[Aerthei] Parteien in der Chantareji

  • Es gibt in der Chantareji etwa 150 politische Gruppierungen und Parteien, von denen jedoch reichsweit nur 10 in Erscheinung treten. Es sind dies:


    Konservative:
    Blau und Silber, konservativ, enge Bindung an die Mneri Adohoi (BS)
    Rot und Gold, monarchistisch (RG)
    Cee voran!, gemäßigt nationalistisch (CV)
    Die Reichsritterschaft, feudalistisch-aristokratisch (RIT)
    Der Süden, nationalistisch-separatistisch (SÜD)


    Progressive:
    Gemeinsam essen, "sozialdemokratisch/rechtssozialistisch" (GE) 1)
    Arbeit, Frieden, Land, Sozialisten/Kommunisten (AFL)
    Kein Herr, kein Reich, kein Gott, Anarchosyndikalisten/Anarchisten (A)


    Sonstige:
    Das Blut der Mutter, Ökologisten (BM)
    Volkswille, republikanisch (VW)


    In der aktuellen Ratskammer -- Wahlperiode 3700--3705 nIL -- sind 8 der 10 Parteien vertreten:


    [Blockierte Grafik: http://kruschd.walp.de/forum/Images/RatskammerPeriode372.png]


    Konnte die Koalition aus BS, RG, CV, RIT und SÜD in der 371. Wahlperiode auf eine solide Mehrheit von 52 Stimmen -- 82, wenn die 30 parteilosen Abgeordneten, die meist mit der Koalition stimmen, hinzugerechnet werden -- bauen, so hat sich das Bild in der 372. Wahlperiode gründlich geändert.


    Zum einen haben sich die linken Kräfte in der AFL konzentriert und 23 Stimmen hinzugewonnen. Zum anderen tendieren noch etwa 15 statt vorher 30 Parteilose zu den Konservativen. Zum dritten kam es zum Bruch innerhalb der Koalition: "Der Süden" fühlte sich vernachlässigt und verließ das Mitte-Rechts-Bündnis 3701. Sprecherin Aslénè Injéran (BS) kann somit nur noch auf 245 Stimmen rechnen -- eine Mehrheit von 3 Abgeordneten! -- und muß den 15 konservativ gesonnenen Parteilosen teilweise umfangreiche Zugeständnisse machen.


    Glücklicherweise für die Sprecherin ist die Opposition kein geschlossener Block. "Der Süden", die Ökologisten und die überwiegende Mehrheit der Parteilosen werden kein Bündnis mit der AFL eingehen. Fast noch tiefer sind die Gräben zwischen der GE und dem "Volksfrontbündnis" aus AFL und A.


    So sagen denn die politischen Beobachter allgemein voraus, dass die 56-jährige Aslénè Injéran die verbleibenden anderthalb Jahre ihrer dritten, glanzlosen Amtszeit überstehen wird. Jedoch deuten alle Umfragen daraufhin, dass die nächste Reichsregierung von 32-jährigen Sprecherin der Dunkelkammer, der Kommunistin Chindálè Unóa aus der Provinz Dwelia gestellt wird. Wären in der kommenden Woche Reichswahlen, würde Chindálè Unóa mit knappen 2 Stimmen Vorsprung den Sieg davontragen. Damit gäbe es seit der "Volksfront" der Wahlperioden 366--369 wieder eine Linksregierung in der Chantareji. Die Börse reagierte auf die letzten Umfrageergebnisse verhalten und schloß mit schwachen Gewinnen um 0,3 % ab.


    1) Die Bemerkungen entsprechen dem nächsten Äquivalent in der deutschen Parteienlandschaft.


    cya :)
    Martin "vi"

    "There are two major products that came out of Berkeley: LSD and UNIX. We don't believe this to be a coincidence. "
    Jeremy S. Anderson

  • Die Tabelle ist für mich ein bisschen haarig, weil ich die Abkürzungen nicht gewohnt bin, und einen Zeitlichen Verlauf meist von links nach rechts vermute... naja, Erdenmensch halt.


    Bei der Abkürzung "VW" musste ich doch wenig schmunzeln, den Zahlen nach ist deren reichsweites in Erscheinung Treten nicht wirklich bemerkenswert ;)


    Zitat

    [...] eine Mehrheit von 3 Abgeordneten![...]


    Zitat

    [...] mit knappen 2 Stimmen Vorsprung [...]


    Ich würd mal sagen, man schreibe in eine unwichtige Ecke einer Zeitung: "Der Wind dreht - aber er stinkt immernoch nach den alten, faulen Kompromissen!"


    kommt das hin?

