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    Sämtliche Namen, Orte und Handlungen sind frei erfunden.


    Kuku Ruz – Vom Ende einer Legende


    Nach einer wahren Begebenheit…


    Kuku warf die Tasche in eine Ecke. „Der Einsatz war nicht die Dringlichkeitsstufe Eins wert“, meinte sie. „Das war nichts! Die Kuh ist entlaufen, nicht entführt worden!“ Thyéd gesellte sich zu ihr. „Der Bauer war aber sehr verzweifelt. Was würdest du bei einem Bestand von 30 Kühen machen, wenn dir eine wegläuft, obwohl jede einzelne lebenswichtig für dich ist?“ Er hob die Tasche auf und durchsuchte sie. „Ich hätte es zumindest nicht nötig, von paranormalen Ereignissen auszugehen! Brauchst du was bestimmtes?“


    „Nein, ich wollte nur nachschaun, ob wir etwas davon zurück ins Lager bringen müssen.“ „Das ist nicht notwendig, ich hab die Tasche im Wagen schon überprüft. Soll ich dir ein Erdapfelbrot mitbringen?“ „Nein, ich esse dann zuhause. Meine Frau kocht wieder!“ Das sagte alles. Kuku verabschiedete sich von Thyéd und ging auf dem Weg nach Hause am Imbissstand vorbei. Vor ihrer Wohnungstür blieb sie eine Weile stehen. Da war sie wieder, in der leeren, dunklen Wohnung, einsam und alleine … warum musste sie nur von zuhause ausziehen? Ach ja, Exor. Vielleicht kam er heute noch vorbei? Sie schaute auf die Uhr. Vielleicht auch nicht. Langsam zog sie ihren Schlüssel aus der Tasche und sperrte die Tür auf.


    ***


    Die Wohnung war so dunkel wie sie verlassen wurde. Nur ein Lichtschein trat unter der Küchentür hervor. War jemand da? Ihre Eltern vielleicht? Ased? Teo? Valjana? Nein, die hätten sich angekündigt. Ana vielleicht? Die war ja bekannt für ihre Überraschungsbesuche. Andererseits hatte sie keinen Schlüssel. Da konnte es doch nur-“ Die Tür ging auf. Kuku versteckte sich hinter einem Bücherregal. Eine bekannte Stimme ertönte. „Doch nicht? Ich dachte, ich hätte sie kommen gehört.“ Kuku flog ein Lächeln ins Gesicht. Es war Exor. Und er wusste nicht, dass sie hier war. Noch nicht. Sie hatte eine Idee.


    Die Küchentür flog auf, als Exor ein Buch aus dem Regal fallen hörte. Der Schein aus der Küche erhellte das halbe Wohnzimmer. „Hallo? Ist da wer?“ Exor suchte den Raum ab. Hinter ihm fiel eine Trophäe vom Sockel, und er drehte sich rasch um. „Irgendwer hat sich her reingeschlichen“, sagte er zu sich selbst. Als er weitersuchte, ging das Licht in der Küche aus. Kurz darauf raschelte es an mehreren Stellen. Geschickt sprang Exor durch die Dunkelheit, auf der Suche nach der Quelle der Geräusche.


    Plötzlich packte er Kuku von hinten und landete mit ihr auf dem Boden. „Hab ich dich!“ „Exor! Lass mich los!“, rief Kuku, doch durch ihr Lachen klang es nicht überzeugend. „Ich wusste doch, dass du es bist!“ „Ach, wirklich?“ „Du bist nicht die einzige, die das Unerklärliche erklären kann!“ Er ließ sie los und half ihr beim Aufstehen. „Ich hab dich hier nicht erwartet“, sagte Kuku nach mehrmaligem Durchatmen. „Ich hab dich erst später erwartet“, erwiderte Exor. Kuku lächelte ihn an, während sie sich langsam rückwärts der Küchentür näherte. Als Exor merkte, was sie vorhatte, und versuchte, sie zurückzuhalten, lief sie los. Kurz vor der Tür holte er sie erst ein. „Nein“, rief er, als er sie festhielt. „Das ist eine Überraschung! Warte hier draußen, bis ich fertig bin!“


    „Glaubst du wirklich, du könntest mich noch überraschen? Hast du vergessen, mit was ich jeden Tag zu tun habe?“ „Jeden Tag? Sonst beschwerst du dich immer darüber, dass du nichts zu tun hast!“ „Ja, jeden Tag. Darum ist dein Geheimnis auch kein Geheimnis mehr, seit ich das Haus betreten habe!“ „Das werden wir sehen“, meinte Exor und verschwand geschwind hinter der Küchentüre.


    Als er wieder hinaus kam, trug er einen großen Kuchen. „Alles Gute zum Geburtstag, Kuku“, sagte er, als er ihn vor ihr abstellte. „Oh, ja, es ist ja mein Geburtstag!“ „Jetzt tu nicht so, als ob du ihn vergessen hättest!“ „Weißt du, ich habe es mir abgewöhnt, meine Geburtstage zur Kenntnis zu nehmen. In meinem Beruf gibt es keine besonderen Tage. Keine Geburtstage, keine Feiertage, nicht einmal mein 10-Jahres-Jubiläum werde ich feiern.“ „Das hält uns doch nicht davon ab, es trotzdem zu tun! Deine Eltern und Freunde haben dir Briefe geschickt.“ Er reichte ihr einen Bund an Kuverts. Kuku schaute sie nachdenklich an, nahm sie jedoch nicht. „Naja, vergessen kann ich sie nicht, diese Tage. Ich werde nunmal älter. Das Geheimnis der ewigen Jugend hat meine Abteilung noch nicht enthüllt.“ „Was meinst du damit?“ „Exor, wir müssen es ihnen sagen. Meinen Eltern. Wir können es nicht länger aufschieben.“


    „Bist du sicher? Du weißt doch, wie sie reagieren werden!“ „An ihrer Reaktion wird sich nichts ändern, ob wir es heute sagen oder in zehn Jahren. Wenn wir warten, kann es nur schlimmer werden. Ich werde nicht jünger, du auch nicht. Ich werde auch nicht mehr lange arbeiten, das weißt du. Ich werde Zeit für eine Familie haben.“ Jetzt ahnte Exor, worauf sie hinauswollte. War er schon bereit dazu? Sie kannten sich schon seit zehn Jahren, es gab also keinen Grund, es nicht durchzuziehen. Er schaute ihr in die Augen. „Bist du dir sicher?“ Sie nickte. „Ja. Sobald ich mich zur Ruhe setze, bin ich bereit.“ „Dann sagen wir es ihnen.“


    ***


    Kuku stand vor dem Haus ihrer Eltern. Exor wollte doch nicht mitkommen, die Angst vor ihrem Vater war zu groß. Die ganze letzte Woche hatte sie überlegt, wie sie es ihren Eltern sagen sollte. Sie atmete noch einmal tief durch, dann betrat sie das Haus. Ihre Eltern begrüßten sie freundlich. „Hast du die Briefe erhalten?“, fragte ihr Vater. „Und die Kekse?“, wollte die Mutter wissen. „Ja, ich hab sie bekommen. Die Kekse waren gut. Aber … ich will etwas mit euch besprechen, und ich hab nicht so viel Zeit.“ „Ist etwas Schlimmes passiert?“, fragte ihre Mutter. „Nein, das nicht, aber ich bin im Dienst. Wir müssen gleich zur Zentrale zurückfahren. Wir waren nur grad in der Nähe. Wir kommen gerade von einem Einsatz mit einem Huhn, das grüne Eier legt. Ich kann euch am Monatsende vielleicht mehr darüber erzählen. Aber jetzt … naja, wie sag ich das jetzt am besten…“


    ***


    Erleichtert verließ sie das Haus. Dass es so einfach sein würde, hätte sie nicht erwartet. Ihr Vater hatte zwar Bedenken geäußert, weil es Exor war, aber da sie alle der Meinung waren, dass Kuku nicht ewig Zeit jung blieb, stimmte er schließlich zu. So ging Kuku nun leichten Herzens zum Wagen zurück. Als sie einstieg, reichte sie Thyéd eine Box. „Die sind für dich. Danke nochmal, dass du den Umweg für mich gefahren bist!“ „Kein Problem. Ich hatte sowieso eine Pause nötig.“ Sie fuhren den schnellsten Weg zur Zentrale zurück, doch hofften sie, keine Aufträge mehr zu bekommen.


    Im Aufenthaltsraum angekommen, wurden sie von Rif begrüßt. „Da seid ihr ja wieder! War das Huhn auch grün?“ Kuku setzte sich erschöpft auf die Bank. „Nein, nur die Eier. Genaugenommen die Schale. Thyéd reicht den Bericht und die Proben ein, dann sollten wir mehr erfahren.“ „Ihr habt aber lange zurückgebraucht!“ „Ich bin noch bei meinen Eltern gewesen.“ „Ist etwas bei ihnen passiert?“ „Nein, ich hab ihnen nur gesagt-“ Rif wusste es noch nicht. Konnte sie es ihr jetzt schon sagen? „Behälst du es für dich?“ „Alles“, antwortete die Kollegin, dann lächelte sie. „Auch wenn ich nicht glaube, dass ein Geheimnis hier lange geheim bleibt.“


    ***


    Der Tag dauerte nicht mehr lange, und Kuku konnte auf Bereitschaft nach Hause gehen. Exor erwartete sie schon ungeduldig. „Was hat er gesagt?“ Kuku setzte sich grinsend und begann, ein Erdapfelbrot zu essen. „Komm schon, sag es mir!“ „Na gut, weil du es bist. Sie sind einverstanden. Beide. Du kannst dich ihrem Haus jetzt nähern, ohne deinen Kopf zu verlieren!“ Exor schaute sie entsetzt an. „Ich hätte nicht wirklich meinen Kopf verloren, oder? Deinem Vater hätte ich es zugetraut!“ Kuku lachte. „Nein, er hätte dich nicht getötet. Gefoltert vielleicht, aber nicht getötet!“ Jetzt wusste Exor nicht, wie er reagieren sollte. Doch Kuku beruhigte ihn. „Das war nur ein Scherz! Mein Vater ist friedlich. Nur wenn du mich verletzt hättest, bräuchtest du Angst um dein Leben haben.“ Die letzten Worte sprach sie so ernsthaft aus, dass Exor wieder nervös wurde.


    Nach dem Abendessen saßen sie noch ein bisschen beisammen. „Bist du jetzt wieder länger hier?“ „Ja, das Gebiet ist gesichert. Meine Kollegen erledigen den Rest. Die Zeit, tagelang weg zu sein, ist vorbei!“ „Gut“, sagte Kuku leise. „Ich habe mir immer Sorgen gemacht, als du weg warst.“ „Du hast dir Sorgen gemacht? Das kann ich mir nicht vorstellen! Du hast doch einen gefährlicheren Job als ich!“ „Nach all den Jahren glaubst du mir nicht? Ich habe eine viel bessere Ausbildung als du. Du kommst mit den Gefahren viel näher in Kontakt als ich. Ist es so unglaubwürdig, dass ich mich um dich sorge?“ „Das wollte ich nicht damit sagen. Ich wusste nur einfach nicht-“ Er wurde still, als er merkte, dass Kuku eingeschlafen war. Sie hatte anscheinend einen langen Tag gehabt. Dass die Alchemisten ie grüne Eierschale nicht erklären konnten, hatte sie auch fertig gemacht. Vielleicht brauchte sie einfach nur Ruhe. Exor wollte selbst auch schlafen gehen, doch er wagte es nicht, sich zu rühren, weil er Kuku nicht aufwecken wollte.


