ZitatSir Hillard Bensson ist ein Journalist im Veganischen Commonwealth. Seit einiger Zeit erregt er Aufsehen mit scharfsichtigen Berichten über aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen im Empire. Dabei wurde er über die Grenzen hinaus berühmt, da er kein Blatt vor den Mund nimmt und ohne Beschönigungen auch kritisch berichtet. Da er dabei aber immer ganz treuer und aufrechter Bürger des Commonwealth bleibt, blieb er bislang von den Medienzirkeln unbehelligt, die ansonsten allzu kritische Berichterstattung gewöhnlich abmildern. Vielleicht hat man ihn auch schlicht übersehen, bis seine Zugriffszahlen so groß wurden, daß eine Einflußnahme unangenehm auffallen würde.
Neuerdings hat er sich vom Betreiber seines Nachrichtennetzes dazu überreden lassen, eine journalistische Reise durch den härtesten Konkurrenten des Commonwealth zu unternehmen. In Auszügen sollen hier einige Highlights seiner Exkursion festgehalten werden.
Es handelt sich hierbei um einen In-World-Flair des Parsec-Projektes, speziell im Bereich Veganisches Commonwealth und Federal Republic, welches den Charakter wohl besser wiedergibt, als trockene Abhandlungen.
Viel Spaß beim lesen.
Wie ich mich zu dieser wahnwitzigen Reise habe überreden lassen können, ist mir immer noch ein Rätsel. Vielleicht lag es an den schwinden Zugriffszahlen, vielleicht war es aber auch schlicht Ehrgeiz. Als Reiseberichterstatter sollte man sich nicht vor Herausforderungen scheuen und sei es eine Tour durch die Föderation.
Obwohl natürlich um Authentizität bemüht, gelang es nicht, den mühsamen Prozess der Genehmigung nachvollziehen. Anders, als gewöhnliche Bürger erhielt ich schon Minuten nach meiner Anfrage eine Genehmigung für die geplante Reise in den föderalen Raum. Nach meinen Informationen dauert es meist eine ganze Weile, bis sich beide Verwaltungen einig sind, Aus- und Einreisen zu genehmigen. Natürlich haben es hier Geschäftsleute wesentlich einfacher und Gildenangehörige müssen sich nicht einmal selbst darum kümmern.
Mein Bekanntheitsgrad und meine Verbindungen scheinen diesen Prozeß gehörig beschleunigt zu haben.
Über meine Reise in einem veganischen Passagierclipper habe ich schon zu anderen Gelegenheiten ausführlich berichtet, sodaß ich dies hier stillschweigend übergehe. Ich setze meinen Bericht also mit meiner Ankunft und Weiterreise im föderalen Raum fort. Meine geplante Route umfaßte alle vier Cluster der Föderation, beginnend mit Prokyon.
Am Ziel meines Clippers erwartete mich bereits mein republikanischer Kontaktmann, der sich als Frau herausstellte. Nach dem umständlichen und unbequemen Andockmanöver, man mußte dazu die Sitzplätze aufsuchen und sich festschnallen, begaben sich die Passgiere, mich eingeschlossen, durch den kurzen Schleusentunnel an Bord der republikanischen Raumstation mit dem malerischen Namen L-113.
Wir Veganer mögen räumliche Enge nicht besonders, schon gar nicht in Verbindung mit Technik. Die Beengtheit eines Schleusentunnel behagte mir also noch nie besonders. Ich war froh, die wenigen Meter hinter mich gebracht zu haben und freute mich schon auf einen geräumigen Aufenthaltsraum mit den nötigsten Annehmlichkeiten. Wie ich jedoch feststellen mußte, verfolgen Republikaner ein anderes Raumkonzept.
Am Ende des Tunnels erwartete die Reisenden ein Korridor, der nur um Weniges breiter war. Die Wände waren zudem auch nicht gefällig verkleidet und gestaltet, sondern trugen ungeniert die metallenen Eingeweide der technischen Infrastruktur zur Schau. Allerorts sah man Rohre, Leitungen und unterschiedlichste Gehäuse, welche nur die empfindlichsten Teile der Technik den Blicken entzog. Es sah unfertig aus, grobschlächtig. Mein erster Eindruck verhieß nichts Gutes für meine weitere Reise.