  • Hallo zusammen :)


    Zitat

    Original von brotkopp
    (...) naja, Erdenmensch halt.


    ;)


    Zitat


    Bei der Abkürzung "VW" musste ich doch wenig schmunzeln, den Zahlen nach ist deren reichsweites in Erscheinung Treten nicht wirklich bemerkenswert.


    Stimmt. Die haben und hatten keine Bedeutung. "Reichsweites In-Erscheinung-Treten" heisst einfach nur: Eine Partei lässt sich bei der Spruchkammer für die Teilnahme an Reichswahlen registrieren.


    Zitat


    Ich würd mal sagen, man schreibe in eine unwichtige Ecke einer Zeitung: "Der Wind dreht - aber er stinkt immernoch nach den alten, faulen Kompromissen!"


    kommt das hin?


    Du hast gerade 2000 Jahre chantarejischen Parlamentarismus in drei Sätzen zusammengefasst ;)


    cya :)
    Martin "vi"

    "There are two major products that came out of Berkeley: LSD and UNIX. We don't believe this to be a coincidence. "
    Jeremy S. Anderson

  • Zumindest im Umgang mit chanterejischen Parteien sind sich alle Erdlinge ziemlich ähnlich (mit Ausnahme einer Hand voll Leute, allen voran martinvi ;) ).


    Noch ein paar Takte zu den Wahlen: Welche Rolle spielen die Medien? Naja und wie hoch ist die Wahlbeteiligung? (ok, seit 2000 Jahren das selbe, aber genug Leute für ne Statistik solltens schon sein, sonst hätte man diese "Stabilität" ja nicht)
    Und warum sammeln sich soviele Stimmen bei den großen Parteien? Kehrt wohlmöglich zyklisch die Hoffnung wieder, dass man etwas Schwung in die Geschichte bringen kann, wenn alle an einem Strang ziehen? Oder ist das eine langfristige Tendenz? (naja, wenn man überlegt, auf welchen Zeitraum sich "langfristige Tendenzen" in Chantereji ausbreiten müssen, kann man die wohl kaum am Unterschied 2er Wahlergebnisse ablesen...)
    Dementsprechend denk ich mal dass die Reichsritterschaft eventuell nochmal wiederkommt, ich hab ja keine Ahnung, was die gerade machen (rittern die immernoch?).

  • Gibt es eigentlich (für die Statistiker) eine schicke Visualisierung mit lauter lustigen bunten Zickzacklinien, die die Wahlergebnisse der einzelnen Parteien aus den letzten 372 Wahlen veranschaulicht?
    Würde diese Visualisierung überhaupt irgendwas veranschaulichen oder wäre es einfach nur viel zu voll? ;D


    (Aber wahrscheinlich wäre das ein Lebenswerk, wollte man das wirklich ernsthaft durchziehen, oder? Auf jeden Fall würde dann noch ein ganzer Rattenschwanz an politischen Entwicklungen - oder auch nicht - mit dranhängen, der dabei mit beschrieben werden müßte, was sicherlich ganz interessant werden kann, aber eben ein Lebenswerk darstellen würde...)

  • Hallo zusammen :)


    Ich antworte nicht in der Reihenfolge deiner Fragen, sondern nach dem logischen Ablauf. Dem logischen Ablauf für Chantareji, wohlgemerkt ;)


    Nehmen wir also an, Gunnar enEwasé -- der Name hat eine ähnliche Bedeutung wie Joe Doe, Erika Mustermann oder Otto Normalverbraucher -- will in die Ratskammer, das chantarejische Reichsparlament, einziehen. Zunächst begibt er sich zur Dritten Kammer der Spruchkammer seines Bezirks und registriert sich dort als Kandidat für die nächsten Reichswahlen. Die Spruchkammer prüft die formalen Voraussetzungen für die Kanidatur:


    - Ist Gunnar enEwasé mündig?


    Dies bedeutet nicht nur, dass Gunnar das 20. Lebensjahr vollendet hat, sondern auch, dass er das Reichsdienstjahr bei den chantarejischen Streitkräften abgeleistet hat. Was er dort gemacht hat, spielt keine Rolle. Wehr- und Zivildienst werden in der Chantareji einfach über dieselbe Dienststelle -- die Armee -- abgewickelt.


    - Besitzt Gunnar enEwasé die vollständigen Bürgerrechte?


    Die Bürgerrechte können durch das Urteil einer Spruchkammer ganz oder teilweise entzogen werden. Diese Strafe wird bei Vergehen verhängt, die nicht mehr mit Geldbussen oder Arbeitsdiensten geahndet werden, aber noch keine Einweisung in ein Arbeitslager rechtfertigen.