    ***


    Als Kuku aufwachte, merkte sie, wie unbequem sie lag. Dann merkte sie, dass sie immer noch im Wohnzimmer war. Mit Exor. Waren sie nicht schlafen gegangen? Sie weckte ihn auf. „Wie spät ist es?“, fragte er verschlafen. Kuku schaute auf die Uhr, und sprang erschrocken auf. „Zu spät“, rief sie und lief in ihr Zimmer, um ihre Sachen zusammenzupacken. Als sie fertig war, rannte sie durch die Tür hinaus. „Wir sprechen am Abend weiter!“ Danach war sie weg. Exor stand auf, schloss die Türe und überlegte sich, was er zum Frühstück essen sollte. Er musste erst zu Mittag in der Dienststelle sein, da die Besprechung zu den Geschehnissen im Kornfeld anstanden. Da hatte er noch einige Stunden Zeit. Gemütlich machte er sich ein Müsli, setzte sich zurück ins Wohnzimmer und holte ein Kuvert aus seinem Versteck hervor. Er zog ein paar Bilder und einen Brief heraus und lächelte. Bald war es soweit. Er konnte es kaum erwarten, dort einzuziehen. Nur Kuku durfte es nicht wissen. Es würde ihm die beste Überraschung verderben, würde sie zu früh von dem Anwesen erfahren.


    ***


    Als Kuku eintraf, wurde sie schon erwartet. Thyéd, Rif und Tomas saßen im Aufenthaltsraum. „Du kommst spät“, sagte Tomas, stand auf und verließ den Raum. „Nimm ihn nicht so ernst“, meinte Rif und folgte ihrem Partner nach draußen. „Ich kann mit ihm auch nicht mehr arbeiten. Hoffentlich werden wir wieder zugeteilt!“ „Wenn wir wieder zu dritt unterwegs sind vielleicht!“ „Und, was hab ich verpasst“, fragte sie Thyéd, der als einziger geblieben war. „Nur die Vorbesprechung. Und die Nachbesprechung von gestern, was wir noch nicht beredet haben.“ „Etwas wichtiges für mich?“ „Nein, da du doch die wichtigste Person hier bist. Die anderen haben sich nur aufgeregt, dass du nicht anwesend warst.“ „Ja, ich hab verschlafen. Können wir vor Dienstbeginn noch etwas zu essen holen?“ „Natürlich.“ Eine ausführliche Speis ging sich natürlich nicht mehr aus, aber Energie würde sie sicher über den Tag brauchen. Sobald sie zurück waren, setzte sich Kuku zum Essen hin. Doch nicht wenige Minuten später ging die Alarmglocke los. Eine allerorts hörbare Stimme erhallte: „Ruz-Herand, in den Treides. Dringlichkeitsstufe Drei. Rauchsäulen wurden über der Stadt gesichtet.“ Bitte nicht. Nicht jetzt!


    ***


    So dringend kann es doch nicht sein, dass sie nicht einmal ihre Morgenspeis beenden konnte. Dringlichkeitsstufe Drei. So wichtig war doch nichts in Kukus Verantwortungsbereich! Und ausgerechnet in den Treides wurde sie gerufen! Als sie nun durch die Ebene fuhr, dachte sie nach. Zehn Dienstjahre hatte sie schon bald. Jung hatte sie begonnen, niemand hatte an sie geglaubt. Sie sei zu unerfahren, hieß es hier. Sie könne die Verantwortung nicht tragen, sagte man dort. Und was hatte sie in den vergangenen zehn Jahren gemacht? Ihren Job, vorschriftsmäßig und ohne Zwischenfälle. Bisher hatte es aber auch kaum ein Vorfall Dringlichkeitsstufe Eins überschritten.


    Als der Wagen sich zur Auffahrt neigte, wusste Kuku, dass sie sich dem Treides näherten. Warum nur hier? Sie hatte doch noch kaum einen Monat! „Thyéd, in welchen Sektor fahren wir?“, fragte sie ihren Fahrer. „Sektor G.“ Der G-Treides. Nicht die beste Gegend, aber es ging schlimmer. Zu den Orten des G-Treides war auch nicht viel zu sagen: Einkommensgrenze maximal 100 Ryé pro Kopf, Kriminalitätsrate bei 40%, keine Aus- oder Zuwanderung. Das Organisierte Verbrechen hatte sich aus dem Sektor rausgehalten. Wenige Minuten waren sie in Sektor G angekommen. Rauchsäulen traten aus jedem dritten Haus hervor. Ob das inzwischen zu ihrem Heizsystem gehörte? Bald musste Kuku aber feststellen, dass die Rauchsäulen nicht im Alltag der Bewohner inbegriffen waren. Viele Anrainer standen auf der Straße, beobachteten den Wagen, wie er an ihnen vorbeifuhr, als ob er aus einer anderen Welt käme. Nun, auf eine gewisse Weise stimmte das auch. Der Treides unterschied sich von den anderen Provinzen wie Ziegen und Erdapfelmus.


    Sie waren am Haus des Bürgervorstands angekommen. Kuku nickte Thyéd zu, stieg dann aus dem Wagen und holte ihre Utensilien aus dem Kofferraum. Der Vorstand kam eilend auf sie zu. „Niemand hat etwas dagegen getan!“, schrie er ihr erzürnt entgegen. „Sie sind einfach gekommen, über uns hergefallen, haben unsere Schätze genommen!“ Kuku blieb ruhig vor ihm stehen. „Könnten Sie zum Beginn erst sagen, wer hier was getan hat?“ „Sie! Sie sind gekommen! Sie haben … sie genommen …“ Sein Blick spiegelte nun immer mehr seine Verzweiflung. Kuku musste sich ebenfalls zusammenreißen, um bei der Sache zu bleiben.


    „Wissen Sie, wo es begonnen hat?“ „Ja, hinten bei den Kuhställen.“ „Danke. Wenn wir noch etwas brauchen, melden wir uns.“ Danach ging sie mit Thyéd zu den Ställen. Während der Fahrer den Wellenmesser kallibrierte, packte Kuku die Runenstäbe aus. Sie ging, die Stäbe weit von sich gestreckt, durch den Stall. Bei einer Kuh, die den Namen Betsy trug, blieb sie stehen und bewegte die Stäbe zusammen, bis diese auf den Kopf der Kuh zeigten. Betsys Augen schimmerten leicht grünlich. „Na was haben wir denn da?“ Thyéd kam mit dem Wellenmesser auf sie zu. „Pass doch auf“, rief Kuku, als er fast mit ihr zusammenstieß. „Oder willst du mich damit erstechen?“ Thyéd entschuldigte sich kurz und richtete den Messer auf die Kuh aus. „300 mMW. Es muss vor kurzem geschehen sein.“ „Ja, wenn die Kuh unbeteiligt ist…“ Kuku holte einen Gegenstand aus ihrer Jackentasche hervor. Sie hielt das Gerät vor Betsys Nase und drückte ab.


    ***


    „Jetzt fang sie schon ein!“, rief Kuku ihrem Kollegen nach. „Woher sollte ich denn wissen, dass sie das Gatter durchbricht?“ Mit schmerzverzehrtem Gesicht eilte sie zu ihrem Rucksack zurück und packte ein Elixier aus, das sie vorsichtig über ihr rechtes Handgelenk tropfte. Die blöde Kuh musste ja über ihren guten Arm laufen! Dummerweise, dachte sie jetzt, hatten die Veteranen damals wahrscheinlich recht gehabt. Vielleicht war sie zu unerfahren. Vielleicht war es zu viel Verantwortung. Vielleicht hätte sie aber auch mehr erleben müssen, bevor sie zum heutigen Tag kam! Dringlichkeitsstufe Drei! Der Einsatz lag mindestens bei Sieben, aber wer hört schon auf den Treides? Als sie die Stalltür hinter sich hörte, drehte war der Arm fast wie neu. „Hast du sie erwischt?“, fragte sie. Doch als sie sich umdrehte, war es nicht Thyéd, den sie sah.


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    Kuku Ruz war verschwand an jenem Tag aus unerklärlichen Gründen.


    Es wurden mehrere Suchtrupps entsand, doch keiner kehrte erfolgreich zurück.


    Als nach drei Monaten noch kein Lebenszeichen seitens pnI Ruz die zivilisierte Welt traf, wurde unter den Novizen ein Nachfolger gewählt.


    Die Suche wurde ein Jahr nach Kukus Verschwinden trotz Proteste seitens ihrer Familie eingestellt.


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    Kuku Ruz – Tochter, Freundin, Loyalistin


    „Kuru war immer freundlich zu allen gewesen. Wann immer jemand Hilfe brauchte, war sie da.“ (Ana Gem, Schulkollegen)


    „Sie war die beste. Überall vorn dabei, Bestleistungen, wo man nur hinschaut. Immer war sie beschäftigt, aber ihr Bereich war immer ordentlich.“ (Exor, WG-Mitbewohner)


    „Sie war zuverlässig. Hat immer ihre Arbeiten erledigt, bevor man es sie ihr auftrug. Von den Vetaranen hat natürlich niemand an sie geglaubt. Sie dachten, sie wäre noch nicht bereit, sie sei zu unerfahren, könne die Verantwortung nicht tragen. Eins weiß ich sicher: Wenn die Alten an sie geglaubt hätten, wäre Kuru häute noch unter uns!“ (Rif, Kollegin)


    Am 400. Tag wurde der repräsentative Leichnam zu Grabe getragen. Die Prozession wurde von Kukus Familie angeführt, gefolgt von Mitbewohnern, Kollegen und Freunden. Im Anschluss die Bewohner von Sektor G des Treides, die als die letzten galten, die Kuku lebend gesehen hatten.


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    Fortsetzung folgt...

  • Das Erwachen


    Kuku riss die Augen auf. Es war dunkel. Und kalt. Als sie versuchte, sich zu wenden, schürfte sie ihr Gesicht am rauen Steinboden auf. Ihre Wange brannte, doch der Schmerz war überdeckt von Angst und Verzweiflung. Wo war sie? Was ging hier vor? Als sie es endlich schaffte, aufzustehen, drehte sich ihr Kopf und sie hatte das Gefühl, gleich wieder umzufallen. Doch sie blieb stark. Sie blieb stehen. Nun musste Kuku einen Ausweg finden. Kaum war sie drei Schritte gegangen, stieß sie gegen eine Wand. Sie spürte, wie eine Flüssigkeit aus ihrer Nase rann. Eine Wand. Das war schon mal ein Vorteil. Als nächstes überprüfte sie die rechte Seite. Fünf Schritte – ein dumpfer Schlag – und ihr tat die Stirn weh. Dann eben die andere Richtung.


    Zwölf Schritte später stieß sie sich das Knie an. „Natei!“ Vielleicht sollte sie doch zuerst die Fesseln loswerden. Es dauerte eine Weile und ihr verletztes Handgelenk riss auf, aber die Fesseln war sie los. Kuku tastete sich an der Wand entlang, erfolglos. Die Tür konnte doch nicht oben sein! Oder doch? Kuku sprang, so hoch sie konnte, doch griff sie nur in die Luft. Selbst als sie sich die Holzbank zu Hilfe nahm, an der sie sich das Knie angehaut hatte, erreichte sie nichts. Eine Zelle ohne Tür? War das möglich? Nun, Sie wurde von einem Mythos entführt, da konnte sie genausogut an fliegende Ratten glauben!


    Frustriert ging sie durch ihre Zelle. Doch obwohl sie nicht im Kreis ging, stieß sie nirgendwo an. Konnte es sein, dass sie den Ausgang der Zelle gefunden hatte? Sie ging weiter, und tastete weiterhin die Wand ab. Als sie schon glaubte, hier ebenfalls kein Ende zu finden, fand sie eines. Sie hörte Stimmen.


