WB-Adventskalender 2022

Liebe Bastler, die Weltenbastler-Olympiade hat begonnen, das WBO-Tool ist vorbereitet. Bitte meldet euch schnell an. Viel Spaß dabei!
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    ,*________Weinachtsvorbereitungen, Teil 2________*,

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    Es war Nacht im Sektor zwei. Der Vollmond stand wahrlich riesig am wolkenlosen Himmel, da musste jemand die Mondschablone in der falschen Größe montiert haben. Sah aber sehr schön aus, fand Irenäus, der gerade gemeinsam mit seinem Freund Fridibald den Rathausplatz überquerte, ein Rudel verwilderte Mäuse im Eisblumenbeet aufschreckte und dann das Salzauer Rathaus betrat. Der Vorraum war soeben in seiner siebeneinhalbstündlichen Umwandlung begriffen, was eigentlich recht praktisch war, denn so musste man gerade keine Treppen steigen, sondern konnte auch die Kellerräume ebenerdig erreichen, wenn man wusste, wie. Irenäus stieß die Tür auf und blickte in die Kantinenküche im dritten Stock, er neigte sich etwas nach links, jetzt das Büro des Hafenmagistraten im zweiten Stock. Irenäus neigte sich noch einiges stärker, was ihm den Blick auf den Heizkessel im zweiten Kellergeschoss ermöglichte.

    Nur ein kleines bisschen aufrechter, dann schnell durch die Tür huschen. Fridibald wusste auch, wie es ging, und gesellte sich zu Irenäus und den übenden Damen in der Aktenhalle.

    "Grüß euch", sagte Greta und klackte mit ihren Steppschuhen herbei. "Fridibald, schön, dass Sie auch kommen konnten. Freut mich."

    "Gleichfalls, Frau Bürgermeisterin", sagte Fridibald. "Ich hab nur leider kein Fagott dabei."

    "Ach ..." Sie winkte ab und kicherte schulmädchenhaft. "Die Resi hat immer eine Posaune da, für alle Fälle."

    Eine Posaune! Fridibald lächelte selig, als Terese ihm ihr Instrument überreichte.

    "Würden Sie uns doch bitte den Salzmarsch spielen, ja?", bat die Bürgermeisterin. "Können wir, meine Damen?" Sie begab sich klackend zurück in die Tanzformation.

    Fridibald setzte das Instrument an die Lippen und pustete hinein, seine rechte Hand bewegte den Zug, als hätte sie nie etwas anderes getan. Er musste Resi unbedingt bitten, ihm das Instrument zu leihen.

    Die Damen steppten in komplizierten Formen durch die Aktenhalle, dabei war schon kompliziert genug, was nur ihre Füße taten. Wie machten sie das? Fridibald rätselte den ganzen Salzmarsch hindurch.

    Irenäus rätselte auch, stellte sich danach heraus. "Meine Damen, was soll ich da kritisieren? Damit könnt ihr Jochel Neustein vortanzen und mit einer Bassziege heimgehen."

    Laura hielt sich die Hand vor's Gesicht. "Nein! Ich gehe nicht ins Fernsehen, da kriegen mich drölf Ziegen nicht hin!"

    "Geht ja nicht, die Bassziege ist ja schon dort", kam von Diana.

    Luise dachte nach und zählte an ihren Fingern. Irenäus kannte das, ihm fielen auch nie auf Anhieb alle drölf Ziegenarten ein.

    "Die Bossziege gehört nicht dazu", bemerkte Greta trocken.

    "Was ist denn eine Bossziege?", fragte Irenäus verdutzt.

    "Ein Rechtschreibfehler, stand gestern im Guchbrucker Anzeiger", wusste Diana. "Ewald Torfstechers Finanzabteilung leckt sich sicher schon die Finger."

    "Heute waren noch viel mehr Rechtschreibfehler drin!", ergriff Fridibald das Wort. "Das ist doch nicht normal! Da hat jemand sogar den Namen der eigenen Zeitung falsch geschrieben!"