    - Hat Gunnar enEwasé seit 5 Jahren seinen Lebensmittelpunkt im Bezirk?


    Die einfachste Methode, diese Frage zu klären, ist die Beibringung von 3 Zeugen bzw. deren eidesstattlicher Versicherung.


    Damit hat unser Möchtegern-Politiker die erste Runde amtlicher Hürden genommen. Jetzt hat er ein Jahr Zeit, die Unterstützung von 10 % der Wahlberechtigten des Wahlbezirks -- der im Übrigen nicht identisch ist mit dem oben erwähnten (Verwaltungs-)Bezirk -- zu gewinnen. Da heisst es: Unterschriften sammeln. Das geht relativ flott, denn die Kandidatur von jemandem zu unterstützen, bedeutet nach chantarejischer Auffassung noch lange nicht, denjenigen auch wählen zu wollen. Die Kandidatur einer Person zu unterstützen, bedeutet auch nicht, die Kandidatur einer zweiten, dritten under weiterer Personen nicht unterstützten zu können.


    Hier kommen nun zum ersten Mal die politischen Parteien ins Spiel. Schließt sich Gunnar enEwasé einer Partei an, wird ihm diese Partei beim Sammeln der erforderlichen Unterschriften behilflich sein.


    Gunnar ist Mitglied einer Partei und zwar der "Stimme des Clans", die für einerseits für traditionelle, konservative Werte wie Familie, Clan und Sippe, Glaube an das Himmelslicht und die Muttergöttin, andererseits für radikal-demokratische Vorstellungen wie Abschaffung des Königtums und der Feudalstrukturen, Enteignung des Adels und Abschaffung der Erbfolge eintritt. So eine wüste programmatische Mischung ist für chantarejische Parteien ziemlich normal. "Die Stimme des Clans" tritt allerdings reichsweit nicht in Erscheinung. Sie hat sich nicht bei der Staatskammer der Reichsspruchkammer für die Teilnahme bei Reichswahlen registriert. Was heisst das?


    Eigentlich nicht viel. Formal gesehen kandidiert Gunnar enEwasé nicht für die "Stimme des Clans", sondern als Freier. Sollte er einen Sitz in der Ratskammer erringen, ist die "Stimme des Clans" trotzdem nicht im Parlament vertreten. Vermutlich werden die Medien unseren aufstrebenden Berufspolitiker entweder dem "Blau und Silber" zuordnen, wenn sie sich auf die von Gunnar vertretenen konservativen programmatischen Inhalte konzentrieren. Allerdings wäre auch "Cee voran!", "Volkswille" oder "Gemeinsam essen" möglich. Wie gesagt: Das wäre eine -- aus der Luft gegriffene -- Einschätzung der Medien, wobei allerdings der Staatsrundfunk "Radio Stimme der Chantareji" auszunehmen ist. Der würde von Gunnar enEwasé in penibler, akribischer Objektivität als "freiem Abgeordneten, der arandésej mit der reichsweit nicht vertretenen Partei "Die Stimme des Clans" ist" berichten. Diese Praxis führte dazu, dass "Radio Stimme der Chantareji" als extrem langweilig und absolut zuverlässig gilt.


    Aber ich greife vor.


    Im Wahlkampf wird Gunnar enEwasé eine Menge tun müssen. Plakate, Flugblätter, Radio- und Fernsehauftritte, Ansprachen, Versammlungen, Eröffnungen ... das ganze Programm. Sein Clan -- enEwasé -- wird ihn dabei unterstützen, da Gunnar natürlich ohne Einverständnis des Clans gar nicht erst kandidiert hätte. Ebenso wird ihn seine Partei unterstützen. Dies reicht von finanziellen Zuwendungen über materielle und personelle Ressourcen bis zu Handlangerdiensten. Gunnar wird im Wahlkampf viel reden müssen und zwar vor Menschen -- Einweg-Kommunikation ist in der politischen Chantareji nicht sonderlich beliebt. Dabei wird er jede Menge -- zum Teil ziemlich harter -- Fragen zu beantworten haben. Dabei kann ihm weder Clan noch Partei viel helfen. Gewiß: Rhetorikschulungen, Redaktion von Reden, Recherche von Informationen, Aufbau und Abgleich programmatischer Aussagen. Wichtig für Gunnar ist, dass seine Wählerschaft ihn für authentisch, stimmig und zuverlässig hält. Was die Wählerschaft über die "Stimme des Clans" denkt, ist ziemlich gleichgültig. Schließlich wird ja keine Partei gewählt.