    ***


    „Ich weiß doch auch nicht, was wir mit ihr machen sollen! Da behalten und auf weitere Anweisungen achten, hieß es. Und das machen wir auch!“ „Wir warten schon Tage. Bist du sicher, dass sie zurückkommen?“, fragte eine zweite Stimme. „Betimmt“, antwortete der Erste. „Sie sind bisher jedes Mal zurückgekommen. Außerdem hätten sie sie wieder mitgenommen! Warum glaubst du, hätten sie sie hier gelassen?“ „Vielleicht haben sie sie vergessen?“, erwiderte der Zweite. „Das kommt doch auch vor.“ „Nein“, meinte der Erste. „Sie vergessen nicht. Wisst ihr noch, was aus Jêtsin geworden ist? Den haben sie auch nicht vergessen. Und mit uns werden sie das gleiche machen, wenn wir nicht auf sie aufpassen.“


    „Könntet ihr aufhören, so über Jêtsin zu reden?“, fragte ein Dritter. Jêtsin war wohl der Vierte in der Runde gewesen. Der Dritte stand nun auf, ging durch den hell erleuchteten Raum, füllte einen Becher mit einer Flüssigkeit und trank diese. „Es reicht schon, dass er nicht mehr hier ist!“ Dann verstummte er. Eine Gestalt in schwarzem Umhang hatte den Raum still betreten. Sie sprach mit gehauchter Stimme, zu leise, als dass Kuku nur ein Wort verstehen konnte. Der Erste verneigte sich immer wieder vor der Gestalt und antwortete ihr. „Ja, das machen wir … ja, natürlich … sehr wohl … sofort. Wir werden uns umgehend darum kümmern!“ Danach verneigte er sich ein letztes Mal vor der Gestalt, die daraufhin den Raum verließ. Die drei Männer bewegten sich schnellen Schrittes zur Tür hin.


    ***


    Kuku versteckte sich in der Dunkelheit. Da, wo sie vermutete, nicht vom Schein des Lichts aus dem anderen Raum getroffen zu werden, aber auch nicht zu weit entfernt, um nicht fliehen zu können. Die Männer betraten den dunklen Gang, der Dritte trug eine Fackel, der Erste ein Seil. Sie gingen in die Richtung, aus der Kuku vorhin gekommen war. Als die drei außer Hörweite waren, schlich Kuku in den beleuchteten Raum, zog die Türe leise zu und verschloss sie.


    Von innen aus betrachtet war der Raum viel größer! An einem Ende war ein Kamin mit Kochecke, am anderen eine Nische mit mehreren Betten. In der Mitte standen einige Tische. So sehr sich Kuku auch hinsetzen und an das Licht gewöhnen wollte, konnte sie auch nicht riskieren, gleich nach ihrem Ausbruch von Ihnen entdeckt zu werden.


    Schnell durchsuchte sie den Raum nach Nahrung und nützlichen Utensilien, die sie später noch brauchen könnte. Eine Fackel, ein Seil, einige Messer – und ihr Rucksack! Dass sie den finden würde, hätte sie nie gedacht! Alle Dinge beisammen, öffnete sie vorsichtig die Tür und schaute in die endlose Leere. Nicht schon wieder!


    Kuku lauschte und lauschte. Nichts. Kein Geräusch. Doch das musste nichts heißen. Sie packte die Runenstäbe aus und richtete sie in die Dunkelheit. Da war etwas. Sie hatte es geahnt. Leise schlich sie durch die Dunkelheit, darauf achtend, die Präsenzen nicht zu wecken. Einmal nach links, dann nach rechts ausweichend, über etwas steigend, dann duckend, bis ans Ende. Da war schon die nächste Tür – doch diese war verschlossen. Sie saß in der Falle!


    Vom anderen Ende nahm sie Geräusche wahr. Die Männer schienen ihr Entkommen bemerkt zu haben. Und die Präsenzen schienen von den Geräuschen aufzuwachen. Eilig nahm Kuku den Schlüsselbund aus dem Rucksack, und probierte jeden Schlüssel aus, doch ohne Erfolg. Verzweifelt kam ihr nur noch eine Idee: Der Wellenmesser! Sie musste nur den Puls umkehren – nein! Er war nicht da! Thyéd musste ihn noch haben!


    Plötzlich rührte sich das Schloss und die Tür ging langsam auf. Kuku versteckte sich dahinter, in der Hoffnung, der Neuankömmling würde sie nicht sehen. Eine Gestalt in dunklem Umhang glitt in den Gang und schien dabei die letzten Reste des Lichts aufzusaugen. Sie weckte im Vorbeigehen die Präsenzen und gebot ihnen, ihr zu folgen. Kuku wartete einige Augenblicke, dann schlich sie sich durch die offene Tür hinaus – direkt ins grelle Tageslicht!


    ***


    Die Welt drehte sich nur um Kuku. Das war schon immer so gewesen. Als Einzelkind hatten sich ihre Eltern nur um sie gesorgt. In der Schule war sie immer die Beste. In der Arbeit war sie die Auserwählte. Und auch jetzt drehte sich die Welt um sie. Buchstäblich. Unten angekommen, stieß ihr Kopf gegen einen Stein. Und die Welt drehte sich weiter…


    ***


    Weiß. Weiß wie Schnee, wie die Wolken, wie der Nebel nördlich des Treides! Kuku wandelte auf einem Feld feinen Zuckers. Weich lag er unter ihren Füßen, Schicht für Schicht. Er knisterte leicht mit jedem Schritt, den sie machte. Es war lustig. Kuku war lange nicht mehr zehn gewesen. In ihrem weißen Sommerkleid sah sie aus wie früher. Früher, als die Welt noch gut war. Früher, bevor Sie kamen!


    Die Umgebung verdunkelte sich schlagartig, der Zucker verkohlte. Der warme Sommerwind wurde eisig und Kukus fröhliche Stimmung wich der grenzenlosen Verzweiflung. Schritte kamen auf sie zu. Füße, die im Gleichschritt marschierten, Hände, die Gewehre erhoben, Lärm, der die Luft erfüllte. Die Kugeln flogen rechts und links an Kuku vorbei, doch sie trafen ihre Ziele nicht.


    Hoch am Himmel flogen die Gleiter, doch lange hielten sie nicht. Sie stürzten ab, einer nach dem anderen. Riesige Maschinen fuhren an Kuku vorbei, es knallte, in der Ferne explodierte die Landschaft. Das Mädchen im geschwärzten Sommerkleid hielt sich die Ohren zu, doch der Lärm ließ sich nicht aufhalten.


    Dann stand eine Gestalt vor ihr. Sie schaute Kuku mit ihren großen, leeren Augen an. Der schwarze Rüssel bewegte sich leicht, als die Gestalt zu sprechen begann. Kuku wollte fliehen. Sie wollte hier nicht sein. Es war wie früher – es war früher! Sie hockte sich hin, in den dunklen Schlamm, und bedeckte ihr Gesicht. Vielleicht würde die Gestalt verschwinden? Vielleicht könnte alles sein wie vorher? Vielleicht konnte sie bei ihrer Familie sein? Als sie wieder aufschaute, war die Gestalt weg. Doch der Boden erzitterte und der Himmel färbte sich blutrot.


    ***


    Als Kuku aufwachte, war sie schweißgebadet. Sie saß aufrecht in einem sauberen Bett, in einem kleinen, kaum beleuchteten Raum. Ihr weißes Kleid klebte an ihrer Haut. Ihr Kleid? Kuku erinnerte sich zurück: Nachdem sie im Stall entführt worden war, war sie aus einem Gefängnis ausgebrochen. Sie hatte aber kein Kleid getragen!


    Als die Tür geöffnet wurde, schreckte sie hoch. Ein junger Mann betrat das Zimmer. Er hielt ein Tablett in der Hand. Den Blick richtete er nach unten. „Haben Sie Hunger? Naya hat etwas zu essen gemacht.“ Er stellte das Tablett vorsichtig auf einem Tisch ab. Dann ging er nach kurzem Zögern wieder ohne ein weiteres Wort.


    Wer war dieser Mann? Er war vielleicht zehn Jahre jünger als Kuku, doch wirkte er wie ein Kind! Ein scheues Kind. Als sich Kukus Magen meldete, inspizierte sie die Speis, die der Junge gebracht hatte. Vorsichtig kostete sie davon, und stellte fest, dass es ihr schmeckte. Es erinnerte sie an geröstete Erdäpfel. Schnell war alles aufgegessen. Nun musste sie nur noch ihren schüchternen Gastgeber finden und ihn fragen, wie sie in dieses Kleid gekommen war!


    ***


    Vorsichtig und langsam schlich sie sich hinunter, Stufe um Stufe. Denn wie im Treides hatte sie auch hier keine Ahnung, was vor sich ging. Mitten auf der Stiege hielt sie plötzlich inne. Sie wurde beobachtet. Unten stand ein kleines Mädchen. „Mama, sie ist aufgewacht!“ Kukus Instinkt gebot ihr, die Flucht nach oben zu ergreifen, doch sie reagierte nicht, bis sich das freundliche Gesicht einer älteren Frau zeigte. „Wie ich sehe, hast du dich erholt! Brauchst du etwas? Ein Getränk? Mehr zu essen? Ein neues Kleid?“


    Die letzte Frage brachte Kuku in die Realität zurück. Und zu ihrer Frage. „Wie bin ich hier her gekommen? Und … wie kam ich an dieses Kleid?“ „Komm mit, dann erkläre ich es dir.“ Kukus Misstrauen verstärkte sich. Sie hatte schon Erfahrung mit vermeintlichen Menschen gemacht, die sie irgendwo hinlocken wollten. Doch um zu erfahren, was hier vor sich ging, würde sie mitgehen müssen.


    Nayu, so stellte sich die Frau vor, brachte Kuku nach draußen, zu einem Abhang. Vor ihnen erstreckte sich ein weites Tal. Auf der anderen Seite thronte eine Burg. „Es leben gefährliche Wesen in dieser Welt, junge Dame“, erzählte die Gastgeberin. „Dieser Ort ist gefährlich. Du hast Glück gehabt. Nevan hat dich gefunden, als du am Fuße dieses Berges geschlafen hattest. Du warst verletzt. Er hat dich den ganzen Weg hierher getragen, damit ich dich versorgen konnte. Ich rate dir, hier bei uns zu bleiben, bis du dich erholt hast. Iss noch etwas, wasch dich, ruh dich aus. Falls du etwas brauchst, frag irgendjemanden, du bist hier ein willkommener Gast!“


    Kuku wusste nicht, was sie sagen sollte. Nayu klang aufrichtig. Ehrlich. Und ihre Worte schienen mit Wahrheit getränkt zu sein. Sie konnte tatsächlich in dieser Burg gefangen gehalten worden sein, bevor sie es schaffte, auszubrechen. Aber wo war sie? War sie überhaupt noch in ihrer Welt? Nayus Worte klangen vertraut, doch nutzte sie einen anderen Dialekt. Kuku verstand nicht alles, was sie sagte. Aber sie wusste, dass Nayu ihr Bestes wollte. Sie konnte es in ihrer Stimme hören.


    „Nayu?“ Die Dame wandte sich zu Kuku. „Ja?“ „Wo sind wir?“ „Wir sind nirgendwo.“ Dem fragenden Blick Kukus folgend, erklärte sie: „Wir nennen es das Niemandsland. Es gibt keinen Herrscher, keinen Schutz, keine wirklichen Bewohner. Einst war dies das Gebiet eines mächtigen Reiches, doch als Sie kamen, starb es aus. Es verflüchtigte sich wie Salz in der Suppe, als es seine Macht einbüßte.“ „Wie kam es dazu?“, fragte Kuku. „Ich weiß es nicht. Ich kenne nur die Legenden, die meine Vorfahren uns hinterlassen haben.“ „Wie lange lebt ihr schon hier?“ „Seit Generationen. Das Reich, welches hier einst residierte, gehört einem vergangenen Zeitalter an. Meine Vorfahren hatten sich einst als Wächter niedergelassen, um Durchreisende zu schützen. Wir beobachten die Burg, Tag für Tag, Stunde um Stunde. Wann immer sich etwas regte, waren wir bereit.“


    Interessant. Ein ferner Ort mit Geschichte. Mit einer großen Zivilisation, die nun Geschichte war. Kuku musste mehr darüber erfahren. „Erzähl mir mehr! Bitte, ich muss es wissen! Ich weiß nicht einmal, wie ich hier her kam!“ „Dann sollten wir drinnen weiterreden. Auch wenn wir hier oben geschützt sind, Sie sollten nicht wissen, dass wir das Haus verlassen.“


    ***


    Drinnen saßen sie nun beisammen, Kuku, Nayu, Nevan und das kleine Mädchen, dass auf den Namen Iljani hörte. Sie tranken wärmende Getränke, die aussahen wie flüssige Erde, doch schmeckten, als seien sie im Himmel gebraut worden. Iljani hatte sogar dichten, weißen Schaum dabei. Nayu begann zu erzählen.