    Greta seufzte ausgiebig. "Ich sag's euch, das geht vor Gericht. Konrad Torfstecher macht seit ein paar Tagen den Drucksatz beim Guchbrucker Anzeiger und will Papi offenbar eine Freude machen. Leider kapiert er nicht, dass das Sabotage ist."

    "Und was macht der alte Torfstecher?", fragte Fridibald mit großen Augen.

    "Bisher nichts. Wir werden sehen." Die Bürgermeisterin zuckte mit den Schultern und wechselte das Thema. "Gehen wir noch kurz was trinken?"



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    Feedback zu den Adventskalendertexten könnt ihr HIER geben. Die Texte sind wie jedes Jahr zunächst anonym, damit ihr - wenn ihr wollt - Autoren raten könnt. Wenige Tage nach Weihnachten wird aufgelöst, welcher Text von wem stammt, dann können die Autoren dort im Thread gesammelt auf das Feedback antworten.


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    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

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    ,*________Weinachtsvorbereitungen, Teil 3________*,

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    Es war Herbst im Sektor zwei. Die Windmaschinen liefen durchgehend und produzierten eine steife Brise, was sehr gut an sich biegenden Bäumen unter hellem Mondlicht zu sehen war, auch wenn man die Brise innerhalb eines Waggons der U18 überhaupt nicht spürte. Wanda sah mit auf die Faust gestütztem Kinn aus dem Fenster und beobachtete, wie Bäume, Straßen und Gebäude an ihr vorbei zogen.

    Ein Gongschlag erklang. "Liebeee Fahrgästeee, wir erreichn in Kürzeee Salzaunandaguch. Ausstignfartrichtung liiinks, bittebindnsihre Hüteee unandrelosekleidungsstückungegenständeee feeest. Wiiirverabschienuns herzliiich vonnenfargästndiunshier verlaaassn."

    Wanda folgte der Anweisung und schloss den Haken des Kinnbandes ihrer hellblauen Windmütze, abgesehen davon hatte sie nichts Loses bei sich. Der Zug bremste ab, die Türen öffneten sich zischend und Wanda schlängelte hinaus auf den Bahnsteig. Sie nahm ihre hellblaue Reisetasche von einem mürrischen Bahnangestellten am Gepäckausgabeschalter entgegen und machte sich auf den Weg zu ihrer Herberge.

    Mit Blick auf den Fluss, sogar mit Sumpfgarten, stellte sich heraus, als die Naga den Altgucher Hof erreichte. Das rustikale Holzhaus bot gleich nach dem Eintreten eine Zwischenmahlzeit mit Selbstbedienung: Wanda schnappte sich eine der herumlaufenden Mäuse und verspeiste sie mit einem Haps.

    "Guuuten Aaabend", grüßte der Wirt, ein Naga mit Halbglatze und Monokel. "Frau Obderwützel?"

    "Ja. Wanda Obderwützel."

    "Ja, wunderbar. Das Zimmer im Anbau mit Fenster zum Garten, das ist da links den Gang entlang ganz am Ende. Darf ich mir Ihre Frühstückswünsche gleich notieren?" Er reichte ihr einen Zettel.

    Gebackene Mäuse, Quadratwurzelmus mit Birnensalat, Dracheneipalatschinken mit Melonencarpaccio. Dreispitzbrötchen und dreierlei Marmeladen waren immer dabei. Für Wanda war die Entscheidung klar: "Gebackene Mäuse."

    "Sehr wohl. Getränke stehen dann in Kannen zur Verfügung. Hier der Zimmerschlüssel." Der Wirt überreichte selbigen. "Darf ich Ihre Tasche ins Zimmer bringen?"

    "Ja, gerne", sagte Wanda. "Ich möchte ohnehin noch nicht ins Bett. Wo kann man denn hier in Salzauen etwas trinken?"