    Die Medien werden jetzt anfangen, über Gunnar enEwasé zu berichten. Berichten? Sie werden ihn "durch den Isten ziehen", wie man in Valre sagt. Sie werden ihn zerschnetzeln, zerreissen, jede Schandtat seines Lebens aufdecken -- und ein paar erfinden -- und überhaupt ein wahnsinnig lautes, schrilles und völlig unsinniges Geplapper anfangen. Alle anderen Medien -- einschließlich Gunnars eigener Pressekampagne -- werden sich an einem Satz Chirilon Kamjienes, der Gründerin der größten chantarejischen Tageszeitung "Sie!", orientieren: "Unsere Aufgabe ist es, unser Publikum zu unterhalten."


    Alle, aus "Radio Stimme der Chantareji". Die Bezirks- oder Distriksstudios von RSC werden in absolut dröger Penibilität die Kernpunkte von Gunnars Reden zusammenfassen. Die Kommentatoren von RSC werden Schwachpunkte in Gunnars Kampagne gnadenlos und detailliert darlegen. Dabei kann dann schonmal ein sehr fundierter und längerer -- für chantarejische Verhältnisse längerer -- Vortrag über die Bedeutung der Monarchie für die Stabilität des Reiches rauskommen. Dennoch -- oder gerade deswegen -- finden die Sendungen von RSC weite Beachtung. Die restlichen Medien -- auch und gerade die täglich mit knapp 40 Mio. Exemplaren aufgelegte "Sie!" -- gelten allgemein als unterhaltsame, aber nicht ernstzunehmende Frühstückslektüre.


    Nachdem also der Wahlkampf mit ziemlich viel Getöse, geküßten Kindern, eröffneten Ausstellungen und gegessenem Ofenbrot ebenso wie mit akribischen Fragen nach der Finanzierbarkeit des Vorhaben in Punkt 17, Absatz 3 des Wahlprogramms -- nachdem also all dies über die Bühne ist, wird gewählt. Wahlen finden grundsätzlich am arené eslö statt. Der arené eslö -- der einsame Tag -- ist der 46. und letzten Tag einerorse, dem Äquivalent zum terranischen Monat. Der Kandidat, der im ersten Wahlgang mehr als 51,0 % der abgegebenen Stimmen erhält, hat das Mandat für den Wahlkreis. Schafft keiner der Kandidaten diese Hürde, wird am nächsten Termin eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten gehalten, die die meisten Stimmen im ersten Wahlgang auf sich vereinen konnten. Bei der Stichwahl liegt das Quorum bei mehr als 50,0 % der abgegebenen Stimmen.


    Die Wahlbeteiligung kann dabei in weiten Grenzen variieren. Ein paar statistische Angaben zur Wahlbeteiligung bei Reichswahlen seit den Großen Reformen von 1812 nIL:


    - die Wahlbeteiligung nimmt von Norden nach Süden ab. Chimarron hat mit durchschnittlich 96 % die höchste, Dwelia mit knapp 78 % die niedrigste Wahlbeteiligung.


    - die Wahlbeteiligung nimmt von Osten nach Westen ab. In Chelania machen ca. 93 %, in Cee etwa 86 % von ihrem Wahlrecht Gebrauch.


    - die Wahlbeteiligung nimmt von städtischen in ländliche Gebiete durchschnittlich um 5 % ab.


    - die Wahlbeteiligung ist im ersten Wahlgang durchschnittlich um 10 % höher als bei Stichwahlen.


    - es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Beiteiligung zwischen regulären Reichswahlen und Nachwahlen.


    Die niedrigste Wahlbeteiligung, die es jemals in einem Wahlbezirk gab, lag bei 48,3 % (Girnan, Satürn, 1932 nIL). Die höchste Wahlbeteiligung lag bei 98,5 % (Glyment, Chelania, 3116 nIL).


    Hierzu noch eine Bemerkung über das chantarejische Wahlrecht:


    Geben in einem Bezirk weniger als 50 % der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, wird die Wahl annulliert und eine orse später erneut durchgeführt. Liegt die Wahlbeteiligung auch dann unter 50 %, kriegt der betreffende Bezirk gnadenlos für die Dauer den nächsten 5 Jahre einen vom König bestallten Reichskommissar mit den Rechten und Rang eines Grafen vorgesetzt. Der verfassungsrechtliche Gedankengang ist dabei ganz einfach:


    Parallel zur demokratischen Struktur der Chantareji und untrennbar mit dieser verwoben existiert die feudale Lehensstruktur. Wenn die Menschen nicht bereit sind, ihre Vertreter in die demokratische Struktur zu wählen, wollen sie an der feudalen Lehensstruktur -- wie sie vor 1812 nIL war -- teilnehmen. Bislang war diese harte Maßnahme sieben Mal in der Geschichte des Reiches notwenig. Drei Mal wurde bei der Staatskammer der Reichsspruchkammer dagegen geklagt und jedesmal wurde die Klage mit der Begründung abgeschmettert:


    "Die Chantareji ist eine absolute Monarchie, an deren Spitze der weur als unumschränkter Herrscher steht.


