finanzierung erfolgte durch viele geheime Kanäle.
    Die Invasion durch die Hornanden änderte daran nichts. Einige verzweifelte Veshaten setzten die verbotene Kunst gegen die neuen Feinde ein, und wurden von ihren eidestreuen Mitbrüdern gestellt. Die Meinungen über diese Vorfälle sorgten für rege Diskussionen unter den Magiebegabten, dies geriet jedoch bald in den Hintergrund, als die Hornanden begannen, jeden zu verfolgen, der Magie wirken konnte.
    Die Verfolgung zwang uns Magiebegabte, enger zusammenzuarbeiten, und so finden die Veshaten ihre Rekruten heute meistens in den Lagern der Uranach. Sie sind aber weiterhin eine eigenständige Gruppe, die sich selbst finanziert und nur in einigen Teilbereichen eng mit den magischen Widerstandskämpfern zusammenarbeitet, beispielsweise bei der Unterbringung von Flüchtlingen oder dem Sammeln gewisser Informationen.


    DIE ORGANISATION ZUM HEUTIGEN ZEITPUNKT
    Über die Spitze der Veshaten ist uns nicht viel bekannt. Vermutlich handelt es sich um eine Gruppe von hochrangigen Mitgliedern. Die innere Struktur der Veshaten scheint eher dezentralisiert zu sein, große überregionale Versammlungen sind selten. Wir wissen nicht, wie ihr Informationsnetz funktioniert, und die Standorte ihrer Ausbildungslager und Bibliotheken sind gut gehütete Geheimnisse.
    Veshaten tarnen sich als Kaufleute, Gastwirte, umherziehende Söldner, Freudenmädchen... - all jene Berufe, in denen man viel reist oder viele Menschen trifft. Sie achten auf all die kleinen Seltsamkeiten, die einen Besessenen verraten oder auf eine immer noch aktive Magiefalle hindeuten. Veshaten operieren die meiste Zeit alleine, auch wenn sich oft mehrere am selben Ort aufhalten, um im Falle eines Kampfes eine magische Linse bilden zu können. Untereinander halten sie nur locker Kontakt, sie treffen sich nur, wenn einer meint, konkrete Hinweise entdeckt zu haben, denen man nachgehen muss.
    Die Kontaktaufnahme erfolgt unauffällig, und scheinbar wird die Art, wie dies geschieht, in unregelmäßigen Abständen verändert. Wir wissen, daß die Veshaten in den letzten Jahren mit Düften gearbeitet haben. Sie erwerben von den Tshaerd ein seltenes Öl, das einen leichten, aber unverkennbaren Geruch hat, der noch lange in der Luft hängt und selbst aus anderen Gerüchen gut herauszuschnuppern ist. Jedes Mitglied der Veshaten sucht regelmäßig einen Tempel oder Schrein der Allheit auf, um den Segen aller Götter zu erlangen. Wer ein Treffen wünscht, träufelt ein paar Tropfen Öl in die Opferschale. Beim nächsten Tempelbesuch benutzt derjenige das Öl dann als dezentes Parfum, damit die anderen herausfinden können wer ein Treffen wünscht. Bei dieser Person trifft man sich dann am Abend. Je nach Dringlichkeit mischt man andere Duftnoten zu.
    Auch vielversprechende Magiebegabte werden auf diese Weise rekrutiert. Tatsächlich stellt es so etwas wie eine Prüfung dar, zum ersten Treffen zu finden. Ein Veshate - meist ein eigens angereister Ortsfremder, um die örtlichen Agenten nicht zu enttarnen - tritt an den Kandidaten heran, erzählt ihm ein paar neugierig machende Informationen und läßt ihn am Öl riechen. In den nächsten paar Tagen wird jemand in seiner Umgebung diesen Duft aufgelegt haben, und dieser Person soll er dann zum ersten Treffpunkt folgen. Hat ein Neuling das geschafft, ist er der Novizenschaft ein Stück näher gekommen. Um jedoch Zugang zu einer der geheimen Ausbildungsstätten zu bekommen, muß er noch eine Reihe anderer Tests bewältigen und einer Gedankenprobe zustimmen, damit man sichergehen kann daß der Neuanwärter nicht von einem Wandergeist oder ungesundem Ehrgeiz besessen ist.