    „Der Legende nach herrschte einst ein mächtiger König über die Sieben Reiche des Ostens, die Küstenstädte im Westen, den Gipfeln im Norden und die bewaldeten Ebenen im Süden. Seine Residenz, die Hauptstadt Ilsandari, war die größte und schönste Stadt, die je errichtet wurde. Bekannt für ihren Reichtum und ihre Gesellschaft, war sie Zentrum von Kultur aller Art. Einige unserer Vorfahren sollen auch in Ilsandari gelebt haben, manche sogar nahe des Königs. Diese waren es auch, die unser Schicksal besiegelten.


    Nichts konnte die Macht des Königs brechen, und er herrschte über viele Epochen hinweg. Doch dann kamen Sie. Sie waren es, die die Herrschaft des Königs beendeten, die den Untergang des Reiches besiegelten. Sie hatten die größte Kultur der Welt in Nichts verwandelt. Bis heute wissen wir nicht, wer Sie sind und wie sie jene Untat begingen. Wir wissen nur, was unsere Aufgabe ist. Die Burg im Auge zu behalten und das Schlimmste zu verhindern, wenn eine dieser Gestalten die Steinerne Residenz verließ.


    Leider konnten wir unsere Aufgabe nicht immer erfüllen. Vor einigen Wochen verschwanden mehrere dieser Gestalten, ohne dass wir es verhindern konnten. Sie kamen vor ein paar Tagen zurück, kurz bevor wir dich fanden. Wir sind nunmal nur noch zu dritt, und wir können Iljani noch nicht mit dieser Verantwortung betrauen. Früher, als noch der ganze Clan hier lebte, war es einfach. Zehn Leute beobachteten die Burg bei Tag, drei bei Nacht. Es waren immer genug da, um einzuschreiten. Doch nun … nun sind wir auf uns allein gestellt.“


    „Wo ist euer Clan? Warum wurdet ihr zurückgelassen?“ „Nun, das ist der Lauf der Zeit! Niemand lebt ewig, zumindest kein Mensch, selbst wenn man das vom alten König gesagt hatte. Wir sterben langsam aus. Wir konnten nur heiraten, wer hier als Reisender ankam, die anderen waren bereits Teil unserer Familie. Und mit der Zeit kamen immer weniger Reisende.“ Kuku dachte nach. Für sich war diese Geschichte sehr traurig. „Wir empfanden es natürlich als gutes Zeichen, dass immer weniger Reisende kamen, doch unsere Familie ging zwangsläufig ein.“ Das war in der Tat eine traurige Geschichte.


    So groß die Sehnsucht war, nach Hause zurückzukehren, hatte Kuku das Gefühl, dieser Familie beistehen zu müssen. Sie war es ihr schuldig, da sie gerettet wurde. Und ihre Ehre gebot es ihr auch. Wenn sie nicht half, hatte sie die Auszeichnung zu Dienstende nicht verdient. „Nayu, ich will bleiben. Ich kann euch mit meinem Wissen und meinen Fähigkeiten beistehen. Ich schulde es euch!“ Nayu schaute ihr tief in die Augen. „Das ist wirklich nett von dir, aber bist du dir sicher? Hier gehen Dinge vor sich, die du noch nie erlebt hast. Schlimme Dinge. Wir behalten dich hier gerne als Gast, doch will ich dich nicht arbeiten lassen, wenn du nicht unbedingt willst. Es ist gefährlich. Du könntest morgen schon sterben. Wärst du bereit, dieses Risiko einzugehen?“


    Diese Worte ließen Kuku zweifeln. Es war ein großes Risiko damit verbunden. Es war gefährlich. Sie konnte sterben. Aber sie war es ihnen schuldig. Sie war ihrem Beruf gemäß dazu verpflichtet. Sie musste. „Ja, ich bin bereit!“ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, bereute sie sie. Sie dachte an Exor. Sie hatte ihm die Worte sagen wollen, nachdem sie die Auszeichnung erhalten hätte. Doch nun konnte sie nicht wissen, ob sie ihn jemals wiedersehen würde.


    „Woran denkst du?“ Nevans Worte rissen sie aus ihren Gedanken. Sie war es noch nicht gewohnt, ihn sprechen zu hören. Als sie merkte, wie besorgt sie von allen angeschaut wurde, fühlte sie eine einsame Träne, die über ihre Wange rann. Schnell wischte sie sie weg. „Nichts. Ich habe an nichts gedacht. Also, kann ich euch helfen?“ Nayu deutete Nevan un Iljani an, den Raum zu verlassen. Nachdem die beiden weg waren, sprach sie mit leiser Stimme weiter. „Natürlich kannst du das. Aber du musst stark sein. Willst du mir erzählen, was passiert ist? Gibt es jemanden, den du zurücklassen musstest, bevor du hierher kamst? Jemanden, der dir viel bedeutet?“


    Fast hätte Kuku den Verdacht geschöpft, Nayu hätte etwas mit Ihnen zu tun, doch dann wurde ihr klar, wie deutlich ihre Emotionen auf ihrem Gesicht abgebildet sein mussten. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie würde Exor vielleicht nie wieder sehen. Sie würde ihre Familie nicht mehr treffen. Ihre Freunde, ihre Kollegen … alle weg! Nayu sprach noch eine Weile mit Kuku über jene, die sie vermisste, ihr Leben, das sie wahrscheinlich aufgeben musste. Sie hörte ihr zu, tröstete sie, war für sie da. Sie sprachen noch über dieses und jenes Thema, bis sie, spät in der Nacht, beschlossen, den Tag zu beenden.


    °'°'°'°'°'°'°'°'°'°'
    Fortsetzung folgt...

  • Neubeginn


    Der nächste Tag begann früh. Kuku bekam von Nevan Arbeitskleidung, Werkzeuge und einen Umgebungsplan. Dann ging Nayu mit ihr hinaus, um sie mit dem Tal vertraut zu machen. Zuerst gingen sie in den Wald. „Wir haben mehrere Wälder“, erklärte Nayu. „Dieser hier ist relativ harmlos. Richtig Gefährlich wird es erst im Dunklen Wald. Doch dorthin werden wir erst morgen gehen. Heute erkunden wir nur die Lichtungsebene.“


    Sie gingen zu einem markierten Baum. „Überall im Wald sind Markierungen angebracht. Sie bestehen aus Ziffern, Schriftzeichen und Farben. Sie zeigen Orts- und Zeitangaben. Wenn sich etwas im Wald regt, ändern sie sich. Diese hier ist Blau-R, 130-Weiß und ein Roter Kreis. Das R zeigt die Position, die weiße Zahl die Zeit, zu der die Markierung erstellt wurde, und der Kreis ist der Marker. Mit der Zeit wirst du selbst auch solche Markierungen anbringen, noch musst du sie nur überprüfen. Wir haben herausgefunden, dass Sie bestimmte Stoffe abgeben, die mit der Markerfarbe reagieren. Sie verändern sie. Der Kreis hier wird blasser, dann orange, dann gelb, und schließlich weiß.“


    „Und wenn ich so eine Änderung sehe, was bedeutet das?“ „Wenn eines dieser Wesen nah genug an diesem Baum vorbei geht, verblasst die Farbe langsam. Dadurch können wir nachvollziehen, welche Wege sie gehen.“ Sie gingen zur nächsten Markierung. Gelb-I, 280-Grün, ein grüner Kreis. Nayu sah besorgt aus. „Sie waren hier! Der Kreis sollte gelb sein.“ Schnell holte sie eine kleine Axt hervor und schlug zwei waagrechte Kerben in die dicke Rinde. Dann holte sie eine Tabelle aus ihrer Tasche hervor, suchte die Markierung und notierte „zwei“. „Was bedeuten die Kerben, Nayu?“ „Die zweite Stufe. Das bedeutet, dass sie hier öfter vorbeigekommen sind. Bei der ersten Stufe sollte der Kreis rot oder orange sein.“


    Sie gingen so durch diesen und drei weitere Wälder. Am Abend kehrten sie wieder ein und besprachen bei gemeinsamer Speis, was sie erlebt hatten. „Heute haben wir zum Glück nur einen veränderten Marker entdeckt. Das ist eher selten. Allerdings kommen sie normalerweise nicht in diesen Wald. Wir werden herausfinden müssen, was sie hier gesucht haben.“ „Ich könnte zur Burg gehen!“ „Nein, Kuku, das ist zu gefährlich! Wir müssen diesseits des Tals bleiben. Wir sind nur zu dritt, weil Iljani noch zu jung ist. Einer muss immer in der Hütte bleiben, um sie zu bewachen. Einer muss immer die Markierungen überprüfen. Da wir dich nun dafür haben, werde ich mit den Erkundungen weitermachen.“


    „Aber ich habe in meinem früheren Beruf auch mit solchen Ereignissen zu tun gehabt!“ „Nicht mit Ihnen, liebe Kuku. Sie sind anders. Damals, als Honim noch lebte, war er mit der Aufgabe der Überprüfung betraut, und ich konnte erkunden, sobald Nevan bereit war, die Hütte zu bewachen. Wären wir mehr, könnte ich dich zur Erkundung mitnehmen. Aber es dürfte noch eine Weile dauern, bis es soweit ist. Sieben Jahre, bis Iljani alt genug ist. Dann, sobald Nevan eine Frau gefunden hat – falls sich hier eine geeignete herverirrt – dauert es wieder fast 20 Jahre, bis die nächste Generation bereit für die Aufgabe ist.“


    „Habt ihr schon daran gedacht, Leute herzuholen?“ Nayus Augen weiteten sich. „Nein, das dürfen wir nicht! Von hier gibt es kein Entkommen! Nur, wer ungewollt ankommt, kann die Aufgabe übernehmen. Niemand sollte sich freiwillig hierher wagen!“ Kuku schmollte. „Entführen will ich aber auch niemanden!“


    ***


    Am nächsten Morgen musste Nayu im Nebenhaus etwas erledigen, deshalb waren Nevan und Kuku für die Morgenspeis allein. Iljani schlief noch. „Und … du arbeitest schon wie lange im Familiengeschäft?“, fragte Kuku, um die qualvolle Stille zu füllen. „Vier Jahre. Ich musste mit 16 anfangen, weil mein Onkel nicht mehr konnte. Er ist wenige Tage später an einer Krankheit gestorben. So waren wir nur noch zu viert.“


    „Wie ist das eigentlich mit eurem Clan? Ihr wart doch mal so viele, wie konntet ihr aussterben?“ „Das ist ungewiss. Viele wollten vermeiden, die eigenen Verwandten zu heiraten, andere sind früh gestorben, dann gab es Familien, die hatten nur ein Kind, oder gar keines, weil ein Partner gestorben ist. Wir haben nach einer gewissen Tradition gelebt. Nayu hat gesagt, dass die Wächter, also jene, die unsere Aufgabe ausführen, nach strikten Regeln leben müssen, um erfolgreich zu sein. Darunter zählt auch, dass nur Kinder erster Ehe zukünftige Wächter sein können. Warum, konnte sie mir leider nicht sagen. Es muss darin begründet sein, wie unser Clan die Aufgabe übernahm.“


    „Also jeder von euch hat nach dieser Tradition gelebt, und darum konntet ihr euer Aussterben nicht verhindern?“ „Ja. Pro Generation erschienen nur drei bis fünf Fremde im Niemandsland. In der letzten gar keiner! Die Ehe meiner Eltern vereinigte damals die letzten Sippen meines Clans. Ich kann meine Schwester nicht heiraten. Darum muss ich auf eine Frau warten, die von außen kommt. Eine Frau, die mich heiraten will, und auch das Tor zur nächsten Generation öffnen kann. Ansonsten sind wir dem Untergang geweiht.“


    „Aber“, erwiderte Kuku, „du hast ja auch deine Schwester! Was wäre, wenn in zehn Jahren ein Mann aus der Fremde käme, der sie heiraten würde? Wenn ihre Kinder die Aufgabe weiterführen würden?“ „Das geht nicht. Ich bin der Erbe der Wächter. Ich muss die Aufgabe weiterreichen. Würde meine Schwester das tun, hätten wir zwar Unterstützer, aber es wäre nicht das gleiche wie die Wächter!“ „Wegen der Tradition?“ „Wegen der Tradition.“ „Dann solltest du ja bald heiraten! Und hoffen, dass in den zukünftigen Generationen viele Fremde sich in das Niemandsland verirren. Sonst wird das nichts mehr mit der Wiederkehr der Wächter!“ Nevan nickte zustimmend.