    Mit dem "Reichsabschied" von 1757 nIL beauftragte der weur die Große Kommission der Reichskammer 'auf der Grundlage und nach Maßgabe all jener Gesetze, Verfahren und Traditionen, die sich seit der Zeit des Irthis deLuct und zurück bis in die Tage jener Itzen Memjane als förderlich und hilfreich für das Bestehen und Gedeihen von Freiheit und Einheit des Reiches erwiesen haben, neue Gesetze vorzuschlagen, zu beraten, zu beschließen, einzuführen, durchzusetzen und zu überwachen.'


    Gemäß dem Gemeinen Recht erkennt der weur alle Untertanen als seinen direkten Vasallen an und gewährt ihnen an den unkörperlichen Sachen der Verfassung und parlamentarischen Vertretung ein Rechtslehen. Die Investitur dieses Rechtslehens erfolgt in wörtlicher und schriftlicher Weise durch die willentliche Ablegung des Kroneneids am Ende der Reichsdienstzeit.


    Gemäß dem gleichen Gemeinen Recht ist es die Lehenspflicht jedes Vasallen, durch Wahrnahme der durch Verfassung und parlamentarische Vertretung entstehenden Pflichten dieses Rechtslehen im Genuß zu halten. Gerät durch Vernachlässigung dieser Pflichten das Rechtsehen außer Gebrauch, so verwirkt dieser Verzicht des Vasallen das Lehen. Das verwirkte Rechtslehen der Verfassung und parlamentarischen Vertretung fällt damit wieder an den weur, der sich nach eigener Willkür zu einer neuen Vergabe entschließen kann."


    Konkret heisst das: Fällt die Wahlbeteiligung unter 50 %, hört die Chantareji auf, eine Demokratie zu sein und wird die Monarchie, die sie ja auch ist. Allerdings sind die Chantareji auf Grund des Clansystems mit seinen mehr oder weniger häufigen, basis-demokratischen Clanversammlungen an Diskussionen, Debatten, Anträge, Meinungsbilder, Geschäftsordnungsverfahren, Abstimmungen und derlei gewohnt. Übrigens: Käme ein Adliger auf die Idee, die Menschen in seinem Lehen an der Ausübung des Wahlrechts zu hindern, um so wieder nach der alten Feudalordnung herrschen zu können, sollte er schonmal nach einem guten Schreiner Ausschau halten. Die Andeutung einer Wahlmanipulation, der Hauch irgendeiner Unregelmäßigkeit bei Wahlen lässt die volle Macht des weur -- meist in Form der GeSek -- hereinbrechen. Die Anklage lautet nicht "Wahlmanipulation", sondern "Hochverrat", da ja schließlich mit einem Lehen des Königs Schindluder getrieben wurde.


    Im Fall von Gunnar enEwasé machen wir uns die Sache einfach. Die Wahlbeteiligung lag mit 86,3 % nicht hoch und nicht tief und Gunnar erringt im ersten Wahlgang mit 63,5 % der abgegebenen Stimmen gleich ein Mandat. Das ist ein sehr gutes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass in einem Wahlbezirk vermutlich zwischen 20 und 30 Kandidaten gegeneinander antreten. Möglicherweise werden die Medien das gute Wahlergebnis erwähnen, vermutlich ziehen sie über Gunnars Liebesleben und seine Vorliebe Nudeln mit Käse her, wahrscheinlich jedoch ignorieren sie den Provinzpolitiker. RSC wird akribisch Buch über die Wahl führen und fundierte Analysen über Wählerwanderungen, entscheidende Kerninhalte und ähnliches senden.


    Der frisch gebackene Parlamentarier Gunnar enEwasé macht sich jetzt also auf den Weg nach Üsanchou, um an der Konsituierenden Sitzung der Ratskammer für die beispielsweise 373. Wahlperiode teilzunehmen. In den ersten zwei, drei Sitzungen passiert kaum was. Unter Umständen wird Gunnar von einigen anderen Parlamentariern unter die Lupe genommen. Freund? Feind? Bündnispartner? Fähig? ... Da Bündnisse in der Ratskammer meist nur von einer auf die nächste Sitzung halten, wird dieses Beschnüffeln nicht allzu lange dauern. Man machts die nächsten Jahre ja sowieso immer mal wieder.