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    Gelbe Muschelsammler von Nermak
    © Taipan


    In der meselethischen Stadt Nermak, die mitten in der Namarr und am Thinsee liegt, ist das legendäre Seeungeheuer Quorwynn allgegenwärtig, obwohl es zum Glück der Nermakäer so gut wie nie gesichtet wird. Doch das Abbild von Quorwynn ziert das Stadtwappen genauso wie Kunst- und Alltagsgegenstände der Nermakäer. Ebenfalls allgegenwärtig ist das Bild des Magiers Sadryn Volos, der einst jenes Geschöpf, bei dem es sich eigentlich um einen gefährlichen Dämon handeln soll, als letzte Verteidigung für die Stadt zu Hilfe gerufen hat. Dass auf nicht wenigen dieser Bilder gelbe Muscheln zu sehen sind, fällt hingegen nur wenigen Eingeweihten auf, die allesamt zu den Gelben Muschelsammlern von Nermak gehören.


    Ursprung und Entstehung:
    Die Gelben Muschelsammler von Nermak sind eine uralte Gruppierung in Nermak, zwar nicht so alt wie die Stadt selbst, wie ihre Mitglieder manchmal behaupten, aber es gibt sie, seit dem Ende des Seenkriegs und seit Quorwynn im Thinsee haust, also seit etwas 180 v. MF. Wie jedes Kind in Nermak weiß, hatte die Stadt den Seenkrieg (192 - 179 v. MF.) mit dem Kumischen Reich eigentlich schon längst verloren und feindlich Truppe rückten immer näher zur Stadt, um sie zu überrennen und zu plündern. Da beschwor Sadryn Volos Quorwynn, ein Wesen, so groß wie einen Berg, mit dem Schwanz eines Wals, vergleichsmäßig schlanken Armen, die jedoch in geschickten Händen endeten, und zahlreichen kräftigen Tentakeln, die aus dem unheimlich menschenähnlichen Schädel der Kreatur wuchsen und mit denen es ganze Schiffe in die Tiefe des Thinsees ziehen konnte. Volos wusste, dass ihn das Wesen töten würde, doch bevor es ihn verschlang, konnte er der Kreatur das Versprechen abringen, die Feinde Nermaks zu vernichten und die Bewohner der Stadt zu schützen. Weil das Wesen ein Dämon war, musste es dieses Versprechen einhalten, und so konnten die Kumischen Truppen nicht in die Stadt eindringen, denn diese war nur über den See einzunehmen und dort wütete Quorwynn schrecklich unter den Angreifern. So verlor Nermak zwar den Großteil seines ehemaligen großen Reichs, doch die Stadt blieb unabhängig.


    Lange Zeit blieb Quorwynn friedlich im Thinsee, doch irgendwann vergaß er das Abkommen mit Sadryn Volos und begann auf Menschenjagd zu gehen, bis die Verluste unter den Fischern zu groß waren, um von den Stadtherren einfach ignoriert zu werden. Auch der See selbst litt unter dem Seeungeheuer und nicht nur Fische wurden rar, auch viele einfache Lebensformen wurden selten oder begannen sich zu verändern. So färbten sich auch die sonst blassrosa Krippmuscheln gelblich und wurden ungenießbar. Alle Versuche Quorwynn zu verbannen scheiterten kläglich und machten den Dämon noch aggressiver, bis ein einfacher Maler ein Bild des mittlerweile legendären Magiers nahm, an den See trat, dem unter der Wasseroberfläche verborgenen Ungeheuer zurief, das Versprechen an jenen Mann auf dem Portrait zu erfüllen, und das Bild ins Wasser warf. Wie durch ein Wunder hörte Quorwynn auf zu wüten, für ungefähr ein Jahr, bis sich wieder die Muscheln verfärbten und daher - aus der Vergangenheit klug geworden - wieder ein Bild von Sadryn Volos versenkt wurde. Nachdem man dies einige Jahre hindurch gemacht hatte, entwickelte sich daraus das Volos-Fest, ein großes Volksfest, das nun jährlich am 11. bis 12. Fimad gefeiert wird.
    Parallel zum Volos-Fest entwickelte sich eine Gruppe - Gründungsmitglieder sind heute nicht mehr bekannt - die heute unter dem Namen "Gelbe Muschelsammler von Nermak" bekannt ist und ähnlich wie beim Volos-Fest das Ungeheuer vom See mit Bildern an das einst gegebene Versprechen erinnert. Doch gab es da einige Unterschiede, denn die Muschelsammler versenkten ihre Bilder nicht an einem bestimmten Tag im Jahr, sondern achteten auf Veränderungen bei den Krippmuscheln. Tauchen vermehrt gelbe Muscheln auf, ein Zeichen für eine zunehmende Feindseligkeit Quorwynns, wurden diese gesammelt und an öffentlichen Plätzen unauffällig, aber für Eingeweihte leicht zu erkennend, platziert. In der ersten Vollmondnacht, nachdem die ersten Muscheln platziert worden waren, trafen sich die Muschelsammler in der Sirgan-Bucht, wo sie feierlich ihre selbstgemalten Bilder versenkten. Anders als die normalen Bilder beim Volos-Fest, sind diese zumindest Teilweise mit Menschenblut gemalt, denn man war bei der Gründung der Gruppe der Meinung, dass man ein solch mächtiges Wesen nur mit Menschenblut, wenn auch in bescheidenen Mengen, besänftigen konnte, und nicht nur mit normaler Farbe.


