QuoteOriginal von Shay
Quecksilber ist bei Raumtemperatur noch flüssig, verdunstet also nicht.
Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Um zu bestimmen, ob eine Substanz verdampft, haben Physiker den Dampfdruck, der beispielsweise fuer Diethylether bei 58 kPa liegt, fuer Aceton bei 24 kPa, fuer Wasser bei 2.34 kPa und fuer Quecksilber bei 1,63 Pa (Einheit beachten). Ausgehend davon kann man eine Saettigungsmenge bestimmen, die in einem Kubikmeter enthalten ist, der Wert ist allerdings temperaturabhaengig. Ueberschlagsweise erhalte ich fuer Quecksilber bei 20 Grad minimal 20 mg je Kubikmeter (ich konnte es nicht exakt berechnen, vermutlich sind es sogar eher doppelt so viel). In Quecksilberdampf-gesaettigter Luft (was zumindest in direkter Naehe der Quelle bei Windstille der Fall sein duerfte) ist also die Konzentration, bei der organische Reaktionen (laut dem von Dorte angegebenen Text) eintreten, mindestens um das 20-fache ueberschritten.
Das macht in meinen Augen die Idee, man koennte sich in ein "Quecksilberbad" legen, nicht sonderlich wahrscheinlich: Ueber einer leicht bewegten Oberflaeche eines "Bades", das noch dazu durch die Koerperwaerme zusaetzlich aufgeheizt wird und ueber dem die Luft nicht staendig rasch ausgetauscht wird (und das Becken wird nicht im Freien gewesen sein?), duerfte die Konzentration in kuerzester Zeit recht schnell zu Hustenanfaellen gefuehrt haben. (Der Wikipedia-Text spricht von Becken, an denen mit Licht gespielt wurde - das halte ich fuer eher vorstellbar, weil man dazu ja auf hoeherer Distanz bleiben konnte.)
Noch ein paar Quellen:
Hier ein englischsprachiger Bericht ueber eine Forscherin, die an (so heisst es im Text im zweiten Satz) an wenigen Tropfen (!) Dimethylquecksilber auf einem Latexhandschuh (!!) gestorben ist. Halt also bloss Methylgruppen von Deinen armen Leuten da fern... und das ist nicht trivial, da beispielsweise Bakterien und, wie hier und hier dargestellt, sogar der Mensch selbst die Umwandlung vornehmen .
Infoseite zu einem der beiden im von Dorte angegebenen Text erwaehnten Quecksilber-Ungluecke.
Dauerhafter Aufenthalt zu nah an einem Quecksilberbecken ist also nicht empfehlenswert: Fuer durchschnittliche Erwachsene nimmt man ein Atemminutenvolumen von 10 l/min an; um einen Kubikmeter Luft (1000 l) einem "durchzuatmen", braucht er also 100 Minuten oder, anders ausgedrueckt, nicht mal 2 Stunden.
Nehmen wir an (ich kann da nur raten), dass vielleicht nur 1 % des in der Luft enthaltenen Quecksilbers in der Lunge aufgenommen wird, hat man in Luft mit 1 mg pro Kubikmeter (d.h. 1/20 der Saettigung; zum Vergleich: Luft mit weniger als 1/3 der Saettigung gilt als "trocken"...) nach zwei Stunden immerhin 10 Mikrogramm Quecksilber aufgenommen; an einem Tag bekommt man also 120 Mikrogramm Quecksilber ab. Verteilen sich diese im Blut, komme ich bei geschaetzen 6 l Blut auf satte 20 Mikrogramm je Liter - ausgehend davon, dass im Blut vorher kein Quecksilber nachweisbar war. Wenn das Quecksilber nicht gut ausgeschieden wird, reichert es sich dann also munter an, und nach spaetestens 6 Jahren hat man rein durch Einatmen die hoechst kritische Dosis von 4 Gramm aufgenommen... Alt werden die Leute da wirklich nicht, und die ganze Zeit mit der Quecksilbersymptomatik...
Besser waere es, wenn die Gegend ziemlich windig waere, nur ist dann die Frage, wo der Nachschub an Quecksilber herkommt: Immerhin verschwindet das Quecksilber ja in dem Tempo, mit dem es verdunstet.... Sogar kleine Seen verdunsten bekanntlich komplett, wenn im Sommer kein Nachschub an Wasser kommt. Ein Quecksilbersee vergleichbarer Groesse braeuchte, ueber den Daumen gepeilt, zwar 1500mal so lange - aber er wird eben von Jahr zu Jahr kleiner, und je mehr Wind darueber geht, desto schneller. Das verdunstende Quecksilber findet sich dafuer in der Umgebung: In Tieren, Pflanzen, im Erdboden, im Staub, auf dem Geschirr, ueberall.