    Welcher Fraktion sich Gunnar nun anschließt und wie er sich in den einzelnen Abstimmungen verhält, ist ein ganz anderes Thema. Wie schon erwähnt, sind Chantareji von Kind auf an die Basisdemokratie der Clanversammlung gewöhnt. Ab ihrem 10. Lebensjahr nehmen sie als Zuhörer an den Versammlungen teil, ab ihrem 15. Lebensjahr haben sie das Rede-, jedoch kein Stimmrecht. Gunnar wird mit dem formalen und informellen Chaos einer Ratskammer-Sitzung nicht die geringsten Schwierigkeiten haben. Und das Chaos mit ihm auch nicht.


    Übrigens wird von Gunnar erwartet, dass er zwei agrene -- übersetzt das mit "Woche", allerdings sind es 18 Tage -- in Üsanchou arbeitet und zwei agrene in seinem Wahlbezirk erreichbar ist. Letzteres heisst: erreichbar. Vermutlich dürfte er in diesen 18 Tagen um die 200 Besucher empfangen und noch viel mehr Telefonate und Briefe bearbeiten. Ein chantarejischer Politiker, der sich von seiner Wählerschaft abschottet und nur durch Presseverlautbarungen Demokratie spielt, hat bei der nächsten Wahl ein Problem. Die letzte agrene jeder orse benutzt Gunnar, wie er mag. Entweder ruht er aus, spielt mit den Kinder seines Clans, knüpft Kontakte, schnitzt Rohrpfeifen, meditiert im nächsten Kloster der ochune genda meriséne über die Formlosigkeit der Leerheit, säuft sich eins an oder recherchiert über irgendwelche Themen von Interesse. Da er inzwischen einige Bekanntheit erlangt hat -- seine zynisch-pointierten Reden sorgen immer wieder für große Erheiterung seiner Kollegen in der Ratskammer -- werden ihn auch die Medien mit einiger Aufmerksamkeit verfolgen und dummes Zeug über seine Meditationen, seine Unterwäsche oder sein Interesse an alt-chajimscher Glasmalerei verzapfen. Vermutlich lanciert Gunnar auch ein paar nette Geschichten. RCS bringt natürlich einen fundierten Beitrag über Meditation, den Orden des Himmelslichts, die kulturelle Bedeutung von Unterhosen und die historische Entwicklung der Glasmalerei im antiken Afelan. Sehr sehenswert.


    Zum Abschluß lassen wir Gunnar einen Karriereknick erleiden. Zunächst mal tritt er aus seiner alten Partei "Die Stimme des Clans" aus und wird Mitglied im "Blau und Silber", einer konservativen Partei mit engen Bindungen an die Mneri Adohoi. Das hat eigentlich keine Bedeutung, denn Parteimitgliedschaften in der Chantareji halten üblicherweise "bis zum nächsten Schnee", wie man in Chimarron sagt. Ich will Gunnar für den letzten Akt in einer großen Partei haben und mit fast 1 Million Mitglieder ist die BS die größte Partei der Fünf Lande.


    Jedenfalls hat Gunnar in Üsanchou eine intelligente, freundliche und tatkräftige Frau aus dem Norden Satürns -- fast das halbe Reiche von seinem jetzigen Wohnort entfernt -- kennengelernt. Die beiden haben erst getechtelt, dann gemechtelt und wollen nun "ihre Partnerschaft registrieren", wie der wenig romantische chantarejische Ausdruck für die Ehe heisst. Da die Dame seines Herzens allerdings bis über ihre beiden hübschen Ohren -- Gunnar könnte stundenlang dran rumknabbern -- in die Pferdezucht ihres Clan involviert ist, entschließen sie sich, dass Gunnar arandésej ihres Clans wird und demzufolge auch nach Nordsatürn umzieht. Damit kann er natürlich nicht mehr für seinen alten Wahlkreis in der Ratskammer bleiben und legt sein Mandat "aus persönlichen Gründen" nieder. Während Gunnar also aus unserer Geschichte verschwindet und sich in Nord-Satürn eine neue Karriere als Antiquitätenhändler aufbaut, ist in der Ratskammer ein Sitz vakant.


