Werra´s kleine Schöpfungslegende
Am Anfang sproß der Baum. Es war der erste Baum. Blassgrün reckten sich seine Blätter zum Himmel empor, aus frischer, guter Erde erwachsen. Der stamm, der einst mächtig und stark über allem thronen sollte, nicht mehr als ein Halm noch, sich biegend im Wind des ersten Tages seiner Existenz. Bald schon wuchs er jedoch, und aus dem Halm wurde etwas, das wenigstens an eine Art Stamm gemahnte. Braun war er schon, auch wenn Rinde nur unmerklich unscheinbar auf ihm zu erkennen war. Ein Blatt erst spross aus ihm, doch mit der Zeit kamen weitere hinzu und während er langsam stetig in die Höhe wuchs, sprossen Äste an ihm und verzweigten sich in alle Richtungen. Weitere Zweige und weitere Blätter zeigten sich an seiner Gestalt, erst Wenige, fast als scheuten sie die Welt außerhalb des schützenden Leibs aus Holz, dann immer mehr; schließlich sogar sprossen Blüten an diesen Ästen.
Der Baum selber jedoch sehnte sich weiter in die Höhe und so stoppte sein Wuchs nicht, nein, immer höher ging es und schon bald stieß er sogar an die ersten Schichten der Wolken, derselben die ihn mit dem kostbaren Lebenselixir versorgten, dem Wasser, die es klar und frisch auf ihn herabregnen lassen und so sein Blätterwerk benetzen.
Eines Tages dann, aus den Blüten waren inzwischen reife Früchte gewachsen, bliess ein starker Wind und zerrte und zurrte so stark an diesen, dass viele von ihnen zu Boden fielen. Dort platzten die meisten auf und aus ihren Samen, die sich überall verteilten, wuchsen fast alle Lebewesen die heute Werra bevölkern. Dies waren die Schnelllebigen, welche die Oberfläche bevölkern, auch Erstgeborene genannt.
Die Früchte die nicht zerbarsten, fuhren in den weichen Grund ein und reiften dort weiter, bis schließlich weitere Lebewesen aus ihnen geboren wurden. Dies waren jene die den Boden bevölkern und in ihm leben, die Erdgeborenen, lang von Leben und zäh in Form und Gestalt.
Schließlich blieben noch jene Früchte, die der Wind nicht hinabgeworfen hatte. Sie reiften am Baume aus. Die, die ihnen entsprangen werden die Luftgeborenen genannt. Sie leben hoch in den Ästen und Zweigen und im Blätterwerk, graziös und anmutig, mit Stimmen wie der Wind.
Sie alle zusammen bilden heute die Völker von Werra; der Großen, der Lebensspenderin, dem Weltenbaum.