15. Februar 2021 (Terra), 14:15 Ortszeit / 37 4A 31 , 98 PGTC
Ich habe ja kürzlich andernorts verkündet, mit einem Projekt für '21 begonnen zu haben, mit dem festen Ziel, es in diesem Jahr auch zu beenden. Wie es scheint darf ich da vorsichtig optimistisch sein, denn in letzter Zeit arbeite ich mit für mich untypischer Kontinuität und mit einiger Begeisterung daran.
Es ist eine Geschichte eher, als eine Weltenbastelei. Natürlich ist letztere auch enthalten, sie steht jedoch hinter der Geschichte selbst hintenan. Es gibt ein wenig Grundlagenarbeit, die ich hier schon vor Jahren geleistet habe, aber ich kopiere dies nur bei Bedarf ins Projekt ein. Ansonsten konzentriere ich mich auf die Handlung und lasse vorerst alles, was nicht unmittelbar damit zusammenhängt, im Dunkeln. Es wird ohnehin nicht schwer fallen, die jeweiligen Vorbilder und/oder Anregungen zu identifizieren.
Auch habe ich gesagt, daß ich hier Teile verbaue, die mich schon sehr lange begleiten. Eine der Hauptfiguren ist zB 30 Jahre alt und mit mir, seit ich SciFi-RPGs hoste oder spiele - mit Ausnahme von Star Wars (und damit auch Endless Empire).
Ich werde einfach Mal anfangen, fertige Teile hier zu posten und mir anhören, was dazu so aufkommt. Weltenbastlerische Fragen sind natürlich auch willkommen, sind ja hier die Weltenbastler, nicht wahr?
Also, los geht's! Erster Teil:
CSS Danube, Logbuch Eintrag #471
Gateway-Station, Sol-System
3. Februar, 2267 (Terra) 17 Uhr 42 Bordzeit / 38 A8 E3, BD PGTC
Manifest: 2253,03m³, 94'377 TU
- 1300 m³ Titanoxid
- 442 m³ Magnesit
- 306,17 m³ Roterze
- 181,46 m³ Lantanerde
- 12,89 m³ Roh-Unium
- 8,74 m³ Infiniumerz
=1,77 m³ Infinium(raff)
+3,23 m³ Infinium(raff)
(Kapitän Lockhardt) Wir legen heute auf Gateway-Station an. Die Logistik bereitet schon die Übergabe der Fracht vor und die vorläufigen Zahlen der Warenprojektion sehen sehr gut aus. Wenn es keine Überraschungen gibt sollte sogar ein kleiner Bonus für die Crew drin sein. Aber vordringlich muß ich mich um einen Ersatz für Junior-Officer Korten umsehen. Der Mann mag ein Säufer und ein ungehobelter Grobian im Umgang mit Leuten gewesen sein, aber er war auch ein Ass an der Steuerung. Jetzt muß ich mich wohl mit einem Grünschnabel von der Akademie abgeben, einen erfahrenen Steuermann werden wir wohl so schnell nicht auftreiben, erst recht nicht so spät in der Season. Hoffentlich haben die Schleifer noch ein Talent übrig gelassen.
(Kapitän Lockhardt, Nachtrag) Es ist kaum zu glauben, aber die Akademie hat tatsächlich noch einen echten Kandidaten übrig, sein Dossier springt einen regelrecht an. Ich habe keine Ahnung, warum der Mann noch nicht unter Vertrag steht, aber im Log stehen 17 Anfragen. Eine ist von Kapitän Gerson von der CSS Kapstadt. Habe nachgefragt, laut ihm hat dieser Wickersham ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Scheint ein komischer Vogel zu sein. Aber das Dossier sieht zu verlockend aus, ich werd' ihm mal auf den Zahn fühlen.
Vier Personen saßen um einen Tisch in der Lounge: eine zierliche Asiatin, die in Widersinnigkeit zu ihrer Gestalt allgemein XL gerufen wurde, ein vierschrötiger, rothaariger Ire mit einem breiten Bulldoggengesicht, ein hagerer, hakennasiger Brite mit dünnem, schwarzen Haar und eine athletische aber ansonsten unscheinbare Russin mit halblangem, dunkelblonden Haar. Sie alle saßen mehr oder weniger über ihre Drinks gebeugt und brüteten düster vor sich hin. Jeder hatte ein Pad vor sich liegen mit dutzenden Absagen.
Einen Abschluß zu haben von der prominenten Academy of Economic Star Flight war zwar durchaus beeindruckend, bedeutete aber nicht automatisch, daß man damit auch auf einem der Schiffe der stetig wachsenden terranischen Flotte eine Heuer fand. Sie waren wohl die letzten, die noch keine Stelle gefunden hatten. Jeder von ihnen hatte seine speziellen Gründe, warum sein Dossier für die meisten Kapitäne keinen zweiten Blick wert waren.