    Es spielt nun überhaupt keine Rolle, dass Gunnar zum Zeitpunkt seiner Wahl Mitglieder der "Stimme des Clans" war. Es spielt auch keine Rolle, dass er zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Ratskammer Mitglied des "Blau und Silber" war. Noch weniger bedeutet es, dass er bei seiner Wahl den Kandidaten des "Blau und Silber" meilenweit abgehängt hat. Es gibt keine Listenplätze oder Nachrücker. Es werden ganz einfach in Gunnars altem Wahlbezirk Nachwahlen durchgeführt. Dauert es bis zur nächsten regulären Reichswahl 1 Jahr oder länger, wird der neu gewählte Mandatsträger einfach diese Zeit als Amtsperiode haben. Dauert es weniger als ein Jahr, hat der neue Abgeordnete eine etwas verlängerte erste Amtszeit.


    cya :)
    Martin "vi"

    "There are two major products that came out of Berkeley: LSD and UNIX. We don't believe this to be a coincidence. "
    Jeremy S. Anderson

  • Hallo zusammen :)


    Zitat

    Original von Jerron
    Gibt es eigentlich (für die Statistiker) eine schicke Visualisierung mit lauter lustigen bunten Zickzacklinien, (...)


    Nein, so'n Kram hab ich nicht fabriziert. Ausserdem wäre es -- wie aus meinem vorhergehenden Artikel hervorgeht -- ziemlich sinnfrei, Statistiken über die Parteien zu erstellen.


    Zitat


    Würde diese Visualisierung überhaupt irgendwas veranschaulichen oder wäre es einfach nur viel zu voll? (...)


    Das sind zwei paar Schuhe.


    Selbst eine große Anzahl von Meßpunkten lässt sich recht anschaulich graphisch darstellen, wenn man nicht den üblichen Fehler macht und alles mögliche in eine Grafik packen will. Derartige Machwerke heissen nicht umsonst "Management-Pornos" ...


    Ob die Visualisierungen etwas veranschaulichen ... Ehrlich gesagt habe ich meine Zweifel. Nicht nur in Hinsicht auf die Wahlergebnisse chantarejischer Parteien, sondern auf die Visualisierung von statistischen oder Meß-Daten allgemein. Aber das ist ein anderes Thema.


    Zitat


    (Aber wahrscheinlich wäre das ein Lebenswerk, wollte man das wirklich ernsthaft durchziehen, oder? (...)


    Die Graphiken zu erstellen, wäre recht einfach und weitgehend automatisierbar. Die paar Ausreißer, die man haben will, lassen sich dann recht schnell "von Hand" erstellen.


    Was aufwendig wäre, ist die Beschreibung der politischen Entwicklungen, die hinter den Graphiken stecken.


    cya :)
    Martin "vi"

    "There are two major products that came out of Berkeley: LSD and UNIX. We don't believe this to be a coincidence. "
    Jeremy S. Anderson

  • Zitat

    RCS bringt natürlich einen fundierten Beitrag über Meditation, den Orden des Himmelslichts, die kulturelle Bedeutung von Unterhosen und die historische Entwicklung der Glasmalerei im antiken Afelan. Sehr sehenswert.


    hopla, dachte zuerst, es sei ein Radiosender. Klingt tatsächlich nach einem Meditativ-Informativem Sender :)


    Was genau unterscheidet eine "Reichsweit in erscheinung tretende Partei" von einer, die das nicht tut? Ich meine die Etiketten können die Politiker ja offensichtlich wechseln wie sie wollen, und wofür sie dann die Presse hält, ist ja noch ne andere Sache. Also die Parteien unterstützen Leute beim Politiker werden, machen die sonst noch was?

  • Hallo zusammen :)


    Zitat

    Original von brotkopp
    hopla, dachte zuerst, es sei ein Radiosender. Klingt tatsächlich nach einem Meditativ-Informativem Sender


    "Radio Stimme der Chantareji" ist eine Rundfunkanstalt mit Radio- und Fernsehsendungen. Letztere sind ziemlich ... experimentell, da Fernsehen in der modernen Chantareji kaum eine Rolle spielt. Auf die ca. 320 Mio. EW des Reiches kommen mal gerade 10 Mio. Fernsehapparate.


    Zitat


    Was genau unterscheidet eine "Reichsweit in erscheinung tretende Partei" von einer, die das nicht tut? (...)


    Ganz einfach: die Registrierung der Partei bei der Staatskammer der Reichsspruchkammer ;)


    Es gibt kein regelrechtes "Parteiengesetz" und die Unterschiede zwischen politischen Gruppierungen, die wir als "Bürgerinitiative" bezeichnen, und solchen, die wir als "Partei" betrachten, sind recht fließend. Formal stellt eine nicht-registrierte politische Gruppierung eine ochune (Gemeinschaft, Verein, Zusammenschluß) dar, während eine registrierte Gruppierung als asne (Kooperative, Unternehmen, Partei) gilt. Für die Chantareji gibt es da einen psychologischen Unterschied, der auf dem gesamten kulturellen und spirituellen Hintergrund ihrer Gesellschaft beruht. Für uns Terraner ist der nicht so recht zu fassen. Wir können uns dem einigermaßen annähern, wenn wir entlang der Linie "Eine asne meint es ernsthaft, während eine ochune die Dinge auch einfach nur aus Spaß an der Freud treiben kann" denken. Den Kern tritt das allerdings nicht.