    ***


    Der Keller war dunkel. Und staubig. Kuku nieste ein paar mal. Normalerweise war sie nicht so anfällig, aber dieser Staub schien anders zu sein. Vielleicht hatte sie später mal die Gelegenheit, ihn zu untersuchen. Das würde ihr wahrscheinlich weiterhelfen, herauszufinden, wo sie war. Nayu wollte ihr alte Erinnerungen zeigen. Bilder, Briefe, Dokumente. Beweise für ihre Vergangenheit. Kuku habe im Schlaf gesprochen, hatte sie gesagt. Anscheinend wusste sie, dass Kuku der Situation immer noch nicht vertraute.


    „Hier sind sie.“ Nayu holte eine eingestaubte Box hervor, wodurch Kuku zu weiterem Niesen gezwungen wurde. „Entschuldigung, ich sollte hier wirklich putzen. Aber normalerweise verwenden wir den Keller nicht. Sie haben sich noch nie in die Nähe des Hauses gewagt. Seit Jahrhunderten nicht.“ Kuku nickte – und nieste. „Ich kann hier auch putzen, wenn es zu aufwendig ist!“ „Nein, du würdest die halbe Zeit nur niesen und den Staub weiterverteilen. Ich mach das schon, ich brauche nur einen guten Zeitpunkt. Wenn ich mit den Erkundungen fertig bin.“ Kuku nahm die Bilder in die Hand. Familienfotos, Zeichnungen und Skizzen, ein kleines Gemälde. Plötzlich ging sie einen Schritt zurück. Das konnte nicht sein! Nein, das konnte sie nicht sein! „Was ist denn los?“, fragte Nayu, als sie Kukus entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte. „Das … das bin ich!“


    ***


    Kuku konnte nicht glauben, was sie vorhin entdeckt hatte. Sie hatte sich selbst auf einem der Bilder gesehen, gemeinsam mit einer fremden Familie. Nur jünger. Nayu hatte sie gebeten, nach oben zu gehen, um alleine nach den Namen der Familie zu suchen. Nun ging sie durch das leere Esszimmer, darüber nachdenkend, was das bedeuten könnte.


    Soweit sie sich zurückerinnern konnte, hatte Kuku bei ihren Eltern gelebt – bis zu dem Tag, an dem sie in die WG gezogen war. Sie hatte keinerlei Erinnerung an die Familie auf dem Bild, weder als eigene Verwandtschaft noch als Besuch. Kuku war mit ihren Eltern grundsätzlich selten verreist. Ihre Heimatstadt hatte alles geboten, was sie brauchten. Wer waren nun diese Leute, in deren Verwandtschaft sie sich angeblich aufgehalten hatte? Das Verstörende dabei war, dass diese Familie ihr tatsächlich ähnlich sah – bis zu einem gewissen Grad. Wenn sie nur ihre Eltern fragen könnte, würde sich sicherlich einiges aufklären. Aber wie sollte sie sie nur erreichen? Sie konnte sie ja nicht erreichen. Diesen Ort konnte sie ebenfalls nicht verlassen. Kuku war verzweifelt. Was ging hier vor?


    Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als die Tür geöffnet wurde. Es war Nayu. Sie hielt ein Buch in ihren Händen. „Hier steht alles drin. Setz dich!“ Sie nahmen am Esstisch platz, und Nayu öffnete das Buch. „Es ist die Familie Kari-Natêj. Der Vater ist ein entfernter Cousin von mir. Sie waren die letzten, die die Aufgabe der Kari getätigt haben. Das kleine Mädchen hieß Ikaja. Sie ist – mit einigen Brüdern und den Eltern – vor vielen Jahren verschwunden.


    Wir haben nie erfahren, warum. Wir haben immer angenommen, dass Sie sie entführt haben. Nur zwei ihrer Brüder sind geblieben, und haben ihre Aufgabe weitergeführt. Doch sie sind durch einen Fehler meinerseits in Gefahr geraten: Ich hatte die Felder nicht rechtzeitig gesichert, und sie sind Ihnen in die Arme gelaufen. Seitdem war ich auch mit ihrer Aufgabe betraut.“ „Ikaja?“, fragte Kuku nachdenklich, als ob sie nach der Erwähnung dieses Namens nicht mehr zugehört hätte. „Ja, kennst du sie?“ „Nein, ich glaube nicht.“ Kuku dachte weiter nach. Irgendwann hatte sie diesen Namen gehört, doch sie wusste nur nicht mehr, wann.


    °'°'°'°'°'°'°'°'°'°'
    Fortsetzung folgt...

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  • Danke für das Feedback! Ich hab mich schon wirklich gefreut, als ich es gesehen hab. Es hat mir auf jeden Fall geholfen und ich werde es nutzen, um die Texte zukünftig besser zu schreiben.


    @1. Absatz:
    Ich bin wirklich noch nicht dazu gekommen, wirklich viel Neues zu beschreiben, was aber hauptsächlich daran liegt, dass ich die Welt bastle, während ich die Geschichte schreibe. Deine Einschätzung zu den Jahreszahlen in Bezug zu unserer Welt find ich interessant. Das Befremdliche (ich weiß jetzt nicht, ob du es durchgehend meinst oder nur Abschnittweise) war sogar geplant - zumindest ab dem zweiten Kapitel, da es Kuku seitdem tatsächlich so vorkommt, als hätte sie ihre eigene Welt verlassen und als wäre sie in eine andere versetzt worden (ich finds auch blöd, dass ich dieses Gefühl nicht so gut beschreiben konnte).


    @2. Absatz:
    Es werden noch Kapitel folgen, die mehr über die Hintergründe erklären sollen. Über deine Theorien kann ich derzeit leider noch nichts sagen, weil sich noch im weiteren Verlauf der Geschichte zeigen wird, wie viel du bisher herauslesen konntest. Was Kukus Entscheidung, zu helfen, betrifft: Sie hielt ihre Rückkehr nach Hause mit Voranschreiten der Zeit für immer unwahrscheinlicher. Außerdem hat sie in den vergangenen 10 Jahren mit der Einstellung gelebt, immer zu helfen, wenn jemand von etwas Unerklärlichem geplagt wurde. Dazu sollte später aber auch mehr kommen.

  • Ich muss sagen dass die Texte viel Freude beim Lesen bereitet haben^^


    Anfangs hatte ich ebenfalls Schwierigkeiten hineinzukommen, aber ich hatte dennoch mehrmals ein Gänsehaut-feeling am Nacken als ich es las


    Ein paar Anmerkungen oder besser Fragen habe ich aber noch:


    Für mich persönlich fehlen einige Beschreibungen
    Beispielsweise wie die ihren Job machen im ersten Teil
    Ansonsten hätte ich Fragen zur Charakterentwicklung und Charakterisierung
    Die Protagonistin und Exor haben eine Beziehung habe ich herausgelesen, oder irre ich mich?^^
    Jedenfalls schien mir die Gedankenwelt der Protagonistin, Kuku, nicht genug ausgeschrieben


    Aber ich bin auch eher Freund von Deep POV, falls es dir was sagt^^


    Insgesamt kann ich aber sagen dass das Potential hat, eine tolle Welt und eine tolle Geschichte zu werden
    Könnte mir vorstellen dass der Clan die Überreste von der Organisation ist, für die Kuku arbeitete
    Und vielleicht ist sie in einer dystopischen, postapokalyptischen Zukunft gelandet oder ähnliches


    Ich höre aber mal mit den Gedankenspielen auf
    Ich fands auf jeden Fall sehr gut^^

    Ich denke, ein gewisser Aspekt des Weltenbauens ist die Vision
    Die Vision von einer Wunschwelt, in der man seine Zeit verbringen möchte
    oder in der man ganz leben will, wie es bei mir der Fall ist ...

  • Ich muss sagen dass die Texte viel Freude beim Lesen bereitet haben^^

    Danke für dein Feedback! Deine Fragen beantworte ich natürlich gerne!

    Anfangs hatte ich ebenfalls Schwierigkeiten hineinzukommen, aber ich hatte dennoch mehrmals ein Gänsehaut-feeling am Nacken als ich es las

    :O Wo? :D

    Für mich persönlich fehlen einige Beschreibungen
    Beispielsweise wie die ihren Job machen im ersten Teil

    Das Problem bei ihrem Job ist, dass ich auch noch nicht ganz so weiß, worum es geht. Da die Geschichte ihren Anfang beim Speedbasteln nahm und danach nur hier weitergeführt wurde, ohne dass noch viel über den Beruf rauskommt (keine Sorge, ich hab dafür scho nwas geplant), bin ich mir bei der Jobbeschreibung noch nicht ganz sicher. EInen Namen für den Beruf hab ich auch noch nicht gefunden.

    Die Protagonistin und Exor haben eine Beziehung habe ich herausgelesen, oder irre ich mich?^^

    Doch doch, das sollte so rüberkommen.

    Jedenfalls schien mir die Gedankenwelt der Protagonistin, Kuku, nicht genug ausgeschrieben

    Ja, das ist das Problem, wenn ich so halb in den Gedanken der Protagonisten bin, und halb außen. Das ist nicht nur hier der Fall. Ich werd aber schaun, dass ich das besser einbringen kann.

    Ich höre aber mal mit den Gedankenspielen auf

    Oh, nein, du kannst so viele Theorien aufstellen, wie du willst! Mich interessieren durchaus all eure Gedanken dazu!

  • Das ist gut^^


    Es gab mehrere Stellen wo ich Gänsehaut bekam
    Beispielsweise bei der Beschreibung der Weltlage nachdem Kuku erwacht ist


    Und ja, es ist tatsächlich ziemlich knufflig das hinzukriegen
    Die Beschreibung der Charaktere aus der Deep POV-Perspektive.
    Das ist sehr knifflig, und ich bekomme das nicht wirklich hin, aber wir lernen ja noch vieles richtig?


    Und dafür dass du das über das Speedbasteln gemacht hast, finde ich das richtig, richtig gut
    Respect dafür

    Ich denke, ein gewisser Aspekt des Weltenbauens ist die Vision
    Die Vision von einer Wunschwelt, in der man seine Zeit verbringen möchte
    oder in der man ganz leben will, wie es bei mir der Fall ist ...