    Gelbe Muschelsammler von Nermak heute:
    Heute hat sich bei den Muschelsammlern so einiges geändert und das Hauptziel, nämlich Quorwynn zu besänftigen, ist immer mehr in den Hintergrund gerückt. Weil auch gelbe Krippmuscheln so gut wie überhaupt nicht mehr zu finden sind, begnügen sich die Mitglieder mit alten Krippmuscheln, die zu diesem Zweck nicht mehr fortgeworfen werden, oder einfach mit Muschelbildern, um zu einem Treffen zu laden. Diese Einladungen finden mehrmals im Jahr, aber recht unregelmäßig statt und hängen mehr oder weniger davon ab, wer bereit ist, für die Verpflegung an diesem Abend zu zahlen. An der Art der Einladung hat man trotz aller Veränderung festgehalten, genauso wie an dem feierlichen Versenken eines mit Menschenblut gemalten Bildes tief in der Nacht. In der restlichen Zeit unterhält man sich im Nebenraum einer Schenke über Alltägliches, Klatsch und Kunst und vor allem Malerei, denn heute sind die meisten Muschelsammler Künstler (vor allem Maler), Mäzene und Kunstsammler. Viele Künstler hier sind von den Freundschaften, die hier geschlossen werden, finanziell abhängig, und viele gut betuchte Kunstliebhaber kommen hier an die Kunstwerke und Künstler ihrer Wahl - oder bekommen solche vermittelt. Über Politik wird seit 220, als die Gruppe kurzfristig wegen angeblicher Umstürzungspläne verboten wurde, nicht mehr gesprochen, um nicht wieder Schwierigkeiten mit dem Hohen Rat zu bekommen, und obwohl zumindest ein Teil der Mitglieder reich und daher (für Nermak typisch) politisch mächtig ist, hält man bis jetzt daran fest. Mittlerweile hat man sich auf ein Symbol angeeignet, das auf fast allen selbst gemalten Bildern der Muschelsammler zu sehen ist, eine einfache gelbe Muschelschale.


    Das Ungeheuer im Thinsee:
    Quorwynn gibt es tatsächlich (noch), wie einige lebensmüde Generäle und ihre Soldaten aus Kaduin auch in letzter Zeit einige Male schmerzhaft feststellen mussten, und es handelt sich dabei tatsächlich um einen Zha, einen leibhaftigen Ekegg, wenn auch um einen, der infolge des Eingesperrtseins in einen kleinen See - klein für ein Wesen, das schon einen ganzen Ozean brauch, um so halbwegs glücklich zu werden - träge, faul und langsam beim Denken geworden ist und daher viele jener Eigenschaften verloren hat, die einen Ekegg so gefürchtet machen. Die Bilder vom Volos-Fest sind schon lange nicht mehr notwendig, um die Bürger vor seinen Zorn zu schützen, denn Quorwynn hat längst gelernt, Nermak und seine Bewohner in Ruhe zu lassen, genießt er doch die fast göttliche Verehrung von Seiten der Nermakäer. Anders sieht es mit den Bildern der Muschelsammer aus, denn die Tatsache, dass sie mit Menschenblut gemalt worden sind - in der Regel mit dem Blut des Künstlers - schafft eine magische Verbindung zwischen Maler und Ekegg, eine Verbindung, die sich ein Ekegg, selbst ein so schwacher wie Quorwynn durchaus von Nutzen machen könnte, um die Maler unter seine magische Kontrolle zu bringen. Den heutigen Mitgliedern der Muschelsammler ist diese Gefahr anders als den Gründungsmitgliedern, unter denen wohl auch einige Magier waren, überhaupt nicht mehr bewusst. Zum Glück hat Quorwynn bis jetzt kaum Gebrauch von diesem Band gemacht, in den letzten dreihundert Jahren überhaupt nicht mehr, was wohl an seinem mangelnden Ehrgeiz liegt.