    Ein fassbarer Unterschied ist die Möglichkeit der "rechtlichen Vertretung", die eine asne im Unterschied zur ochune hat. Wenn du Mitglied einer "Partei" -- also einer registrierten politischen Gruppe -- bist, kannst du über die Partei ein Auto mieten, ein Hotelzimmer buchen oder Flugtickets kaufen. Eine nicht-registrierte politische Gruppe kann das nicht. Da musst du dich um den Kram als Privatperson kümmern.


    Eine Partei hat die Möglichkeit zur "gesetzlichen Vertretung" ihrer Mitglieder auf der jeweiligen Verwaltungsebene, auf der sie registriert ist: Bezirk, Distrikt, Region, Kanton, Provinz und dem Reich. So kann beispielsweise "Die Stimme des Clans" nur innerhalb der Region, in der sie registriert ist, einen Versammlungsraum mieten, einen Auftrag an eine Druckerei geben oder Sendezeit im Rundfunk erhalten. Eine reichweit auftretende Partei wie "Blau und Silber" kann ihren Mitgliedern im ganzen Reich derartige Dienstleistungen anbieten.


    Jede politische Gruppierung mit mehr 16 oder mehr Mitgliedern kann sich als Partei registrieren lassen. Für die Registrierung auf Provinz- und Reichsebene braucht man wirklich einen Fachanwalt, um durch das Gestrüpp der Gesetze, Vorschriften und Verordnungen zu steigen. Für eine Registrierung auf der Ebene der Regionen und Kantone ist es empfehlenswert, einen Anwalt zu haben. Auf der Ebene der Bezirke und Distrikte ist ein Anwalt überflüssig.


    Zitat

    (...) Also die Parteien unterstützen Leute beim Politiker werden, machen die sonst noch was?


    Einerseits helfen die Parteien ihren Mitgliedern, Politiker zu werden und zu sein. Auch wenn du ein Mandat der Ratskammer hast, wirst du beim Sekretaritat deiner Partei anrufen: "Memjane, nächste agrene muss ich mich mit Seraneji Deskarnen über das chimarronische Nahverkehrssystem unterhalten. Machst du bitte einen Termin?" und Memjane wird sich um all die lästigen Details kümmern. Du kannst über die Partei auch Recherchen zu diesem oder jenem Thema beauftragen -- ein chantarejischer Politiker, der von einem Thema keine Ahnung hat, hält dazu besser die Klappe. Kompetenzloses Geplapper wird nicht gerne gesehen und RSC wird mit Sicherheit einen Beitrag bringen, in dem ein paar hochkarätige Fachleute Herrn oder Frau G. Schwall jeden Fehler einzeln und alle im Bündel nachweisen. Du wirst dich also auf deine Reden wirklich gut vorbereiten und eine Menge Arbeit kann dir die Partei abnehmen.


    Andererseits sind Chantareji von Kindesbeinen an gewohnt, dass Entscheidungsfindung im Rahmen der Clanversammlung stattfindet. Du triffst dich dort mit Leuten, mit denen du arandésej bist, d.h. in einem ähnlichen Verhältnis wie zu deinem Clan stehst. Du weisst, dass diese Leute am Thema "Politik" interessiert sind, weil sie sonst ja nicht in der Partei wären. Du stellst deine Ideen, Ansichten und Vorhaben zur Debatte -- und dann geht das Gemetzel los. Anschließend weisst du viel besser als vorher, wo deine Pläne Schwächen und Stärken haben, wo du Faktoren außer Acht gelassen oder falsch bewertet hast. Auf diesen Treffen geht es ziemlich heiß her und fast immer zur Sache.


    Wo Parteien keine Rolle spielen, ist die Personalpolitik. Der Sprecher des Vorstands einer Partei ist Angestellter, kein Politiker. Die Parteien haben also keine Pöstchen zu vergeben. Offene Stellen werden besetzt wie in jeder anderen asne auch. So ist die "politische Meinungsbildung" der Parteimitglieder unbeeinflußt von der Lieblingsbeschäftigung bundesdeutscher Parteien: ein Bärenfell zu verteilen, das ihnen nicht gehört.


    cya :)
    Martin "vi"

    "There are two major products that came out of Berkeley: LSD and UNIX. We don't believe this to be a coincidence. "
    Jeremy S. Anderson

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