  • So fertig gelesen hatte ich gestern schon, jetzt habe ich auch mal Zeit meinen Senf dazu abzugeben:


    Die drei Teile der Geschichte haben mir gefallen und mein Interesse geweckt, auch noch die nächsten Teile zu lesen. Du präsentierst die Geschichte von Kuku in Schlaglichtern, die hauptsächlich aus Dialogen bestehen. Durch das szenische Erzählen gelingt es dir einerseits Atmosphäre aufzubauen und Interesse für die Figuren zu wecken, aber die Exposition der Welt leidet darunter. Während dadurch einerseits eine gewisse Spannung (durch Unwissenheit) aufgebaut wird, droht die Geschichte dadurch aber auch in Beliebigkeit oder Unverständlichkeit zu driften. Du würdest deinen Lesern einen Gefallen tun, wenn du die Welt um Kuku herum etwas deutlicher beschreiben würdest, das ist etwas worauf man in Geschichte die in unserer Welt und grob unserer Zeit verzichten kann (oder auch, wenn du am Anfang auf irgendein Klischee anspielst [z.B. "EDO-Fantasy"], damit der Leser die Leerstellen mit den "typischen" Elementen befüllen kann). Wenn du das nicht machst, muss sich der Leser sehr viel hinzudenken, damit die Geschichte für ihn läuft (und ich würde sagen, selbst wenn du mit Ela, Kane und mir nur drei Leser hättest, hättest du schon drei grob unterschiedliche Vorstellungen, wie Kukus Welt eigentlich ist), das kann man natürlich als Feature sehen (anstatt als Bug), aber je mehr Freiheiten du dem Leser lässt, desto eher stößt du ihn unbeabsichtigt vor den Kopf, weil du beiläufig etwas beschreibst, was nicht zu seiner Vorstellung passt (während beabsichtigte Erwartungsbrüche unterhaltsam seien können, meine ich hier ungewollte). Das kann einen Leser dazu bringen, deine gesamte Erzählung abzulehnen, weil du in seinen Augen "Schwachsinn" oder etwas "überhaupt nicht passendes" schreibst.


    Ich freue mich jedenfalls schon auf den nächsten Teil, denn ich bin gespannt zu erfahren, wie es weitergeht! :thumbup:

  • Vielen Dank auch für dein Feedback, Nharun!


    Zur Beschreibung der Welt: Der Teil vor Kukus Verschwinden war relativ kurz und ich hab viel weniger beschrieben, als ich eigentlich vorgehabt hätte. Aber: Ich werde noch Texte schreiben, die in ihrer Vergangenheit spielen. Damit schaffe ich es hoffentlich, euch einen guten Eindruck zu vermitteln. Die Umgebung, in der sie sich nach dem Erwachen befindet, ist auch vollkommen neu für sie, und wird nur (oder hauptsächlich) durch ihre Wahrnehmung beschrieben. In ihrer derzeitigen Situation weiß ich allerdings nicht, inwiefern ich die Welt um sie herum besser beschreiben kann, da, bis auf die Gefahr durch Sie, kaum etwas Weltenspeziefisches zu sehen ist. (Was sich jedoch bald ändern könnte...)


    Danke nochmal für für deine Lobse und viel Spaß beim Weiterlesen!

  • Holz


    Nevan schwang das Beil. Er spaltete den Holzkopf gekonnt und warf die Hälften auf den Haufen. Dann der nächste. Kuku stand daneben. Sie fror. „Warum muss ich dabei sein?“ „Weil du dann das Holz wegträgst.“ „Ja, aber warum muss ich daneben stehen, wenn du schon einiges gehackt hast?“ „Weil wir hier draußen nicht alleine sein sollten. Du hast Nayu gehört: Solange du nicht fertig ausgebildet bist, wirst du draußen nicht alleine sein!“


    Kuku erinnerte sich zurück, als sie gemeinsam durch die Wälder gegangen sind. Erst die Lichtenwälder, dann die Dunklen. Später sollte sie selbst die Markierungen untersuchen, doch in Begleitung Nayus. Die Ausbildung hätte nach wenigen Wochen abgeschlossen werden können, aber Sie mussten doch die Gegend unsicher machen. Nayu hatte sie, um sie den Gefahren fernzuhalten, Nevan als Assistentin zur Seite gestellt. Bis zu diesem Tag. Dem Tag, an dem sie frierend im Schnee stand und Nevan beim Holzhacken zuschauen durfte.


    Als dieser endlich fertig war, trugen sie die Holzscheite gemeinsam in den Schuppen, wo sie trocken gelagert wurden. „Macht dir diese Arbeit eigentlich Spaß?“ Kukus Frage überraschte ihn. „Was meinst du?“ „Naja, du machst hier immer nur das selbe: nach den Kühen schauen, die Hühner füttern, Holz hacken, Haus putzen, kochen. Hast du dir nie vorgestellt, wie es wäre, etwas anderes zu machen?“ „Das schon, aber dann würden wichtige Aufgaben unerledigt bleiben!“


    Kuku dachte nach. „Und deine Schwester? Was macht sie?“ „Lernen. Nayu bringt ihr Lesen und Schreiben bei.“ „Und wann beginnt sie mit dieser Arbeit? Beginnt sie überhaupt?“ „Ja, sie wird es müssen. Aber erst in sieben Jahren. Sie ist noch jung!“ „Was machst du eigentlich in deiner Freizeit?“ „Freizeit?“ „Ja, die Zeit, in der du nicht arbeiten musst.“ „Ich muss immer arbeiten.“ „Ich weiß, dass du an jedem Tag eine Zeit hast, zu der du frei hast. Was machst du da?“ „Ich lese.“ „Was liest du?“ „Bücher.“ Kuku rollte mit den Augen. Ihr war schon klar, dass er wahrscheinlich keine antiken Schriftrollen in seinem Zimmer hatte, die bei der kleinsten Berührung zerfielen.


    „Hast du auch andere Hobbies? Was habt ihr als Familie gemacht, bevor ich gekommen bin?“ „Wir haben gefeiert. Damals, als unsere Familie noch groß war. Wir haben mit unserem ganzen Clan gefeiert. Die ganze Nacht durch. Und am nächsten Morgen konnten wir trotzdem weiterarbeiten.“ „Erinnerst du dich noch an diese Zeit?“ „Nein. Ich war zu jung. Aber Nayu hat mir erzählt, dass ich diese Feste noch miterlebt habe.“ „Nevan, kann ich dich etwas fragen?“ „Natürlich, das hat Nayu doch gesagt.“ „Es geht um sie.“ Er schaute Kuku erschrocken an. „Was ist das für eine Frage?“ „Sie ist doch deine Mutter“, sagte Kuku, und ging weiter, um nicht mehr zu frieren. „Warum sprichst du sie mit ihrem Namen an?“ „Das mache ich nicht.“ „Aber jedes Mal, wo du mir erzählt hast, dass sie dieses oder jenes gesagt oder gemacht hat-“


    „Ach, das! Nein, das ist etwas anderes. Wenn wir innerhalb der Familie reden, also die Eltern direkt ansprechen oder mit den Geschwistern über sie reden, sagen wir nicht die Namen. Das tun wir nur, wenn wir mit Außenstehenden über sie reden, damit diese sofort wissen, wen wir meinen.“ „Aber ich würde doch auch so verstehen, wen du meinst!“ „Es ist eine unserer Traditionen. Wir haben es schon immer so gemacht, und wir werden es auch weiterhin machen.“ „Das verstehe ich.“ Die restliche Zeit verbrachten sie schweigend, denn sie mussten sich beeilen – die Sonne ging unter!


    ***


    Sie steckten im Schnee fest. Wie weit konnte der Schuppen vom Haupthaus entfernt sein, dass sie mitten auf dem Weg im Schnee stecken blieben? Sie konnte Nevan kaum sehen oder hören, doch war sie sich sicher, dass er sich mit großer Mühe durch den Schnee zum Haus hin kämpfte. Sie ahnte auch, warum: Sie kamen! So sehr sie es auch versuchte, sie kam nicht weiter. Als sie ihren Mund öffnete, um Nevan zu rufen, füllte er sich mit Schnee. Kalt, zu kalt! Ihre Zunge fror fest und sie konnte nicht einmal die Arme heben, um sich den Schnee aus dem Mund zu nehmen. Kuku sah ihr Ende schon auf sich zukommen. Es war aus. Im Schnee. Warum … warum nur so?


    Hinter ihr bewegte sich etwas, schlängelte sich durch den tiefen, frischen Schnee. Es kam näher. Schneller, als sie selbst voran kam. Die leisen Geräusche von herannahenden Füßen drangen in ihre Ohren. Kuku sah nur eine Möglichkeit, dem zu entkommen: Sie musste untertauchen. Buchstäblich. Über ihr brach die Schneedecke zusammen, während die Kälte ihr tief unter die innersten Schichten ihrer Arbeitskleidung kroch. Kuku konnte sich nicht mehr bewegen. Sie konnte nicht mehr atmen, nicht mehr denken. Das war ihr Ende. Was hatte sie nur getan? Als sich ihr Herzschlag verlangsamte, und ihre Augen zufielen, öffnete sich vor ihr ein Fenster. Wärmendes Licht trat heraus.


    Frühling, frischer Wind, Gras, begrünte Baumkronen, Sonnenschein! Kuku war zuhause! Ihre Sorgen hatte sie im kalten Verlies zurückgelassen, wie auch ihre Ängste, Hilflosigkeit, Schwäche. Sie war nun an dem Ort, der für sie bestimmt war! Oben an dem Hügel stand eine große Eiche. Kuku lief zu ihr hin, um ihn zu bewundern. Da bemerkte sie Menschen, die um den Baum herum standen. Sie erkannte sie wieder: es war die Familie von dem Bild, das sie im Keller entdeckt hatte. Alle waren anwesend, bis auf das kleine Mädchen und die zwei Brüder, die das Niemandsland als letzte verlassen hatten. Als sie sich weiter näherte, drehten sich die Leute zu ihr um.


    „Guten Tag, Kuku Ruz“, sagte der Vater. „Äh, guten Tag“, antwortete Kuku unsicher. Woher kannte er sie? „Wir haben auf dich gewartet. Nun können wir weitergehen.“ Was bedeutete das? Kuku dachte, dies wäre der für sie bestimmte Ort. Und nun wollte dieser Fremde, den sie nur von einem Foto kannte, dass sie weiter ging. Und anscheinend kannte er sie! „Wer seid ihr? Woher kennt ihr mich?“ „Wir waren immer bei dir. Wir haben auf dich geachtet, wir haben dich beschützt. Doch nun, da du unter uns bist, müssen wir nicht länger hier verweilen. Wir können weiterziehen. Komm mit uns!“ Kuku war sich nicht sicher, was sie tun sollte. „Ich gehöre hier her! Ich kann nicht mitkommen!“ „Niemand gehört an diesen Ort. Es ist nur ein Übergang, Wir sind dazu bestimmt, an den nächsten Ort zu gehen. Noch kannst du es nicht verstehen, aber wenn du dort bist, wirst du es fühlen. Du wirst wissen, dass es richtig ist. Es ist wie bei deiner Ankunft hier. Du wirst wissen, dass du nicht zurückkehren willst.“



    Kuku dachte nach. Sie versuchte es. Aber … da war etwas, das sie daran hinderte. Sie konnte nicht nachdenken. „Lass los, Kuku“, sagte der Vater. „Nur so kannst du weiterkommen!“ Kuku ahnte, was sie loslassen sollte. Doch es gab zu viel, was sie verlieren würde. Sie konnte es nicht. „Nein … ich … es geht nicht. Ich kann nicht loslassen. Ich muss hier bleiben!“ Der Vater schaute sie traurig an. [i]„Ich habe befürchtet, dass du so entscheiden würdest. Nun, ohne dich, können auch wir nicht gehen.“ Plötzlich wurde ihr sehr kalt und ihre Sicht verschwamm.[/i]


    ***


    Kuku merkte, wie sie hochgezogen wurde. Links und rechts rieselte Schnee von ihrem Rücken. Sie wurde umgedreht. Nevan schaute ihr ins Gesicht. „Kuku! Was hast du dir dabei gedacht? Komm, wir müssen ins Haus!“ Kuku konnte sich nicht rühren, doch merkte sie, wie sie von Nevan hochgehoben wurde. Er trug sie schwer atmend zum Haus. Es war näher, als sie gedacht hatte. Im Haus legte er Kuku vor den Kamin. Während sie langsam aufwärmte, und ihre Finger wieder bewegen konnte, hörte sie Nevan mit Nayu reden. Doch ihre Stimmen entfernten sich immer weiter. Als Kuku wieder aufwachte, bot Nayu ihr Tee an. Kuku nahm ihn dankend an und stellte fest, dass sie wieder aufgetaut war. Sie war nicht mehr so kalt wie draußen.