    Der Wirt dachte kurz nach. "In der Weltwirtschaft natürlich, ein paar Weinkeller machen auch jetzt schon Verkostungen, obwohl erst morgen Weinachten ist, und sonst sind auch noch die Wolfshöhlen-Bar und die Bar am Rathausplatz immer zu empfehlen."

    Wanda blinzelte. "Weinachten? Was ist das denn?"

    Der Wirt blinzelte auch. "Oh, das ist das größte Weinfest des ganzen Sektors."

    Da musste Wanda dann wohl hin. Aber zunächst peilte sie eine Bar an. Mit Wölfen hatte sie es nicht so, daher fand sie sich eine halbe Stunde später am Rathausplatz wieder, fing sich eine verwilderte Maus aus einem Eisblumenbeet und schlängelte wenig danach kauend in die Bar am Rathausplatz.

    Auf der Bar saß ein junger Halbkatzenleut-Halbmensch, der mit selig verzücktem Gesichtsausdruck in eine Posaune blies.

    Und wirklich, wirklich schön posaunen konnte.

    Wanda bestellte ein Kugelbier und setzte sich an die Bar, hier blieb sie gerne.


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    ,*________Weinachtsvorbereitungen, Teil 4________*,

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    Es war Nacht im Sektor zwei und die Bar am Rathausplatz in Salzauen an der Guch war so voll wie selten. Beschwingt durch das Spiel der Posaune lief der hünenhafte Dämon Meinrad von Gast zu Gast und teilte Getränk um Getränk aus. Eisblumenschnaps, Wilder Krautlikör, Karblinger Erdbeerbier, auch mal einen Sumpfwurm, das war ein Mischgetränk aus Eisblumenschnaps, Zuckersirup, kandierten Oliven und Lianennektar - Meinrad fand dieses Getränk abstoßend, aber für Nagazungen war es offenbar eine Delikatesse. Auch die junge Frau im hellblauen Kleid an der Bar trank inzwischen den zweiten Sumpfwurm, während ihre Schwanzspitze im Takt der Musik wippte.

    An einem Tisch am Fenster saßen die Mitglieder der Bürgernahen Tanzgruppe und der Lieferbursche der Weltwirtschaft, Meinrads Vetter Irenäus, der sich mit der Bürgermeisterin gerade einen großen Birnensalat teilte.

    Meinrad eilte in die andere Richtung und stellte einmal Birne-Spritz und zwei Kugelbier auf einen Tisch und legte auf den Tisch daneben eine Rechnung, deren Empfänger ihm einige Münzen Bargeld in die Hand drückte, aufstand und die Bar verließ.

    Die Posaunenklänge verstummten. "Meinrad, krieg ich einen Eisblumenschnaps?", fragte der Posaunist.

    "Klar, Fridl", gab Meinrad zurück, griff nach einem Schnapsglas und der Flasche und stellte seinem besten Umsatzförderer dessen Getränk hin. "Aufs Haus, sag ich dir. Wenn du magst, darfst du hier jede Nacht posaunen kommen! Mit Festanstellung."

    "Oha. Ich denk drüber nach."

    Die Naga im hellblauen Kleid hob die Hand, Meinrad eilte zu ihr. "Eine große Gurkenlimo zwischendurch bitte, sonst schlafe ich noch durch euer Weinfest."

    "Kommt sofort." Er holte eine grüngenoppte gelbe Flasche aus einer Kiste und stellte sie mit einem grüngenoppten gelben Glas vor der jungen Frau ab. "Sind Sie extra für Weinachten da?", fragte er.

    "Nein, das ist Zufall. Ich bin an sich wegen der botanomantischen Züchtungen von Regenbogenblumen hier, für meine Abschlussarbeit, aber wenn hier so ein großes Weinfest ist, dann lasse ich mir das sicher nicht entgehen. Ich kann ja auch übermorgen mit der Forschung anfangen."

    "Tun Sie das. Salzauer Wein macht gar kein Kopfweh." Er grinste schief. "Sumpfwürmer schon, aber da hilft die Gurke, wie Sie wissen."

    Die Naga nahm einen Schluck. "Ich spüre es schon."