Bei dem fünften in der Runde war das ganz anders. Die aschblonden Haare modisch kurz geschnitten trug er die schmucklose Uniform der Akademie mit einer lässigen Eleganz. Sein Dossier glänzte schier und hatte bereits sogar einzelne aktive Anfragen produziert. Das 'Wunderkind' des Jahrganges konnte es sich leisten mit einer Zusage zu warten.
"Laßt mich raten, kein Glück?", fragte er in die Runde und erntete dafür einige finstere Blicke. Sogar XL schnaubte mißmutig, doch daß schien Vincent nur noch mehr zu amüsieren.
"Zu irisch, zu kriminell, zu still und zu bescheiden, kein Wunder, daß niemand auch nur einen halbherzigen Blick auf eure Bewerbungen wirft."
Olga Wolkow schaute Vincent über den Rand ihres Glases an, ihre Augen blitzten ärgerlich – aber natürlich sagte sie nichts. Sie sagte nie etwas.
Clark Brown, der Ire, fluchte laut und knallte sein Bierglas auf den Tisch, daß es schwappte. Er war der talentierteste Techniker des ganzes Jahrganges, wie Vincent fand. Leider war er aber auch unbeherscht, jähzornig und überaus streitbar. Sein Dossier mochte wohl Aufmerksamkeit erregen, aber in einem Gespräch ging es mit ihm durch, egal wie fest er sich vornahm, ruhig zu bleiben. Da half es auch nicht, daß er die Leitungen und Verkabelungen eines Triebwerks mit verbunden Augen verlegen oder zerlegen konnte.
Der hagere, dunkle Kerl mit der Hakennase verzog mit typisch britischem Understatement leicht das Gesicht, setzte zu einer Entgegnung an, schwieg dann aber. Er war der intelligenteste hier am Tisch – wahrscheinlich sogar an der ganzen Akademie, wenn nicht an Bord der Gateway-Station. Aber er war auch unerträglich arrogant, egozentrisch und spöttisch. Einzig in dieser Runde hielt er seine spitze Zunge ein wenig im Zaum. Seine Achillesferse jedoch war seine kriminelle Energie: er liebte Geld und war sehr findig darin, Methoden zu ersinnen, sich welches anzueignen. Das war leider aber auch schnell aufgefallen. Böse Zungen behaupteten gar, er habe sich mit der Verpflichtung zur Akademie einer Verurteilung auf der Erde entzogen.
Xian Liao dagegen war eine glänzende Theoretikerin in vielen Disziplinen, eine Wissenschaftlerin durch und durch, die sicher sofort angeheuert worden wäre – würde sie sich ihrer Leistungen nicht so sehr schämen. Sie haßte Aufmerksamkeit, verkroch sich praktisch unter ihrem Tisch, sobald sie angesprochen wurde. Ihre Dozenten wurden nicht schlau, ihre schriftlichen Arbeiten waren grandios, aber sie brachte kaum einen Satz heraus, wenn sie angesprochen wurde.
Vincent klatschte in die Hände.
"Tja, wie gut, daß ihr mich habt."
"Was?", konnte sich Avon nun nicht mehr zurückhalten, "Damit du uns demonstrierst, daß du selbst jetzt nur mit den Finger zu schnippen brauchst, damit sich die Jobangebote für dich stapeln?"
"Nein", er grinste breit, blickte auf seine Uhr und schürzte die Lippen.
Trotz aller Unterschiede und augenscheinlichen Spannungen in dieser Gruppe hatte die Fünf einen tiefen Zusammenhalt entwickelt.
"Für UNS", korrigierte er Avon.
Jemand hinter ihm räusperte sich.
"Ah", machte Vincent zufrieden, "Ungemein pünktlich. Sie müssen Kapitän Lockhardt sein, von der Danube."
Das zottige, schwarze Lockenhaar rahmte ein rotes Gesicht vollständig ein. Der untersetzte Mann in einer Schiffsuniform mit verblassten Rangabzeichen stemmte die Hände in die Seiten und sah sich in der Runde um.
"Fünf?! Fünf Kadetten? Ich brauche gerade Mal einen: Sie, Mister Wickersham! Ihre Wissenschaftlerfreundin, darüber können wir vielleicht reden, aber gleich fünf?"
"Saint Wickersham, bitte. Das Angebot steht, alle oder keinen."
Der Kapitän grummelte unverständlich und zog seine Kappe vom Kopf. Eine Weile rang er mit sich und Vincent ließ ihn mit seinem Dilemma wortlos allein. Keiner der anderen wagte es, sich einzumischen. Schließlich gab er sich einen Ruck. Die Kappe wieder über seinen leicht angegrauten Haarschopf ziehend seufzte er.
"Das werde ich bereuen."