    „Nayu? Was ist da draußen passiert?“ „Ich weiß es nicht, ich war nicht dabei“, sagte Nayu. „Aber nach dem, was Nevan gesagt hat, habt ihr einfach zu lange gebraucht. Es wurde dunkel, Sie kamen, du bis im Schnee steckengeblieben. Als Nevan dich holen wollte, bist du anscheinend abgetaucht, bis du von Kopf bis Fuß im Schnee gesteckt bist, und warst bewusstlos, als er dich gerettet hat.“ „Ich glaube, ich hatte einen Traum.“ „Einen Traum? Erzähl mir darüber!“ Kuku war sich unsicher. Wie viel sollte sie Nayu sagen? Was wäre, wenn sie den Traum deuten würde? Wenn sie ihn falsch deuten würde?


    „Es war Frühling“, erzählte sie, darauf bedacht, die Szene vage zu beschreiben. „Ich bin über eine Wiese gelaufen. Bis zu einem Baum, um den eine Familie stand.“ „Kanntest du die Familie?“, fragte Nayu. „Ja. Nein, nicht persönlich. Ich habe sie nur einmal gesehen. Auf dem Bild im Keller.“ Jetzt wurde Nayu wirklich aufmerksam. „Ich weiß nicht, warum, aber der Vater schien mich zu kennen. Er wollte mich an einen Ort bringen, von dem er sagte, er würde mir besser gefallen.“ „Bist du mit ihm an diesen Ort gegangen?“ „Nein, davor bin ich aufgewacht.“


    „Weißt du, was der Traum bedeuten könnte?“ „Nein … weißt du es?“ Nayu schien nachzudenken, doch sie gab keine Antwort. „Nayu? Worüber denkst du nach?“ Die Gastgeberin schaute auf. „Oh, nichts. Ich bin nur abgeschweift. Das Abendmahl sollte bald fertig sein. Wir werden essen, sobald Nevan zurück ist.“ „Wo ist er?“ „Er holt Holz aus dem Schuppen. Ich weiß, noch sollte er nicht allein unterwegs sein, doch du warst nicht ansprechbar, und ich konnte hier nicht weg.“ Der Gedanke brachte eine weitere Frage auf. „Nayu, ich hab mich die ganze Zeit gefragt, wenn ihr – hier im Haus – doch vor Ihnen sicher sein sollt, warum ist es dann aus Holz gebaut und nicht aus Stein? Die Burg auf der anderen Seite ist doch sicherer!“


    „Das stimmt, für sich, doch was sollen wir tun? Das Haus hier ist älter als ich, und ausbessern können wir es nicht. Zumindest nicht mit Stein. Uns fehlen die Materialien und die Zeit. Die Burg … sie gehörte einst unserem Clan, als wir noch vereint das Tal schützten. Doch seit die Vasoi ausgestorben sind, konnten wir die Burg nicht mehr halten.“ Sie hielt kurz inne. „Nein, das ist falsch. Ich sollte nicht sagen, sie wären ausgestorben. Das ist keine der Sippen. Das Blut einer jeden Familie fließt durch unsere Adern. Sie leben weiter – in uns!“


    °'°'°'°'°'°'°'°'°'°'
    Fortsetzung folgt...

  • Der Geheime Korrespondent


    Nach der Abendspeis hatte Kuku ein bisschen Zeit für sich. Sie beschloss, diese Zeit zur Erkundung des Hauses zu verwenden. Erstaunlicherweise schien es viel größer zu sein, als sie dachte. Von außen hatte es viel kleiner gewirkt. Es gab unzählige Gänge, große Zimmer, kleine Räume, Stiegen, Balkone, Dachkammern … der Keller war bestimmt dreimal so groß! Die meisten Räume waren beleuchtet oder hatten Fenster. Umso dünkler empfand sie die versteckte Kammer, die sie nach einigen Stunden der Erkundung entdeckt hatte. Kuku stellte die Kerze, die sie trug, am überfüllten Schreibtisch ab und durchsuchte die Regale. In einem Fach fand sie einen Bund ungeöffneter Briefe. Sie öffnete den ersten:


    Hochgeschätzte Nayu Kari,


    Mit Sorge muss ich dir mitteilen, dass nun der letzte Jôsh heute Morgen verstarb. Euch wurde
    nun ihre Aufgabe überschrieben. Ich weiß, du bist sehr jung, doch sollte dies kein Hindernis sein.
    Möge Han Luwai dir zur Seite stehen bei deiner neuen Aufgabe, die dir trotz deiner bisherigen
    Pflicht auferlegt worden war.


    Mit Bedauern stellte ich den Tod deines ehrenwerten Vaters fest, der den Fesseln der Ihren nur
    knapp entkommen war. Lassen wir nicht zu, dass unser Clan gespalten wird, schreiten wir
    vereint voran in eine strahlende Zukunft! Wir werden wieder groß werden. Wir werden erneut
    aufblühen. Hab Mut und Zuversicht, seien sie deine stetigen Begleiter!


    Wir wissen, die Zeiten werden schwer, denn die dunklen Gestalten streifen umher. Meine Brüder
    sind bei dem Versuch, die Burg erneut einzunehmen, verschwunden. Daher halte ich es für
    unklug, es weiter zu versuchen. Wir können nicht unsere Existenz riskieren, um einige Artefakte
    zu bergen. Nein, die Familie ist wichtiger als der Sieg über Sie!


    Wir erbitten eine Antwort, um die Unterstützung von Kari und Luwai zu sichern. Derweil
    verweilen wir im Tal. Mögen die Ahnen mit euch sein!


    Hochachtungsvoll,


    Kal Matêj von Trink


    Kuku biss sich auf die Zunge. Was hatte sie getan? Sie hatte einen Brief an Nayu gelesen! Ohne ihr Mitwissen! Sie musste es ihr sagen. Aber … was war, wenn sie ihr nicht verzeihen könnte? Was, wenn sie Kuku verjagen würde? Andererseits musste sie diesen Brief lesen, denn er bewies, dass es noch jemanden hier gab. Jemanden, der zu ihrem Clan gehörte, der im Tal wohnte und auf ihre Antwort wartete! Kuku wusste nicht, wie sie sich entscheiden sollte. Da kam ihr eine Idee: Vielleicht sagte der nächste Brief mehr? Sie entnahm den nächsten Brief aus dem Bund und öffnete ihn:


    Hochgeschätzte Nayu Kari,


    Nun warte ich schon drei Wochen auf die Antwort. Meine Cousins konnten nicht länger warten
    und haben sich in die Burg geschlichen, um die Artefakte zu bergen. Meine Versuche, sie davon
    abzubringen, scheiterten. Sie sind bis zum heutigen Tage nicht wiedergekehrt. Ich fürchte, sie
    wurden von Ihnen gefunden.


    So erbitte ich mir eine Antwort der Dringlichkeit, welche sich uns aufdrängt. Wenn auch du diese
    Entscheidung nicht treffen willst, so lasse doch Han für dich entscheiden! Er ist weitaus
    erfahrener, als er wirkt. Wir brauchen eure Unterstützung, sonst ist das Tal verloren! Wir können
    es vielleicht noch einige Wochen halten, doch die Zeit wird knapp!


    Mit jenem Brief, den ich nun schreibe, entsende ich unser Amulett. Es soll unsere Not und
    Unterwürfigkeit beweisen. Sollten wir es doch nicht schaffen, so bitte ich dich, dieses zu
    verwahren, wie du es mit den anderen tust. So sollen wir doch auch in der Niederlage
    weiterleben können.


    Möge das Licht euch den Weg weisen, wie es das einst den Jôsh tat!


    Hochachtungsvoll,


    Kal Matêj von Trink


    Konnte es wahr sein? Waren die Männer, die sie in der Burg gefangen gehalten hatten, tatsächlich Nayus Verwandte? Wurden sie gezwungen, für Sie zu arbeiten, wer bisher verschwunden war? Und was noch wichtiger war: Es gab Artefakte in der Burg, die zu bergen einen Sieg über Sie bringen konnte? Nayu musste das umgehend erfahren! Andererseits …


    Hochgeschätzte Nayu Kari,


    Wir sind zutiefst besorgt. Si; ### # #### @## ## ##### ### ####### ### #### ###
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    ####### ### ##### ############ ##### ######### ############ ###### ### ##### ######
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    Was war das? Der Brief! Die Tinte war verschmiert, sie konnte nicht weiterlesen! Was war, wenn der Brief wichtige Informationen bereithielt? Zum Beispiel, wie man unbemerkt in die Burg gelangte, wo die Artefakte sind, wer Sie waren! Kuku war verzweifelt. Sie hatte in Nayus Briefen gelesen und war nicht klüger geworden – nur neugieriger! Sie musste es Nayu sagen. Oder sollte sie nicht doch zuerst die anderen Briefe lesen…?


    °'°'°'°'°'°'°'°'°'°'
    Fortsetzung folgt...

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  • Schnee


    Kuku schaute gelangweilt aus dem Fenster. Nun, weit konnte sie nicht sehen, da der Schnee schon an der Scheibe klebte. Das Fenster wirkte wie vier leere Leinwände, die darauf warteten, bemalt zu werden. Nur dass Kuku keine Farbe hatte. Und nicht malen konnte. Aber ihre Langeweile hätte sie damit überdecken können. Iljani saß neben ihr und zeichnete. Sie konnte es zumindest. Sie war sogar ziemlich begabt. Bei genauerem Hinschauen fiel Kuku auf, wie gelangweilt sie in der Tat gewesen war: Iljani hatte sie eins zu eins abgezeichnet. Kuku konnte ihr Lachen nicht unterdrücken.


    „Was ist so lustig?“, fragte Iljani. „Du kannst gut zeichnen“, antwortete Kuku. „Ich musste darüber lachen, wie gelangweilt ich ausschaue.“ „Ich finde nicht, dass du gelangweilt bist“, meinte Iljani, als sie die Zeichnung betrachtete. „Eher nachdenklich. Du überlegst viel in letzter Zeit. Du bist so still. Gibt es etwas, das dir Sorgen macht?“ Kuku dachte nach. Natürlich gab es das. Zu viel beschäftigte sie. Sie vermisste ihr Heim, ihre Familie, ihre Freunde und Kollegen, sogar die hektische Arbeit, wenn sie mal etwas zu tun gehabt hatte. Andererseits wollte sie ihrer Gastfamilie helfen. Sie wollte herausfinden, was oder wer hier sein Unwesen trieb. Sie wollte die Sache in Ordnung bringen. Und sie wollte Nayu mit ihren Verwandten im Tal vereinen. Aber dafür musste sie erst warten, bis der Schnee geschmolzen war. Bis dahin war es sinnlos, ihr davon zu erzählen…


    Die Tür ging auf und Nevan schneite herein. Er schüttelte den Schnee von seinem Mantel und wandte sich an Kuku. „Du kannst jetzt das Holz holen. Der Weg ist gesichert.“ Sie schaute ihn verwundert an. „Du meinst, alleine?“ „Natürlich.“ „Hieß es nicht, ich müsse meine Ausbildung beenden, bevor ich alleine hinaus gehen darf?“ „Wer sagt denn, dass du hinaus gehst?“, sagte Nevan mit einem Lächeln.