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    Ratsresidenz
    © Ehana


    Das Gebäude, das am stärksten aus dem Straßenbild Aberras heraussticht, ist wohl die ab 593 n. Rgr. errichtete Ratsresidenz. Um das Gebäude an auffälliger Stelle mitten in der Stadt platzieren zu können, wurden einige der umliegenden Häuser abgerissen, da man die Anlage sonst nicht mit den nötigen Schutzmaßnahmen hätte umgeben können. Ursprünglich war geplant, das Gebäude des sich bisher dort befindlichen Landwirtschaftsministeriums nicht vollständig abzureißen und lediglich komplett umzugestalten. Kurz vor Beginn der Bauarbeiten kam im städtischen Bauamt, wo man schon längere Zeit hitzig darüber diskutiert hatte, wie die Residenz nun genau aussehen sollte, jedoch die Idee auf, der Geschichte Okros mit diesem Gebäude Rechnung tragen zu müssen und es deshalb vollständig im rykischen Stil zu errichten. Das Großreich Okro war vor fast 600 Jahren aus dem damaligen Ur-Okro und seinem nördlichen Nachbarn Rykis entstanden, und dem könnte man doch in der Bauweise des Sitzes eines der beiden wichtigsten Staatsorgane gerecht werden. Der Monarch, der seit kurzem zusammen mit dem Rat und nicht mehr allein die Geschicke des Reichs lenken sollte, residierte bereits in einem typisch okroischen Gebäude. Was lag also näher, als die Ratsresidenz im rykischen Stil zu bauen?
    Kaum wurde das Vorhaben publik, regte sich heftiger Protest der Städter. "Verschandelung des Stadtbilds" und "Schnellschuss" waren noch die harmlosesten Vorwürfe, mit denen sich die Stadt auseinandersetzen musste. Aber der Gedanke, Rykis' Zugehörigkeit zum Reich in einem Baustil auszudrücken, fand bei den Verantwortlichen großen Anklang, und so wurde das Vorhaben auch realisiert.
    Das alte Gebäude wurde komplett abgerissen, da sich der rykische Stil doch sehr vom okroischen unterscheidet.


    In Okro baut man Gebäude, vor allem öffentliche, gern aus hell- bis dunkelgrauem Stein, und zwar aus verhältnismäßig großen Ziegeln. Man liebt schlichte, klare Formen und geometrische Flächen. Charakteristisch für die okroische Architektur sind hohe, in einfachen Formen gehaltene Räume mit schmalen, rechteckigen Fenstern, die oft beinahe die gesamte Raumhöhe einnehmen. Von innen aus gesehen befinden sich die Fenster häufig in Nischen. Selbiges gilt für die Türen, die zwar nicht über eine Höhe von 3 - 4 Metern hinausgehen, deren Nischen der Einheitlichkeit wegen aber genauso weit nach oben reichen wie die der Fenster. Dächer sind meist flach gehalten, Steildächer finden sich nur vereinzelt an Privathäusern oder in Orten außerhalb Kern-Okros, in denen mehr Angehörige anderer Völker als Okroer leben.