Mein Kontaktmann, oder besser gesagt, meine Kontaktfrau, vermochte den Eindruck auch nur bedingt aufzubessern. Die junge Frau mit eindeutig asiatischen Wurzeln erwartete mich am Eingang zu dem, was Republikaner unter einer ‚Lounge‘ verstehen. Der Raum besaß eine recht niedrige Decke, die wie der Rest mit allerlei Zeugnissen der verbauten Technik übersäht war. Wenigstens bot er in der Weite ein wenig mehr Platz, obschon dieser mit Sitzgruppen und Tischen geradezu vollgestopft war. Zwischen den Tischen und klobigen Sesseln war gerade genug Platz, sich zu zweit hindurchzuzwängen.
Eine der größten Unsitten innerhalb der Föderation ist meines Erachtens diese Angewohnheit allem und jedem ständig die Hände entgegenzustrecken und sich anzufassen. Mir graut noch immer vor diesen unerbetenen Körperkontakten, obwohl ich mich gezwungenermaßen bereits etwas daran gewöhnt habe. Im ersten Moment war ich dementsprechend entsetzt, als mein Kontakt mir freudestrahlend die Hand entgegenstreckte. Nun bin ich im Geiste der gegenseitigen Toleranz erzogen und sah mich genötigt, die gedankenlose aber zweifelsfrei freundlich gemeinte Geste zu erwidern.
Meine Gefühle müssen sich auf meinem Gesicht widergespiegelt haben, denn sie wirkte ein wenig irritiert, als sie sich als Sina Linhmiller vorstellte. Für den Rest meiner Reise durch die Föderation würde sie meine Liaison sowohl zu den offiziellen Stellen sein, als auch zur Gesellschaft und den lokalen Behörden.
Einem Bürger des Commonwealth mag diese Redundanz der Zuständigkeiten befremdlich anmuten, aber innerhalb der Föderation behalten die einzelnen Welten, ja sogar bisweilen die Regionen dort, ein hohes Maß an Selbstbestimmung. Dadurch müssen freilich häufige Durchläufe gegenseitiger Abstimmung vollzogen werden, bevor eine Bestimmung von der übergeordneten Ebene bis zur Basis vorgedrungen ist.
Natürlich erstreckt sich diese Freiheit nicht auf alle Bereiche. Auch die Republikaner erkennen, welch unüberschaubares Durcheinander sie damit produzieren und schränken die Selbstbestimmung in neuralgischen Bereichen wenigstens zum Teil wieder ein. Es bleibt ein Rätsel, wie man bei einem solchen Chaos unterschiedlichster Zuständigkeiten und Kompetenzen dem Ganzen ein Mindestmaß an Handlungsfähigkeit zu bewahren vermag, aber es scheint zu funktionieren. Das Commonwealth dagegen ist beruhigenderweise weit solider strukturiert.
Frau Linhmiller teilte mir in ihrer ersten Amtshandlung mit, daß meine nächste Etappe auf einem Militärschiff erfolgen würde. Wortreich entschuldigte sie sich für die Unannehmlichkeiten, die mir daraus entstehen mochten. Nach veganischen Maßstäben verhieß dies nichts Gutes. Militärschiffe befördern keine Passagiere, nicht mal VIPs. Das mochte auf Unruhen in der Gegend schließen lassen, oder viel wahrscheinlicher, auf Bemühungen, auf meine Berichterstattung Einfluß zu nehmen.
Meiner Liaison gegenüber behielt ich Stillschweigen über meine Befürchtungen. Ich kannte die Frau praktisch gar nicht und konnte nicht einmal Vermutungen über ihre Haltung dabei anstellen. Nach Frau Linhmillers Ausführungen würde ich ohnehin dem Kommandeur des Militärschiffes vorgestellt werden, sobald dies angedockt hatte. Die Ankunft sei bereits angekündigt und würde in Kürze erfolgen.