    ***


    Hatte Nevan tatsächlich einen Tunnel durch den Schnee gegraben? Wie hoch konnte der nur liegen, dass der Durchgang nicht einbrach? Kuku starrte ungläubig durch die offene Eingangstür. Vor ihr ein Tunnel, oben und unten, links und rechts Schnee. „Komm mit, ich zeig dir den Weg! Es gibt einige Abzweigungen, die du nicht kennen musst.“ Nevan ging voran. Der Tunnel bog sich um das Haus herum, und führe schließlich geradlinig zum Holzschuppen. „Dort ist er. Einfach den Weg merken und Holz holen, wenn wir es brauchen.“ „Aber … was, wenn Sie kommen? Wir sind doch genau genommen draußen!“ „Sie werden nicht kommen. Und wenn doch, lauf einfach ins Haus. Dort bist du sicher.“


    Kuku ging in den Schuppen. „Gibt es hier kein Licht?“ „Oh, warte“, rief Nevan und lief zurück. „Das ist da hinten.“Er kletterte über die Holzscheite und verschwand in der Dunkelheit. Dann erschien ein Licht, das über den Holzstapeln schwebte. „So, das hätten wir. Von nun an solltest du auch alleine zurechtkommen. Im Tunnel sind kleine Lichter, also solltest du auch leicht zurückfinden.“ Als er sich dem Durchgang zuwandte, wurde er von Kuku aufgehalten. „Nevan, kann ich dich etwas fragen?“ „Natürlich!“ „Wann hast du deine Verwandten zum letzten Mal gesehen? Ich meine nicht Nayu, Iljani, deinen Vater oder Onkel. Ich meine die anderen Sippen.“


    Nevan wandte sich ab. Kuku konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sie hatte das Gefühl, im ginge es nicht mehr so gut. „Ich habe sie nie getroffen. Der Kontakt ist vor meiner Geburt abgebrochen.“ „Oh, das …“ „Es ist nicht so schlimm. Ich hab nie eine Bindung aufgebaut, es ist so leichter, sie nicht zu vermissen.“ Kuku konnte in seinen Augen sehen, dass er es nicht ernst meinte. „Nevan, ich kann es verstehen, wenn du es nicht vor mir zugeben willst. Aber hast du es schon irgendwem gesagt?“


    „Ich muss nichts irgendwem sagen!“ Als er merkte, dass er Kuku angeschriehen hatte, ging er eilig davon. Kuku setzte sich auf einen niedrigen Stapel und dachte nach. Er vermisste sie. Er hätte seine Familie außerhalb seiner Sippe kennenlernen sollen, doch sie waren nicht mehr in Kontakt. Das ist eine sehr lange Zeit. Zu lange. Kuku musste mit Nayu über die Briefe reden. Sie musste sich endlich dazu überwinden, egal, was sie danach erwarten würde.


    ***


    Kuku warf die Holzscheite auf den Boden, und Iljani kam, um ihr beim Schlichten zu helfen. Als sie fertig waren, brachte Nayu Kekse und Getränke zur Erfrischung. Sie setzten sich. Nun, da Nayu nicht beschäftigt war, konnte Kuku sie endlich fragen. „Nayu? Ich habe … wie soll ich das sagen … Ich weiß, dass einer deiner Verwandten im Tal lebt. Und er ist nicht allein!“ Nayus Blick wurde ernst. „Woher hast du diese Information?“ „Ich … ich habe Briefe gefunden. In einer dunklen Schreibkammer. Er ist da draußen und braucht unsere Hilfe!“ „Du hast also meine Briefe gelesen?“


    Kuku erstarrte innerlich, als Nayu aufstand. „Heißt er vielleicht Matêj? Kal Matêj?“ Kuku nickte nervös. „Hast du alle Briefe gelesen?“ Kuku nickte erneut. Nayu ging zu einem Kasten, öffnete die Türe und entnahm etwas, das sie mit zum Esstisch nahm. Sie legte es vor Kuku. „Das Amulett der Matêj-Familie. Die Briefe waren nicht ungeöffnet. Sie sind auch nicht erst kürzlich gekommen. Vor zwölf Jahren haben wir uns auf die Suche nach den Matêjs gemacht, doch keiner der ihren wurde gefunden.“


    Jetzt schämte sich Kuku so richtig, da sie wusste, dass die Einsicht in Nayus Korrespondenz keinen Nutzen gehabt hatte. „Ich verstehe, dass du neugierig warst. Ich kann nachvollziehen, dass du helfen wolltest. Doch es ist zu spät. Für uns alle.“ Sie stand auf, um das Abendmahl zuzubereiten.


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    Fortsetzung folgt...

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  • Geschichten


    Als sie so beisammensaßen, die Suppe aßen und die Wärme genossen, kam Iljani plötzlich auf die Idee, Kuku eine Frage zu stellen. „Kuku, was hast du eigentlich früher gemacht? Bevor du bei uns warst?“ Kuku dachte nach. „Viel. Doch ich kann euch einige Geschichten davon erzählen!“ Begeistert rückte Iljani näher zu Kuku und stützte ihr Kinn auf den Händen ab. Nayu holte mehr des Erdensaftes.


    „Also“, begann Kuku. „Was wollt ihr zuerst hören? Die Rückläufige Quelle? Das Huhn, das grüne Eier legte? Anjas Ausschlag?“ „Such du was aus.“ „Na gut, wenn du das so willst … Es war einmal ein kleines Fischerdorf, im Süden des Nialtals. Es lag an einem breiten Fluss, der direkt ins Meer führte. Die Fischer waren glücklich, dort, wo sie waren. [16] Doch eines Tages änderte sich alles. Eines Tages [17] geschah etwas, das ihr Leben für immer ändern sollte. Von einem Tag auf den anderen fror ihr Fluss zu – unbemerkt, mitten in der Nacht, als sie alle schliefen. Sie konnten deswegen nicht mehr aufs Meer rausfahren, um Fische zu fangen, die sie an die Inlandshändler verkaufen würden. Damit war ihre Lebensgrundlage dahin.


    Doch solange sie noch einen Funken Hoffnung hatten, gaben sie nicht auf. Denn sie hatten von Leuten gehört, denen ähnliche Ereignisse geschahen. Und sie wussten von einer Organisation, die jenen Leuten half, diese Ereignisse zu überwinden und ihr Leben wie gewohnt fortzuführen. So entsandten sie einen Boten in die nächste Stadt, die eine Zweigstelle dieser Organisation hatte. Von dort aus wurde umgehend die Heldin des Tages alarmiert: Kuku Ruz!


    Kuku fuhr mit ihren Kollegen Thyéd und Rif zum kleinen Fischerdorf. Dort packten sie die unterschiedlichsten Geräte aus: einen Wellenmesser, mit denen sie die Ursprünge paranormaler Ereignisse aufspüren konnten, Magnetresonanzkörper, mit denen sie die Umgebung vor Metaphysischen Präsenzen schützten, aber auch Runenstäbe zur genaueren Lokalisation. Den Handindikator hatte Kuku immer in der Westentasche dabei.


    Mithilfe des Wellenmessers fand Thyéd heraus, dass Eisgnome an der Einfrierung des Flusses schuld waren. Kuku ging mit den Runenstäben los, um sie aufzuspüren, Rif lief zum Wagen, um ein Fangnetz zu holen. Nicht lange dauerte es, bis Kuku sich in einem Schneesturm wiederfand. Sie musste nur noch das Epizentrum ausfindig machen, dann war der Spuk schon so gut wie vorbei.


    Und da sah sie ihn: einen Eisgnom wie aus dem Bilderbuch – kalte, dunkelblaue Haut, schneeweiße Haare und langer Bart, eingehüllt in einen hellblauen Mantel. Er starrte sie an, schritt auf sie zu, wollte sie in Eis verwandeln. Doch Kuku wusste, was zu tun war, und schlug die Runenstäbe aufeinander. Erstickende Wärme breitete sich wellenförmig um die Stäbe aus, der Eisgnom stürzte machtlos zu Boden und der Schneesturm legte sich. Bevor der Gnom sich wieder aufrichten konnte, legte sich ein Fangnetz sanft über seinen eiskalten Körper.


    Schnell fanden sie auch die anderen, sieben waren es an der Zahl. Rif stopfte sie in den Kofferraum, Thyéd packte die Geräte ein und Kuku genoss einige Minuten lang den Anblick des tauenden Flusses. Langsam aber sicher geriet er wieder in Bewegung, und die Fischerleute konnten ihrer Arbeit wieder nachgehen. ‚Wir sind ein gutes Team‘, meinte sie, als sie zu den anderen beide in den Wagen einstieg. Gemeinsam fuhren sie zurück in die Zentrale und brachten die Eisgnome ins Labor, auf dass sie untersucht werden sollten.


    Anschließend hatte Kuku frei, doch unter der Voraussetzung, jederzeit von Thyéd für einen Einsatz abgeholt zu werden. Sie beschloss, den Nachmittag mit Anja zu verbringen, die zu der Zeit den ganzen Tag gelangweilt in der Wohnung saß, weil sie kürzlich ihren Job verloren hatte. Sie lud sie ins Theater ein. Ein Stück mit Sirano Patêl würde sie sicher aus ihrem eingestaubten Zimmer locken.


    Als sie in der Eingangshalle waren, und in der langen Schlange vor der Kassa standen, wirkte Anja nervöser als sonst. ‚Warum bist du so unruhig?‘, fragte Kuku, während sie das Geld zählte. ‚Bin ich doch nicht!‘ Kuku erkannte sofort, dass ihre Freundin log. ‚Irgendwas stimmt hier nicht. Komm schon, sag es mir!‘ ‚Das kann ich nicht‘, meinte Anja, und wandte sich ab, um weg zu gehen. ‚Anja! Bleib da!‘ Doch weit kam sie nicht, da das Dach über der Eingangshalle einstürzte.


    Vor Kuku erschien eine graue, durchsichtige Gestalt. Ohne zu zögern griff sie nach ihrem Funkgerät. ‚Thyéd? Komm zum Stadttheater! Wir haben da etwas!‘ Gleich darauf ordnete sie die Evakuierung des Theaters an.“ „Was ist dann geschehen?“, wollte Iljani wissen. „Das erfährst du morgen!“ „Aber ich will es jetzt wissen!“ „Ich kann dir sagen, dass dies ein langer Tag für Kuku war, doch weitererzählen kann ich erst morgen!“ Kuku wollte eigentlich sofort weitererzählen, doch wusste sie bereits, dass Iljani zu der Zeit schon schlafen gehen musste. Widerwillig tat sie es.


    ***


    „Deine Arbeit schien sehr kinderfreundlich zu sein“, sagte Nayu, nachdem Iljani das Zimmer verlassen hatte. „Nein, das ist sie keineswegs. Ich hab die Geschichte nur für Iljani erzählt. Ich musste einiges weglassen. Der Eisgnom zum Beispiel, den ich getroffen habe, hätte mich fast zwei Finger gekostet. Den ersten zu besiegen war damals jedoch der leichteste Teil.“


    „Was genau ist denn ein Eisgnom?“ Kuku überlegte kurz. „Der ist nicht so leicht zu beschreiben wie in der Geschichte. Zum einen hat er keinen Mantel und keinen Bart, nicht einmal eine menschenähnliche Form. Sie schauen mehr aus wie schwarz-blaue Fische, nur mit Beinen statt Flossen. Man sieht es zwar seltener, doch können sie auch auf den Hinterbeinen gehen – so kamen wir zu ihrem Namen.


    Sobald sie Wasser berühren, friert es. Haut, Gewebe und Muskel können unumkehrbar in eine eisähnliche Substanz gewandelt werden, was die Begegnungen mit ihnen recht gefährlich macht. Wir haben, wenn auch mehr als in meiner Erzählung, recht wenige von ihnen angetroffen. Normalerweise sind sie in Schwärmen von Zehntausenden unterwegs, jedoch häufiger in Polarregionen.“


    „Wie habt ihr sie tatsächlich besiegt?“, fragte Nevan. „Ich weiß es nicht mehr. Es war auf jeden Fall ein harter Kampf. Rif wäre fast gestorben, Thyéd hat heute nach eine Narbe von damals. Inzwischen haben wir eine Methode, sie schnell ruhig zu stellen. Damals war das aber noch nicht so leicht.“ Eigentlich wollte Kuku nun schlafen gehen, doch Nayu und Nevan wollten mehr aus ihrer Vergangenheit wissen. Also blieb sie noch eine Weile, trank Erdsaft, aß Kekse, und erzählte ihrer Gastfamilie noch ein paar weitere Geschichten.


    °'°'°'°'°'°'°'°'°'°'
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