    In Rykis hingegen hat sich ein völlig anderer Baustil entwickelt, obwohl das Land auch zu Zeiten vor dem Zusammenschluss mit Okro enge Beziehungen zu eben jenem Staat gepflegt hatte. Die Rykier bauen ihre Häuser ebenfalls aus Stein, allerdings aus hellerem als die Okroer. Ihre Fassaden bleiben auch häufig nicht so, sondern werden von oben bis unten mit langen Latten aus hellem Holz verkleidet. Fenster und Türen - meist mit einem leichten Spitzbogen versehen, so dass sie grob die Form unten abgeschnittener Regentropfen aufweisen -, werden von einer Umrandung aus dunklerem Holz eingefasst. Die Scheiben rykischer Fenster sind auch oft in kleinere Paneele unterteilt, während man in Okro durchgehend Glas schätzt. Rykische Dächer haben oft eine Zeltform. Der Baustil stellt sich somit als viel organischer, verspielter und weicher dar als die bisweilen hart anmutende Architektur Okros. Kein Wunder, dass dieser Stil den Hauptstädtern ein Dorn im Auge war, passte es doch so gar nicht zu den strengen Formen der umliegenden okroischen Häusern. Nach der Vollendung des Gebäudes, das auf einem seckseckigen Grundriss und mit sechs Dachspitzen - für jedes Ratsmitglied eine - gebaut wurde, verstummten die Kritiker jedoch rasch, und Heute ist das Gebäude aus dem Stadtbild Aberras nicht mehr wegzudenken. Sein verspielt wirkendes Äußeres lockt viele Besucher an, die mit den harten Formen der okroischen Architektur nichts anzufangen wissen. Zu besichtigen ist das Gebäude allerdings nicht, weil es schließlich dem Rat als Tagungsstätte dient und auch sonst für allerlei politische Zusammenkünfte und Besprechungen benutzt wird.

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    Die Blüte von Merothum
    © Sturmfaenger


    Vescwes Therwi sagt Ihr? Ja, natürlich kannte ich ihn. Nicht näher natürlich - ich war vierzehn als er starb, seht mich heute an, rissig und brüchig wie eine mürbe Ziegelwand. Doch Vescwes? Den hab’ ich nie vergessen!
    Laßt einen alten Mann sich setzen, dort auf die Bank. So ist es besser.
    Die Stadt war nie mehr dieselbe, seit er hier durchgefegt ist. Dieser Therwi war der seltsamste, besessenste aller Therwi, die unsere Stadt je hervorgebracht hat. Naerius bewahre uns vor solch fanatischem Eifer! Kurz nach meiner Geburt ging das los, da tauchte er hier wieder auf und riß uns alle mit. Daß er am Ende recht behielt, tut jetzt nichts zur Sache. Vescwes der Erbauer kam, und aus war’s mit dem Frieden in Merothum!
    In unserm Seitental der Lyenachen war das Leben früher ruhig. Ja, Glasbläserei gab es damals auch schon, aber nicht in dem Maße wie heute. Und jetzt dürft ihr raten, welche Familie dahintersteckte. Genau.
    Die Therwi hatten immer Geld, und eine Seidenzunge, doch wehe man stellte sich ihnen in den Weg! Sie haben den jungen Vescwes damals fortgeschickt, nach Shinwre in Khejun, um die Architektur zu studieren. Der war schon als Jüngling aufs Bauen versessen. Hat wohl beim Palast von Jhenaui mitgeholfen, drunten in Khejun, und ist dann jahrelang herumgezogen um zu lernen. War niemals selber dort, im Süden. Ich kenne nur die Blüte. Und die ist was Besond’res, das geb’ ich neidlos zu. Selbst die Südländer kommen und staunen, dabei müßten sie doch wenigstens die Formen aus ihrer Heimat kennen...


    Wände, mal dick mal dünn, genau an den rechten Stellen. Keine Ecken findet Ihr, da wo’s nicht nötig ist, überall Bögen, Kurven und Spiralen. Strohdach? Nein, Ziegel, durchbrochene Wände, schlanke Säulen und Mosaike auf dem Boden. Pflanzen überall. Und schmale Bächlein, die mitten durch die Räume fließen, wie ein Aquädukt in klein. Nicht überladen, versteht Ihr, trotz der vielen Farben. Das kennt man hier nicht, seht Euch unsere Häuser an.
    Doch Vescwes’ Kopf war voll von diesem Zeug als er heimkam, um sein Erbe anzutreten. Hat einen Haufen Gold geerbt, und ist gleich nach der Trauerzeit zum Stadtrat gerannt, zum Stadtmeister, sogar zum Kriegsherrn drüben in der Feste von Vesardum. Hat sie alle beschwatzt und bestochen, um ein Bauwerk zu errichten, wie es noch keines gegeben hat. Merothum wird berühmt, hat er gesagt, alle werden kommen und staunen, und sie werden unser Glas wollen für ihre Häuser. Die Glasermeister haben zugehört, die Wirte, die Händler, sogar die kleinen Leute. Und das war die Geburt der Blüte.