Sie führte mich anschließend in einen Bereich dieser überfüllten Lounge, die über eine Außenbeobachtung verfügte. Die Frage, ob ich eventuell das Andockmanöver verfolgen wollte, bejahte ich. Zum einen war ich gespannt auf das äußere Design eines republikanischen Kriegsschiffes, zum anderen wollte ich versuchen, die navigatorischen Leistungen veganischer und republikanischer Schiffsbesatzungen zu vergleichen – natürlich nur soweit mir dies als Laien möglich war.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis ein wuchtiges, stählernes Gebilde auf dem Bildschirm erschien. Das Schiff, denn um dieses mußte es sich handeln, bestand aus einer Vielzahl abgerundeter Zylinder, Wulste und Kuppeln, die in einer langgestreckten Konstruktion aneinander gesetzt waren. Es wirkte gedrungen und kompakt – ein großer Unterschied zu den geschwungenen Linien veganischer Kreuzer. Ich muß allerdings zugeben, das republikanische Schiff wirkte in seiner massigen Gestalt recht beeindruckend, wie ein zum Sprung geducktes Raubtier.
Das Schiff näherte sich also mit hoher Geschwindigkeit dem Andockring. Im Weltraum lassen sich Entfernungen bekanntlich nicht abschätzen, insbesondere da ich weder die Ausmaße des Schiffes, noch die Einstellungen der Optik kannte. Meine Schätzungen lagen für die Länge zwischen 20 und hundert Metern. Frau Linhmiller erklärte, es handele sich um einen leichten Kreuzer, die üblicherweise eine Länge von rund 85 Metern und eine Besatzung von etwa ein bis zwei Dutzend Leuten hatten.
An diesem Punkt wurde mir einmal mehr schmerzlich die technische Überlegenheit der Föderation gegenüber dem Commonwealth bewußt. Allgemein weigern sich viele Veganer schlicht, diese Tatsache zu akzeptieren, doch trotz der politischen Dominanz und dem größeren Einfluß, hat sich die Föderation von Anfang an uns gegenüber einen deutlichen technologischen Vorsprung bewahrt. Ein veganisches Schiff hätte niemals eine Chance gehabt, bei dieser Größe mit einer so geringen Besatzung auszukommen. Wahrscheinlich waren auch die Anlagen den unseren überlegen. Dafür verfügten wir aber über die notwendigen Ressourcen, größere Schiffe zu bauen und mit sie mehr Leuten zu besetzen. Ein Patt.
Mit angehaltenen Atem beobachtete ich die rasante Fahrt des leichten Kreuzers. Wenige Augenblicke vor der erwarteten Kollision schwenkte das Schiff in einer halben Drehung herum und ließ die Haupttriebwerke aufglühen. Dergestalt abgebremst vollendete es die Drehung um ein Viertel und driftete längsseits an den Andockstutzen. Ein kurzer Stoß aus seitlichen Korrekturtriebwerken dämpfte den Ruck des Aufsetzens auf ein fast unmerkliches Maß herab.
Ich war in der Tat beeindruckt, der Steuermann schien heute alle Register gezogen zu haben, um den Gast aus dem Commonwealth eine gute Willkommensshow zu liefern. Ich beschloß, mich angemessen beeindruckt zu zeigen, als ich mich von meiner Liaison an Bord führen ließ.
Mich überkam ein beklemmendes Gefühl, als wir auf der anderen Seite der Schleuse von mehreren Offizieren in Empfang genommen wurden. Waren mir zuvor schon die Korridore der Station beengt vorgekommen, erwartete mich hier eine fast erdrückende Enge. An die Schleuse schloß sich ein Raum an, dessen Decke mit nur wenig Abstand über unseren Köpfen hing – sie mochte kaum zwei Meter hoch gewesen sein. Darin hielten sich trotz des Mangels an Raum nicht weniger als fünf Uniformierte auf, je zwei an den Seiten positioniert, der fünfte vor dem gegenüberliegenden Ausgang.
Bei unserem Eintreten ertönte ein langgezogenes Pfeifen über drei Oktaven. Meines Wissens stammte diese Tradition der Streitkräfte noch aus uralter Zeit, bevor man überhaupt zu den Sternen aufgebrochen war. Jedenfalls frönten sowohl die Veganische Garde, als auch die Federal Spatial dieser Sitte, mit der besondere Gäste an Bord militärischer Einrichtungen zu begrüßen waren.
Während dieses Prozederes blieb mir ein wenig Zeit, mir die anwesenden Offiziere zu besehen. Die Uniformen wirkten recht schlicht und schmucklos im Vergleich zu unseren. Aus diversen Doks war mir bekannt, daß bei den Republikanern die Ränge und Rollen der Offiziere nicht durch farbige Schärpen und Quasten signalisiert, sondern lediglich über unscheinbare Symbole auf der Brust oder auf den flachen Schulterklappen symbolisiert wurden.
Besondere Verdienste zeigte man übrigens auch hierzulande durch kleinere oder größere Abzeichen aus Metall und kleinen, farbigen Stoffähnchen. Manche Dinge sind halt doch überall gleich.
„Herzlich willkommen an Bord der Blade, Sir Bensson“, begrüßte mich der Fünfte, der laut den mir bekannten Abzeichen der stellvertretende Kommandeur sein mußte.
„Erster Offizier Lieutenant Commander Stanton, Sir. Captain van Leuen erwartet sie in Kürze in seinem Bereitschaftsraum. Wenn Sie mir bitte folgen wollen, ich bringe sie dorthin.“
Natürlich war mir klar, daß an Bord von Kriegsschiffen kein Zivilist ohne Begleitung herumstreunen durfte. Gehorsam folgten wir also dem ersten Offizier durch enge Gänge und Rampen. Ich stellte dabei überrascht fest, daß die Schwerkraftachse nicht der Längsachse des Schiffes folgte, sondern der kurzen Querachse. Die meisten Schiffe, an deren Bord ich bisher gewesen war, richteten ihre Achse entlang der Hauptbeschleunigungsrichtung aus, um Aufwand und Energie zu sparen. Die Achse der künstlichen Schwerkraft senkrecht zur Beschleunigung zu legen setzte voraus, die resultierenden Kräfte vollständig aufzuheben und umzulenken. Republikanischer Schiffsbau schien sich darüber keinerlei Gedanken zu machen. Ich erwartete daher eine recht unangenehme Reise und hoffte, daß an Bord des nächsten, vorzugsweise zivilen Schiffes der Bequemlichkeit der Insassen mehr Beachtung geschenkt wurde.
Der Offizier Stanton geleitete uns in einen, gemessen an der bisherigen Enge, recht großzügigen Raum, der von einer umfangreichen Konsole dominiert wurde. Daneben zog eine recht bequeme Sitzgruppe die Aufmerksamkeit auf sich, in der meine Begleiterin und ich uns niederließen um zu warten. Ein paar Bilder zierten die Wände des Raumes und auf ein paar Regalen ruhten diverse Gegenstände.
In dem Raum war es still, bis auf das allgegenwärtige Brummen von Maschinen, an das sich jeder Raumreisende schnell gewöhnt und dessen Fehlen bald als weit störender und beunruhigender wahrgenommen wird. Man konnte außerdem ein leichtes Vibrieren und Zittern des Bodens spüren. Wahrscheinlich war dies auch bei den Wänden der Fall, das Mobiliar schien jedoch dagegen gedämpft zu sein, ebenso die an den Wänden montierten Regale.
Man ließ uns einige Minuten warten, bevor sich eine weitere Tür öffnete. Dem Gesetz der Logik folgend, lag dahinter die Brücke des Schiffes, über welche man uns Zivilisten wohl nicht hatte führen wollen. Wir hatten den Raum sozusagen durch die Nebentür betreten, die auf einen Korridor mündete.
Den Raum betrat nun zweifelsohne der Kommandeur, Captain van Leuen, wie uns der erste Offizier bereits verraten hatte. Der Mann war mittleren Alters, mittelgroß und mittelschlank. Es hätte dazu gepaßt, wenn er auch noch mittellanges, mittelblondes Haar gehabt hätte, doch er trug einen militärisch kurzen Schnitt und die Haarfarbe war dunkelbraun.
Er salutierte nach republikanischer Sitte, indem er seine rechte Hand kurz zur Stirn führte, eine Geste, die auf die allerälteste Traditionen von Armeen und Streitkräfte zurückging. Ich erwiderte, indem ich mich erhob und förmlich verbeugte, die Linke auf den Rücken und die Rechte vor die Brust gelegt, so wie man es bei uns lernte.
„Captain van Leuen, nehme ich an?“
Mein Gegenüber lächelte leicht und neigte zustimmend den Kopf.
„Richtig, Sir Bensson“, jetzt verbeugte er sich leicht vor mir, wandte sich an meine Begleiterin und reichte ihr die Hand, „Miss Linhmiller, ich begrüße sie beide an Bord der ‚Blade‘.“
„Vielen Dank, Herr Kommandeur“, erwiderte ich höflich, „Nicht, daß ich Ihre Gastfreundschaft nicht schätzen würde, doch ich frage mich schon, wie ich in den Genuß derselben komme.“
Mein Gegenüber setzte sich hinter die Konsole und schmunzelte leicht.
„Sie möchten wohl wissen, ob dies eine Art Kontrolle oder Einschränkung wird, habe ich Recht?“
„Nun ja, angesichts der nicht ganz entspannten Situation zwischen unseren Nationen ist diese Annahme wohl nicht von der Hand zu weisen.“
Die Mine des Kommandeurs verdüsterte sich ein wenig. Trotz des jüngst wieder bestätigten Arkturischen Friedens herrschten zwischen der Föderation und dem Commonwealth durchaus nicht unbeträchtliche Spannungen. Die Tagespolitik war voll von kleineren und größeren Steinen des Anstoßes, an denen sich die diplomatischen Gemüter entzünden konnten. Nicht zuletzt deswegen empfand ich meine geplante Reise auch als eine Art Friedensmission, die ich ungern schon an ihrem Anfang beeinträchtigt sah.
Van Leuen räusperte sich.
„Nun, Sir Bensson, sie sind sehr offen, dann will ich es ebenso halten“, er holte tief Luft, „Nein, es ist weder eine Kontrolle, noch gedenke ich auf ihre Arbeit in irgendeiner Art, außer hilfreich, Einfluß zu nehmen.“
Er sah mir wohl den Zweifel sofort an, der mich beschlich.
„Natürlich gab es, nachdem ihre Pläne bekannt wurden, Stimmen laut, die eine möglichst lückenlose Überwachung und Kontrolle forderten. Andererseits sollten wir uns vor ein wenig offener Berichterstattung nicht fürchten müssen. Ich sehe auch keinen Grund, Ihnen nicht alle Grundrechte einzuräumen, nur weil sie zufällig auf der anderen Seite einer Linie geboren sind. Bei uns herrscht Pressefreiheit. Auch, wenn es den hohen Herren nicht gefällt, die gilt für jeden Journalisten. Es ist ja nicht so, daß wir sie in unsere geheimen Kommandozentralen einladen würden.“
Die Worte des Kommandeurs entspannten mich tatsächlich und ich war in der Tat geneigt, ihm voll und ganz Glauben zu schenken. Indes war mir zu diesem Zeitpunkt eine solche Offenheit unvorstellbar. Dennoch löste sich die Atmosphäre in dem kleinen Raum zusehends.
„Das erklärt jedoch noch nicht, warum ich an Bord ihres Schiffes gekommen bin“, stellte ich noch immer zweifelnd fest.
„In der Tat und ihre Neugier soll auch befriedigt werden, Sir Bensson. Es gibt im Prinzip zwei Gründe für ihr Hiersein – nein, eigentlich sind es drei, doch dazu später“, er beugte sich vor und stützte sein Kinn auf die gefalteten Hände, „Das Auswärtige Amt hat uns – also das Militär – gebeten, einen Teil ihrer Reise durch die Föderation zu begleiten. Wir möchten ihnen damit die Gelegenheit geben, auch den militärischen Alltag hautnah mitzuerleben. Man war wohl der Meinung, wegen des hohen Werts, den sie auf Authentizität und Tiefe legen, würden sie eine solche Chance nicht ungenutzt lassen.“
Van Leuen lächelte mich gewinnend an und ich muß zugeben, daß er mich genau richtig einschätzte. Es interessierte mich brennend auch diese Seite des republikanischen Lebens zu beleuchten.
„Außerdem verspricht man sich davon gute Publicity. Die Federal Spatial kann immer Rekruten gebrauchen und ein positiver Bericht verschafft uns vielleicht ein wenig Aufmerksamkeit.“
Ich mußte lachen.
„Ich glaube kaum, daß die republikanische Armee veganische Freiwillige aufnehmen würde, selbst wenn sich welche fänden.“
Jetzt war es an dem Kommandeur, zu lachen.
„Natürlich meinen wir auch republikanische Rekruten. Mir scheint, sie haben keine Vorstellung, wie prominent sie hierzulande sind, Sir Bensson“, auf meinen verwunderten Ausruf fügte er noch hinzu: „Wir haben in der Föderation nicht nur Meinungs- und Pressefreiheit, sondern auch Informationsfreiheit. Natürlich wird ihr Journal auch hier gelesen. Sie werden feststellen, daß sie hier recht beliebt sind.“
„Und der zweite Grund?“
„Höflichkeit“, erwiderte van Leuen schlicht, „Wir sehen uns verpflichtet, ihnen den Aufenthalt im Rahmen unserer Möglichkeiten und ihrer Berichterstattung so angenehm wie möglich zu machen. Die allgemein üblichen Einreiseformalitäten lassen sich hier an Bord ein wenig beschleunigen.“
„Apropos“, wandte ich ein, „bei meinem letzten Aufenthalt in den Hyaden habe ich geschlagene zwei Tage damit zugebracht, auf die Einreisebestätigung zu warten, bis ich meinen Weg fortsetzen konnte. Was meinen Sie wie lange es diesmal dauern wird, bis wir ablegen können?“
Van Leuen lachte.
„Sir Bensson, bevor ich mich hier zu ihnen gesellte, habe ich das Ablegemanöver geleitet. Wir sind schon seit einigen Minuten auf dem Weg.“
Ich war sprachlos, sowohl über die lapidare Formlosigkeit, als auch über den Umstand, von dem Start der Blade nichts bemerkt zu haben. Ich äußerte meine Verwunderung, was dem Kapitän sichtlich schmeichelte.
„Bleibt noch der dritte und letzte Grund für ihre Anwesenheit an Bord“, der Kommandeur erhob sich, „Seit geraumer Zeit kursieren in den äußeren Sektoren Gerüchte von schemenhaften Sensorkontakten und unidentifizierten Schiffen.“, er ließ mir ein wenig Zeit, mir darauf einen Reim zu machen.
Bei den Worten ‚schemenhaft‘ durchzuckten mich beinahe unwillkürlich Bilder von getarnten Überfallschiffen der Szlachta, sogenannten Pirschern. Der Gedanke, in einem zivilen Passagierschiff einem Szlachta-Überfallkommando zu begegnen war, gelinde gesagt, äußerst beunruhigend.
„Bislang gibt es keine Berichte über Zusammenstöße, aber es erscheint mir sicherer, kein Risiko einzugehen. Die Spatial fliegt seit den ersten Berichten vermehrt Patrouillen und verstärkt allgemein ihre Präsenz in diesem Cluster, aber wir alle wissen, daß das unter Umständen nicht ausreicht.“
Unser Gespräch bekam zum Abschluß noch eine düstere Note und ich nahm mir vor, van Leuens Worte originalgetreu widerzugeben, sobald ich die Gelegenheit dazu hatte.
„Der Deckoffizier hat ihr Gepäck bereits in die VIP-Kabine gebracht, Sir Bensson. Miss Linhmiller ist bei meinem zweiten Navigator untergebracht. Sie können sich ein wenig ausruhen und frisch machen. Sobald sie sich hier ein wenig umsehen wollen, melden sie sich via Bord-Kom bei der Ordonanz. Ich muß leider trotz aller Offenheit darauf bestehen, sie nicht unbeaufsichtigt im Schiff herumwandern zu lassen.“
Ein paar Minuten später stand ich in der sogenannten VIP-Kabine. Sie war beileibe nicht geräumig, gemessen an der Platzsparsamkeit der Republikaner aber war sie großzügig bemessen. Ich hatte auch gar keine Luxuskabine erwartet und wurde auch nicht enttäuscht.
Mein Gepäck, bestehend aus zwei Koffern und zwei Reisetaschen, war ordentlich vor und auf dem Bett abgestellt worden. Eine kurze Kontrolle offenbarte zu meinem Erstaunen, daß die Föderation entweder über uns unbekannte Methoden der Durchsuchung verfügte, oder man auf eine inhaltliche Kontrolle meines Gepäcks gänzlich verzichtet hatte.
Alles in allem war ich von dem Auftakt meiner ersten Etappe im republikanischen Raum recht angetan. Ich beschloß, mich zunächst für ein oder zwei Stunden auszuruhen, bevor ich die nächsten Schritte in Angriff nehmen würde.