    "Wurde ja auch botanomantisch gezüchtet. Wissen Sie aber eh besser als ich."

    Sie sah auf. "Tatsächlich nicht. Ich dachte, die Trinkgurke wäre rein klassisch gezüchtet."

    "Aber nein. Da wurden ... wie ging das?" Meinrad dachte scharf nach. "Da wurden Wasser-Emanationen mit irgendetwas aus der Nektarmelone verknüpft und ... ach, was erzähle ich da? Wissen Sie was? Im Werbeprospekt für die Gurkina ist der Stammbaum der Trinkgurke drin, ich such Ihnen das gern raus und geb's Ihnen morgen - ich bin fast immer bei den Bottichen in der Nähe, und wenn Sie mich nicht sehen, fragen Sie nach Meinrad."

    "Meinrad", wiederholte sie, "sehr erfreut. Wanda." Sie streckte ihm die Hand hin, die er kurz schüttelte, bevor er von woanders herbeigewunken wurde und sich wieder dem Servieren von Getränken widmete.

    Die Aussicht, Wanda in weniger hektischer Umgebung wiederzusehen, war schön. Aber jetzt musste Meinrad noch ein paar Stunden arbeiten.


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    ,*________Weinachtsvorbereitungen, Teil 5________*,

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    Es war Herbst im Sektor zwei. Die Windmaschinen liefen durchgehend und produzierten ein leises Lüftchen, ein Zugeständnis des Uhrvolkes an das Planungskomitee für Weinachten, das zu starken Wind oder anderes Sauwetter an diesem Tag nicht brauchen konnte.

    Irenäus gähnte ausgiebig, es war spät geworden in der Bar. Aber keinesfalls blieb er an Weinachten zuhause. Ihm tat aber Fridibald leid, der seit frühmorgens schon mit der Marschbläserei Hintermärzelgunzingen unterwegs war, während andere immerhin bis kurz vor zehn ausschlafen hatte können.

    Das Frühstück fiel nur kurz aus, beim Fest würde es genug zu essen geben und zudem hatten weder Irenäus noch Greta gerade Lust, mehr als ein Dreispitzbrötchen mit Marmelade zuzubereiten.

    Es war der Morgen des zweiten Mittwochs im Herbst im Sektor zwei und wie viele viele andere Leute auch begaben sich Irenäus und Greta zum Marktplatz, wo schon riesige Bottiche aufgestellt waren. Säckeweise wurden die Beeren hineingeschüttet, dafür war wegen seiner Muskelkraft normalerweise hauptsächlich der hünenhafte Dämon Meinrad verantwortlich. Diesmal ließ sich der müde Dämon Meinrad von seinem nicht weniger hünenhaften Bruder Iselbert helfen.

    "Grüß euch", sagte Greta.

    "Die Frau Bürgermeisterin, hallo hallo!", sagte Iselbert. "Bitte beim Waten auf Wandas Schwanz aufpassen, ja?" Er wies auf die junge Naga, die im Bottich im Kreis schlängelte.

    Nützte das überhaupt etwas, wenn eine Naga die Maische hin und her schubste? Aber auf den zweiten Blick erkannte Irenäus, dass Wanda durchaus mit ihrem Schlangenschwanz gut auf die Maische einschlug, es sah aber auch anstrengender aus als normales Alltagsschlängeln.

    "Pst, Irenäus", machte Meinrad, "darf ich dich was fragen?"

    "Nur zu."

    "Bist du schon mal mit der U18 gefahren? Wanda sagt, sie ist mit der aus Findlingen am Nimmermeer gekommen, aber da fährt man doch mit dem Schiff, dachte ich."

    "Ich bin noch nie U18 gefahren, nein, aber ich weiß trotzdem, dass die durch Metaverwerfungen fährt."

    Meinrad machte große Augen. "Echt jetzt? Nicht schlecht."

    "Ich nehm halt den Weg über die Weltwirtschaft und die Schlaufe, wenn ich durch eine Metaverwerfung will", sagte Irenäus, "aber vermutlich ist die U18 eine Ecke sicherer. Ich meine, da passen ja Lokführer und Schaffner und alle auf, und überhaupt, die Bahn hat Schienen, da kommt man nicht so leicht vom Weg ab."

    "Ah. Na dann fahr ich da vielleicht mal nach Findlingen", beschloss der Dämon. "So, und du jetzt rein in den Bottich, und immer schön im Kreis der Wanda und der Greta hinterher."

    Und dann wateten sie, Wanda, Greta und Irenäus, immer im Kreis. Alle drei waren sie müde, aber ein bisschen Waten musste einfach sein, für die Touristin, weil sie das in Findlingen am Nimmermeer nicht machen konnte, und für die Bürgermeisterin, weil sich das für die Bürgermeisterin einfach so gehörte.

    Und für Irenäus, weil er eben seiner Greta hinterherwatete. Er wollte nirgendwo anders hin.

    Erst zu Mittag, als Greta einen Tisch suchte, wollte Irenäus wieder hinaus aus dem Bottich. Es gab eine große Schüssel Wurzelsuppe für jeden, auch Wanda und Meinrad fanden sich am Tisch ein.

    Am Nachmittag gab es Zuckerwatte und Honignüsse, und Karussellfahrten, da konnte man sich besser von der durchzechten Nacht ausruhen als beim Waten im Bottich.

    Am späteren Nachmittag konnten Irenäus, Wanda und Meinrad sich im sitzen weiter ausruhen, während die müde Bürgernahe Tanzgruppe ihre Tanzeinlage steppte, zu den Klängen des Salzmarsches, gespielt von der Hintermärzelgunzinger Marschbläserei, in der dritten Reihe der müde Fridibald mit seinem ungeliebten Fagott.

    Und gegen Abend hielt Greta ihre Rede als Bürgermeisterin.

    Und dann kam der Wein. Viel davon wurde getrunken, sehr viel - und den Rest, so kam es Irenäus vor, kaufte, in Flaschen abgefüllt, Wanda ein, für ihre Freunde in Findlingen am Nimmermeer.

    Hoffentlich, überlegte Irenäus, dachten die Findlinger nicht, in Salzauen an der Guch würde ständig nur gesoffen.


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    Einhundert Personen

    Einhundert Laternen

    Und Geschichten über die Tseij


    Einhundert Geschichten erzählt

    Einhundert Laternen gelöscht

    Und in der Dunkelheit warten die Tseij



    Bin ich jetzt dran? Okay, dann wollen wir mal sehen… Eine Geschichte über die Tseij ist es, dass wir Geschichten über die Tseij erzählen. Einhundert Personen kommen zusammen, jeder bekommt eine brennende Laterne, und dann erzählt jeder eine Geschichte. Wer damit fertig ist, löscht seine Laterne, so dass es immer dunkler wird. Und wenn die einhundertste Geschichte erzählt ist und die einhundertste Laterne gelöscht, dann, in der völligen Dunkelheit, passiert etwas Spukhaftes.


    Soweit ich weiß, hat kein Bericht jemals genau erklärt, was dieses „etwas Spukhaftes“ sein soll. Oder auch nur, wie harmlos oder gefährlich es ist. Vielleicht erscheint ein Tseij, oder sogar mehrere, aber ob sie dann wohlmeinend sind oder auf Blut aus… Ich glaube, es hat es einfach noch nie jemand wirklich darauf ankommen lassen. Darauf, die Instruktionen wirklich ganz korrekt auszuführen, meine ich. Es ist nicht, als hätten sich nicht schon oft Gruppen von Menschen getroffen, um herauszufinden, was passiert. Eine Zeit lang war das sogar eine sehr beliebte Art von gesellschaftlichem Ereignis.


    Wenn man es genau bedenkt, ist es perfekt für ein nettes Zusammensein. Gut, es dauert eine Weile, denn einhundert Geschichten werden nicht mal eben in ein oder zwei Stunden erzählt, selbst wenn sie nur kurz sind. Und es gibt ja immer Leute, die sich nicht kurz fassen können. Oder die einfach so gut und spannend erzählen können, dass niemand will, dass die Geschichte zu Ende geht. Auf die ein oder andere Weise, man hat genug Stoff und Unterhaltung für den ganzen Tag, ohne dass der Gastgeber sich dafür viele Gedanken machen oder in Unkosten stürzen müsste. Die Gäste müssen sich ja überlegen, was sie erzählen wollen.


    Man braucht auch nicht besonders viel Dekoration. Ausreichend Sitzgelegenheiten sind gerne gesehen, und über Tag ist es auch nett, wenn es paar Vasen mit Blumen gibt oder ein paar Girlanden. Aber wenn es Abend wird – und es muss in den Abend hineingehen, denn nur so kommt die steigende Dunkelheit zur Geltung, und es gibt nach dem Löschen der letzten Laterne die erforderliche Finsternis für ein spukhaftes Erlebnis – dann sieht man die Dekoration ohnehin nicht mehr.


    Was man braucht, ist etwas zu essen und ausreichend Getränke. Das kostet natürlich, denn es muss mehr als eine Mahlzeit geplant werden, aber das ist nichts, was einen gut geführten Haushalt in Schwierigkeiten stürzen sollte. Es geht ja nicht darum, besondere Delikatessen aufzutischen oder mit dem gut sortierten Weinkeller anzugeben. Die Hauptattraktion sind die Geschichten und das, was danach passieren sollte.


    Auch muss man sich keine Gedanken darum machen, welche Gäste man einlädt, ob sie zu einander passen und ob sie ausreichend Gesprächsstoff finden, um einen schönen Tag zu verleben – es spricht ja immer nur einer. Der Rest schweigt und hört zu. Das muss sein, denn man will in den nächsten Tagen darüber reden können, wie gut oder schlecht die Vorträge waren. Inhaltlich genauso wie in der Darbietung.


    Das, was man unbedingt braucht, sind Laternen. Aber auch da könnte man die Gäste einfach auffordern, ihre eigenen mitzubringen. Jeder gut sortierte Haushalt hat mehr als genug davon. Und sie sind auch sehr praktisch, um später den Heimweg zu finden.


    Nein, das größte Problem könnte darstellen, einhundert Personen zu kennen, die man einladen kann. Selbst wenn man einen großen Bekanntenkreis hat, so hat doch jeder davon eine Reihe gesellschaftlicher Verpflichtungen und vielleicht schon etwas anderes vor.


    Und dann ist da eben noch die Entscheidung, ob man es wirklich riskieren will, alles genau so zu machen, wie es vorgeschrieben ist, denn wer weiß, was dann passiert.


    Ich weiß, was jetzt die meisten von euch denken: Wie soll man denn bei so simplen Spielregeln betrügen können? Diese Zweifler möchte ich einladen, sich einmal genau umzusehen. Sicher, die Gruppe, die in diesem schön geschmückten Festsaal auf bequemen Kissen ruht, ist groß, aber wer von euch kann beschwören, dass wir genau einhundert sind? Gut zwei Drittel von uns haben ihre Geschichten bereits vorgetragen, ganz genau gesagt ist diese hier die fünfundsiebzigste, und langsam kriecht die Dämmerung aus den Ecken und nimmt das Zwielicht Überhand. Aber wer von uns kann beschwören, dass nach jeder Geschichte nur eine Laterne erloschen ist bisher? Selbst wenn wir genau einhundert Teilnehmer sind, so braucht nur einer von uns heimlich seine Laterne zu löschen, und schon tritt die totale Finsternis nach nur neunundneunzig Geschichten ein – und wie viele von euch würden das merken?


    Tatsächlich war das ein beliebter Kunstgriff. Die Zahl der Gäste lässt sich sehr leicht nachhalten, wenn das jemand will und von Anfang an darauf achtet, aber ein Licht ist so schnell ausgeblasen… Und um das Publikum nicht zu enttäuschen, bereitet der umsichtige Gastgeber selbst eine Kleinigkeit vor, die nach all den Geschichten und im Dunkeln spukhaft erscheint und die Gäste durch Erschrecken begeistert. Vollkommen harmlos, das auch. Denn das ist das Risiko, dass es zu vermeiden gilt: Dass ein Tseij einem Gast ernsthaften Schaden zufügt. Oder, noch schlimmer, dem Gastgeber. Das wäre fast so schlimm, als wenn am Ende gar nichts passieren würde.


    Es gibt so viele verschiedene Tseij, die jeder von uns kennt, und sicher noch viel mehr, die nur wenige von uns kennen. Wie viele es gibt, die keiner von uns kennt, lässt sich nicht sagen. Sicher ist nur, sie sind da, sind immer um uns, mehr oder weniger offensichtlich oder verborgen. Manche sind harmlos, manche sind nützlich, manche sind gefährlich, aber allen ist gemeinsam, dass sie keine Macht über uns haben. Zumindest nicht, solange wir es ihnen nicht erlauben, durch einen Fehler oder durch unsere Einladung. Und einhundert Geschichten und einhundert erlöschende Laternen ist mit Sicherheit eine sehr deutlich ausgesprochene Einladung. Es kann sein, dass solche offensichtlichen Rufe unter der Würde der wirklich mächtigen und gefährlichen Tseij sind. Es kann auch sein, dass einer der besonders böswilligen Tseij in der Stimmung ist, sich einen Spaß zu machen… Das sind die Risiken, die man eingeht. Oder besser, nicht eingeht. Zumindest nicht, wenn einem das Leben seiner Gäste lieb ist.


    Und damit komme ich zum eigentlichen Punkt meiner Geschichte: Ich bin nicht eingeladen hier. Ich wanderte ganz friedlich und arglos meiner Wege, als ich von zwei Männern mit scharfen Messern zum Herkommen gezwungen wurde. Sie haben nicht einmal versucht, mich einzuladen oder mich zu fragen, ob ich Interesse daran habe, einen ganzen Tag bei freier Bewirtung Geschichten über die Tseij zu lauschen. Nein, sie haben mich mit den Messern bedroht und mitgeschleift. Es ist offensichtlich, dass mein Leben und meine Gesundheit nicht von Bedeutung sind. Niemand macht sich Gedanken, wie gefährlich das Dunkel nach der letzten Laterne sein wird, und niemand wird sich daran stören, wenn wir verletzt werden oder sterben. Ich bin sicher, ihr alle seid in der gleichen Lage wie ich, unter den gleichen Umständen hergezwungen. Ich bin sicher, dass unser Gastgeber nicht in unserer Mitte weilt. Vielleicht ist er nicht einmal in diesem Gebäude und es reicht ihm, wenn ihm morgen früh jemand berichtet, was passiert ist, nachdem der letzte von uns seine Geschichte erzählt und seine Laterne ausgelöscht hat. Ich denke, die Chancen stehen gut, dass wir diese Nacht endlich herausfinden, was passiert. Wirklich passiert, ohne Mummenschanz und künstlichen Grusel.


    Vielleicht liege ich aber auch falsch, und es ist wieder ein Fehler im Ritual, der die Einladung verstummen oder die Tür verschlossen bleiben lässt. Vielleicht hat unser Gastgeber auch nur einen weiteren spukhaften Spaß vorbereitet und freut sich schon jetzt darauf, zu sehen, wie er uns einen gewaltigen Schreck einjagen wird. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.


    Wie gesagt, die Chancen stehen gut, dass das Geheimnis heute Nacht gelüftet wird. In fünfundzwanzig Geschichten, wenn die Schatten bis unter die Decke reichen und der Mond sich hinter den Wolken versteckt, in der Finsternis nach der letzten Laterne.


    Mögen die guten Mächte uns beistehen.


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    - Armin Maiwald

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