    Nun, da drüben seht ihr sie. Vielleicht kommt nachher die Sonne raus, dann... ach, wißt Ihr was, ich führe Euch hin. Das müßt Ihr selbst sehen. Kann Euch auf dem Weg dahin noch ein bißchen was erzählen, wenn Ihr wollt.
    Sie wird Euch gefallen, Vescwes’ Blüte. Hat sich wohl hier und da etwas herausgepickt, in seinem Kopf neu zusammengesetzt. Und dann das Glas. Merothglas war früher schon bekannt für seine Leuchtkraft. Vescwes war fasziniert davon, vom Glanz und schimmernden Glasuren. Und wußte genau, wie er sie einsetzen wollte.
    Er hat das Licht hineingelassen, überall wo’s möglich war. In der Rotunde stellt man gern Räucherbecken auf, und der duftende Rauch kringelt sich nach oben, um die Lichtfinger rum, die durch die Fenster brechen.
    Man erzählt sich heute noch, wie Vescwes mit den Baumeistern stritt, die er als Helfer haben wollte. Verrückt haben sie ihn genannt, aber viele sind doch geblieben. Auch Arbeiter hat er zu Hunderten angeheuert. Es hatte drei Mißernten nacheinander gegeben, wißt Ihr. Brot war teuer, und Vesques zahlte gut. Da war es egal, ob der Arbeitgeber ein Scherbenhirn war. Mein Vater war ein Vorarbeiter, und blieb die ganzen neunzehn Jahre Bauzeit mit dabei. Mich nahm er zum ersten Mal mit, als ich fünf war, und ab meinem achten Jahr habe ich täglich mitgeholfen.


    Da sind wir nun, an der Westseite. Dies ist die äußerste Schicht der Blüte, wenn Ihr von dem Grünzeuggürtel absehen wollt, durch den wir gerade spaziert sind.
    Legt einmal den Kopf in den Nacken. Seht Ihr die Spiegelzinnen und glasierten Ziegel? Seht Ihr, wie die Wand verläuft? Fünfmal mannshoch an den höchsten Stellen und leicht nach innen gewölbt verjüngt sie sich nach beiden Seiten, fällt ab, bis ihre Ränder im Boden versinken. Als hätte man eine flache Schüssel in die Erde gesteckt. Dort wo die eine Wand nach unten abfällt, beginnt leicht nach innen oder außen versetzt die nächste Wand. So bilden sie überlappend einen geschlossenen Außenkreis, und wir müssen durch den Haupteingang, um in die Blüte hineinzukommen. Dort vorn ist er.
    Ja, Ihr habt recht. Allein das Eingangstor ist prachtvoll. Dicke Flachglas- und Butzenscheiben, wie faustgroße Edelsteine. Das ist Merothglas. Ein kleiner Vorgeschmack von dem, was ihr drinnen sehen werdet.
    Wie? Ja, man wird uns hineinlassen, wenn nicht grade hoher Besuch angesagt ist. Ihr wißt schon, die Sorte, die teure Vescwesfenster für ihre Tempel und Paläste bestellt. Aber das ist unwarscheinlich um diese Tageszeit.
    Hm? Ach, ich war einer der Hausmeister, sozusagen. War ja beim Bau dabei, wer könnte sie besser kennen? Bin jahrzehntelang in allen Winkeln der Blüte umhergekrabbelt. Mein Jüngster hat mich vor zwei Jahren abgelöst, ich besuche ihn oft. Wenn ich dann und wann einen Besucher mitbringe, drücken die Torwachen ein Auge zu. Gut, daß Ihr mich getroffen habt, eh? Ihr müßt wissen, daß wir nun gleich in ein Reich von Farben und Licht eintreten, Vescwes war ein wahrer Magier des Lichteinfalls, obwohl er natürlich magisch nicht begabt war.


