WB-Adventskalender 2022

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    _.:*~*:._ von Skelch I. _.:*~*:._

    [1. Türchen] - Der Baum der Zukunft


    _.:*~*:._ von Jundurg _.:*~*:._

    [2. Türchen] - Lunare Mission, Teil 1

    [3. Türchen] - Lunare Mission, Teil 2

    [4. Türchen] - Lunare Mission, Teil 3


    _.:*~*:._ von Yrda _.:*~*:._

    [5. Türchen] - Die Hex im Hühnerhaus


    _.:*~*:._ von Veria _.:*~*:._

    [6. Türchen] - Metaweltübergreifende Betrachtung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie


    _.:*~*:._ von Skelch I. _.:*~*:._

    [7. Türchen] - Der Seetangschädel


    _.:*~*:._ von Vinni _.:*~*:._

    [8. Türchen] - Der Gelbe König, Teil 1

    [9. Türchen] - Der Gelbe König, Teil 2


    _.:*~*:._ von Moordrache _.:*~*:._

    [10. Türchen] - Unherzlich willkommen, Teil 1

    [11. Türchen] - Unherzlich willkommen, Teil 2

    [12. Türchen] - Unherzlich willkommen, Teil 3

    [13. Türchen] - Unherzlich willkommen, Teil 4

    [14. Türchen] - Unherzlich willkommen, Teil 5

    [15. Türchen] - Unherzlich willkommen, Teil 6

    [16. Türchen] - Unherzlich willkommen, Teil 7


    _.:*~*:._ von Jundurg _.:*~*:._

    [17. Türchen] - A Tog im Lem vu da Gbwlrü


    _.:*~*:._ von Skelch I. _.:*~*:._

    [18. Türchen] - Die Herrin des Feuers


    _.:*~*:._ von Veria _.:*~*:._

    [19. Türchen] - Weinachtsvorbereitungen, Teil 1

    [20. Türchen] - Weinachtsvorbereitungen, Teil 2

    [21. Türchen] - Weinachtsvorbereitungen, Teil 3

    [22. Türchen] - Weinachtsvorbereitungen, Teil 4

    [23. Türchen] - Weinachtsvorbereitungen, Teil 5


    _.:*~*:._ von Silph _.:*~*:._

    [24. Türchen] - [Ohne Titel]


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    Feedback zu den Adventskalendertexten könnt ihr HIER geben. Die Texte sind wie jedes Jahr zunächst anonym, damit ihr - wenn ihr wollt - Autoren raten könnt. Wenige Tage nach Weihnachten wird aufgelöst, welcher Text von wem stammt, dann können die Autoren dort im Thread gesammelt auf das Feedback antworten.


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    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

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    Am nördlichen Rand des Innenmeeres erstreckt sich der Wald der Götter. Sein größter Teil ist nur ein dünner Streifen zwischen dem Innenmeer und dem zerklüfteten Land Grachadan, doch im Westen reicht er weiter ins Land und bis zum Lebenden Ozean und trennt Grachadan von den Teufelsbergen. Seinen Namen verdankt der Wald den vielen Göttern, die dort nicht nur angebetet werden sondern zum Teil auch tatsächlich dort leben.

    Entsprechend ist der Wald auch voll von Mythen und Märchen, die von Begegnungen mit diesen Göttern oder ihren Dienern und Wundern handeln.


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    Dieses Märchen stammt aus dem westlichen Grachadan an der Grenze zum größeren Wald der Götter. Es stammt aus einer Zeit, als die Anbetung des Hammerhais die Verehrung der örtlichen Götter schon weitestgehend verdrängt hatte (auch wenn die Existenz dieser Götter natürlich niemand anzweifeln konnte).

    Der hier vorkommende Tunnelteufel steht vermutlich stellvertretend für seine ganze Spezies, die damals als bösartig und verlogen gesehen wurde. Es handelt sich dabei um eine der kleineren Trollarten der Teufelsberge, die sich außerdem durch kleine Hörner und kurzes rotes Fell auszeichnet.


    Aber lasst uns beginnen.


    Es war einmal ein Tunnelteufel, der hasste die Hainacht.

    Er hasste, dass die Leute fröhlich waren und großzügig und sich gegenseitig beschenkten. Er hasste es, wie sie ihre Grolle vergaßen und selbst ihre ärgsten Feinde freundlich grüßten. Und vor allem hasste er den Hammerhai, denn er diente selbst den alten Trollgöttern, die tief unter der Erde lebten.

    Und so ging der Tunnelteufel in den Wald und suchte den Baum der Zukunft.


    Er suchte für viele Tage, doch schließlich fand er einen großen Nadelbaum. Ein göttliches Licht schien an seiner Spitze und an seinen Zweigen wuchsen rote und goldene Kugeln, die glänzten wie poliertes Metall.

    Er wusste, das war der Baum der Zukunft. Er wusste, jede seiner Früchte stand für eine Zukunft und jede, die vom Baum fiel oder gepflückt wurde, wurde wahr.

    Der Tunnelteufel berührte eine und sie begann zu leuchten und eine stumme Szene zu zeigen.

    Halblingkinder saßen um einen Hainachtsaltar, packten Geschenke aus und lachten. Diese Kugel wollte er auf keinen Fall pflücken.

    Er berührte die nächste Kugel und entdeckte ein paar Aljanan, die andächtig Lieder sangen.

    Es ekelte ihn.

    Die nächste Zukunft schockierte ihn zutiefst. In ihr sah er einen Tunnelteufel, der, offenbar völlig ohne Hintergedanken, ein Buch in Papier einwickelte und auf einen Altar legte.

    Wie konnte er das nur tun? Hatte er das Buch wenigstens gestohlen? Das war nicht feststellbar.

    Zukunft um Zukunft enttäuschte den Teunnelteufel. Kekse backende Werkzeugdrachen, gemütlich am Kamin liegende Lauschlange, sich auf dem Markt betrinkende Maskenlöwen.

    Überall nur Glück und Frohsinn, wenigstens bis zum Kater am nächsten Morgen.

    Wenn er keine Zukunft finden würde, die ihm gefiel, dann wollte der Tunnelteufel den Baum abbrennen.

    Dann aber entdeckte er doch etwas, das ihn ansprach.

    Die Szene in dieser Kugel war anders. Sie zeigte eine Reihe von Wesen, die sich in einem Wald zu befinden schienen und dort gerade noch gefeiert hatten, als sie feststellten, dass ihr Feuer außer Kontrolle geraten war und auf mehrere Bäume übergriff.

    So stellte sich der Tunnelteufel ein gutes Fest vor.

    Entschlossen riss er an der Kugel und löste sie so von ihrem Ast.

    Er hatte aber unterschätzt, wie empfindlich die Früchte der Zukunft waren und so zerbrach die Kugel in seiner Hand.


    Der Tunnelteufel war nicht sicher, was das bedeutete. Würde diese Zukunft, da er sie ja nun gepflückt hatte, eintreten oder nicht?

    Er besah die Scherben. Jede zeigte eine Szene, jede zeigte ein Person, die vor dem lodernden Waldbrand floh und stolperte, im Schnee ausrutschte oder mit einer anderen zusammenstieß. Es war ein köstliches Spektakel.

    Und dann sah er sich selbst, der mit zunehmen besorgtem Gesichtsausdruck auf ein paar Scherben auf dem Boden blickte, nicht bemerkend, dass die Flammen ihn einschlossen. Und er begriff, dass, durch das Zerbrechen der Zukunft in so kleine Teile, diese viel schneller zur Gegenwart geworden war, als ihm lieb sein konnte.

    Erst in der Scherbe, dann auch in Wirklichkeit sah der Tunnelteufel auf und fand sich von den Flammen eingeschlossen. Doch den Baum der Zukunft, unter dem er stand, hatte das Feuer noch nicht erreicht.

    Panisch begann er, nach einer Zukunft zu suchen, die ihn retten konnte.

    Jetzt, wo er nicht mehr danach suchte, fand er Tragödien ohne Ende. Schulausflüge auf denen ein Schüler nach dem anderen einen grausigen Tod fand. Kinder fressenden Seetang. Ein wahnsinniges Frostgesicht, das Nyken vor seinen Schlitten spannte und Aljanan einfror.

    Warum, so klagte er, hatte er das alles nicht vor dem Waldbrand entdeckt?

    Aber halt, was war das? Eine gewaltige Flutwelle auf dem Lebenden Ozean, die den Wald der Götter traf und weithin überschwemmte.

    Der Tunnelteufel pflückte die Kugel und zerbrach sie. Und dann wartete er.

    Die Flammen kamen näher, während gleichzeitig die Erde zu zittern begann und ein Rauschen immer näher kam. Funken und ganze brennende Äste flogen auf den Baum der Zukunft zu und dem Troll blieb nichts anderes übrig als sie aufzuhalten und auszutreten, auch wenn er sich damit Hände und Füße verbrannte.

    Immer trockener wurde die Luft, die äußersten Spitzen des Baum der Zukunft begannen selbst schon, leicht zu rauchen, obwohl der Tunnelteufel sie mit seinem in Strömen fließenden Schweiß zu kühlen versuchte.

    Dann endlich geschah es. Erst ein Rinnsal, dann ein reißender Fluss. Um sich zu schützen klammerte sich der Tunnelteufel an den Stamm des Baumes.

    Er spürte, wie der Baum erzitterte, als die Welle ihn traf und dann sah er, wie die Kugeln fielen.

    Die Kugeln mit den fröhlichen Halblingen, den singenden Aljanan, den backenden Drachen, den saufenden Maskenlöwen.

    Die Kugeln mit den Katastrophen aber schlugen gegeneinander und zerbrachen noch am Baum ohne je gepflückt worden zu sein.

    Als die Flut sich zurückzog, hing keine einzige Frucht mehr am Baum.

    Die Scherben der Kugeln, die am Baum zerbrochen waren, zeigten kein Bild mehr. Diese Zukünfte waren verloren. Die Scherben der ersten zerbrochenen Kugel waren noch da. Wie sie zeigten konnte sich jedes der anderen vom Feuer bedrohten Wesen retten.

    Der Tunnelteufel verzweifelte. Er fasste den Plan, den Baum zu vernichten, damit es nie wieder eine Zukunft geben würde.

    Um zu brennen war er nun natürlich zu nass. Der Troll griff nach seiner Axt, doch er musste erkennen, dass sie fort war. Die Flutwelle hatte sie weggetragen.

    Erfüllt von tiefem Zorn stapfte der Tunnelteufel über den schlammigen Waldboden. Noch einmal drehte er sich zum Baum der Zukunft um.

    Und mit einer Stimme triefend von Sarkasmus rief er:

    „Frohe Hainacht!“



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    ,*_______Lunare Mission, Teil 1_______*,

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    Das temporäre Kommandozelt war nicht schwer zu finden. Es stand in einer Wüsteneinöde, umstellt von drei dunkelblauen Kakteen und einer Pflanze, die Mives überhaupt nicht einordnen konnte – sie schien einzig aus zwei riesigen zerrupften Blättern zu bestehen. An den Kakteen blinkten LEDs.


    Mives öffnete den Reißverschluss und trat ein.


    Das Zelt war geräumig genug um Platz zu bieten für einen Schreibtisch, ein Computer-Terminal und einen Schaukelstuhl. Eine graue Wölfin, die sich bis eben auf einer karierten Decke ausgeruht hatte, hob den Kopf, nickte ihr zu und verwandelte sich zurück in ihre menschliche Gestalt – die Kommandeurin, eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren.


    »Ah, Mives! Du kommst genau richtig.«, sagte sie, »Ich habe gerade die Bestätigung vom Raumhafen erhalten. Alles steht bereit.«


    »Moment, Commander. Erst einmal etwas Briefing, bitte! Ich bin doch gerade erst angekommen.«


    »Kein Problem. Mach es dir gemütlich! Tee?« Die Kommandeurin hielt eine Tasse hoch und wartete, bis diese sich mit einer angenehm duftenden Flüssigkeit befüllt hatte. »Die ist von meiner Großmutter. Eingebauter Replikator. Sehr praktisch.«


    Mives nahm die Tasse und schnüffelte vorsichtig daran. Zimt, Birne, irgendetwas Beeriges – ihre letzte Wolfsverwandlung lag schon eine Weile zurück, sonst hätte sie vielleicht ein klareres Bild von den Zutaten gehabt. Anders als die Kommandeurin bevorzugte sie es, nur zu Vollmond lykanthropisch aktiv zu werden. Wobei sie 'Vollmond' meist großzügig auslegte – immerhin hatten manche Welten gleich fünf Monde, und das wurde ihr dann zu kompliziert; da suchte sie sich dann einen aus, der hübsch aussah.


    »Also gut, worum geht es?«


    »Es geht um eine isolierte Welt, deren Bewohner*innen bislang nicht Teil unseres Netzwerkes sind, obwohl sie gar nicht weit weg von uns liegt. Sie widersetzt sich hartnäckig unseren Versuchen, sie konzeptiell einzugliedern.«


    Mives begutachtete die ausgedruckten Statistiken, die auf dem Tisch lagen. »Die Welt wurde seit Beginn unserer Aufzeichnungen nicht bereist?«


    »Jedenfalls nicht von uns. Sie gilt gemeinhin als unerreichbar. In der Schlaufe nennen sie es 'metaflach'. Ich persönlich spreche da eher von einem kritischen Lykanthropie-Defizit. Sie hat noch nicht einmal einen Mond.« Die Kommandeurin knurrte verärgert.


    »Der Mondzyklus scheint vielen von uns sowieso egal zu sein.«


    »Hmpf, whatever. Der erste Schritt wird eine Erkundungsmission sein.«


    Mives nickte. »Ich nehme an, du wirst mich nicht auf eine Mission schicken, deren Erfolgsaussichten gleich null sind. Was hat sich geändert? Hat sich die Welt bewegt?«


    »Nichts hat sich geändert, ich wollte das nur nicht auf mir sitzen lassen. Also habe ich bei meinen Kontakten im Zugvolk nachgefragt. 55 hier…« Die Kommandeurin deutete auf eine grau gekleidete Person, die in einer Ecke des Zelts im Schaukelstuhl wippte. (Mives hatte sie überhaupt nicht bemerkt.) »55 war zum Glück bereit, uns zu helfen. Sen ist eine Koryphäe für interstellares Pathfinding. Hier ist die vorläufige Route.«


    Mives nahm das Hypergament entgegen, auf dem sich ein verschwommener Planet langsam drehte, umgeben von einer Menge Zahlen und gelegentlich aufblinkenden Warnhinweisen. »Gefährlich?«


    »Ich glaube nicht. Aber es gibt keine verlässlichen Informationen. Lange Zeit hatten wir überhaupt nichts. Ohne die Hilfe von 55 und sihrem Zugriff auf die geheime Technologie des Zugvolkes würden wir immer noch im Dunkeln tappen. Jetzt haben wir wenigstens mal Koordinaten für mögliche Eintrittspunkte. Die genauen Positionen der Ankerpunkte wurden bereits in den Bordcomputer eingespielt. Du musst also nichts weiter tun, bis du den Urbit erreicht hast. Ab dort werden wir keinen Funkkontakt mehr haben, das packen nicht einmal unsere Kakteen hier.«


    »Ich soll alleine mit dem Raumschiff los?«


    »Ja, es handelt sich um eine Singleplayer-Mission, tut mir Leid. Mehr Leute mitzunehmen, würde die Ankerpunkte zu sehr belasten, und dann können wir das vergessen. Ich zähle also auf dich, Mives, dass du einen Weg runter zur Kernwelt findest.«


    »Ganz zur Kernwelt?«


    »Natürlich halten wir uns an das Standardkernweltprotokoll. Wir gehen also nahe genug heran, um Zugriff zu erhalten, aber werden die Weltenlogik nicht verletzen, und die Geschichte nicht ändern. Wir bleiben auf der Ebene der Fanfiction, sozusagen.«


    »Und was ist nun das konkrete Ziel dieser Mission?«


    »Ah, gut, dass du fragst. Nun, in erster Linie wollen wir einen reproduzierbaren Zugang finden. Wir haben die dünnste Stelle der Schale ausfindig gemacht, genannt 'Syrna' oder so ähnlich. Leider sind die Informationen über diesen Ort sehr widersprüchlich – es könnte sich um eine moderne Großstadt handeln, um eine Burg, ein Fischerdorf oder auch einen Atomraketenstützpunkt. Ein Messergebnis besagte, dass du in einem Blumentopf landen könntest, aber das halte ich ehrlich gesagt für einen Softwarefehler.«


    »Na gut. Nicht sehr hilfreich, aber wir hatten schon schlimmere Probleme. Wenigstens besteht keine Gefahr, dass uns die Welt um die Ohren fliegt.«


    »Das sicher nicht. Aber ich sollte dich auch warnen – es gibt Gerüchte, dass es eine frühere Expedition gegeben hat, die den Weg nicht mehr zurückgefunden hat… falls du es nach unten schaffst, kannst du versuchen, über die Agenten Vengichent und Darnaché etwas in Erfahrung zu bringen. Vielleicht leben sie ja noch.«


    »Okay.«


    »Und nimm doch mal die Katzenohren ab, du bist eine Werwölfin!«


    »Und ein Catgirl.«


    * * *


    Das Voidraumschiff war kleiner, als Mives erwartet hatte. Außen war es mit einem schillernden Smaragdgrün angestrichen; die Hülle bestand jedoch der Dokumentation nach fast gänzlich aus Ahornholz. Die Gusla war mit modernster Technik ausgestattet – das Computersystem, war ein wenig konfus, weil es aus mehreren SF-Universen zusammengeklaut war. Zellulosebasierte Technologie der Arborg mit einem aus Salusa Secundus importierten gestohlenen Bauteil der Gilde der Navigatoren zu ergänzen, war schon ziemlich gewagt. Neben dem Hauptantrieb, der vom Zugvolk stammte und über den es deswegen keinerlei Dokumentation gab, war noch ein Warp-Antrieb der Peritoss eingebaut, sowie drei Reservetanks befüllt mit einer großzügigigen Ladung Narrativium aus der Scheibenwelt. Damit sollte auch bei einer größeren Notlage die Rettung in letzter Sekunde garantiert sein.


    Mives atmete noch einmal tief durch, und drückte auf den großen roten Button, der mit 'START' beschriftet war. (Sie versuchte, den ebenfalls großen roten Button, der mit 'ESCAPE' beschriftet war, zu ignorieren. Schiffsdesigner hatten ihren eigenen Humor, und sie wollte nicht herausfinden, worin der Witz bestand.)


    Die Sicherheitsventile schlossen sich, und auf dem Bildschirm blinkte eine 2D-Visualisierung der Route auf – gut fünfzig blinkende Punkte, verbunden durch eine Linie, die sich bewegte wie eine Schnur, die gerade von Kindern zum Seilspringen benutzt wurde. Natürlich war das eine Vereinfachung, die kaum etwas mit der Realität zu tun hatte, die wesentlich mehr Dimensionen hatte, aber es war dennoch beruhigend, mitzuverfolgen, wie sich die Position des Schiffs langsam über den Schirm bewegte. Vermutlich existierte die Anzeige auch vor allem deshalb.


    Was immer die Hersteller als Motor eingebaut hatten, lief vollkommen geräuschlos. Jetzt hieß es warten. Mives holte aus ihrer Tasche einen leicht verschlissenen Manga und begann zu lesen.



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    Eine Computerstimme riss Mives aus ihrer Lektüre. »Attention! Wir erreichen in Kürze den letzten gesicherten Ankerpunkt. Bitte bereiten Sie sich auf manuelle Steuerung vor.«


    Es war also soweit – auch mit der besten voraus berechneten Route war es unmöglich, die unteren urbitalen Schalen von außen zu durchbrechen. Für den Rest des Weges musste sie sich auf ihren Instinkt verlassen. Ein Blick aus den Fenstern bestätigte ihr, dass sie bereits in der Kognisphäre angekommen war; wirre Träume huschten an ihr vorüber, Geistergestalten aus Rauch, sprechende Tiere, Superhelden in bunten Pyjamas, die eine oder andere Raumschlacht, zornige Götter, die mit Blitzen Tennis spielten, mutierte Wälder, ein Notizblock mit viel zuvielen Zähnen…


    »Computer, stell mir doch mal einen vernünftigen Steuerbildschirm zusammen. Da blinkt aktuell doch nur alles, das nervt.«


    »Please clarify.«


    »Und mach mal die Spracheinstellungen auf 'normal', wir sind hier nicht zuhause, wo wir einfach alles durcheinander mischen können.«


    »Bitte spezifizieren Sie den Term 'vernünftiger Steuerbildschirm'.«


    »Ich brauche eine akkurate Simulation unserer aktuellen Position, die nicht alle paar Sekunden Walzer tanzt, ein paar hübsche Buttons (Farbschema Mives-2), vollen Zugriff auf alle Triebwerke – ja, auch das Narrativium, man weiß ja nie – und mach mal die positiven Suggestionen da unten weg, da kann sich ja keiner konzentrieren.«


    Mives glaubte zu spüren, dass der Computer beleidigt war, aber er entfernte das grün blinkende ' du schaffst das wir glauben alle an dich' vom unteren Rand des Bildschirms.


    »Wenn ich alle Triebwerke sage, meine ich alle Triebwerke.«


    »Access den… Zugriff verweigert.«


    »Ach ja, Betriebsgeheimnis des Zugvolks. Na gut, da kann man wohl nichts machen. Wenigstens der Warp-Antrieb ist da.«


    Mives seufzte und wischte mit den Fingern über den Bildschirm, um die Simulation zu drehen.


    »Nee, so wird das nichts, ich hasse Touch-Screens. Da muss doch noch irgendeine Tastatur sein…«


    »In der rechten unteren Lade ist ein Joystick.«, wandte der Bordcomputer hilfreich ein.


    »Danke.«


    Wenige Momente später ging es tiefer hinein in die Weltschale. Der Blick aus den Fenstern änderte sich, und ihr Blick streifte einen Moment über ein Schlachtfeld in einer Wüste. Waren das Panzer oder Katapulte? Egal, die temporale Matrix war im Moment noch zu instabil, um sich darum Gedanken zu machen.


    Das Schiff begann bedrohlich zu ruckeln. Sie wurde mehrmals hin und her geworfen; nur mit Mühe hielt sie ihre Hände auf dem Joystick.


    »Computer! Schalt die verdammten Drama-Effekte aus! Es sieht uns niemand zu, es gibt überhaupt keinen Grund, an der Bordschwerkraft zu rütteln!«


    Für einige Momente lang wurde es still, dann begann es wieder zu ruckeln.


    »Was ist denn diesmal…«


    Die Stimme des Bordcomputers wirkte nun etwas gelangweilt, da die Drama-Effekte abgeschaltet waren. »Zugeschaltetes Narrativium wirkt sich negativ auf die Gleichförmigkeit der Bordschwerkraftsysteme aus.«


    »…«


    Mives zog einen Hebel, und die Narrativiumtanks schlossen sich wieder. Vermutlich würde es ganz ohne nicht gehen, aber sie konnte sich das ja für die untersten Schalen aufheben. War es an der Zeit, den Warp-Antrieb auszuprobieren? Ja, warum nicht.


    »Schalenhöhe 40%«, meldete der Computer und ließ einige Warnlichter aufblinken.


    Sie konzentrierte sich lieber auf ihren Joystick.


    »30%«


    »25%«


    »20%«


    »APRIL APRIL!!!«


    Mives ließ vor Schreck den Joystick fallen, und ein Ruck ging durch das Schiff. Neben ihr, lässig an die Armaturen gelehnt, stand ein Mann mit leuchtend roten Haaren und einer Clownsnase.


    »Willkommen in der Domäne des unvergleichlichsten, umwerfendsten, unvernünftigsten, unterhaltsamsten aller Götter! Mein Name ist Relapy, oder Ribble-Bongbing, oder Ragallar, oder Raral, oder Schubbeldiwubbeldiweeeeep! Nur herein, ich hatte schon so lange keinen Besuch von draußen!«


    Mives hielt ihren Instinkt, sich in eine Wölfin zu verwandeln, zurück. Wer auch immer dieser Eindringling war, er wirkte nicht wie jemand, der sich von etwas Lykanthropie beeindrucken ließ. (Außerdem mochte sie Katzen lieber als Wölfe.)


    »Computer, Route fortsetzen!«, befahl sie und griff nach dem Joystick.


    »Aber nein, wo kommen wir denn dahin.« Relapy, oder wie auch immer sein Name nun war, schnippte mit den Fingern, und die Anzeigen des Bildschirms veränderten sich.


    »Was ist das denn? Was hast du mit meinem Bildschirm gemacht?«


    »Das ist Super Donkey 2000. Zweifellos unterhaltsamer als das vorige Programm.«


    Mives starrte verstört auf den pixeligen Esel, den sie mit dem Joystick nach rechts bewegte. »Das war meine Steuerung… Computer! Standort?«


    Anstelle der Computerstimme drang Relapys Stimme aus den Lautsprechern: »Aktueller Standort: Der große Blumentopf!«


    Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Riesige Grashalme wiegten sich sanft im Wind; weit im Hintergrund ragte eine gigantische Wand aus roter Keramik auf.


    Sie schloss die Augen. Tief einatmen. Ausatmen. Augen wieder auf. Relapy thronte im Schneidersitz auf der Steuerungskonsole.


    »Ich habe mich ja schon vorgestellt, nun sag mir auch, wer du bist!«, gluckste der Gott vergnügt.


    Zeit für den Codenamen. »Agentin Meow, unterwegs zur Kernwelt Ngiana. Das war ich jedenfalls bis eben. Wo sind wir?«


    »Meow meow, meow, was für ein lustiger Name.« Relapy verwandelte sich für einen Moment in einen fetten Kater mit rotgestreiftem Fell, gähnte in ihre Richtung, und verwandelte sich zurück. »Wir sind in Ngiana, aber wir sind nicht in Ngiana. Du bist nicht am Ziel, aber das Ziel ist in dir. (Mystisch genug?) Dies ist die göttliche Domäne des Chaos, Zufalls, Glücksspiels, der Würfel, Schrauben, Nägel und der spitzen Ellenbogen.«


    »Ich dachte, Ngiana hätte keine real existierenden Götter.«


    »Sehe ich aus wie jemand, der sich an die Regeln hält?« Er zwinkerte.


    Eine Trickstergottheit. Eine bessere Verteidigung gegen Eindringlinge konnte sich eine Welt wohl kaum wünschen. Waren die verschollenen Agenten ebenfalls hierher gelangt?


    Nun, es war zu früh um aufzugeben. »Darf ich darauf hoffen, dass du mich weiterreisen lässt?«


    »Du darfst selbstverständlich hoffen. Ja, hoffe, hoffe! Hoffnung ist mein Brot und Spiel. Haha! Aber wollen wir nicht erst einmal eine Runde spielen? Ich garantiere dir, Super Donkey 2000 ist sehr unterhaltsam, und ich habe so selten Gelegenheit für den Multiplayermodus… die anderen Götter sind SO langweilig.« Mit einem Schnipsen erschien eine weitere Spielkonsole, und Relapy nahm davor Platz.


    Mives seufzte und griff nach ihrem Joystick.


    »Wenn du gewinnst, hast du einen Wunsch frei!«, verkündete Relapy.


    »Und wirst du den Wunsch auch erfüllen?«


    Mives war lieber vorsichtig bei Trickster-Göttern.


    »Ahaha! Gute Frage. Das überlege ich mir, wenn es so weit ist.«



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    'NEW HIGHSCORE!'


    Mives atmete auf. Gegen ihren Willen musste sie sich eingestehen, dass sie durchaus Spaß an Super Donkey 2000 hatte. Dabei mochte sie Equinlikes normalerweise gar nicht. Vielleicht war es auch der Stress – immerhin wusste sie ja nicht, was der Trickstergott als nächstes anfangen würde. Solange sie spielten, war erst einmal alles in Ordnung.


    »Du cheatest!« warf ihr Relapy vor – derzeit hatte er die Gestalt eines blauhäutigen Teenagers mit einer Pferdekopfmütze. Mives hatte das Gefühl, dass ihr der kulturelle Referenzpunkt fehlte, um dieses Kostüm zu verstehen.


    »Hast du nicht gesagt, dass du der Gott der Gauner und Betrüger bist?«


    »Ja, aber ich verliere gerade! Ergo: Du cheatest.«


    Mives war sich relativ sicher, dass die Kettensäge, die der Esel-Avatar des Trickstergottes in Level 29 plötzlich besessen hatte, nicht spielregelkonform erworben worden war, aber was sollte sie auch anderes von ihm erwarten.


    »Spielen wir ein anderes Spiel!«, verlangte Relapy plötzlich, »Wie wäre es mit … hmm, mal sehen, Siren s and Angels, Magnets versus Clouds… nee, das hat alles keinen guten Multiplayermodus…«


    » Dark'ness Quest?«, schlug Mives vor.


    »Ahhh, sehr gut, neue Spiele von außerhalb! Ich muss ja immer darauf warten, dass die Sterblichen da unten was erfinden. Sie haben noch nicht mal Tetris richtig hingekriegt, diese Doofies.« Er schnipste mit den Fingern, und die Konsole zeigte nun eine Teenage-Vampirin in Goth-Kleidung.


    Mives bereute den Vorschlag nach ungefähr zehn Sekunden.


    * * *


    Die Stunden waren weggeschmolzen wie Gletscher in der Sommersonne. Mives fiel es zunehmend schwerer, die Augen offen zu halten. Was würde passieren, wenn sie in Relapys Domäne einschlief? Musste sie für immer hier bleiben?


    »Genug.«, sagte sie schließlich, »Ich kann nicht mehr. Du hast gewonnen. Was passiert jetzt?«


    »Siegerehrung!«, verkündete Relapy. Mit einem Fingerschnippen erschien ein dreistufiges Podest, und drei identische Relapys lächelten unter einem Konfettischauer in eine imaginäre Kamera. »Dankeschön, Dankeschön, Dankeschön!« Alle drei Kopien hielten ihre jeweiligen Pokale in die Höhe.


    »…«, war alles, was Mives dazu anzumerken hatte.


    »Besuch ist so eine Wohltat.«, sagte Relapy; jetzt wieder in einfacher Ausfertigung und bekleidet mit einem Umhang, der aussah, als wäre er aus verbogenen Nägeln gefertigt.


    »Ich kann ja auf dem Rückweg noch einmal vorbeischauen? Aber meine Ziel ist die Kernwelt. Eine Route auskundschaften, damit weitere Missionen folgen können.«


    »Oooooh, weitere Missionen? Sag, es sind noch mehr Leute hierher unterwegs? Fantastisch!« Auf Relapys Arm blinkte jetzt eine Leuchtreklame in einer Schrift, die Mives nicht lesen konnte.


    »Ja, so weit ich weiß, wird es noch mehr Missionen geben – aber nur, wenn ich zurückkehre.«


    »Verstehe. Dann kürzen wir das ab. Rückweg! Hopp hopp!«


    »Aber dann ist meine Mission ja ein Misserfolg. Der Weg zur Kernwelt scheint durch unüberwindliche Barrieren verdeckt…«


    »Papperlapapy! Ich lasse mir was einfallen. Ein bisschen göttliche Intervention ist immer gut! Meinen Gästen soll nicht langweilig werden.«


    »Eins noch…« Mives zögerte kurz, aber wenn sie schon umdrehen musste, dann mit so viel Information als möglich. »Weißt du eventuell etwas über den Verbleib von zwei Agenten mit Namen Darnaché und Vengichent?«


    »Ja, eventuell


    »…«


    »Ob ich es weiß, ob ich es weiß… na ich weiß doch praktisch alles. Schau: Punkt 1: Ich lerne jeden Tag viele neue Dinge. Punkt 2: Ich bin unsterblich. Folglich muss ich irgendwann mal alles wissen! Aber was ist nun Zeit? Ist doch alles Illusion, alles Quatsch! Ergo bin ich allwissend.«


    »Na gut, was ist mit den Agenten?«


    »Weiß ich noch nicht! Ahahahahaha! Frag mich in fünfzig Milliarden Jahren nochmal!«


    * * *


    »Hier Agentin Meow, hört ihr mich?«


    »Aye. Wie ist der Status der Mission?«


    »Ich bin auf dem Rückweg. Es sind Komplikationen aufgetreten, welche die Weiterreise unmöglich gemacht haben. Diese Welt verfügt über ein gerissenes Verteidigungssystem.«

    »Inwiefern gerissen?«


    »Anscheinend ist eine der Schalen von den Göttern bewohnt, die in der eigentlichen Welt gar nicht existieren. Und diese blockieren die Weiterfahrt. Aber es gibt auch gute Neuigkeiten. Wir können auf die Hilfe eines Trickstergottes zähl...« Sie unterbrach sich, als ihr die Widersprüchlichkeit der Aussage bewusst wurde. »Ein Trickstergott könnte eventuell Spaß daran finden, uns durchzulassen.«


    »Hmmm. Verstehe. Trickster. Chaos. Schabernack. Das bringt mich auf einige Ideen für unser weiteres Vorgehen. Gute Arbeit, Agentin Meow.«


    »Ich halte den Kurs, und sollte in fünf Zugstunden wieder zurück sein.«


    »Aye. Ich mach uns was zu essen. Spaghetti?«


    »Yum.«



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    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

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    ,*_______Die Hex im Hühnerhaus_______*,

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    In einem finstren Wald wohnte eine arme alte Hexe, die kaum etwas zu essen hatte. Eines Tages kam ein schmutzig graues Vöglein zu ihr. Es zwitscherte ihr zu, dass sie an diesem Abend verhungern solle und es ihr zum Abschied ein Klagelied singen wolle, damit sie dabei wenigstens nicht einsam sei. Die Hexe mochte den Vogel, aber das ihr zugedachte Schicksal gefiel ihr nicht.

    Sie verließ ihre kleine Kate. Bevor sie sich aber auf die Suche nach etwas Essbarem begab, holte sie ihren Wanderstock und ihr kleines Messerchen und steckte es in ihre Tasche. So machte sie sich auf den Weg. Damit später zu ihrem geliebten Häuschen zurückfand, schnitt sie immer wieder Haarsträhnen von ihrem Kopf und hängte sie in Zweige von Bäumen oder Büschen. Die dünnen Haare waren weiß wie Schnee und sahen aus wie Spinnweben.


    So wanderte die Hexe durch den stillen Wald. Die Bäume ragten mächtig um sie herum in die Höhe und hüllten unter sich alles in Schatten. Einen Pfad gab es nicht, denn niemand war diesen Weg zuvor gegangen.

    Die schlaue Hexe jedoch fand einen Weg aus dem Wald hinaus und erblickte das Tageslicht. Es dämmerte bereits.


    Am Waldesrand stand eine Hütte, die ganz anders war, als die der Hexe. Sie näherte sich der fremden Wohnstatt. Ein süßer Duft kam von der Hütte her. Was mochte das sein? Da, auf einem Bänkchen vor dem Fenster lag ein Brett, und darauf frisch gebackene Honigkuchen, noch warm vom Ofen. Die Hexe hatte solchen Hunger, sie konnte nicht anders, als nach einem der Kuchen zu greifen. Sie biss hinein und kaute mit ihren paar Zähnen auf dem noch weichen Teig. So etwas Köstliches hatte sie noch nie geschmeckt!


    Doch da rumpelte es drinnen und die Hexe hörte Stimmen. Eine pausbäckige Frau trat aus der Hütte, nach ihr ein Kerl. Sie beide hielten Knüppel in ihren Händen und kamen bedrohlich auf die Hexe zu. „Siehste wohl, die Zeit der süßen Kuchen ist vorbei. Endlich gibt es wieder Fleisch!“


    Natürlich wussten sie nicht, dass sie eine Hexe vor sich hatten. Aber die Hexe war müde und erschöpft von ihrer Wanderung und hatte nicht die Kraft, sie zu verhexen.


    „Komm, du alte Vettel, wir sperren dich in den Hühnerstall. Wenn du dich wehrst, schlagen wir dich gleich hier tot.“


    Die Hexe ließ sich in den Stall sperren. Hühner gab es dort schon lange nicht mehr. Einzig die Gebeine einer Henne lagen vergessen in einer Ecke. Erschöpft ließ die Hexe sich auf dem Boden nieder. Den Honigkuchen hatten sie ihr gelassen. Bestimmt wollten sie sie mästen. Doch die Hexe konnte nicht anders. Sie war immer noch hungrig und aß den Kuchen auf. Dann schlief sie ein.



    Am nächsten Morgen fand die Hexe eine Schüssel mit Wasser und weitere Honigkuchen neben sich. Sie aß und trank, sammelte Kraft. Was genau die gemeinen Leute den Tag über taten, konnte sie aus dem Stall nicht erkennen. Aber die Hexe konnte hören, wie sie Holz zusammentrugen und eine Axt schärften.


    Zwei Tage ging es so – sie bekam Essen und Trinken, ansonsten ließen die Leute sie in Ruhe. Aber am Abend des zweiten Tages kam erneut der kleine graue Vogel zu ihr.

    „Wisse, ich habe mich geirrt. Aber morgen wird dich die Räbin holen.“

    Der Vogel flatterte davon.


    Die Hexe wusste genau, dass der Vogel diesmal Recht behielte, wenn sie nichts unternahm. Noch eine Nacht, dann wäre es mit ihr vorbei. Hexen spüren sowas.


    Sie wandte sich den Überbleibseln der Henne zu. Nur ein Gerippe, Schnabel und die Beinchen, sonst war nichts geblieben. Die Hexe riss sich drei weitere Haarsträhnen vom Kopf. Sie umwickelte die Beinchen und Knochen damit. Sie verknotete die feinen Haare miteinander und wob daraus ein Netz. Die Fäden spannte sie zu allen Seiten hin, bis das Gebein in der Mitte der Hütte dicht über dem Boden hing. Die Füße lagen auf der Erde.


    Die Hexe begann zu summen. Behutsam nahm sie je ein Beinchen in jede Hand und scharrte mit den Hühnerfüßen im Wechsel am Boden. Sie erinnerte die Gebeine an das, was Hühner tun. Daran, wer sie waren, zu wem sie gehörten.


    Allmählich kam Leben ins Gebein. Die Füße standen fest auf dem Boden, die Krallen gruben sich in die Erde. Und sie wuchsen und gewannen an Kraft. In Hexenhaar steckt nämlich eine geheime Macht, und die Hexe überließ sie dem Geist der Henne.


    Bald waren die Hühnerbeine so groß wie die Hexe. Und sie wollten nicht aufhören, zu wachsen. Sie stampften auf den Boden und rupften mit sich den ganzen Hühnerstall heraus, da er immer noch mit den haarigen Hexenfäden an sie gebunden war.


    Die Hexe stand nun im Freien. Sie nahm ihren Wanderstock und ging zur Tür der Hütte. Dreimal schlug sie mit ihrem Stock an die Tür.


    Von drinnen erklangen erboste Stimmen. „Wer stört unseren verdienten Schlaf?“

    Dann öffnete sich die Tür.


    Die gemeinen Leute erkannten die alte Vettel und wollten sie ergreifen. Diesmal aber war die Hexe ausgeruht. Sie blieb ganz ruhig und murmelte nicht mehr als drei Worte.


    Dann pochte sie den beiden mit ihrem Stock gegen die Stirn.


    Frau und Kerl konnten sich nicht mehr rühren. Sie brüllten vor Wut. Zugleich begannen sie zu schrumpfen. Ihre Gestalt veränderte sich. Ihre Arme verkümmerten, ihre Gesichter verformten sich und ihnen wuchs ein braunes Gefieder. Jetzt schrien sie nicht mehr. Stattdessen wiederholten sie die letzten Worte der Hexe: „Bok, bok, bok.“


    Die Hexe ließ die Hühnchen erstmal in Ruhe. Sie betrat die Hütte und sah sich um. Da, ein irdener Pott. Sie öffnete den Deckel. Wie erhofft war er mit Honigkuchen gefüllt. Die Hexe griff einen Sack aus grober Jute und füllte alle Honigkuchen dort hinein.

    Dann kehrte sie zu ihren Hühnchen zurück.


    „Kommt, ab in den Stall mit euch.“


    Mit energischem Griff packte sie beide und ging zum Stall, der schon ungeduldig mit den Füßen scharrte. Er beugte sich ein wenig herab. Die Hexe setzte die Hühner hinein, die sogleich einen Platz im Stall fanden. Sie selbst setzte sich auf die Türschwelle. Dann wies sie den Stall an, ihrer Spur zu folgen.


    So machten sie sich auf Hühnerbeinen auf den Weg. Die Hexe fand wieder nach Hause und musste dank der Honigkuchen nicht mehr hungern. Stall und Hühnchen durften bei ihr wohnen bis an ihr Lebensende.


    Und solange der graue Vogel sie nicht ein drittes Mal besucht, leben sie noch heute.



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    ,*________Metaweltübergreifende Betrachtung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie________*,

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    "Diese blöde Pandemie ...", brummte Ottbert, hievte die schwere Kiste hoch und ließ sie auf das Förderband plumpsen. "Wir kommen mit der Produktion einfach nicht nach ..."

    Hildelinde zuckte mit den Schultern und klebte den Lieferidentifikationsschein auf: Planet Erde, Sonderlieferung Herbst 2022.

    Wenigstens waren die Sonderlieferungen inzwischen nicht mehr so immens wie zu Anfang. Langsam gingen auch die regulären Lieferungen wieder halbwegs regelmäßig raus und in den Sektoren ging, jetzt, wo dafür genug Zeit da war, das Gezeter los: Warum war Planet Erde bevorzugt beliefert worden?

    Ja wegen der Pandemie natürlich! In einer Pandemie wurde eben viel Zeit gebraucht, sonst hatte man nicht genug davon, um sich zu erholen. Der Nachteil war natürlich, dass sich alles viel länger anfühlte. Wenigstens kamen die Beschwerden von den Bewohnern von Planet Erde über letzteren Sachverhalt nicht geballt in der Zeitfabrik an, da besagten Bewohnern bis auf seltene Ausnahmen gar nicht bewusst war, dass sie überhaupt beliefert wurden.

    Meistens wurden sie ja gar nicht beliefert, Planet Erde hatte seine eigene Zeit und war im Grunde nicht auf Lieferungen angewiesen. Außer eben in einer Pandemie.

    Ottbert hievte eine weitere schwere Kiste auf das Förderband, Hildelinde klebte den Lieferidentifikationsschein auf: Sektor 13, Notvorratslieferung.

    Ottberts Schwiegereltern wohnten dort. Endlich konnte er sie wieder besuchen. In Sektor 13 war letztens immer wieder die Zeit so sehr ausgegangen, sodass nur noch der Bahnverkehr am Laufen gehalten werden konnte - der musste ja, man konnte nicht einfach alle Züge des Sektorbahnverbundes und dazu noch die Züge der Weltennetzlinie U18 in Sektor 13 einfahren und dann mangels Zeit dort stehen lassen.

    "Otti?", erklang schnarrend aus dem alten Lautsprecher an der Decke. "Komm mal ins Büro."

    Da mussten die weiteren Kisten eben kurz warten. Hildelinde setzte sich auf ihren Klappstuhl und steckte ihre Pfeife an, Ottbert schlurfte zur Bürotür und schob sie auf.

    "Otti, komm rein", sagte Heinwalt, der neue Fabriksvorsteher, "da ist eine alte Bestellung, die wohl mal hinter dem Faxgerät runtergerutscht ist. Den Kunden kenne ich gar nicht, sagt dir das was?" Er streckte Ottbert einen nadelbedruckten Abriss Endlospapier entgegen.

    Ottbert kniff die Augen zusammen. "Weltenbastler. Doch, das sagt mir was. Aber die werden doch von den Sonderlieferungen auch beliefert, sind ja auf Planet Erde - reicht denen das denn nicht?"

    "Offenbar hätten sie gerne mehr Zeit für dieses ... Weltenbasteln. Was ist das überhaupt?"

    "Naja, du baust ja dein Unterwasserschloss im Aquarium."

    "Mhm, ja, und?"

    "Genauso, nur größer und metaweltübergreifender, also ohne zwangsläufig lokal materiell vorhandene Manifestation."

    "Aha", machte Heinwalt. "Jedenfalls, kannst du die Lieferung gleich machen? Wenn sich das denen schon so lang kaum ausging, sind sie damit sicher auch im Verzug und es ist sogar unsere Schuld. Am Ende werden wir noch verklagt oder so! Also zieh das vor, ja?"

    Ottbert nickte ein ordentliches Nicken von ganz hinten im Nacken bis ganz vorne an die Brust. "Jawohl, Chef, wird erledigt." Dann griff er sich den kleinen Identifikationsscheindrucker, tippte die Identifikation der Weltenbastler ein und ließ einen Identifikationsschein heraus: Planet Erde, Weltenbastler, Sondereillieferung.

    Den Schein brachte er dann Hildelinde mit, damit sie ihn auf die nächste Kiste kleben konnte.

    Also, an ihm sollte das mit der Zeit fürs Weltenbasteln definitiv nicht scheitern.

    Musste eben dieses Westeros noch etwas länger warten, dort hatte er schon öfter die Lieferungen abgezweigt, wenn irgendwo dringend etwas Zeit benötigt wurde. Ottwald glaubte nicht, dass das nennenswert Auswirkungen auf irgendetwas hatte, jedenfalls hatte er bisher nichts von irgendwelchen Problemen gehört.

    War ja nicht so, als wollte da jemand ein Buch drüber schreiben oder so.



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    Am nördlichen Rand des Innenmeeres erstreckt sich der Wald der Götter. Sein größter Teil ist nur ein dünner Streifen zwischen dem Innenmeer und dem zerklüfteten Land Grachadan, doch im Westen reicht er weiter ins Land und bis zum Lebenden Ozean und trennt Grachadan von den Teufelsbergen. Seinen Namen verdankt der Wald den vielen Göttern, die dort nicht nur angebetet werden sondern zum Teil auch tatsächlich dort leben.

    Entsprechend ist der Wald auch voll von Mythen und Märchen, die von Begegnungen mit diesen Göttern oder ihren Dienern und Wundern handeln.


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    ,*________Der Seetangschädel________*,

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    Dieses Märchen ist etwas jünger. Es spielt zu einer Zeit, als das Küstendorf Schaliik zwischen dem Wald der Götter und dem Lebenden Ozean schon das Ziel vieler Reisender war und die Jahreszeit des Todes nicht mehr als solche galt, da Eis und Schnee zumindest für diesen reichen Ort keine Bedrohung mehr waren.

    Das Frostgesicht, einstiger Bote des Todes, war hier bereits endgültig ein freundlicher Geschenkebringer zum Anlass der Hainacht.



    Es begab sich vor gar nicht so langer Zeit, dass wieder einmal das Hainachtsfest in Schaliik anstand. Alle Kinder, Einheimische und Touristen, freuten sich auf den riesigen bunt geschmückten Altar (auch weil unter den eine unglaubliche Menge von Geschenken – vorwiegend aus den zahlreichen Souvenirläden – passte), die hainachtlich dekorierten Häuser und den Besuch des geheimnisvollen Frostgesichts mit dem Schlitten, von dem die Blutkrallen steif und fest behaupteten, es sei ihr alter Kriegsgott Wutena, der im Ruhestand Fett angesetzt habe.

    In diesem Jahr aber, ereignete sich eine unvorhergesehen Krise. Der Sprecher des Touristikverbandes von Schaliik, ein Zkeiih, wie die ursprünglichen Gründer des Dorfe, fasste das Problem zusammen wie folgt:

    „Sehr geehrte Besucher aus ganz Kainomaz und darüber hinaus. Es tut uns außerordentlich leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass es dieses Jahr entgegen früherer Ankündigungen keinen Hainachtsaltar geben wird. Wie unsere Fischereibehörde erst gestern Abend mitteilte, befindet sich im von Schaliik kontrollierten Teil des Meeres nicht genug Seetang, um ihn zu schmücken. Und Sie werden verstehen, dass wir uns nicht weiter auf den Lebenden Ozean hinaus begeben.“

    Diese Erklärung wurde zwar von den erwachsenen Schaliikern notgedrungen akzeptiert (und begrüßt vom einzigen Imker, der Ohrenstöpsel aus Bienenwachs zum Schutz vor plärrenden Kindern verkaufte), nicht aber von den Touristen, die nicht nur mit Abreise drohten sondern größtenteils auch ihr Geld zurückverlangten.

    Und da Schaliik ohne das Geld der Touristen einfach nicht funktionierte, machte sich nun doch eine Gruppe von Fischern auf den Weg, irgendwo auf dem Meer Seetang zu finden.

    Natürlich hoffte die nur aus Zkeiih bestehende Gruppe darauf, genug Tang nicht weit entfernt der Schaliiker Küste zu finden. Doch das Meer war voll von Fischen, Booten und Vögeln aber frei von Bewuchs.

    Und so wagten sich die Zkeiih immer weiter hinaus auf den Ozean. Immer dunkler wurde das Wasser. Immer weniger Tiere fanden sich.

    Sie wollten schon aufgeben, da es von hier aus eigentlich nur schlimmer werden konnte, doch dann sahen sie unvermittelt etwas.

    Es war ein gewaltiges Seetangfloß und es hatte die Form eines Totenschädels.

    Kurz waren die Zkeiih davon beunruhigt, dann nahmen sie ihren Mut zusammen und lenkten ihr Boot mitten hinein. Sie zogen den Tang an Bord, bis das ganze Boot voll war und machten sich auf den Rückweg.

    Und so kam Schaliik auch in diesem Jahr wieder zu einem Hainachtsaltar. Jeder freute sich darüber (bis auf den Ohrstöpselhersteller) und jeder steuerte etwas zur Schmückung bei.

    Dann endlich kam der Hainachtsabend.

    Der Altar war geschmückt und beleuchtet, der Hainachtsmarkt hatte geöffnet und das Frostgesicht war bestellt.

    Alle feierten, alle freuten sich, alle gaben Geld aus. Bis jemandem auffiel, dass das Frostgesicht schon spät dran war.

    Die Stimmung sank mit jeder Minute, die es sich verspätete. Die Kinder jammerten, die Touristen drohten mit Klagen, der Ohrstöpselverkäufer grinste innerlich und die Maskenlöwen und Blutkrallen zerlegten betrunken den Gebäckstand, auch wenn letzteres nichts mit dem verspäteten Frostgesicht zu tun hatte.

    Schließlich mussten die ersten Kinder ins Bett, dann weitere und schließlich auch die letzten. Und als die große Kuckucksuhr Mitternacht schrie, entschieden auch die Erwachsenen, sich hinzulegen.

    Und doch, im Schein der festlichen Beleuchtung glaubten die Fischer, wieder den Totenschädel im Seetang am Altar zu sehen. Doch schon nach einem Moment war er verschwunden. Sicher nur eine optische Täuschung.

    Wie groß war die Freude am nächsten Morgen, als alle Geschenke wunderschön verpackt unter dem Altar bereit lagen.

    Die Erwachsenen atmeten erleichtert auf, er war doch noch gekommen und hatte alles vorbereitet. Die Kinder jubelten und stürzten sich auf die Pakete, die alle genauestens mit schön geschriebenen Namen versehen waren, damit es nur ja keine Verwechslungen geben konnte.

    Und jedes der Kinder bekam zu seiner Überraschung (und der seiner Eltern) genau das, was es sich gewünscht hatte – bis auf die Zahnlarve, die sich die Weltherrschaft gewünscht hatte, die bekam einen Globus.

    Die Fischer sahen den fröhlichen Kindern zu, die mit ihren neuen Besitztümern spielten (oder, in einem Fall, sie wütend in die Ecke warfen und Rache am Frostgesicht ankündigten), als sie hörten, wie sich von hinten jemand näherte.

    Da war ein dicker Mann mit einem Gesicht aus Frostblumen und Eiszapfen. Er nahm die Maske ab und sprach: „Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme. Ich hatte einen Unfall mit dem Schlitten, leider sind einige der Geschenke verloren gegangen.“

    Verwirrt sah einer der Fischer wieder zum Altar. Und wieder sah er den Totenschädel.

    Und dann kroch der Seetang hinunter vom Altar, schlang sich um die Kinder und erwürgte sie alle.

    Nein, nur ein Scherz. Dazu war ihm von dem kitschigen Schluss natürlich viel zu übel.



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    In einer Zeit, als es noch Zauberei gab im Land, war da ein Mann, der sich der Farbzauberei verschrieben hatte. Martram war sein Name, und schon von Kindheit an hatte er einen Sinn für Pflanzen und Farben. Als Zauberer färbte er Stoffe, Steine, Holz, Glas, alle Materialien, die ihm die Leute brachten. Vieles davon war Handwerk, auch wenn es wie Zauberei erschien, wenn ein gelber Stoff an der Luft erst grün und dann blau wurde. Es war Handwerk und Wissen über die Wirkweise der Natur. Zur Zauberei griff er nur, wenn das Handwerk nicht ausreichte. So hatte Martram ein gutes Auskommen und einen guten Ruf. Er hatte sich eine Werkstatt eingerichtet und ein Labor. Und er hatte auch eine liebe Frau gefunden, die ihm ein Töchterchen geschenkt hatte als Krönung ihres Glücks. Drei Jahre zählte die Kleine nun schon und war die Freude ihrer Eltern. Sie brachte die Mutter zum Lachen, sie wirbelte durch die Werkstatt ihres Vaters. Überall war Frohsinn und Glück.


    Immer suchte Martram, seine Kunst zu vervollkommnen. Er erprobte die Wirkweise von Wurzeln und Rinden und Beeren. Er zerrieb Steine und Erden. Und er hantierte mit Kristallen und Prismen, die das Licht brachen zu wundersam flirrenden Regenbogen. Stunden konnte er damit zubringen, in die bunten Lichter zu schauen und nach neuen Farben zu suchen. So manches Mal waren die Farben fast greifbar, wie ein Raum hinter der wirklichen Welt. Und dann war Martram, als werde sein Blick erwidert, als werde er beobachtet, so wie er selbst das Licht und das Leuchten studierte.


    Eines Tages wurde sein Blick schließlich festgehalten bei seinen Versuchen. Licht flirrte vielfarbig durch die Kristalle, dann war da ein gelbes Gesicht und eine Stimme, die sagte „Komm!“ Es war keine Bitte, es war ein Befehl.


    Alle Farben verschwammen vor Martrams Augen, es wirbelte um ihn her. Dann wurde es schwarz und als er die Augen wieder öffnete, da stand er in einem hellgelben Raum. Durch ein Fenster sah er auf einen Garten mit roten und blauen und lila Bäumen. Nicht die Blüten waren farbig, alles war rot und blau und lila, jeder Ast und jeder Zweig. Und der Himmel über darüber, der war grün.


    „Willkommen“, sagte eine Stimme.


    Martram fuhr herum. Da stand ein Mann, gelb an Haut und Haar und Kleidung. Keine andere Farbe war an ihm, alles war gelb, kräftig leuchtend wie die Blüten der Butterblumen. Der Mann musterte ihn mit Interesse. „Willkommen im Königreich der Farben“, sagte er schließlich. „Ich bin der Gelbe Prinz, und ich habe dich gerufen, weil ich weiß, dass dein Herz für alle Farben schlägt.“


    Martram verbeugte sich, um Zeit zu gewinnen. Ein Prinz? Ein Königreich der Farben? Er musste träumen!


    „Ich wusste nicht, ob ich dich herbeirufen kann“, gab er der Prinz freimütig zu. „Ich habe dich beobachtet bisweilen, auch gesehen, dass du in das Reich der Farben schaust und doch war ich nicht sicher, dir einen Weg bieten zu können.“


    „Warum?“ fragte Martram, der seine Stimme wiedergefunden hat.


    „Das will ich dir sagen, vielleicht kannst du mir helfen.“ Er bot dem Farbzauberer einen Platz auf einem zierlichen lavendelfarbenen Stuhl. Er selbst blieb stehen, wanderte bei seiner Erklärung langsam im Zimmer auf und ab.


    „Es ist Zeit, einen Nachfolger für die Rosa Königin zu finden“, sagte er. „Der Kreis der Farben hat die Kandidaten auf vielfältige Weise geprüft. Nun sind nur noch zwei davon übrig, mein Vetter, der Rote Prinz, und ich. Uns beiden hat der hohe Kreis eine letzte Aufgabe gestellt: wir sollten einen Ratgeber finden, jemanden, der keine Farbe ist und doch die Fragen der Farben zu beantworten weiß. Es geht für uns um die Weisheit der richtigen Wahl – und natürlich darum, dass der Ratgeber auch richtige Antworten findet.“


    Er blieb stehen und schaute Martram an. „Ich möchte, dass du dieser Ratgeber für mich bist. Du sollst mit mir vor den Kreis treten und drei Fragen beantworten im Wettstreit mit demjenigen, den mein Vetter als Ratgeber erwählt.“


    „Aber ich kenne mich nicht aus in diesem Königreich.“


    „So soll es auch sein.“


    „Ich würde Euch gerne helfen“, antwortete Martram, „aber ich weiß nicht, ob ich von Nutzen bin. Ob es gut ist, mich hier einzumischen.“ Er kannte keine Prinzen, weder gelb noch rot, was war es an ihm, einem zur Krone zu verhelfen? Falls er das konnte überhaupt. Martram hob hilflos die Hände. „Was wird geschehen, wenn ich mich blamiere… und Euch?“


    Der Gelbe Prinz zuckte leichthin mit den Schultern. „Dann wird der Rote Prinz König und entscheiden, was weiter geschieht.“


    „Und wenn ich alles richtigmache?“


    Es zuckte wie Heiterkeit um die Mundwinkel des gelben Mannes. „Dann werde ich der Gelbe König sein und entscheiden. Ich werde deine Hilfe nicht vergessen.“


    „Nun wohl, so soll es sein.“ Martram erhob sich und reichte dem Prinzen die Hand. „Ich will tun, was ich kann.“


    Der Gelbe Prinz erwiderte die Geste mit festem Händedruck. „Dann los, der Kreis der Farben wartet.“


    „Jetzt? Sofort?“


    „Natürlich jetzt! Ich bin froh, dass ich dich rechtzeitig rufen konnte.“


    Damit öffnete der Gelbe Prinz die Tür und trieb Martram hinaus. Es ging durch einen hellgrünen Flur, ein oranges Treppenhaus, an violetten Wachleuten vorbei in einen großen Saal, der in breiten Streifen die Farben des Regenbogens zeigte. Dort hatte sich bereits eine Gruppe Farben versammelt. Das musste der hohe Kreis sein. Dann war da noch eine Menge buntes Volk, das wohl zuschauen wollte bei der Prüfung. Und ein roter Mann, der der Vetter des Prinzen sein mochte. Er stand vor dem Kreis der Farben, auf einem hohen Hocker neben ihm saß ein großes plumpes Tier mit hervorquellenden Augen. Ein riesiger Frosch vielleicht? Martram hatte keine jedoch Zeit zur Betrachtung. Er blieb neben dem Gelben Prinzen stehen und verbeugte sich, als der sich verbeugte.


    Eine hellblaue Dame löste sich aus dem Kreis der Farben. Sie neigte den Kopf vor den beiden Prinzen. „Ich bin die Himmelblaue Herzogin“, stellte sie sich dann für die Gäste vor. „Ihr Prinzen, wer soll euer Ratgeber sein?“


    Der Rote Prinz verneigte sich. „Ich bringe euch die Karierte Kröte, ein Geschöpf aus den Tiefen des Singenden Sumpfes. Sie ist keine Farbe und wird für mich diese Prüfung bestreiten.“


    Der Gelbe Prinz verneigte sich. „Ich bringe euch Martram, den Farbzauberer. Er ist ein Mensch.“


    Der Kreis sah staunend auf den einen wie auf den anderen, beide Ratgeber schienen gleichermaßen fremd und exotisch an diesem Ort.


    Die Himmelblaue Herzogin aber nickte nur, sie urteilte nicht, nahm nur die Auswahl zur Kenntnis. „So sei es“, sagte sie. „Es sind drei Fragen, die ihr beantworten müsst. Der Karierten Kröte sei das Wort zuerst versprochen, da der Gelbe Prinz bei der letzten Aufgabe Vorrang hatte. Seid ihr bereit?“


    Martram nickte, auch wenn er sich nicht bereit fühlte. War es gut, dass vor ihm die Kröte das Wort hatte? Und was mochten die anderen Aufgaben gewesen sein, mit denen die beiden Prinzen sich schon hatte beweisen müssen?“


    „Die erste Frage: Was ist der Ursprung der Farben?“


    „Am Anfang war ein Ei“, sagte die Karierte Kröte ohne Zögern. Sie hatte eine tiefe, wohlklingende Stimme. „Das Ei wurde befeuchtet vom Nebel der Dämmerung, gewärmt von der Sonne der ersten Tage, geschützt von den Liedern der Mitternacht. Aus dem Ei entstieg die bunte Mutter, und sie gebar aus sich selbst heraus die ersten Farben.“


    Das Volk murmelte wohlwollen, der Kreis der Farben aber nahm die Antwort ohne Urteil zur Kenntnis. Die Himmelblaue Herzogin wandte sich an Martram.


    Der hüstelte unsicher. Dann sagte er: „Der Ursprung der Farbe ist das Licht.“


    Die Himmelblaue Herzogin wandte sich nun wieder an die Karierte Kröte: „Was ist die Summe aller Farben?“


    Die Kröte antwortete: „Das Volk dieses Königreiches, jeder einzelne zählt dazu, egal, ob groß oder klein, ob hell oder dunkel.“


    Und Martram antwortete: „Die Summe aller Farben ist weiß.“


    Die Himmelblaue Herzogin nickte. Es war wieder nur Zeichen, dass sie die Antworten verstanden hatte, keine Wertung, was richtig und was besser gesagt war. Sie blickte auf den Kreis der Farben, auf das wartende Volk, schließlich auf die beiden Prinzen, deren Schicksal sich hier entscheiden mochte. Auch Martram hatte sich umgeblickt, sah Wohlwollen unter den Beobachtern, aber auch Skepsis.


    Schließlich stellte die Himmelblaue Herzogin ihre letzte Frage: „Was ist der Geschmack der Farbe Blau?“


    Die Karierte Kröte zögerte, zeigte das erste Mal etwas wie Unsicherheit. Sie klappte ihre Glubschaugen zu und wieder auf und antwortete: „Kalt. Der Geschmack ist kalt.“


    Martrams Gedanken rasten, seit er die Frage vernommen hatte. Blaue Farbe mochte nach den Dingen schmecken, aus denen sie gefertigt wurde. Viele Dinge färbten blau, Pflanzen, Steine, auch Zauber… doch darum ging es hier nicht. Dann erinnerte er sich, dass seine Tochter, die kleine, die lebhafte, stets behauptete, Farben zu schmecken, Zahlen zu riechen, Eindrücke zu mischen. Vielleicht war es nur das Spiel eines erfindungsreichen Kindes, aber es war alles, was er jetzt zu bieten hatte. „Der Geschmack der Farbe Blau ist Glockenklang.“


    Die Himmelblaue Herzogin lächelte. Sie verbeugte sich vor dem Gelben Prinzen, während unter den Zuschauern Beifall und Jubel laut wurde.


    Martram aber hörte nur ein vertrautes Lachen hinter sich. Die Farben und die Heiterkeit verschwammen vor seinen Augen. Er drehte sich um – und fand sich in seinem Labor wieder, Marai, seine liebe Kleine, stürmte lachend zur Tür herein und warf sich in seine Arme. War er einfach nur an seinem Arbeitstisch eingeschlafen und hatte alles nur geträumt?



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    - Armin Maiwald

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    ,*________Der Gelbe König, Teil 2________*,

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    Ein Jahr verging. Es war keine gute Zeit für Martram, den Farbzauberer. Im Winter erkrankte seine Frau und kein Zauber, kein Heilmittel konnte ihr helfen. Er musste zusehen, wie sie dahinsiechte und schließlich blieb ihm nur ihr Grab. Er musste sich um seine Tochter kümmern, die untröstlich war wie er selbst. Eine Tante kam ihm schließlich zu Hilfe für den Haushalt und das Kind, und Martram stürzte sich in seine Arbeit, um sich abzulenken. Von früh bis spät arbeitete er in Werkstatt und Labor. Immer besser wurde er in seiner Kunst, immer leuchtender wurden die Farben, die er zu schaffen vermochte, doch in seinem Herz blieb es trüb und finster.


    Eines nachts lag er einsam in seinem Bette und konnte lange nicht schlafen. Die Monde schienen hell, malten Schatten an die Wände, glitzerten auf dem Wasser im Krug und den geschliffenen Flächen des Glases. Mondlicht, Mondschatten, Mondfarben.


    Da war ihm wieder, als sei da ein ferner Ruf aus einer fernen Welt. Martram sträubte sich nicht. Er schloss die Augen und öffnete sie wieder und dann war er in einem grünen Raum, sanftes Grün wie junger Waldmorgen. Und wieder war da der Gelbe Prinz, der ihn gerufen hatte. Martram verbeugte sich.


    „Willkommen“, sagte der Gelbe Prinz.


    „Was ist hier geschehen?“ fragte Martram, was ihn lange beschäftigt hatte. „Wie hat der Kreis der Farben geurteilt? Was ist mit meinen Antworten und dem Wettstreit?“


    Der gelbe Mann lächelte. Er winkte Martram, ihm zu folgen und trat an einen hohen Stuhl, einen Thron vielleicht. Dort nahm er von einem weißsamtenen Kissen eine gelbe Krone und setzte sie sich aufs Haupt. „Ich bin der Gelbe König“, sagte er dabei. „Und dies ist meine Blaue Königin.“


    Eine blaue Dame trat neben den Thron, nahm des Königs Hand. Sie war jung und schön, ihr Haar und ihre Haut und ihre Kleidung waren dunkelblau wie Wetterblumen.


    Martram verbeugte sich wieder. „Dann habe ich gut geantwortet?“ Er war erleichtert. So war wenigstens dieses Abenteuer gut ausgegangen.


    „Du hast gut geantwortet“, bestätigte der Gelbe König. „Der Kreis der Farben gab mir die Krone, die Blaue Dame mir ihre Hand. Mein Vetter ist nun der Rote General und die Karierte Kröte gehört zu meinen Ratgebern. – Nur in deiner Schuld stehe ich noch, nur du hast noch keinen Lohn erhalten.“


    Martram verbeugte sich wieder. „Ich brauche keinen Lohn. Für mich ist es wertvoll genug, in dieses Reich geschaut und die Welt der Farben kennengelernt zu haben. Was ich dabei gelernt habe, kann kein Reichtum ersetzen.“


    Der Gelbe König und die Blaue Königin wechselten einen Blick. „Dann vielleicht ein Geschenk für jemand anderen, wenn du nichts möchtest? Ich will nicht dein Schuldner bleiben.“


    Martram überlegte. „Vielleicht könnt ihr meiner Tochter einen Blick in euer Reich gewähren? Sie ist so traurig ohne ihre Mutter, ihr Leben scheint ohne alle Farbe zu sein. Dabei war sie so ein fröhliches Kind und ohne ihr frohes Geplapper hätte ich die letzte Frage nicht beantworten können. Sie hat mir gesagt, wie Farben schmecken und klingen und sich anfühlen.“


    „Ich weiß“, sagte die Blaue Königin. „Ich habe dich beobachtet und ich habe dein Kind beobachtet.“ Sie lächelte. „Und ich deshalb habe meiner Mutter den Vorschlag gemacht für diese letzte Frage.“


    Martram sah sie an und plötzlich verstand er. Die Blaue Königin war die Tochter der Himmelblauen Herzogin. Der Gelbe Prinz hatte den Ratgeber ausgesucht, doch sie hatte sich mit der Frage den Gatten gewählt, der König sein sollte.


    Er sah sie an und sie lächelte wieder.


    „Dein Wunsch ist gewährt“, sagte der Gelbe König. „An deiner Stelle sei deine Tochter eingeladen für Feste und Tanz in unserem Reich. Von dir aber verabschieden wir uns nun, du musst von jetzt an in deinen eigenen Farben leben, in deiner eigenen Welt.“


    Und so geschah es.


    Martram wurde wach daheim in seinem Bett. Das Reich der Farben war für ihn nur Traum, bunt und fern und nur eine Erinnerung. Marai, seine Tochter, die fand aber einen wirklichen Weg in das Königreich der Farben. Doch was sie dort erlebte mit dem Gelben König und der Blauen Königin, das ist eine andere Geschichte.




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    ,*________Unherzlich willkommen, Teil 1________*,

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    „Hasta la vista, Nerdie!“ Kaum war nach Berrys Handzeichen hinter ihrem Rücken die Videoverbindung zur Enten­teich durch ihre Brückencrew unterbrochen und nur noch ein schwarzes Feld auf dem großen Bildschirm zu sehen, verschwand augenblicklich ihr Haigrinsen.

    Mit einer Hand rieb sie sich nachdenklich das Kinn. Ich fürchte, ich muss mir das abgewöhnen; die Grinserei tut schon seit einer halben Stunde weh, dachte sie. Ein ausgerenkter Unterkiefer mitten in einem Überfall wäre mehr als nur etwas peinlich. Oder liegt es an diesem Nervbolzen Makkaroni, weil er ständig ‚noch eine Sache‘ bespre­chen musste und mich fast aus dem Konzept gebracht hätte?

    Sie drehte sich zu ihrer Crew um. „Okáy. Kurs wie besprochen. Achtet noch eine Weile auf unsere Freunde, ob sie uns irgendwas ins Heck schicken. Wäre zwar ziemlich dumm, aber der Nerd traue ich fast alles zu …“

    Obwohl sie niemanden im Speziellen angesprochen hatte, sah einer der drei übrigen Piraten – mit kurzem grau­melier­tem Haar und mittelbrauner Hautfarbe – von seinem Bedienfeld auf und nickte. „Aye. So unwahrscheinlich ist das nicht“, sagte er. „Sie könnten versuchen, uns einen Minisender anzuheften, um immer zu wissen, wo wir uns aufhalten. Habe diese Möglichkeit schon bedacht; bis jetzt alles gut. Auch unser Shuttle ist sauber.“ Damit widmete er sich erneut seinen Instrumenten.

    „Perfekt, Jean*.“

    Schon kurz nachdem Jean Lavit sich vor einigen Jahren Berry und ihrer Crew angeschlossen hatte, war ihr klar geworden, dass sie sich auf ihn und seine Erfahrung verlassen konnte, auch wenn er mit Abstand der Älteste an Bord war – oder gerade deshalb. Ihr kam in den Sinn, dass er um sein genaues Alter stets ein Geheimnis machte; auf mindestens Mitte oder eher Ende fünfzig schätzte sie ihn. Zwar gab es auch ältere Piraten, aber die waren meist entweder Kapitän oder bereits im „Ruhestand“ – was auch bedeuten konnte, die Fäden nur noch im Hintergrund, dennoch dominant und oft unangefochten zu ziehen. Umso mehr wunderte es sie, dass er sich nicht längst selbst irgendwo zum Käpt’n gemacht hat. Wäre Jean nicht fast doppelt so alt wie ich und könnte vom Alter her als mein Vater durchgehen, könnte ich ihn – vielleicht; in einem anderen Leben? sogar attraktiv finden, ging ihr durch den Kopf, während sie ihn für einige Augenblicke beobachtete.

    Sie schritt auf die Aufzugtür zu und rückte den altertümlichen Admiralsdreispitz auf ihrem Kopf und ihre Augen­klappe zurecht. „Sag mir nur bei wirklich wichtigen Ereignissen Bescheid, Jean.“ – Erneut ein Nicken von ihm. – „Es wäre unhöflich, unseren Gast länger warten zu lassen.“ Und mit Yado hab ich ein paar Krabben zu pulen. Dann verließ sie die Brücke.


    Auf dem breiten Gang vor dem Shuttledeck sah sie mehrere Mitglieder ihrer Crew, wie sie die von der Ententeich erbeuteten Torpedos und Bots mittels Last-Hovers in Richtung Frachtraum beförderten.

    Hm, es wird langsam Zeit für moderne Zeiten hier, dachte sie, als sie einem der leise summenden Hover samt steuerndem und sie per Handzeichen grüßenden Piraten Platz machte, um ihn vorbeizulassen. Die Dinger gibt es schon lange vollautomatisiert und die würden mir ausweichen, nicht umgekehrt. Sie seufzte. Aber die und der dazugehörige Logistikcomputer kosten auch einiges

    Als der Hover an ihr vorbei war, betrat und durchquerte Berry die momentan offene, knapp zwei Meter breite und vier Meter lange Luftschleuse zum Shuttledeck. Gegenüber gab es noch eine größere Luftschleuse, die genug Platz für das Rangieren mit Frachtcontainern bot, jedoch geschlossen war. Wir müssen das altersschwache Ding unbedingt bald reparieren lassen, dachte sie seufzend mit Blick auf diese.

    Schließlich stand sie vor dem Bug des anthrazitgrauen Shuttles mit einer blutroten Zierlinie rundum auf Höhe der Tragflächen, neben dem weitere entladene Torpedos lagen, um einer nach dem anderen per Last-Hover weiter­befördert zu werden. Einem musste sie schon wieder ausweichen. Zum Glück haben wir nur fünf Hovers, sonst käme ich gar nicht vorwärts vor lauter Gegenverkehr, auch wenn die Jungs dafür eine halbe Ewigkeit brauchen; andererseits haben sie ja gerade sonst nichts zu tun.

    Sie ließ ihren Blick schweifen, fand aber nicht, wonach sie suchte. „Yado?!“, rief sie daher lauter als ihr die meisten, die sie nicht kannten, zugetraut hätten. Um sich als Piratenkapitänin durchzusetzen, half eine kräftige Stimme, weshalb sie sich diese früh in ihrer ‚Karriere‘ antrainiert hatte – und es war so manches Mal auch bitter notwendig. So wie heute, wenn sie anscheinend mal wieder ignoriert wurde.

    Gerade als sie tief einatmete, um ein zweites Mal – noch nachdrücklicher – zu rufen, erhielt sie eine gedämpfte Antwort aus dem Innern des Shuttles: „Ja, ich komm’ … huu-ahh …“, gefolgt von einem halblauten Rumpeln.

    Sie zog eine Augenbraue in die Höhe. „Dein Liebesleben interessiert mich nicht“, murmelte sie, was nur der Pirat mit einem leeren Hover hörte, der gerade an ihr vorbeikam und leise abfällig lachte.

    Kurz darauf verließ ein Mann mit dunkelbraunen Haaren das Schuttle über eine Stahltreppe nahe des Bugs, wäh­rend über die deutlich größere Rampe weiter hinten nach wie vor Torpedos entladen wurden. Er hinkte leicht, als er auf Berry zuging, und versuchte seine schmerzverzerrte Miene mit einem Lächeln zu übertünchen, was ihm nicht sonderlich gut gelang.

    „Kleiner Tipp gefällig?“, fragte sie und grinste. „Du solltest dir keinen Torpedo auf den Fuß fallen lassen.“

    „War kein Torpedo, vielmehr Yolks Klumpfuß, als wir uns gegenseitig ausweichen wollten. – Wollten!

    Sie verzog ihr Gesicht, den Schmerz mitfühlend. „Uh, weiß nicht, ob das besser ist …“

    „Na ja, zumindest explodiert Yolk nicht … normalerweise.“

    Nun stand Yado etwa einen Meter vor ihr; sie musste zu ihm noch leicht aufsehen, obwohl sie nicht klein war. Seine dünnen, langen Ohren ragten nahezu senkrecht in die Höhe und knapp eine Handbreit über den Kopf hinaus. Davon und von seiner grünlichgrauen, leicht faltigen Haut abgesehen wirkte er menschlich.

    „Wenn Yolk noch im Shuttle ist“, begann Berry, „nehme ich an, ist unser Gast Käpt’n Makkaroni auch noch da drin und nicht schon in seiner Kabine?“

    „Richtig“, bestätigte er nickend, „Tarf meinte, du würdest ihn zuerst begrüßen wollen. Und er heißt Acroni – ich glaube Alfan Acroni –, nicht Makkaroni.“

    Berry seufzte übertrieben laut. „Ich weiß selbst, dass ich das Namensgedächtnis einer Qualle habe. Brauchst es mir nicht noch aufs Krabbenbrötchen schmieren.“

    „Hah! Wer wüsste das besser als ich, den du in seinen ersten Wochen hier nur Yoda genannt hast. Als ob es so einen bescheuerten Namen geben könnte.“

    „Hey“, empörte sie sich, „irgendein geistestgestörtes Alien oder so wird bestimmt so heißen. Außerdem hab ich dir auch manchmal die Namen Soda und Sado verpasst; Letzteres war Absicht … meistens.“

    „Ach? An alle falschen Namen erinnerst du dich noch nach Jahren, aber den richtigen kennst du erst nach ein paar Wochen? Bin mir nicht sicher, wer hier geistesgestört ist.“

    Mit gerunzelter Stirn drückte sie ihm energisch einen Zeigefinger auf die Brust. „Pass auf, was du zu deinem Käpt’n sagst! Sonst schneid’ ich dir die Antennenohren kürzer.“

    „Autsch! Dann zettel ich eine Meuterei an!“

    „Versuch es! Einem Tulivuori ohne Ohren würde eh keiner folgen – mit Ohren aber genauso wenig.“

    „Werden wir dann sehen.“

    „Besser nicht, sonst muss ich dir leider den Kopf zwischen den Ohrstummeln wegschießen. Und die Sauerei an Bord kann ich echt nicht brauchen. Dafür könnte ich dich glatt nochmal umbringen. – Okáy, anderes Thema.“ Sie ließ ihren Finger sinken und rief in Richtung Shuttle: „Yolk! Bring unseren Gast raus!“ Dem folgte ein knappes „Aye“ als Antwort.

    „Was ist eigentlich mit Tarf?“, wandte sie sich erneut an Yado. „Ich hätte erwartet, dass er sich vordrängelt, als ich dich gerufen habe.“

    „Der hat sich schnell verdünnisiert, bevor das Abladen begann. Scheint unter seiner Würde zu sein.“

    „Und du? … hast natürlich wieder nichts dagegen unternommen?“

    Yado schüttelte den Kopf.

    „Wozu nochmal hab ich dir das Kommando über diesen Beutezug gegeben?“ Kurz sah sie zu Acroni und dem muskelbepackten Yolk, die bereits die Stahltreppe herabkamen, dann zu Yado. „Bleib hier in der Nähe. Wenn ich mit unserem Gast fertig bin, müssen wir reden. Und wenn ich dich erst suchen muss, schneid’ ich deine Ohren wirklich ab – nachdem ich sie dir langgezogen hab.“

    „Das erscheint mir unnötig umständlich …“

    „Längere Ohren kann ich in mehr Stücke zerschnetzeln. Jede Minute Zentimeter für Zentimeter – mehr Fun.“

    „Du oberfiese Sadistin!“

    „Ja, hier! Mein zweiter Name.“ Na ja, nur wenn es die ‚Richtigen‘ trifft, fügte sie stumm hinzu.

    „Dann nenn ich dich ab sofort Sado! Späte Rache und so …“

    „Naah, der Name ist längst für immer und ewig an dich vergeben – neben Antennenohr und einigen weiteren.“

    Kapitän Acroni, der in etwas Abstand zu den beiden stehen blieb, räusperte sich. „Interessante Namen, die Sie sich gegenseitig geben.“

    Berry stemmte wieder einmal ihre Hände in die Hüften. „Hat Ihnen niemand beigebracht, dass es unhöflich ist, anderer Leute Gespräche zu unterbrechen – oder zu belauschen?“

    „Oh? Eine gehobene Gesprächskultur hätte ich bei Piraten ehrlich gesagt nicht erwartet.“

    Mit halb zusammengekniffenem Auge musterte sie Acroni – anders als seine eher sportliche Figur zunächst ver­muten ließ, schien er etwas älter als sie selbst zu sein, wie sie anhand der beginnenden Halbglatze inmitten seiner ergrauenden blonden Haare schätzte –, bevor sie fortfuhr: „Spielen Sie Schach?“



    *französische Aussprache


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    Sichtlich überrascht über den Themenwechsel zögerte dieser mit der Antwort und blinzelte mehrmals. „Ähm, klassisch oder modern? Ich spiele beides, aber lieber modern.“

    „Naah, nur Piratenschach. Das geht so: Sobald Sie mich oder meine Crew zu häufig beleidigt haben, rufe ich ‚Schach‘, bei der dann nächsten Beleidigung folgt ‚Schachmatt‘, was bedeutet, dass ich Sie über die Planke ins All springen lasse – ohne Raumanzug, versteht sich.“

    Erneut zögerte Acroni und runzelte die Stirn. „Das Springen dürfte sich erübrigen, sobald das Luftschleusentor auch nur einen Spalt geöffnet ist. Aber …“ Er zeigte auf Berry und lächelte siegessicher. „Sie bluffen!“

    Grinsend schüttelte sie langsam den Kopf. „Das war Beleidigung Nummer zwei. Sie spielen mit dem Feuer – und Ihrem Leben. Ich gebe zu, ich bin überrascht, dass dies offenbar zu Ihren Hobbys zählt.“

    Zum ersten Mal beteiligte sich Yado an diesem Gespräch: „Glauben Sie es – oder auch nicht: Berry Rhadon blufft nie; höchstens manchmal gegenüber Freunden, zu denen Sie definitiv nicht zählen.“

    „Ich sehe darin zwar keine Beleidigung“, sagte Acroni, „aber nun gut. Wie häufig exakt ist dieses ominöse ‚zu häufig‘?“

    „Das werden Sie merken, wenn Sie von mir ‚Schach‘ hören.“

    „Das erscheint mir etwas unfair. Die Spielregeln sollten allgemein bekannt sein.“

    Berry zuckte die Schultern. „C’est la vie!“ Abermals zeigte sie ihr Haigrinsen … und bereute es sofort. Quallen­pipi, es zieht schon wieder in den Gesichtsmuskeln! Sie ließ es sich nicht anmerken … hoffte sie. „Jedes Lebewesen muss die Spielregeln des Lebens erst erlernen. Und zwar durch Erfahrung, nicht durch Frage-Antwort-Spielchen; so bleibt es besser hängen.“

    „Ihr Piratenschach ist nicht das Leben, sondern ein abstraktes Konstrukt; ebenso wie das echte Schach. Die Spiel­regeln zu kennen, ist dafür essenziell.“

    „So abstrakt ist es nicht, denn es geht ganz konkret um Ihr Leben. Und je länger wir darüber diskutieren, desto wahrscheinlicher wird es, dass ich mich erneut beleidigt fühle.“

    „Es hängt also einzig von Ihrem subjektiven Gefühl ab? Ich denke –“

    „Hoh!“ Berry hob mahnend ihre Hand mit dem Ankertattoo auf deren Rücken. „Passen Sie auf, was Sie jetzt sagen, wir bewegen uns geradewegs auf Nummer drei zu!“

    Acroni presste die Lippen zusammen und schwieg, was Berry nach einigen Sekunden mit einem zufriedenen Nicken quittierte.

    „Da dies nun geklärt ist: Käpt’n Maroni, ahoi-a und herzlich willkommen auf meiner Oriyum II! Naah, streichen Sie das ‚herzlich‘ – wir wissen beide, dass es nicht wahr ist.“

    Der ‚Gast‘ zog die Augenbrauen zusammen. „Das machen Sie mit Absicht, habe ich recht?“

    „Ich tue so gut wie nichts ‚zufällig‘; aber was meinen Sie genau?“

    „Mich stets mit falschem Namen anreden.“

    „Ach das … Tja, wer weiß das schon?“ Sie hob die Schultern, als sei sie sich keiner Schuld bewusst.

    „Zwei können das spielen; ab jetzt werde ich Sie auch anders nennen. Wie wäre es mit … Péry Rodán?“

    „Naah, das zieht bei mir nicht. Solange Sie nicht auf Beleidigungen zurückgreifen – Sie wissen schon: Piraten­schach –, ist mir shiit-egal, wie Sie mich nennen. Außerdem gibt es so einen bescheuerten Namen ziemlich sicher gar nicht. Und du hör auf zu grinsen, Soda Antennenohr!“ Der schnelle, heftige Klaps auf seinen Hinterkopf über­raschte den zusammenzuckenden Yado offensichtlich.

    Ihren leicht tadelnden und eine gewisse Genugtuung austrahlenden Blick ließ sie für einige Sekunden auf dem Tulivuori ruhen, der schweigend seinen Hinterkopf rieb. Schließlich wandte sie sich erneut an Acroni, nicht ohne dabei dann doch ein kurzes Grinsen zu zeigen. „Sie haben Ihre seltsamen Medikamente?“

    Acroni hob seine linke Hand, in der er einen Stoffbeutel hielt. „Ja, alles hier – mittlerweile zweimal kontrolliert. Und Ihr Mister Shiock wird sicherlich bestätigen, dass daran nichts seltsam ist.“

    „Das lassen Sie besser mich entscheiden.“ Sie sah Yado an. „Du hast es dir also auch nochmal angesehen?“

    Der nickte und rieb sich weiterhin den Kopf. „Ich bin zwar kein Doc, aber außer den Medikamenten konnte ich nichts Auffälliges finden, auch keine Verstecke oder Nanotech im Beutel.“

    „Okáy. Ich denke mal, Sie sind auf Ihr neues Heim für die nächste Zeit gespannt, Käpt’n?“

    Acroni lächelte leicht gequält. „Die Vorfreude hält sich in Grenzen.“

    „Wirklich?“, tat Berry überrascht. „Sie werden Ihre Meinung sicherlich ändern, wenn Sie sich in Ihrer Kabine eingelebt haben. Außerdem haben Sie sich ja freiwillig anstelle Ihrer beiden Offizierinnen gemeldet. Folgen Sie mir! Und Yolk“, wandte sie sich an diesen, „du kommst mit und passt auf, dass unser Gast sich nicht verläuft oder Dummheiten macht.“

    „Aye“, bestätigte der und drückte Acroni an der Schulter leicht vorwärts, da Berry bereits in Richtung offenem Schleusentor losmarschierte.

    Während sie die Schleuse durchquerte, sah sie kurz zurück und erkannte zufrieden, dass die beiden ihr folgten. Acroni hatte sich kurz vor dem Tor ebenfalls umgewandt und betrachtete sich das Shuttle, ohne stehen zu bleiben. Als er schließlich nach vorne sah, bemerkte sie seinen kritischen Blick.

    „Was haben Sie auszusetzen, Käpt’n?“, fragte sie und setzte ihren Weg durch den Korridor fort, als Acroni und Yolk sie eingeholt hatten.

    „Hm … ich hoffe, sie verstehen das nicht wieder als Beleidigung …“

    „Solange Sie nicht behaupten, das Shuttle oder gar mein Schiff sei hässlich oder ein Schrotthaufen, sind Sie auf der sicheren Seite … denke ich.“

    „Wie beruhigend … denke ich. Nein, aber das Shuttle erscheint mir ziemlich groß für Ihr Shuttledeck … oder das Deck zu klein, je nachdem … Links und rechts der Tragflächen ist kaum mehr als drei Meter Platz, nach oben auch nicht wesentlich mehr.“

    Berry stöhnte leise und folgte weiterhin dem Korridor. „Das haben Sie richtig erkannt. Ich bin mir sicher, dass irgendwelche Ihrer Vorschriften sowas nicht zulassen. Aber die interessieren uns zum Glück nicht. Leider können wir unser Deck nicht mal eben größer zaubern, brauchen aber so ein großes Shuttle. Aber keine Sorge, unsere Pilo­ten haben genug Übung, um ohne Crash zu starten und zu landen, wie Sie sicherlich gemerkt haben.“

    „Hmhm …“ Acroni schwieg einige Augenblicke, während die drei einen weiteren Gang durchquerten. „Kapitän Rhadon?“

    „Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ziemlich gut nerven können?“ Sie wartete einige Sekunden, er­hielt jedoch keine Antwort. „Was?!“, fragte sie dann eine Spur herrischer als beabsichtigt, ohne zurückzublicken. „Und wehe, Sie fragen jetzt alle paar Meter, ob wir bald da sind! Dann geht’s direkt zur nächsten Luftschleuse!“

    Acroni lachte auf. „Nein, sicher nicht. Mich würde nur interessieren … Dies ist die Oriyum II – was ist mit Ori­yum … Eins passiert, wenn ich fragen darf?“

    Sie haben Probleme …! Die Eins gibt es nicht.“

    „Oh? Sie meinen: nicht mehr?“

    Sie seufzte und rollte die Augen. „Naah, ich meine: hat es nie gegeben.“

    „Ähm …? Wozu dann überhaupt die Zwei im Namen?“

    „Natürlich nur, um Sie zu verwirren!“

    „Das glaube ich Ihnen nicht.“

    Abermals seufzte sie. „Das habe ich befürchtet. Aber Sie müssen ja nicht alles wissen. – Werden Sie deswegen schlaflose Nächte haben?“

    Acroni zögerte kurz. „Ich denke nicht.“

    „Gut.“ Nervbolzen! Damit war für Berry das Thema erledigt.


    Wortlos folgte der ‚Gast‘, als der sich Alfan keineswegs fühlte, der Piratenkapitänin und grübelte über deren Over­all mit Tarnfleckenmuster, da das überwiegend grau-schwarze Muster von blutroten Klecksen durchzogen war, was der Tarnfunktion komplett widersprach, die ihm andererseits auf einem Raumschiff sinnfrei erschien. Gehört ver­mutlich zu ihrem Piratenstil?

    Als er nach einigen Abzweigungen und weiteren überwiegend eintönig-stahlgrauen Korridoren die Orientierung zu verlieren drohte, blieb Berry Rhadon vor einer Tür stehen, die sich nicht wesentlich von den anderen Metall­tü­ren unterschied. Einzig das biometrische Sensorfeld zum Öffnen der Tür war rot statt wie sonst schwarz umrahmt, was nur bei drei weiteren ebenso war bei insgesamt zehn Türen in diesem Gang, wie Alfan feststellte. Als sie ihre Hand auf den Sensor legte, schob sich die Tür mit einem leisen Zischen zur Seite und Berry überließ ihm mit einer Geste der anderen Hand den Vortritt, bevor sie mit Yolk folgte.

    Er fand sich nun in einer etwa sechs Quadratmeter kleinen, stahlgrauen Kabine wieder, in der sich ein nicht über­aus bequem wirkendes Bett und ein kleiner Einbauschrank befanden sowie ein Stuhl, der fest mit dem Boden ver­bunden war und vor hundert Jahren als modern gegolten haben mochte, mit einem Tisch etwa in der Größe eines Schachbretts. An der Wand gegenüber des Bettes hing ein inaktiver Bildschirm. Eine geöffnete, halbtransparente Tür in der hinteren rechten Ecke führte in einen engen Dusch- und Toilettenraum.

    „Nett, beinahe besser als in so manchem Billighotel“, kommentierte Alfan mit leicht sarkastischem Unterton, nachdem er seinen Blick hatte schweifen lassen.

    „Was haben Sie erwartet?“, erwiderte Berry mit einem Grinsen. „Luxusausstattung wäre kaum angemessen; auf Sauna und Pool müssen Sie für einige Zeit verzichten. Andererseits: Ein Strohbett in einem feuchten Kellerloch oder einer morschen Bilge können wir auf einem Raumschiff leider nicht bieten, auch wenn es dem Klischee angemessen wäre. So gesehen haben Sie es noch ganz gut getroffen, finde ich.“

    „Hm, vielleicht. – Und ich nehme an, das da soll ich anziehen?“ Alfan deutete auf das Bett, auf dem mehrere ein­fache Shirts und eine Hose lagen, die allesamt orange-schwarz gestreift waren.

    Berry nickte. „Wie ich heute schon sagte: schön, dass wir uns so gut verstehen. Ich lass Sie nicht in Ihren Nano­tech-Klamotten rumlaufen, auch wenn Sie diese Kabine vorerst nicht verlassen werden. Das verstehen Sie sicher? Ansonsten fühlen Sie sich hier wie zu Hause. Wenn Sie nicht rumschreien und die Nachbarn nerven oder die Ein­richtung zertrümmern, werden wir bestimmt gut miteinander auskommen. Wenn Sie brav sind, bekommen Sie irgendwann auch ein, zwei Bücher, damit Sie mir nicht von Langeweile dahingerafft werden.“

    „Sie haben Bücher?“

    Mit finsterem Blick sah die Piratin ihn an. „Noch nicht, aber wir haben einen Kraken an Bord, der nach Lust und Laune wild auf eine Tastatur einhämmert. Sobald er die ersten 500 Seiten voll hat, bekommen Sie den ersten Band seines … was auch immer er schreibt. Und wenn Sie das nicht lesen und auswendig lernen, muss ich das als schwe­re Beleidigung werten.“

    Warum habe ich gefragt? Alfan seufzte auf. „Na gut, dumme Fragen verdienen sinnfreie Antworten.“

    Berry nickte und zeigte zur Nasszelle. „Dort finden Sie übrigens zehn oder mehr Zahnbürsten. Benutzen Sie gerne jeden Tag eine neue, Sie müssen nicht sparsam damit umgehen.“

    „Oh?“ Das überraschte ihn und er legte den Kopf schief. „Was ist mit dem nicht vorhandenen unangemessenen Luxus passiert?“

    Statt zu antworten, wandte sie sich mit unzufriedener Miene zum Gehen. „Ziehen Sie sich um und geben Sie Yolk Ihren Overall – heute noch!“

    Sie war noch nicht ganz zur Tür draußen, als Alfan eine Idee bekam. „Lassen Sie mich raten. Bei einem Überfall haben Sie Container erbeutet, in denen statt der erhofften teuren Güter nur tonnenweise Hygieneartikel waren?“

    Berry, die stehen geblieben war, ohne Acroni anzusehen, begann wild mit den erhobenen Armen zu wedeln. „La-lä-luu“, sang sie in falschen Tönen und setzte ihren Weg nach draußen fort, „nur der Mann im Mond höö-hört zuu.“

    „Volltreffer!“, rief er lachend der entfliehenden Piratin nach, die er für den Rest des Tages nicht wiedersehen sollte.



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    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

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    Etwa einen Tag später.

    Eiligen Schrittes betrat Berry die Brücke. Außer Jean Lavit – der sie auf die Brücke gerufen hatte, weil sie sich unbedingt etwas Seltsames ansehen müsse – und der übrigen üblichen Brückenbesatzung war auch Tarf Wador – wie immer ganz in Schwarz gekleidet – bereits anwesend und stand neben dem Kommandosessel. „Was ist los?“, forderte sie, was Jean beantwortete:

    „Wir haben ein unbekanntes Objekt registriert, das sich eigenartig verhält. Abgesehen davon fliegt es beinahe mit 98*, wenn auch nicht direkt auf uns zu, und kommt uns in etwa fünf Minuten mit knapp zwei Lichtminuten Abstand am nächsten, wenn es und wir den Kurs beibehalten; Ziel unbekannt, offenbar keines der hiesigen Ster­nen­portale.“

    Tarf wandte sich Berry zu, die nun auf der anderen Seite des Kommandosessels stand. „Ich würde es abschießen, bevor es uns angreifen kann.“

    „Haben wir ein Bild?“, ignorierte Berry dessen Vorschlag.

    Jean schüttelte den Kopf. „Bisher nichts Genaues, es hebt sich auf allen Wellenlängen kaum vom Hintergrund ab. Unsere Hypervlox-Sensoren haben Schwierigkeiten, es korrekt zu erfassen.“

    „Und wie kommst du dann darauf, dass es sich eigenartig verhält, wenn wir es nicht mal richtig sehen?“, fragte Berry stirnrunzelnd.

    „Wir konnten so viel erkennen, dass es sich offenbar bewegt, vielleicht windet, nicht starr ist, wie es ein Raum­schiff sein sollte.“ Jean drückte einen Knopf auf seiner Konsole und der große Bildschirm zeigte eine animierte Sensoraufzeichnung in Endlosschleife. Es war nur ein diffuses schwarzgraues, langgezogenes Etwas vor dem Hin­ter­grundschwarz des Alls zu erkennen, das ähnlich eines Wurms oder einer Made sich langsam zu winden schien.

    „Hm, es könnten auch Unschärfeeffekte sein …?“, überlegte Berry laut.

    Tarf zeigte auf den Bildschirm und drehte seine Hand abwechselnd nach links und rechts. „Es könnte auch um die Längsachse rotieren. Wenn es nicht ganz symmetrisch ist, kann es diesen optischen Effekt haben.“

    Während Berry sich weiterhin die Animation betrachtete, nickte sie. „Ja, guter Gedanke, wäre auch möglich. Jean, hast du die Rho- und Sigmafaktoren der Sensoren erhöht?“

    „Aye, beide um den Faktor 25. Kaum ein erkennbarer Effekt, du siehst das Ergebnis gerade auf dem Bildschirm, vorher war es praktisch genauso; aber so haben wir immerhin die Eigenbewegung – oder Rotation – bemerkt.“

    „Erhöhe beide auf 50.“

    „Aye, aber das kommt an unsere Leistungsgrenze.“ Jean tippte mehrere Befehle in seine Konsole ein und wartete einige Augenblicke auf ein Ergebnis des Computers, dann zog er die Augenbrauen zusammen. „Es hat sich defini­tiv was getan, aber ist nicht viel besser zu erkennen. Warte …“

    Er drückte erneut ein paar Tasten, dann erschien eine neue Sensoranimation auf dem Bildschirm. Sie unterschied sich von der vorherigen darin, dass das Etwas nun bräunlich und etwas wulstiger wirkte, jedoch so vage wie der Hauch eines Schattens in dichtem Nebel. Die Bewegung war nun eindeutiger und wirkte flüssig wie der Flossen­schlag eines Rochen, nur noch langsamer.

    „Sie versuchen sich vor uns zu tarnen“, meinte Tarf mit seiner stets kratzigen Stimme. „Ich bin für abschießen. Wer sich tarnt, macht das nicht ohne Grund.“

    Berry starrte mit großen Augen auf den Bildschirm. „Wenn das ein Schiff ist, heiße ich ab morgen Pippi Lang­strumpf.“

    Tarf blickte seine Kapitänin sichtlich verwirrt an. „W…wer?“

    „Ah, vergiss es. – Jean, Rhofaktor 20 und Sigma auf 100!“

    „Hatte ich unsere Leistungsgrenze erwähnt? Das frisst uns zu viel Energie.“

    Berry nickte – beinahe geistesabwesend. „Ich will wissen, was das ist. Reduzier den Antrieb. Das hier erscheint mir wichtiger.“

    Tarf schnaubte verächtlich und blickte finster drein, hielt sich aber ansonsten zurück.

    „Aye“, meldete Jean. „Antrieb auf 60 Prozent, das müsste reichen.“ Er tippte abermals Befehle in seine Konsole und wartete kurz, bevor er nochmals eine Taste drückte.

    Die neue Darstellung auf dem Bildschirm war wesentlich weniger verschwommen, stattdessen eher wie verpi­xelt. Das Objekt hob sich nun überwiegend in dunklen Graubrauntönen stärker vom Hintergrund ab und erschien recht eindeutig als schlangenförmig mit dickerer, gezackter Vorderseite, was der Bug oder Kopf sein mochte, und einem langgezogenen Wulst in der Mitte; die Eigenbewegung war wellenartig entlang der Längsachse und erinnerte noch stärker als zuvor an einen Rochen.

    „Heilige Makrele!“, entfuhr es Berry staunend.

    „Ich bin kein Experte, aber das ist ziemlich sicher keine Makrele“, erwiderte Jean.

    „Witzbolzen! Aber bildtechnisch sind wir auf dem richtigen Weg. Bring Sigma aufs maximal Mögliche. Schalte den Antrieb ab, dreh meinetwegen der Kombüse den Saft ab, wechsel zu Notbeleuchtung, mir egal. Wir brauchen nur einige Sekunden für ein besseres Bild. Danach reicht Sigma auf 100 oder 80, damit wir sicher wissen, wo das Ding ist und wohin es fliegt, was auch immer wir da vor uns haben.“

    „Sorry, Berry“, begann Jean, während er etwas auf seiner Konsole eintippte, „den Antrieb würde ich wenigstens bei zehn Prozent lassen, um den Dreystain-Rückkoppeleffekt** zu vermeiden.“

    „Okáy, du hast recht.“ Berry nickte. „Wie hoch bekommen wir Sigma damit?“

    „Als ob ich diese Frage geahnt hätte …“ Jean drückte eine letzte Taste und las ein Ergebnis des Computers ab. „Etwa 148. Viel mehr können unsere Sensoren sowieso nicht leisten, selbst wenn wir zehnmal so viel Energie hät­ten. Und Notbeleuchtung oder kalte Kombüse ist dafür nicht nötig.“

    Endlich wandte sich Berry von der Animation ab und Jean zu. „Gut, mach das so.“

    „Aye.“ Erneut gab Jean Befehle in seiner Konsole ein.

    „Ich finde immer noch, wir sollten es abschießen“, stellte Tarf klar. „Wir können hinterher nachsehen, was das war, wenn es dir so wichtig ist.“

    Sie betrachtete ihn missbilligend. „Solange wir nicht wissen, ob es sich in ein schwarzes Loch verwandelt, so­bald wir es beschießen, lassen wir das besser sein.“

    Tarf stutzte. „Wa…rum sollte es –?“

    „Okáy, das war Ironie – ein Witz.“ Sie verdrehte die Augen. „Hab’ vergessen, dass du damit nichts anfangen kannst.“

    „Und warum willst du es dann nicht abschießen? Warten, bis es uns angreift und es zu spät ist?“

    „Es fliegt ja nicht mal direkt auf uns zu.“ Sie hob eine Hand, um Tarfs Einwand, zu dem er gerade ansetzte, zu unterbinden. „Ja ja, ich weiß, was du sagen willst: ‚bis jetzt‘. Egal, wenn sich das ändert, können wir es immer noch abschießen. Bisher hat es uns vielleicht noch nicht einmal bemerkt, weil wir schneller sind als Licht.“

    „Gleich nicht mehr“, meldete Jean. „Geschwindigkeit 99 in fünf Sekunden erreicht, dann aktiviere ich die Senso­ren mit Sigmafaktor 148.“

    „Okáy.“ Sie ging um den Kommandosessel herum und setzte sich.

    „Damit bringst du uns aber erst richtig in Gefahr“, wand Tarf ein, „wenn es uns angreift, sobald es uns bemerkt.“

    „Hai-Dünnpfiff!“, schnauzte sie ihn an. „Wenn du so versessen darauf bist, es abzuschießen, dann schnapp dir einen Hand-Vlaser und einen Raumanzug und flieg zu ihm rüber, verdammt! Aber auf eigene Gefahr.“

    „Wa…? … Oh, verstehe, wieder ein Witz?“

    Berry funkelte ihn böse an und murmelte kaum hörbar: „Nicht wirklich …“

    „Es gibt Neues!“, unterbrach Jean die beiden mit Begeisterung in der Stimme. „Und was für Neues … wow!“

    „Mach’s nicht so spannend!“, forderte Berry, als im selben Moment eine neue Animation in Endlosschleife auf dem großen Bildschirm erschien.

    Zwar war das Objekt nach wie vor etwas unscharf und verpixelt, jedoch sehr viel konturenreicher und besser erkennbar. Der Bug besaß einen kantigen, dennoch schwungvollen Rand mit einer kleinen Beule vorne und eindeu­tig etwa mittig zwei leicht nach oben gebogene dünne Ausläufer. Der dickste Bereich hinter den Ausläufern münde­te im schlangen­förmigen Fortsatz, der schon zuvor halbwegs erkennbar war. Etwa mittig dieser „Schlange“ in ver­schiedenen dunklen Rottönen entpuppte sich der zuvor nur nebulös wirkende Wulst als großer, eng am Körper an­gelegter gezackter Flügel, der sich mit dem restlichen Körper wellenförmig bewegte – weiterhin passte der Ver­gleich mit einem schwimmenden Rochen. Der Blickwinkel und die verbliebene Unschärfe verhinderten einen Blick auf den zweiten Flügel auf der anderen Körperseite.

    Heiliger Grog …! Berry war vom Sessel aufgesprungen und ihr blieb mit weit aufgerissenen Augen der Mund offen stehen, nicht fähig den Blick vom Bildschirm abzuwenden. „Jean? Sag mir, dass es das ist, was ich schon vermutet, aber nicht wirklich zu glauben gewagt habe?“

    Auch die anderen Piraten auf der Brücke waren kaum in der Lage, ihre Augen von der Darstellung loszureißen, selbst Tarf war erstaunt.

    Jean nickte – es wirkte beinahe wie in Trance –, was Berry nur beiläufig im äußersten Augenwinkel wahrnahm. „Ich habe auch noch nie einen in echt gesehen, aber ja, das muss einer sein.“

    „Ein lebender Mythos“, hauchte sie noch immer leicht ungläubig, „ein Drache.“



    * 100 (ohne Maßeinheit) = Lichtgeschwindigkeit

    ** Besser nicht fragen, der Ver­fasser weiß auch nichts Genaues, er kommt ja nicht aus der Zukunft. Der Physiker Olbred Dreystain (2118–2217) hat zu diesem Effekt übrigens nichts erforscht und ihn auch nicht vorhergesagt. Weshalb dies nach ihm benannt wurde, ist völlig unklar. Vielleicht weil es sich cool und wichtig anhört?



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    „Oder genauer: Dragoner …“

    „Klugscheißer!“

    „… Heimatwelt: Drâgon“, setzte Jean seine Erläuterung fort, ohne auf Berrys Kommentar einzugehen. „Ich habe es nie wirklich glauben wollen, dass sie ohne Raumschiffe durchs All fliegen können, und das auch noch beinahe lichtschnell. Aber wir sehen den Beweis gerade vor uns. Wie sie das auch immer machen, ohne im All zu ersticken, zu erfrieren und verstrahlt zu werden … ungefähr in dieser Reihenfolge.“

    „Geht mir nicht anders“, gab Berry zu. „Aber wozu diese Wellenbewegung der Flügel und des Körpers? So kann der niemals auf fast Lichtgeschwindigkeit kommen oder diese aufrechterhalten.“

    „Keine Ahnung.“ Jean zuckte mit den Schultern.

    Die – neben Berry – einzige Frau auf der Brücke wandte sich zu den anderen um und räusperte sich. „Vielleicht zur Stabilisierung? Oder einfach damit die Muskeln nicht einrosten oder sein Blut einfriert auf seinem langen Flug? Sollen wir ihn fragen?“ Sie grinste leicht und ihre dunkelbraunen Augen blitzten schelmisch auf.

    „Hm, die letzten beiden Gründe kann ich mir sogar vorstellen, Banou, klingt einleuchtend. Aber fragen? Wie soll das gehen? An Bord lasse ich ihn sicher nicht, selbst wenn wir genug Platz hätten. Oder sie, vielleicht ist es ja eine Sie?“

    Der Letzte der Brückencrew, der bisher schweigend in seiner Arbeit vertieft war, – mit kupferroten kurzen Haa­ren und einem gestutzten Vollbart in etwas dunklerem Rotbraun – unterbrach sie: „Unser Drache hat seinen Kurs geändert. Und das laut Sensoren recht schnell. Er folgt uns jetzt. Er war bereits fast an uns vorbei, aber wir sind etwas schneller als er. Abstand gut drei Lichtminuten.“

    „Waffen aktivieren!“, befahl Tarf, zeigte fordernd auf Banou und trat zwei Schritte vor.

    „Naah! Ich hab’ das Kommando hier!“ Mit der linken Hand drängte sie Tarf ein Stück zurück auf seinen vorhe­rigen Platz, während sie mit der rechten Banou ein verneinendes Zeichen gab, die sich nach Tarfs Befehl zögernd ihrem Bedienfeld zuwenden wollte. „Wie sollte er uns ernsthaft angreifen wollen? Er hat sicher keine eingebauten Vlaser oder Torpedorohre.

    Wobi“, sprach sie nun den rothaarigen Piraten an, „reduziere unsere Geschwindigkeit so, dass der Drache uns problemlos einholen kann, halte dann einen Abstand von etwa acht Lichtsekunden ein, egal wohin er sich bewegt. Versuche einen Parallelkurs zu ihm zu halten, nicht zu weit ihm voraus. So wirken wir weder aggressiv noch ängst­lich, denke ich. Falls er sich doch aggressiv verhält, beschleunige einfach auf Slem null Komma eins fünf*.“

    „Aye.“ Damit widmete Wobi sich seinem Pilotenbedienfeld.

    „Jean“, fuhr Berry fort, „halte Sigma bei mindestens 100, wenn möglich, damit wir sein Verhalten besser beur­teilen können. Wenn der Drache bei acht Lichtsekunden Abstand ist, mach nochmal ein paar Fotos mit Sigma 148, vielleicht sehen unsere Sensoren dann mehr Details. Beobachte ihn dann weiter mit Sigma 100, falls er aggressiv wird …“

    „… und immer genug Energie für Slem 0,15 bereithalten, aye“, bestätigte er und machte sich an die Arbeit.

    „Perfekt“, kommentierte sie mit einem zufriedenen Nicken. „Sind wir zur Abwechslung mal Forscher.“

    „Und was bringt uns das?“, nörgelte Tarf.

    „Weiß ich noch nicht“, sie zuckte mit den Schultern, „aber Wissen ist früher oder später fast immer gut.“

    Finster sah Tarf seine Kapitänin von der Seite an. „Mag sein, aber es abschießen und die Einzelteile einsammeln wäre weitaus vernünftiger und brächte uns ein Vermögen ein.“

    „Wie das?“

    „Auf bestimmten Schwarzmärkten wird für Drachenteile sehr viel Geld bezahlt, wie ich vor einigen Jahren er­fahren habe. Natürlich hielt ich die damals für Spinner. Vielleicht sind sie das dennoch, aber wenn sie ein Vermö­gen dafür hinblättern wollen, kann uns das nur recht sein. Ich schätze, mit ihm hier“, er deutete auf den Bildschirm, auf dem nach wie vor die letzte Sensoranimation lief, „könnten wir genug einnehmen, dass wir es uns leisten könn­ten, ein Jahr lang keinerlei weitere Beute zu machen. Und dazu noch unser Schiff massiv upgraden.“

    Naah, die Oriyum ist mein Schiff, nicht unseres – und niemals deins, dachte sie und fragte stattdessen: „Ist das so?“ Berry kniff ihre Augen halb zusammen und überlegte, wurde aber von Wobis Meldung unterbrochen:

    „Abstand zum Drachen von acht Lichtsekunden erreicht, er scheint unsere Absicht zu verstehen und fliegt parallel backbord-achtern ohne größere Kursänderung.“

    „Gut. Jean?“

    „Bin dabei.“ Mal wieder drückte er eine letzte Taste und es erschien eine neue Darstellung – diesmal ohne Ani­ma­tion – auf dem Bildschirm. „Wegen dem Blickwinkel sehen wir im Prinzip nur den Kopf im Halbprofil.“

    Auf dem Sensorbild war die „Beule“ an der Spitze nun als Nüstern erkennbar, dahinter erstreckte sich die rela­tiv schmale Schnauze ähnlich der eines Aligators, im Verhältnis jedoch kürzer, die in einem massiven, schroff-knochig wirkenden Schädel mündete. Die Ausläufer erwiesen sich als zwei lange Hörnerpaare, die nach gefährlichen Nah­kampfwaffen über und neben den mutmaßlichen Augen aussahen. Details wie die Augen oder die genaue Oberflä­chenstruktur verloren sich jedoch weiterhin in schwammigem Dunkelrot, ebenso der Schlangenkörper und die Flü­gel im Hintergrund.

    „Wahnsinn!“, staunte Berry. „Wie groß ist der eigentlich?“

    „Alles in allem fast doppelt so lang wie unser Shuttle“, sagte Jean, „aber nur halb so breit, zumindest ohne die Flügel. Keine Ahnung, wie groß die ausgebreitet sind.“

    Weiterhin betrachtete Berry fasziniert das Bild des Drachenkopfes. „Nicht schlecht. Kein Wunder, dass sie selbst durchs All fliegen. Ihre Raumschiffe, falls sie doch welche bauen, müssten ja riesig sein, nur um zehn oder zwanzig von ihnen aufnehmen zu können.“

    „Na ja“, entgegnete Wobi und kratzte sich am Bart, „überlichtschnelle Riesenraumschiffe wären zwar aufwendig zu bauen, dennoch schneller und effektiver. Und sie könnten auch die Sternenportale nutzen. Unser Freund hier jedenfalls tut es offenbar nicht.“

    Eine Strähne ihrer schwarzen, schulterlangen Haare hinters Ohr schiebend warf Banou ein: „Ist zwar richtig, aber wer einige Tausend Jahre lebt – sofern es stimmt –, dem wird es egal sein, ob er ein paar Stunden oder fünf, sechs Jahre zum nächsten Stern braucht. Die denken bestimmt auch in völlig anderen Zeitdimensionen.“

    „Vielleicht haben sie nur keine Ahnung von Technik“, meinte Tarf.

    „Glaube ich nicht“, erwiderte Jean. „Angeblich existieren sie schon über zwei Millionen Jahre, das sollte mehr als genug Zeit sein, sich solches Wissen zu erarbeiten … oder wenigstens bei anderen Völkern abzuschauen. Gut vorstellbar, dass sie schon die meisten bewohnten Welten besucht haben, lange bevor dort jeweils das Raum­fahrt­zeitalter begann. Und auch immer wieder mal bis dahin.“

    „Denke ich auch“, stimmte Berry zu. „Ich bin mir sicher, dass unser Freund genau weiß, dass er einem Raum­schiff folgt, das von – aus seiner Sicht – zwergenhaften Wesen gesteuert wird. – Wobi, lass uns mal wie in alten Zeiten mit den Flügeln wackeln.“

    „Aye“, antwortete der und begann mit der Steuerungseingabe. Vom anschließenden seitlichen Auf-und-Ab-Pen­deln des Raumschiffs – echte Flügel oder Tragflächen besaß es nicht – war an Bord nichts zu spüren, lediglich eine Grafik am unteren Rand des Bildschirms wies darauf hin.

    „Hm, laut Sensoren hat er unsere Geste offenbar nachgeahmt“, meldete Wobi nach einigen Augenblicken. „Seine Flügel hat er nur minimal ausgebreitet, dabei ist er etwas langsamer geworden.“

    „Jetzt hat er abgedreht“, setzte Jean den Bericht fort. „Soweit ich das sehe, nimmt er seinen ursprünglichen Kurs wieder auf.“

    Berry kräuselte die Stirn. „Entweder wurde ihm langweilig oder er hat unser Flügelwackeln als Verabschiedung missgedeutet. Egal …“

    „Sollen wir ihm folgen?“, fragte Wobi.

    „Naah. Beobachtet ihn mit unseren Sensoren so lang wie möglich, hoffentlich erfahren wir so, was sein Ziel oder nächstes Zwischenziel ist und wann er es erreichen wird. Vielleicht besuchen wir ihn, wenn er dort in ein paar Jah­ren eintrifft. – Und nein, Tarf“, wandte sie sich etwas lauter direkt an den Schwarzgekleideten, der gerade etwas sa­gen wollte, „wir schießen ihn nicht ab, schon gar nicht von hinten. Und ich weiß, dass wir eine Menge Geld liegen­lassen; ist notiert. Ende der Diskussion!“



    * Slem 0,135 = ca. Lichtgeschwindigkeit (c); „Slem“ wird meistens nur für Geschwindigkeiten darüber verwen­det und ist nach dem Physiker Stranistof Leremian Em (2161–2260) benannt; Slem 1,0 ist derzeit das technisch mögliche Maximum und entspricht etwas mehr als dem 7-Fachen von c.



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    Beide schwiegen sich für einige Sekunden an, dann drehte sich Berry erneut Jean zu. „Können wir seinen Kurs hierher vor unserem Treffen nachvollziehen?“

    „Aye, habe das den Computer vorhin berechnen lassen.“ Er drückte einige Tasten und wartete auf das Ergebnis auf seiner Konsole. „Wenn er keine Kurven oder so geflogen ist, dürfte er aus einem System etwa sieben Komma drei Lichtjahre von hier gekommen sein. Ob er dort gestartet ist oder nur durchgeflogen, wissen wir nicht. In der Richtung liegen derzeit keinerlei Planeten des hiesigen Systems und auch keine Sternenportale; das als Startpunkt dürfte also ausgeschlossen sein.“

    „Gut. Gibt es einen Sternenweg zu diesem System?“

    „Moment …“ Abermals gab Jean einige Befehle ein. „Keinen direkten, aber über Umwege ist es möglich. Es wären etwas mehr als neun Stunden, wenn wir nicht auf Gegenverkehr warten müssen oder uns in den Zwischen­systemen … ähm … ablenken lassen. Liegt aber fast in der entgegengesetzten Richtung als geplant.“

    „Was wissen wir über das System?“

    Nach einem weiteren Tastendruck und kurzem stummen Lesen antwortete Jean: „Unbewohnt, auch keine Raum­stationen; hat nicht mal einen Namen, nur eine nichtssagende Nummer. Roter Zwergstern, nur einige Gas­riesen mit vielen Monden, außerdem zwei dünne Asteroidengürtel. Laut Datenbank gibt es eine Forschungsstation auf einem der Monde, die soll aber seit über zehn Jahren verlassen sein, allenfalls noch alte Roboter oder so.“

    Berry nickte langsam und fasste einen Entschluss. „Wobi, setz’ Kurs auf dieses System, das interessiert mich jetzt.“ Der bestätigte und machte sich an die Arbeit, während Berry weiter ausführte: „Vielleicht finden wir raus, ob der Drache dort ein Geheimnis hat, falls er dort gestartet ist. Oder finden interessante Gemeinsamkeiten mit seinem Zielsystem. Und wenn nicht, ist der Umweg auch nicht so gewaltig. Oder die Forschungsstation bringt uns irgend­was ein, auch wenn’s unwahrscheinlich ist. Oder wir können sie irgendwann als Geheimversteck nutzen, wenn es nötig sein sollte.“

    „Denke ich eher nicht“, sagte Jean, „die war wohl für maximal dreißig Bewohner vorgesehen. Seltsam ist aber, dass offenbar nicht bekannt ist, wer sie erbaut hat. In die Datenbanken wurde die auch erst eingetragen, als sie schon verlassen war.“

    „Vielleicht ein geheimes Bergbau- oder Militärprojekt“, schlug Banou vor, „von wem auch immer. Und irgend­wer hat später das aufgegebene Ding entdeckt und bekannt gemacht.“

    „Möglich“, sagte Berry. „Wie auch immer, wenn wir da sind, erfahren wir vielleicht mehr. Jean, sag mir eine Stunde vor dem Eintreffen dort Bescheid.“ Der nickte, während Tarf die Brücke schlecht gelaunt verlassen wollte. „Warte, Tarf!“

    Der blieb stehen, da Berry sich ihm in den Weg stellte. „Boss?“

    „Ich habe eine Aufgabe für dich, damit du dir nicht so nutzlos vorkommst. Informiere in einer Stunde die Crew über unsere Begegnung mit dem Drachen. Lass dir von Jean die Daten, besten Animationen und das Bild vom Kopf geben, zeig sie der Crew. Sie sollen wissen, warum wir einen Umweg machen und wohin, und manche finden den Drachen vielleicht ebenso spannend.“

    Tarf blickte sie finster an. „Warum gerade ich? Er ist doch dein ‚Freund‘, dann sollte dir die Ehre gebühren, ihn der Crew zu präsentieren.“

    „Da stimme ich dir zwar zu, aber ich habe leider Wichtigeres zu tun. Ich muss unseren Gast besuchen. Er ist Käpt’n eines Forschungsschiffes, vielleicht weiß er mehr als wir über Drachen oder sogar die verlassene Station. Jedes bisschen Wissen mehr kann uns nützlich sein. Dir würde er nichts sagen, du schüchterst ihn bestimmt zu sehr ein.“

    Ein „Aye, Boss“ und mehrere unverständliche Flüche brummelnd verließ er die Brücke, ohne die wissenden belustigten Blicke zu bemerken, die sich Berry und die Brückencrew zuwarfen.

    „Jean, schick mir alle verfügbaren Daten über unser Zielsystem und auch die verlassene Station, damit ich mich auf mein ‚Meeting‘ vorbereiten kann.“ Der nickte, woraufhin auch Berry die Brücke verließ.


    Mittlerweile müsste ich seit mindestens rund einem Tag an Bord der Oriyum sein, schätzte Alfan, während er sich nach seiner Dusche anzuziehen begann. Da er das Computerterminal in seiner Kabine nicht aktivieren konnte – was zu erwarten war, schließlich befand er sich in Gefangenschaft –, gab es hier keine Uhr, von der er die Zeit ablesen konnte. Das Kabinenlicht war bisher unverändert gleich gedämpft-hell und bot ebenfalls keine Orientierung.

    Immerhin hatte er bereits drei Mahlzeiten erhalten, die letzte vor vermutlich gut einer Stunde. Es waren keine Riesenportionen und nichts Besonderes, bis jetzt stets eine Art Eintopf – möglicherweise dasselbe, was auch die Mannschaft aß –, aber wenigstens vergaß man ihn nicht. Die mangelnde kulinarische Abwechslung bot jedoch ebenso keinen zeitlichen Anhaltspunkt. Vielleicht ist das auch genau so beabsichtigt.

    Als er den kleinen Dusch- und Toilettenraum seiner Kabine verließ, durchfuhr ein nervtötendes Quäken den Raum, malträtierte seine Ohren und ließ ihn zusammenzucken. Der Ton erinnerte ihn an uralte Hupen der ersten Automobile, wie man sie zuweilen noch in über 300 Jahre alten Schwarzweißfilmen sah und hörte. Inzwischen wusste er, dass es sich um eine Art Türklingel handelte. Es würde sicherlich noch einige Tage dauern, bis er sich an diesen Ton gewöhnte und nicht erschrak. Noch bevor er reagieren konnte, öffnete sich die Schiebetür mit einem leisen Zischen.

    „Käpt’n Makkaroni, es macht Ihnen wohl Spaß, mich warten zu lassen?“ Berry Rhadon betrat seine Kabine, oh­ne zu grüßen; hinter ihr schloss sich sofort die Tür. „Seien Sie froh, dass ich Ihnen diesmal keine Vlaser atomisie­ren kann, wenn ich ungeduldig werde.“

    „Geduld ist eine Tugend.“

    Berry zog eine Augenbraue in die Höhe. „Seit wann sind Piraten für irgendwelche Tugenden bekannt?“

    „Hm, auch wieder wahr.“

    „Und denken Sie nicht, damit könnten Sie mich in irgendeiner Weise beeindrucken, manipulieren oder milde stimmen.“ Sie wies mit dem Kopf auf Alfans unbekleideten Oberkörper. „Keine Chance!“

    Er lächelte leicht schief. „Dies ist weder meine Absicht noch meine Schuld. Sie hätten auf meine Antwort warten können; ich wollte mich gerade fertig anziehen.“ Er griff nach dem zwar alten, jedoch sauberen orangen Shirt, das er vor dem Duschen auf dem Bett bereitgelegt hatte.

    „Mir eine Schuld oder ein schlechtes Gewissen einreden wird auch nicht funktionieren.“

    „Sie sind kaum zu mir gekommen, um über Schuld und Unschuld, Ihr Gewissen oder meine Kleidung zu philo­sophie­ren“, stellte er fest, während er sich das Shirt über den Kopf zog. „Was verschafft mir also die Ehre?“

    „Das werden Sie gleich erfahren.“ Sie trat an das Computerterminal neben der Tür, das sich sogleich einschalte­te, und begann Codes einzutippen. „Versuchen Sie gar nicht erst, sich hiervon etwas zu merken; wird Ihnen nichts nützen. Nur ich und wenige andere können dieses Terminal verwenden.“

    „Keine Sorge, das habe ich mir schon gedacht.“

    „Gut.“

    In diesem Augenblick aktivierte sich der mittelgroße Bildschirm gegenüber des Bettes. Nach circa zwei Sekun­den verschwand das hellgraue leere Bild und es erschien die Videoaufnahme eines großen Raumes, in dem sich mindestens 40 Piraten versammelt hatten. Sie hörten einem Piraten in Schwarz zu, der zu ihnen sprach, den Alfan als Tarf Wador erkannte und den er seit Eintreffen auf der Oriyum nicht mehr gesehen hatte. Dieser hatte offenbar gerade damit begonnen, emotionslos von einer Begegnung im All zu berichten, die etwa eine Stunde zuvor statt­ge­funden hatte.

    Fragend sah Alfan zur Piratin hinüber, die neben dem Terminal stand und ihn beobachtete.

    „Hören Sie zu, wir reden im Anschluss darüber.“

    Er nickte und wandte sich der Videoübertragung zu.

    Ein wenig umständlich sprach Wador weiter von einem Drachen, dem sie begegnet waren, und zeigte auf einem Bildschirm hinter ihm einige von Hypervlox-Sensoren aufgenommene Animationen und Fotos. Alfan wusste, dass diese Sensoren für das Erkennen von biologischen Strukturen nicht gut geeignet waren, dafür sahen die Aufnahmen jedoch überraschend gut aus, was vermutlich auch am zuletzt geringen Abstand zum Drachen lag. Manche der im Raum anwesenden Piraten ließ der Bericht offenbar kalt, den meisten hingegen war das Staunen oder gar die Be­geis­terung deutlich anzusehen. Wador erwähnte gleich zweimal, dass seine Kapitänin ein Vermögen hatte liegen­lassen, indem sie nicht seinem Vorschlag gefolgt war, den Drachen abzuschießen und auf dem Schwarzmarkt zu verscherbeln. Er beendete seinen Vortrag damit, dass sie nun einen Umweg zu dem System flogen, von dem der Drache möglicherweise losgeflogen war, und zählte die wichtigsten Fakten darüber auf.

    „Und ich habe dafür meine Gründe“, hörte Alfan die Piratin sowohl hinter sich als auch im Video sagen. Sie hatte ins Mikrofon des Terminals zur Versammlung gesprochen. „Es ist nicht mein Fehler, wenn du sie nicht nach­vollziehen kannst.“ Der offenbar überraschte Wador war leicht aufgeschreckt wegen Berrys Zwischenruf und sah noch finsterer drein als normalerweise, einige der anderen Piraten schienen diese Situation lustig zu finden.



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    - Armin Maiwald

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    Berry deaktivierte den Bildschirm und trat einen Schritt auf Alfan zu. „Was halten Sie von der Sache?“

    Alfan kratzte sich betont langsam am Kinn. „Bemerkenswert.“

    Mit zusammengezogenen Augenbrauen erwiderte Berry: „Mehr nicht?“

    „Bemerkenswert, dass Ihr Mann in Schwarz offensichtlich keinerlei Lust hatte, diesen Vortrag zu halten. Sie mö­gen ihn nicht besonders, richtig?“ Er lächelte sie schelmisch an.

    „Ah, das …“ Auch Berry musste grinsen. „Sie sind ein guter Beobachter. Aber was ist nun mit dem Drachen?“

    „Faszinierend“, sagte er und zog eine Augenbraue hoch.

    „Okáy, das klingt besser. Sind Sie schon Drachen begegnet?“

    „Leider nicht. Ich weiß aber seit längerer Zeit aus zuverlässiger Quelle, dass sie existieren und nicht nur eine Legende sind. Während einiger anderer Forschungsmissionen der Konföderation wurden bereits Drachen gesehen, allerdings gab es noch keinen direkten Kontakt im Sinne einer Kommunikation oder gar eines Treffens auf einem Planeten oder Raumschiff. Zumindest nicht dass ich davon wüsste. Die Aufnahmen sind Ihnen übrigens gut gelun­gen – gemessen an Ihren Standardsensoren.“

    „Danke, war auch einiges an Arbeit. Sie sind also bessere Sensoren gewöhnt?“

    „Die meisten unserer Forschungsschiffe verfügen über zusätzliche Sensoren, die organische Materie wie Lebe­wesen besser erfassen können. Im Prinzip beruhen sie ebenso auf der Hypervlox-Technik, arbeiten aber etwas an­ders, benötigen mehr Energie und sind zudem langsamer mit geringerer Reichweite.“

    Für einen Moment wirkte sie nachdenklich. „Hm, ich hätte Ihrem Forschungskram doch mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Was wissen Sie über Drachen? Und ich bevorzuge Fakten, keine Märchen oder Gerüchte.“

    „Auswendig nicht viel, wenn es um gesicherte Fakten geht. Und hier habe ich keinen Zugriff auf die Daten­ban­ken der Konföderation.“

    „Pfft, wie praktisch für Sie. Da müssen Sie sich schon keine andere Ausrede überlegen, weshalb Sie mir nichts sagen wollen.“

    „Es ist keine Ausrede“, beteuerte Alfan kopfschüttelnd. „In den letzten Monaten habe ich mich nicht intensiv über Drachen informiert, da es dazu keinen Anlass gab. Deshalb müsste ich unsere Erkenntnisse über sie erst nach­lesen. Weshalb interessieren Sie sich so für Drachen? Abschlachten und in Spacecoins umwandeln wollen Sie sie ja offenbar nicht.“

    „Naah, das würde mir nicht im Traum einfallen – oder allenfalls in einem Albtraum.“ Sie zögerte und wirkte in sich gekehrt, als sie fortfuhr: „Als ich ein Kind war, haben meine Eltern mir oft Geschichten erzählt; in vielen von ihnen kamen Drachen vor. Erst später begriff ich, dass es sich wohl – zumindest teilweise – um wahre oder angeb­liche Begeg­nungen aus den vergangenen zwei, drei Jahrhunderten handelte. Im Gegensatz zu den alten Märchen kamen die Drachen stets in unserer modernen Welt vor. Wahrscheinlich teils auch in ganz anderen Welten der Ga­laxis, nur hatten meine Eltern sie fast ausnahmslos auf Menschen bezogen erzählt, vermutlich auch idealisiert.“

    Sie fuhr mit einer Hand durch die Luft, als wolle sie so einen Faden aus alten Erinnerungen abschneiden; ihr Blick fokussierte sich neu auf Alfan. „Wie auch immer – seither üben Drachen auf mich eine Faszination aus, wie sie vermutlich nur ein Kind nachempfinden kann. Mein Herz will seitdem an die Existenz von Drachen glauben und ihre Geheimnisse ergründen. Mein Verstand jedoch war absolut anderer Meinung – bis vor gut einer Stunde.“

    In den letzten zwei Minuten habe ich mehr Persönliches über sie erfahren als am gesamten Tag davor; eine ganz neue, alles andere als blutrünstige Seite von ihr, dachte Alfan, als er die Piratenkapitänin vor sich musterte, die ihre Augenbrauen leicht zusammenzog. Es scheint ihr auch gerade bewusst geworden zu sein – und sie mag diese Er­kennt­nis nicht. „Und nun wollen Sie Ihr Leben der Drachen­forschung widmen und Ihr Piratendasein aufgeben?“

    Schallend lachte sie auf. „… und Sie am besten heute noch auf Ihr Schiff zurückbringen? Naah! Aber netter Ver­such. – Und selbst wenn … So ein Forscherleben finanziert sich nicht von selbst. – Wir sind kein Handelsschiff; in nächster Zeit haben wir also keine wichtigen Termine einzuhalten, und ein System zu erkunden ist für die Crew eine Abwechslung, die wir nicht oft haben. … Um ehrlich zu sein, weiß ich auch nicht genau, was ich mir von die­sem Ausflug erhoffe. Aber wer nichts wagt, auch wenn der Ausgang ungewiss ist, der kann auch nichts gewinnen. Vielleicht bringt es irgendeinen Vorteil ein. Und wenn nicht …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Dann weiß ich we­nigstens, dass ich nicht schlauer bin als vorher.“

    „Interessante Einstellung.“ Hm, es steckt mehr dahinter, als sie zugeben möchte. Hat es mit ihren Eltern zu tun? Weil sie ihr Geschichten erzählt haben? Wohl kaum. Aber nachbohren wird bei ihr nichts bringen – jedenfalls jetzt nicht. Es wundert mich ohnehin, dass sie mir so viel anvertraut hat. „Was wissen Sie denn über Drachen? Viel­leicht kann ich etwas Wichtiges ergänzen.“

    „Auswendig nicht viel …“ Sie zeigte ihr Haigrinsen wegen der nachgeahmten Aussage Alfans von zuvor. Einen Augenblick später verschwand das Grinsen und sie rieb sich kurz das Kinn, bevor sie fortfuhr: „… nicht viel mehr als fast alle, die von Drachen gehört haben und deren Verstand meint, dass sie bloß ein Mythos seien.“ Daraufhin zählte sie in Stichworten auf, was sie vor etwa einer Stunde mit ihrer Brückencrew zusammengetragen hatte, und ergänzte, dass offenbar niemand weiß, wo sich deren Heimatwelt Drâgon befindet.

    Alfan nickte. „Darüber gibt es vermutlich mehr Spekulationen, als galaxieweit Drachen existieren. Aber wir konnten das ein wenig eingrenzen auf die drei wahrscheinlichsten Möglichkeiten.“

    „Oh?“ Sie hob interessiert eine Augenbraue. „Dann hellen Sie mich mal auf.“

    Mit hinter dem Rücken aufeinandergelegten Händen begann Alfan in seiner Kabine hin und her zu wandern, auch wenn nicht mehr als drei Schritte je Richtung möglich waren. „Zwar sind das nicht wirklich harte Fakten, aber wenn wir voraussetzen, dass tatsächlich niemand außerhalb des Drachenvolkes etwas Genaues weiß – denn selbst wenn nur ein weiteres Volk davon wüsste, wäre das Geheimnis irgendwann durchgesickert –, und ebenso voraus­setzen, dass kein Sternenweg nach Drâgon führt – denn dann wäre deren Welt längst von irgendwem durch Zufall entdeckt worden –, sowie allzu unsinnige Gerüchte herausfiltern und außerdem …“ Alfan hielt in seinem Vortrag und Rundgang inne und beäugte die Piratenkapitänin, die ausgiebig gähnte und dies nur halbherzig mit ihrer täto­wierten Hand zu verbergen versuchte.

    „Uu-ah … Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zum Punkt kommen könnten. Und ich hoffe, Sie werden niemals Professor oder Dozent; Ihre zukünftigen Studenten würden mir schon jetzt leidtun.“ Mit einer Handgeste forderte sie ihn auf fortzufahren.

    Ein wenig missmutig sah Alfan sie einen weiteren Augenblick lang an, dann nickte er zweimal und setzte seine ‚Wanderung‘ etwas langsamer fort. „Jedenfalls denken wir, dass Drâgon entweder am Rand des galaktischen Zen­trums – aber nicht direkt im Zentrum – oder in einer der äußeren Regionen zwischen den Spiralarmen zu finden sein sollte, denn dies scheinen die einzigen Regionen in der Galaxis zu sein, wohin keine Sternenwege führen. Zu­mindest rund um unsere Heimatwelt ist es nach unserer Erkenntnis so; und damit meine ich mehr als nur im Um­kreis von ein paar Hundert Lichtjahren. Im Rest der Galaxis dürfte es genauso sein.“

    „Na super, das reduziert die möglichen Kandidaten ja auf 50 bis 200 Millionen Sterne. Machen wir uns gleich auf die Suche, dann sind wir in drei Monaten durch … Nein, warte … eher in dreitausend Monaten.“ Sie kräuselte die Stirn, verdrehte ihr sichtbares Auge und bekundete so ihre Enttäuschung ob der eher schwachen Eingrenzung. „Das sind nur 250 Jahre. Ein wahrer Klacks!“

    Alfan war während Berrys Einwurf stehen geblieben und zeigte mit beiden Händen eine entschuldigende Geste. „Besser als mindestens 100 Milliarden Sterne.“

    „Dennoch zu viel, um alles abzuklappern. Hm, warum nicht im galaktischen Zentrum, sondern nur am Rand?“

    „Dort ist die Sternendichte sehr hoch; es kommt zu häufigen nahen Sternenbegegnungen, Supernovae, Gamma-Ausbrüchen und anderen Störungen – keine guten Voraussetzungen, damit sich dort höheres Leben oder überhaupt ein dafür geeignetes Planetensystem entwickeln könnte, wenn auch vielleicht nicht völlig unmöglich. Dies gilt für die äußeren Regionen der Galaxis zwar ebenso, allerdings aus gänzlich anderen Gründen, aber es ist nicht ganz so unwahrscheinlich wie im Zentrum, dass hier und da geeignete, langlebige Planetensysteme entstanden sind.“

    „Okáy, klingt einleuchtend. Und was ist mit der dritten Möglichkeit? Das waren nur zwei. Oder eher 100-oder-so Millionen.“



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    Alfan nickte. „Die dritte Möglichkeit ist, dass Drâgon schlicht nicht mehr existiert, zerstört durch eine Super­nova oder ähnliches oder gar in einem lange zurückliegenden Krieg, von dem wir nichts wissen.“

    „Hm, falls das stimmt, könnten sie einfach nur auf der Suche nach einer neuen Welt für ihr Volk sein, was erklä­ren würde, warum sie ständig durchs All düsen.“

    Erneut begann Alfan mit einer Wanderung durch die Kabine. „Theoretisch denkbar, aber wenn wir davon aus­ge­hen …“

    „Naah!“, rief Berry verzweifelt, hob abwehrend die Hände und seufzte schwer. „Quallenpisse! Nicht schon wie­der Ihr Dozentenmodus!“

    „… dass sie bereits seit mindestens einer Million Jahren im All unterwegs sind“, setzte er seinen Monolog dies­mal unbeirrt fort, „und sie das einigermaßen systematisch durchführen, müssten sie schon längst einige geeignete Wel­ten gefunden haben, auf denen sich zwar Leben, aber noch keine Zivilisation entwickelt hat. Sofern sie darauf Rücksicht nehmen. Vortrag Ende.“ Er blieb stehen und lächelte sie an, dann fiel ihm noch etwas ein. „Zudem düsen Sie und ich und viele andere auch ständig durchs All – aus den unterschiedlichsten Gründen.“

    Sichtlich enttäuscht – möglicherweise weil ihre Theorie so schnell widerlegt wurde – hob sie ihren Admiralshut an, fuhr sich mit der anderen Hand durchs Haar und setzte den Dreispitz mit beiden Händen wieder auf, wobei sie leise seufzte. „Okáy, wir werden deren Geheimnisse kaum lösen durch wildes Rätselraten. Hab ich kapiert.“

    „Die Realität steckt voller Überraschungen, die sich vor 200 oder 1000 Jahren niemand vorstellen konnte. Vor beinahe 3000 Jahren vermutete der Grieche Demokrit, die Milchstraße bestehe aus einer Vielzahl von Einzelster­nen; möglicherweise wurde er dafür von vielen seiner Zeitgenossen ausgelacht. Erst 2000 Jahre später bestätigte Galileo Galilei dies nach einem Blick durch sein Fernrohr. Heute reisen wir kreuz und quer genau zu diesen Ster­nen. Auch scheinbar verrückte Ideen führen manchmal an neue, vernünftige Ziele.“

    Berry schien beeindruckt. „Keine Ahnung, was ein Grieche ist, klingt trotzdem interessant. Bevor Sie mich aber wieder volldozieren, belassen wir es für heute dabei.“ Sie grinste. „Auch wenn mir Ihre Drâgon-Infos momentan nicht viel weiter helfen, gibt es einiges, worüber ich nachdenken sollte.“ Mit einem Tastendruck auf das Terminal deaktivierte sie es und wandte sich der Tür zu, ohne Alfan vollständig aus den Augen zu lassen. „Vielleicht besuche ich Sie wieder, wenn wir unser nächstes Ziel erreicht haben. – Oh!“

    Ihr schien etwas eingefallen zu sein und sie drehte sich noch einmal ganz zu ihm um. „Über das System, aus dem der Drache kam, wissen Sie nicht zufällig etwas Brauchbares?“

    „Ohne dessen Namen sicherlich nicht. Ihr Mann in Schwarz hat den nicht genannt.“

    „Oh?“ Sie runzelte die Stirn. „Sie haben recht, das hat er … vergessen? Wahrscheinlich hat’s ihn nur nicht inte­ressiert. Es hat keinen Namen, den wir kennen, nur eine Nummer …“ Sie überlegte kurz. „Ähm, 2A101010-42.“

    In seinem Gehirn arbeitete es, die Bezeichnung kam ihm bekannt vor. Jedoch schüttelte er den Kopf. „Nein, sagt mir im Moment nichts. Wenn Sie mir einige Informationen darüber zukommen lassen, etwa von welchen Systemen Sternenwege dorthin führen und ob es dort wichtige bekannte Ereignisse gab, dann fällt mir vielleicht etwas ein.“

    „Dachte ich mir. Gut, wir werden sehen …“

    „Es erstaunt mich übrigens …“, begann Alfan, als Berry bereits halb durch die offene Tür gegangen war.

    Sie blieb stehen und sah ihn fragend an. „Was?“

    „Sind Sie immer so sorglos mit Ihren … Gästen?“

    „Sorglos?“ Mehrere Fragezeichen schienen ihr ins Gesicht geschrieben zu stehen. „Was meinen Sie?“

    Mit leicht schräg gelegtem Kopf sah Alfan sie an. „Sie kennen mich kaum und kommen ohne Ihren Knochen­brecher zu Besuch, tragen auch keine Waffe bei sich. Halten Sie mich wirklich für so hilflos … oder unfähig?“

    Nach einer Überraschungssekunde trat sie selbstbewusst lächelnd einige Schritte auf Alfan zu und blieb erst in Armreichweite vor ihm stehen, hinter ihr schloss sich die Tür. Äußerlich ließ er sich nichts anmerken, jedoch be­unruhigte ihn ein wenig, dass sie nicht ihr übliches Haigrinsen zeigte, sondern ihre gesamte Mimik geradezu Über­legenheit ausstrahlte. Blufft sie? Angeblich tut sie das nie

    „Ich fürchte, das muss ich als Beleidigung werten, oder für wie dumm halten Sie mich? Nur weil Sie keine Waf­fen sehen können, heißt das nicht, dass ich keine bei mir trage oder damit nicht umzugehen weiß.“

    Sie starrten sich einen Augenblick lang gegenseitig an. Waffen‘!, überlegte er. Sie hat also mehrere bei sich? Ein kaum wahrnehmbares Zucken in ihrem unbedeckten Auge ließ Alfan reagieren. Blitzschnell wich er mit dem Ober­körper ihrer zeitgleichen Armbewegung aus, um sogleich festzustellen, dass der vermeintliche Schlag gegen seinen Kopf nur der Ablenkung diente. Denn nun sah er sich einer Art Dolchgriff in ihrer anderen Hand gegenüber, den sie aus einer versteckten Tasche ihres Overalls gezogen haben musste.

    Beide verharrten für eine Sekunde wie erstarrt, als sie ihre Waffe mit dem Daumen aktivierte und aus dem Griff eine etwa fünf Zentimeter lange gleißende Klinge aus gelblichem Licht erschien, begleitet von einem leisen, sehr hohen Pfeifen. Die Lichtstrahlspitze befand sich nur zwei Fingerbreit von Alfans Halsschlagader entfernt. Er spürte deutlich die Wärme, die vom Licht und der es umgebenden Luft ausging.

    Nach wenigen Sekunden verlosch die Klinge aus Licht und Berry zog sie zurück. „Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich bewusst vor Ihrem Hals gestoppt habe?“

    Etwas entspannter als Sekunden zuvor nickte Alfan und straffte sein Shirt. Ich sollte definitiv mehr Nahkampf trainieren. „Ihre Botschaft ist angekommen.“ Er deutete auf ihre Hand, welche die Waffe nach wie vor hielt. „Einen Scrytsh*-Photonendolch hätte ich tatsächlich nicht erwartet.“

    „Gut. Woher kennen Sie sowas?“

    „Auch Kommandanten von nichtmilitärischen Schiffen werden bei uns regelmäßig über aktuelle Waffentrends informiert. Verraten Sie mir, wie oft Sie den Photonendolch schon aktiviert haben?“

    Mehrmals blinzelte sie verwirrt, bevor sie grinste. „Wollen Sie wissen, wie vielen ich damit schon das Leben genommen habe, um Ihre Überlebenschancen einzuschätzen?“

    „Nein. Aber ich bin mir sicher, dass es sich bei Ihrem Exemplar um ein billiges Nachahmerprodukt handelt. Frü­her nannte man das übrigens Produktpiraterie, wie passend. Nicht wenige davon haben den Nebeneffekt, dass sie nach einigen Benutzungen explodieren können. Von Ihrer Hand müssten Sie sich dann verabschieden.“

    „Oh?“ Sie besah sich den Dolchgriff in ihrer Hand, ohne dabei Alfan ganz zu ignorieren. „Billig war das Teil hier auf keinen Fall. Woran sehen Sie das?“

    „Die hochwertigen erzeugen kein Pfeifen, haben normalerweise eine blaugrünliche Photonenklinge, die mindes­tens doppelt so lang ist wie Ihre und sich auch erst nach acht oder zehn Sekunden deaktiviert, nicht schon nach zwei bis drei. Rote soll es angeblich auch geben, aber die sind wohl seltener und noch teurer.“

    „Gefällt mir, die roten würden sowieso besser zu meinen Haaren passen.“

    Alfan sah an Berrys Kopf vorbei auf ihren brünetten Pferdeschwanz mit den blutroten Strähnen. „Möglich, aber rot wirkt doch aggressiv und … böööse.“

    „Exakt.“ Langsam ging sie zur Tür, die Waffe weiterhin locker in der Hand haltend. „Jedenfalls danke für Ihren Hinweis, auch wenn ich mir noch nicht sicher bin, ob ich Ihnen glauben soll.“

    „Sie haben sicherlich einen Schiffstechniker oder Waffenexperten. Fragen Sie den einfach – oder beide.“

    „Das werde ich tun.“ An der sich öffnenden Tür blieb sie stehen und wandte ihren Kopf halb Alfan zu, ohne ihn direkt anzusehen. „Aber um Ihre Frage zu beantworten: Zweimal habe ich ihn jetzt aktiviert. Das erste Mal zum Testen beim Händler. Und nein, den habe ich bezahlt und nicht getötet. Das werde ich aber nachholen, und zwar so schmerzhaft für ihn wie möglich, sollte ich ihm nochmal begegnen. Am besten stopfe ich ihm das Ding in den Hals und aktiviere es so oft, bis es explodiert.“ Für einen Moment dachte sie nach. „Ja, ich weiß, dass ich dafür meine Hand benötige. Ich lass mir eine Fernbedienung basteln, das wäre es mir wert.“

    „Sooo böööse“, sagte Alfan gespielt entrüstet und lächelte.

    Sie hob eine Augenbraue an. „Sie glauben mir nicht?“ Dann drehte sie sich um und fügte beim Hinausgehen hin­zu: „Ich werde Ihnen ein Video davon schicken.“

    Kurz darauf schloss sich die Tür zwischen ihm und der Piratenkapitänin. Nun war es Alfans Augenbraue, die sich hob. Das Letzte glaube ich tatsächlich nicht.


    (Ende … vorerst)



    * Scrytsh ist eine seltene Kristallart mit besonde­ren Eigenschaften, u.a. hoher Energiedichte, was sich jedoch bisher nur in Kleingeräten sinnvoll nutzen lässt. Die­se Technik ist relativ neu und die meisten Scrytsh-Geräte sind noch nicht ausgereift.


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    (Deutsche Übersetzung unten)


    Liawe schwestan vum püz und vo da ern,

    liawe muata,

    liawe Owlwtãnt,


    I bins, ẽchare Gbwlrü. I hoff es ged ẽch guat. Mia geds guat. Ia woits bschtimt wissn, wia's mia ged in da freimd, oiso hob I ẽch amoi zsãmmgschrim, wia so a gãnz nuamala tog bẽ mia ãsschãgt.


    Wias e wists bin I ẽgschtöt ois hãsdinarin vo ana üihu, omad in ana buag ãm Irtigungl. Mia hãms fridlich de mẽste zẽt; unsare nochboan, de K'schühürni, de hãm goa ka lust, uns zan iwafoin. De üihu – Gwüwgl haasts – des is a mächtige krigarin, de wos an zãwa ãf si gnumma hod, dea si gãnz zaach mochd, owara gãnz lẽchd; so lẽchd, dos's fliang kã, wãn se si ãf a gschtöö mid segln ãnehäingt. Und wãnn de K'schühürni se nua ãm hümme seng, kriangs scho ãngst, do brãchds goa nix mochn.


    I bin d'easte de ãfsted jedn tog – ãßa da üihu, de schlofd fost ned – und I muas mẽn dinst beginna indem I de schtiagn ãfegeh bis vua de tia vo unsara herrin. Fira stund muas i voa da tia knian, und deaf koan oanzigen moment weckageh mit mana deinkarẽẽ, wö̃ jedn moment kunntat de üihu ãßakuma und wos vu mia woin, und do muas i dãn ãf zack sẽ. Se kã mia dãn ois ãschofn wos's wüü, und i muas schpuan.


    Gestan zan bö̃schpü hod's vu mia woin, doß i mi viazgmoi im kraas drah, dãn vasuach, an grodn schtriich lãngzgeh, und hod mi ãsglocht dabẽ. i hob mi aa nu a weng bled gschpüt, dos's an spaß hod mid mia, wö̃, des is mẽ hackn, und wãn i ealich bin, s'gibt doch vüü schlimmere hackn. und de üihu, de brãcht des wegn iran zãwa, ohna dem kunntns ned fliang und kẽmmpfn und dofia hãmma's jo. Mãnchmoi bhoits mi länga do, wiad vo mia gwoschn, pflegt, und so wẽda, owa oft tuats mi nua schikanian, ohne dos's wiakli wos brãcht.


    Wãns dãnn gnua hod vo mia, sogts ma ã, wos's ãn dem tog sunst nu zan toan gibt, und dãnn ziagt se si zruck in irane gmẽcha. Den rest vom tog bin I de schefin im hãs – bisl iwa drẽßg lẽd san's, denan I ãschoffn kã. I muas dãfia suang, dos ois so reind wia's sui: De krummbianloga miaßn imma gfüüt sẽ, und de zãbawebarẽẽn ãf'd seeglfliaga, de mochn, dos's unsichtboa sẽ kennan, de miaßn olle sitzn. Do geh I oiso duache mid da mẽstawebarin, und de fint fost oiwö̃ wos zan drã zupfn.


    Wãnn ois oghaglt is, wos ma toa miaßn ãn dem tog, dãnn geh I mẽstns nu amoi ãffi ãf de heextn tiam, und schã owi ins toi. Des is mẽ vuarecht, do deaf ãßa da üihu, da ãsguckarin und mia neamt ãffi. Wãnn de sunn do iwan Züinigl ummaschoant, dãnn ged ma's heaz ãf. Do mechad i aa gean ãßefliang kenna! Owa i bin koa üihu ned, I bin vüü z'schwar fia des. Nã dofia deaf I unta'd gwenlichn lẽd geh. Und des moch I dãnn aa, nochad. Omds kumman olle nu amoi zãmm und vasãmmön si unnt ãm plootz; do mocht de üihu obm s'fensta ãf und mia foin olle ãf d'knia, so lãng, bis's uns frẽgibt. Des kã aa scho moi lãng higee! Owa wãnn ma di kloane toatua hinta uns hãmm, dãnn gibts essn!


    Mẽstns hãmma krummbian mit an kaas, den wos wia vo de hiatn ãf da ãndan sẽttn vum Züinigl kriang; de ziang med ẽanane viicha vo oana buag zua da nextn, und beliafan olle mit eana razion, wia's de kenigin in Virtifuz ãgschofft hod. I bin nãtialich dofia zuaständig, dos's uns ned bschẽßn, owa des vasuachn's e ned – wãnns den zuan vo ana üihu ãf si zogn hãm, dãnn guade nocht, dãnn woas des fia si, und des wissns aa, ee kloa. Trotzdem, I zöö scho ois noch! I bin de oanzige, de wos de biacha uantlich fian kã. (Guat, dos d'Owlwtãnt mia des lesn so frua bẽbrocht hod!)


    Mia essn olle des glẽche, do gibt's bẽ uns koane untaschide. Najoo - mãnchmoi nim I ma a wengal an drãfschlog, I kã ma's lẽstn, wö̃ bẽ ana hãsdinarin, do drãt si koana wos zsogn, I bin jo di schefin. Owa sunstan hãmma olle de glẽche moizö̃t.


    Ãn mãnche omde wiad aa no tãnzt - goa ned so södn! – do wiads dãnn nu lockara, und mia hãm aa an krummbianschnops. De kinda – mia hãm ee nuaraglẽ a poa omad bẽ uns – miaßn dãnn in de hẽa gschickt wean. I söwa hobs ned so mid de liabschoftn, owa mia hãm a poa wüüde frãn, de si dãnn zãmmantuan und in ẽanane zimma vaschwindn. I tãnz liawa – ãm liabstn tãnzad I de gãnze nochd, wãnns schee is, unta de schtean. Owa I muaß jo frua ãf, de üihu woat scho ãf mi, wãnn d'sunn nu nedamoi gãnz iwan beag gschtign is.


    Aussprachehinweis:

    ã - ɒ

    ẽ - æ

    ö̃ - ɶ



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    Feedback zu den Adventskalendertexten könnt ihr HIER geben. Die Texte sind wie jedes Jahr zunächst anonym, damit ihr - wenn ihr wollt - Autoren raten könnt. Wenige Tage nach Weihnachten wird aufgelöst, welcher Text von wem stammt, dann können die Autoren dort im Thread gesammelt auf das Feedback antworten.


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    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

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    Am nördlichen Rand des Innenmeeres erstreckt sich der Wald der Götter. Sein größter Teil ist nur ein dünner Streifen zwischen dem Innenmeer und dem zerklüfteten Land Grachadan, doch im Westen reicht er weiter ins Land und bis zum Lebenden Ozean und trennt Grachadan von den Teufelsbergen. Seinen Namen verdankt der Wald den vielen Göttern, die dort nicht nur angebetet werden sondern zum Teil auch tatsächlich dort leben.

    Entsprechend ist der Wald auch voll von Mythen und Märchen, die von Begegnungen mit diesen Göttern oder ihren Dienern und Wundern handeln.


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    ,*________Die Herrin des Feuers________*,

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    Unser letztes Märchen ist älter. Zu dieser Zeit war der Hammerhai zwar schon bekannt, wurde in diesem Teil von Kainomaz aber kaum verehrt. Es wird nicht genannt, welcher Spezies die Protagonistin angehört, wahrscheinlich ist sie aber eine Maskenlöwin, da die Maskenlöwen die Geschichte wohl als erste erzählt haben.


    Es lebte einst ein Mädchen, das hatte eine böse Stiefmutter und eine böse Stiefschwester. Als die Jahreszeit der Frucht zu Ende ging und die Jahreszeit des Todes nahte, da hatte die Familie kein Feuer.

    So schickte die böse Stiefmutter das Mädchen in den Wald um die Herrin des Feuers zu finden und Feuer zu holen.


    Das Mädchen wusste aber nicht, wo die Herrin des Feuers zu finden war und suchte den ganzen Tag vergeblich. Und als es schließlich umkehren wollte, da erkannte es, dass es sich verlaufen hatte und den Weg nicht mehr fand. Und als seine Beine es nicht mehr tragen konnten, da legte es sich auf den kalten Boden um zu schlafen.


    In der Nacht erwachte das Mädchen frierend und als es die Augen öffnete, erschrak es, denn das Frostgesicht hatte sich über seinen Körper gebeugt. Es war noch dünn, denn es war noch nicht seine Zeit und noch nicht viele waren in der kalten Nacht gestorben.

    „Kommst du, um mich zu holen?“, fragte das Mädchen.

    „Nicht heute Nacht“, sagte Frostgesicht.

    „Kannst du mir dann helfen, die Herrin des Feuers zu finden?“

    „Das kann ich sicher. Gehe in diese Richtung, bis du an den Baum kommst, der viele lange Wurzeln aber keine Äste hat. Dann klopfe gegen den Stamm und du wirst sehen.“

    Und das Mädchen ging in die Richtung, in die das Frostgesicht zeigte.


    Es ging für Stunden und erst nach Sonnenaufgang erreichte es den Baum. Acht dicke, lange Wurzeln wuchsen in alle Richtungen von einem Stamm, der nicht ganz rund war und astlos gerade nach oben wuchs, nur mit zwei knotigen Auswüchsen, die vielleicht Reste von Ästen waren.

    Sie klopfte gegen den Stamm und er fühlte sich an wie kein Baumstamm, den sie kannte.

    Und da öffneten sich die knotigen Auswüchse und es waren zwei Augen. Und die Wurzeln bewegten sich und von unter dem Stamm kam eine tiefe Stimme.

    „Was willst du, Mädchen?“, fragte der Baum.

    „Kannst du mir helfen, die Herrin des Feuers zu finden?“

    „Das kann ich sicher. Wenn ich gegessen habe.“

    Und eine der Wurzeln zog sich zusammen und krümmte sich und ihr Ende kam näher und das Mädchen sah, dass es um einen großen Hai gewickelt war. Die Wurzel schob den Hai unter den Baumstamm, wo er verschwand.

    Nach einer Weile sprach der Baum wieder.

    „Nun werde ich dir den Weg weisen. Folge einfach meinem Arm.“

    Und der Baum streckte seine Wurzel wieder aus und das Mädchen folgte ihr.


    Als das Mädchen das Ende der Wurzel erreichte, die sich nicht mehr bewegte, da kam es an einen großen Stein. Und auf dem Stein lag die Blüteschlange. Sie blühte nicht, denn es war nicht ihre Jahreszeit, doch ihre grüne Haut funkelte in der Sonne.

    „Warum kommst du zu mir?“, fragte die Blüteschlange.

    „Kannst du mir helfen, die Herrin des Feuers zu finden?“

    „Das kann ich sicher. Aber ich muss dich warnen. Die Herrin des Feuers ist so hungrig wie das Feuer selbst und für sie siehst du sicher schmackhaft aus.“

    „Ich muss sie aber finden, denn sonst hat meine Familie in der Jahreszeit des Todes kein Feuer.“

    „Dann geh in diese Richtung, bis du an zwei Birken kommst. Dort warte auf ihre Hütte.“

    Und das Mädchen ging in die Richtung, in die die Schlange wies.


    Nach kurzer Zeit erreichte das Mädchen die zwei Birken und wartete dort.

    Und es dauerte nicht lange, bis die schweren Schritte zu hören waren.

    Bald sah das Mädchen auch die Hütte, die sich wippend näherte, auf zwei geschuppten Beinen laufend und geschmückt mit Schädeln, aus deren Augenhöhlen Flammen schlugen. Die krallenbewehrten Füße traten ins rote Laub und die Hütte beugte sich hinab.

    Die Hütte war nun so niedrig, dass das Mädchen die Schädellaternen berühren konnte. Es hätte leicht eine an sich nehmen können, doch es wusste, dass die Herrin des Feuers keinen Diebstahl verzieh.

    Eine Treppe klappte sich selbst aus und erreichte den Boden und die Tür öffnete sich.

    Vorsichtig stieg das Mädchen hinauf und sah in die Hütte hinein. Drinnen brannte kein Feuer und es war nur eine einfache kleine Hütte und darin saß eine dicke alte Frau mit einem breiten Mund und funkelnden Augen.

    „Herrin des Feuers“, sagte das Mädchen. „Ich bin hier um um Feuer für meine Familie zu bitten.“

    „Das sollst du wohl haben“, sagte die Herrin des Feuers. „Doch vorher musst du etwas für mich tun.“

    „Was immer in meiner Macht steht.“

    „Fülle für mich diesen Eimer mit Wasser und bringe ihn mir.“

    Die Herrin des Feuers reichte dem Mädchen einen Eimer. Dann zeigte sie auf den Brunnen in der Nähe.

    „Wenn es dir aber nicht gelingt, dann werde ich dich schlachten und braten. Willst du es trotzdem versuchen?“

    „Ohne Feuer werde ich in der Jahreszeit des Todes erfrieren. Ich muss es versuchen.“


    Und das Mädchen ging zum Brunnen und versuchte, Wasser zu schöpfen. Als es aber den Eimer hinab ließ, da sah es zum ersten Mal hinein und entdeckte, dass sein Boden ein Sieb war.

    „Wie soll ich diesen Eimer nur mit Wasser füllen?“

    Das aber hörte das Frostgesicht und hauchte seinen eisigen Atem auf das Wasser, dass es gefror. Und das Mädchen füllten den Eimer mit Eis und die Herrin des Feuers musste es gelten lassen.


    „Das genügt aber noch nicht“, sagte die Herrin des Feuers. „Denn nun habe ich zwar Wasser, aber kein Salz. Geh und besorge mir eine Salzfrucht.“

    „Aber wachsen die Salzfrüchte nicht nur am Meer?“, fragte das Mädchen.

    „So ist es.“

    Und das Mädchen ging los, aber es wusste, dass das Meer weit entfernt war und es sich ganz sicher auf dem Weg wieder verlaufen würde.

    Doch der astlose Baum hatte alles mitbekommen und mit seiner Wurzel, die bis zum Meer reichte, tastete er nach einer Salzfrucht, pflückte sie und reichte sie dem Mädchen.

    Und das Mädchen konnte die Frucht der Herrin des Feuers geben.


    „Das genügt aber noch nicht“, sagte die Herrin des Feuers. „Ich habe nun Wasser und Salz, doch um zu kochen fehlen mir noch Kräuter. Bringe mit doch Vogelblutkraut, das mag ich am liebsten.“

    Und das Mädchen ging los und suchte Vogelblutkraut, doch es konnte keins finden. Und da fiel es ihm ein.

    „So spät in der Jahreszeit der Frucht sind die Blätter des Vogelblutkrauts schon vertrocknet. Erst in der Jahreszeit der Blüte wird es wieder austreiben.“

    Das hörte aber die Blüteschlange und sie öffnete ihr Maul und verspritzte ihren feinen Nebel. Und wo er sich auf den Boden setzte, da trieb das Vogelblutkraut aus. Und das Mädchen fand es und erntete zwei ganze Hände voll.


    „Nun habe ich Wasser, Salz und Kräuter“, sagte die Herrin des Feuers. „Nur Fleisch fehlt mir noch, doch das soll nicht meine Sorge sein. Du hast meine Aufgaben erfüllt, nimm dir eine meiner Schädellaternen.“

    Und das Mädchen nahm sich einen Schädel in dem das Feuer hell brannte. Und im Licht des Schädels konnte es sogar seine eigenen Spuren sehen und wieder nach Hause finden.


    Die Stiefmutter und die Stiefschwester freuten sich über das Feuer und ließen das Mädchen damit heizen und kochen.

    Als aber die Jahreszeit des Todes kam, da gingen die Vorräte zur Neige, denn Stiefmutter und Stiefschwester aßen gierig. Und so schickten sie das Mädchen aus, um im Dorf Essen zu kaufen.

    Während das Mädchen aber weg war, wurden sie wieder hungrig und versuchten, die Reste der letzten Mahlzeit aufzuwärmen. Weil der Schädel aber nicht ihnen gegeben war, konnten sie nicht damit umgehen und sein Feuer verbrannte die Stiefmutter zu Asche.

    Die Stiefschwester war darüber nicht zu betrübt, erkannte aber, dass sie ihre eigene Schädellaterne brauchte, wenn sie nicht immer abhängig vom Mädchen sein wollte.

    Und so ging sie in den Wald um die Herrin des Feuers zu finden.


    Als das Mädchen mit dem Essen zurückkehrte, waren die böse Stiefmutter und die böse Stiefschwester nicht da und sie kam auch nicht wieder.

    Und als die Wintersonnenwende kam, hatte das Mädchen ein gutes Festessen.

    Und die Herrin des Feuers natürlich auch, denn das fehlende Fleisch war zu ihr gekommen.



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    ,*________Weinachtsvorbereitungen, Teil 1________*,

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    Es war Herbst im Sektor zwei. Die Windmaschinen liefen intermittierend und produzierten böiges Wetter, das die braunen Blätter über den Boden tanzen ließ. Der Lenkdrachenverleih an der Hauptstraße in Salzauen an der Guch hatte gerade nicht besonders viel zu tun, denn für Lenkdrachen brauchte man stabilere Windverhältnisse.
    Fridibald saß hinter dem Tresen, schmökerte in der Zeitung und zählte die Rechtschreibfehler. Das würde teuer für den Guchbrucker Anzeiger, denn das Monopol auf Rechtschreibfehler in Zeitungen im Sektor zwei hatte der Medienmogul Ewald Torfstecher, der liebend gern bei kleinen unabhängigen Zeitungen abkassierte. Hätte der Anzeiger eben Fridibalds Bewerbung als Korrekturleser angenommen, das wäre sicher billiger gewesen.
    Rezeppe für den Herbsanfang, Fridibald machte zwei weitere Striche auf seiner Strichliste. Nudelsupe, noch ein Strich. Wollte da jemand absichtlich die kleine Zeitung ruinieren?
    Ja, das musste so sein. Wer bei einer Zeitung arbeitete, schrieb doch nicht auch noch ausgerechnet den Namen der Zeitung falsch. Soweit Fridibald wusste, gab es einen Guckbrucker Anzeiger nämlich nicht.
    Ein Windstoß fuhr in den Laden, das Glöckchen oberhalb der Tür bimmelte, Fridibald sah auf. Irenäus war da, in seiner Funktion als Lieferbursche der Weltwirtschaft, und stellte das bestellte Mittagessen auf dem Tresen ab.
    "Nicht viel zu tun heute?", fragte er.
    "Schlechtes Wetter zum Drachensteigen. Für morgen ist stabileres Windwetter angesagt."
    "Dann leihe ich mir morgen mal einen Drachen aus. Habe schon lange keinen mehr steigen lassen."
    Fridibald krakelte das Bezahlsymbol auf einen Notizzettel, dieses leuchtete sogleich weiß auf, das Bezahlwesen hörte zu.
    "Das macht dann 22 Gurdeln, für die Weltwirtschaft", sagte Irenäus.
    "Passt", sagte Fridibald, "leg noch eine Gurdel für Irenäus drauf."
    Das Symbol glühte golden auf und verschwand dann.
    "Danke. Wann hast denn du hier aus? Die Damen im Rathaus üben am Abend noch ihre Tanzeinlage für Weinachten und Greta hat gemeint, üben ohne Musik und Kritiker sei nur halb so lustig. Magst du mit deiner Posaune die Musik stellen? Ich kritisier dann, also, vorausgesetzt, ich finde überhaupt was zum Kritisieren."
    Fridibald blinzelte verdutzt. "Äh, ja, hm. Um fünf mache ich hier zu und ich glaube nicht, dass ich nachher noch was aufräumen muss. Ich hab bloß mein Fagott nicht da, könnte höchstens singen."
    "Äh, Fagott? Du spielst wieder Fagott?"
    "Naja, die Posaune wollte unbedingt mein Neffe haben und prompt hat sie eine Beule. Jetzt halt wieder Fagott. Posaune wär mir lieber."
    "Komm trotzdem, ja? Ich komm dich abholen, wenn dir das recht ist."
    "Passt. Bis dann!"
    Irenäus winkte knapp, drehte sich um und verließ den Laden. Kurz kam eine Windbö herein und auch das Glöckchen bimmelte.
    Fridibald sah wieder in die Zeitung. Neuerdings standen um Grundstücke offenbar Zaunfähle. Noch ein Strich für die Strichliste.
    Vielleicht fragte er am Abend einfach mal die Damen im Rathaus, was mit der Zeitung los war. Vielleicht wussten die es.



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