Zur direkten Aufnahme: Metallisches Quecksilber hat eine Dichte von 13 mg/ml. Ein Wassertropfen, wie er sich an einem Wasserhahn bildet, kann ein Volumen von einem viertel bis halben Milliliter Wasser haben - im Fall von Wasser waere das also 0,5 Gramm, im Fall von Quecksilber schon 7,5 mg. Allerdings kann Quecksilber deutlich kleinere Tropfen bilden; man kann eventuell bis auf 10 Mikroliter herunterkommen - der Tropfen ist dann allerdings schon nicht mehr so "offen-sichtlich". Ausserdem wird metalisches Quecksilber angeblich kaum vom Verdauungstrakt resorbiert (Quelle). Hin und wieder eine kleine Portion davon zufzunehmen, ist also je ungefaehrlicher, je freier die Quelle und alle Geraete, die zur "Isolierung" und Aufbewahrung des Troepfchens verwendet werden, von Bakterien sind.
Immunitaet ist mE nicht moeglich, weil das Quecksilber "multifaktoriell" wirkt. Sogar wenn also jemand so gluecklich waere, eine spezifische Immunitaet der Nieren, der Lungen oder des ZNS zu haben - er wuerde immer noch an den Schaeden an (unter anderm) den beiden anderen Organen sterben.
Tips zum laengeren Ueberleben Deiner armen Ordensleute waeren also:
- Das Reservoir oder die Quelle sollte windgeschuetzt liegen. Wahlweise im Inneren eines Gebaeudes oder - noch besser - in einer mehr oder weniger geschlossenen Hoehle. Wenn die noch dazu in den Waenden Schwefel enthaelt, will da zwar keiner wohnen, aber ein Teil des verdampfenden Quecksilbers wird dann unloeslich komplexiert.
- Ausserdem kann man eine Hoehle eventuell mit einer "natuerlichen Kaeltepumpe" ausstatten, die die Temperatur senkt, gerade dem einzigen Faktor, der in die Dampfsaettigung mit einfliesst: Je kaelter, desto weniger Quecksilber verdampft.
- Draussen sollte es dafuer immer windig sein, um die Quecksilberbelastung der Umgebung zu reduzieren.
- Bevor jemand den Quecksilber-Raum betritt, gut lueften. Am besten "automatisch", indem das Oeffnen des Zugangs einen Windkanal oeffnet, durch den der Wind aus dem Ruecken der Hereinkommenden durch die Hoehle blaest.
- Geradezu absurd anmutende Sauberkeitsbestimmungen. Bakterien leben ueberall, Bakterien machen aber eben auch aus Quecksilber Dimethylquecksilber (und das fiese ist, sie sterben nicht gleich daran). Insofern sollte der Orden sich um die Keimarmut eines besseren Krankenhauses bemuehen: Staendig schruppen - und nichts in den Mund stecken, was dort nicht unbedingt hineingehoert. Auch Finger ablecken (z.B. beim Lesen, zum besseren Umblaettern) ist tabu! Kleidung und Bettzeug regelmaessig waschen!
- Ach ja, das Wasser sollte von weiter weg herangeholt werden, u.U. durch ein Aquaedukt, bevorzug aus der Richtung, aus der der Wind weht.
- Das Essen sollte aus derselben Richtung, aber von noch weiter weg herangeschafft werden.
- Zu jedem Essen etwas Holzasche reichen.
- Wenn Du nicht sonderlich an real existierende Organismen gebunden bist, koennte Dein Orden Dir dankbar sein, wenn Du in der Umgebung Einzeller oder einfache Mehrzeller ansiedelst, die - warum auch immer sie das tun sollten - Dimercaprol-Penicillamin bilden. Der Orden koennte die entsprechenden Wesen kultivieren - so wie andere Leute eben Bier brauen.
- Eventuell sollte man zumindest den dort lebenden Frauen ein striktes Zoelibat empfehlen. Den Kindern zuliebe...
Das wird dann ein in jeder Hinsicht ziemlich verrueckt anmutender Haufen - aber versuchen kann man's ja mal .