    Macht Euch bewußt, daß dem ganzen Gebäude eine logische Geometrie zugrunde liegt, wenn es auch durch die zahlreichen geschwungenen und halbrunden Wände nicht so scheinen mag.
    Na los, Ihr zuerst, ich will Euch nicht die Sicht versperren. Hört Ihr das leise Plätschern? Die Wasserrinnen dort am Boden leiten das Wasser zum Herz der Anlage, in das Becken der Rotunde. Es hat den ersten Springbrunnen, den Merothum je gesehen hat. Und der Boden dort drinnen? Der wird mit Dampf beheizt, und das Becken erwärmt. Die Gäste fühlen sich dann entspannt wie im Badehaus, sogar Kriegsherr Jhaccht kommt gern her. Kein Wunder daß sie normale Bürger hier nicht reinlassen.
    Hebt Euren Blick einmal nach oben. Ist es nicht wunderbar? Diese filigranen Streben, die so zart erscheinen, und doch ihren Teil zur Stütze des Ganzen beitragen. Schicht um Schicht stützt sich die Blüte selber ab, wie eine Knospe die sich niemals öffnen darf. Vescwes verstand sein Handwerk, seid unbesorgt. Es gibt auch große Pfeiler, seht Ihr, dort ist einer.
    Jetzt kommt der Saal der Spiegelfliesen, es gibt natürlich noch drei Gegenstücke, der Symmetrie halber. Achtet darauf, wie sie das Licht von oben verteilen, diese Butzenfenster hat er mit Absicht farblos gelassen, dafür sind die Wände bemalt.
    Alles taghell hier drinnen.


    Allerdings müssen wir die Glasdächer im Winter mit Schilfmatten abdecken, und den Schnee herunterschaufeln. Und das Putzen? Eine Schufterei, ich sag’s Euch.
    Ach ja, der Innenhof mit den szúrischen Statuen. Ich erinnere mich noch wie wir ihn gemauert haben. Hier habe ich Vescwes zum ersten Mal gesehen, graubärtig, auf seinen Stock gestützt, ein Bündel Pläne unterm Arm, mit schmalen Lippen wie ein Pinselstrich und flackernden Augen. Hab’ vor Schreck nen Ziegelstein zerbrochen und bin hinter nen Bottich Mörtel in Deckung geflitzt, wißt Ihr, der alte Kauz stand in dem Ruf, seinen Stock auch zu gebrauchen. Die Therwi waren schon immer herrisch, sagen sie.
    Na, sie können sagen was sie wollen, Vescwes hat sein Ziel erreicht, und etwas Einzigartiges geschaffen. Es hat Merothum gut getan. Das Geschäft mit Vescwesfenstern blüht, wenn Ihr mir das Wortspiel verzeihen wollt. Vielleicht ganz gut, daß der alte Therwi gestorben ist bevor es soweit war, er war schon eingebildet genug.
    Oh, wie schade. Abgesperrt. Ich hätte euch gern die Rotunde gezeigt. Warscheinlich tauscht man wieder einmal Dachglas aus. Habe ich früher auch oft gemacht, aber wehe man steht unten wenn einem oben etwas aus der Hand rutscht! Ihr wollt ja sicher Vescwes Schicksal nicht teilen, eh?


    Doch, das ist ihm passiert, vierzehn war ich, ganz gewiß. Und seither sperren sie alles ab, nur um sicher zu gehen.
    Tragische Sache sein Tod, drei Wochen vor der großen Einsegnungsfeier. Sie haben seine Asche drüben im Hof der Blumen vergraben, der Lurpriester hat’s erlaubt. Hatte ja niemanden außer seinem Lebenswerk, der alte Griesgram. Seither gehört dies alles der Stadt.


    Nun schaut nicht so enttäuscht drein. Ihr habt bereits mehr gesehen als viele andere - die Blüte von innen! Ich führe euch noch durch die Kristallhalle, mit ihren Prismaeffekten. Vescwes hat sogar eine Lizenz für ein kleines Leuchtsteinnetz erworben, abends sieht das prächtig aus. Und dann gehen wir wieder nach draußen, wißt Ihr, es ist Mittag, mein Magen knurrt schon.
    Was höre ich da? Einen Krug Bier wollt Ihr mir spendieren? Und mich auf eine Mahlzeit einladen? Nun, das hört man gern! Ich kenne da ein wunderhübsches kleines Plätzchen mit hervorragender Küche, mein Großneffe leitet es. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt...