Ich sitze nach wie vor an meinem kleinen Machwerk "Geschichte der Geschichte", in dem ich in epischer Form die Geschichte Oldaniens verarbeite.
Zur Erinnerung: Kirmon ist der Planet, Hauptfokus liegt auf dem Land Oldanien, nur falls es Verwirrung wegen des Threadtitels gibt.
Die Gründungslegende Oldaniens ist eine sehr ambivalente Geschichte, sodass Teile davon über Jahrhunderte gerne ausgespart wurden.
TRIGGERWARNUNG: ES WIRD DURCHAUS GEWALTTÄTIG
Die Legende vom Waldvolk unter Oldok - Teil 1
So heißt es, dass die Tarier nach dem Untergang ihres Reiches nicht nur an den Küsten Nordamariens siedelten, sondern dass ein Teil von ihnen zur Überwindung des großen Schmerzes weit nach Süden vordrang. Schließlich erreichte diese Schar das Gebiet, wo der große Strom Bonume jene Berge durchbricht, die wir heute das Zentrale Hügelland nennen. Alle Völker, die an diesem Strome siedelten, sei es an seinem Mittellauf oder nahe der Mündung nennen wir heute die Bonumier. Der Oberlauf des Flusses, der die Große Aue durchfließt, gehörte damals jedoch zum verfeindeten Tapatyfischen Reich und es endet unweit des Durchbruches.
Nun waren die Tarier unsicher, ob sie von den heimischen Bewohnern aufgenommen würden, denn weder kannten sie einander oder ihre Bräuche noch war einer des anderen Sprache mächtig. Doch verständigte man sich darauf, dass die Tarier etwas abseits von den Bonumiern siedeln durften. Direkt am Fluss sollten sie leben und sich von Fischen ernähren, die Feste aber wollte man zusammen feiern und dort gesellig sein und vom anderen lernen. Und es dauerte nicht lange, da waren sie einander so vertraut geworden, dass sie gemeinsame Städte bauten. Am Fluss sollten sie liegen und gleichsam zu Füßen des heiligen Berges Taiallas. Dort lebten sie in Eintracht und verschmolzen bald zu einem Volke, das sich das Waldvolk nannte, denn alle Berge ringsumher waren von dichten Hainen aus Umprat und Neldom bestanden. Wie nun aber die Stadt weiter wuchs, meldeten sich jene zu Wort, die tarische Ahnen hatten und meinten, man sei nun ein so zahlreiches Volk, dass es an der Zeit wäre, sich einen Herrscher zu erwählen.
Das befremdete die Bonumier, denn jede Entscheidung bei ihnen entsprang bisher stets gemeinsamem Ratschluss. Und so wurde einige Jahre nicht mehr davon gesprochen.
Doch eines Tages kam ein fremdes Schiff von flussaufwärts aus Südwesten gefahren. Das verwunderte und verängstigte das Waldvolk gleichermaßen, denn der Fluss erlaubte bisher keinem die Passage aus dieser Richtung, da mit dem Eintritt des Flusses in das Gebirge auch die großen Stromschnellen beginnen, die als ebenso tödlich galten wie die Wälder mit ihren wilden Tieren und Ungeheuern. Das Schiff legte am Strand vor der Stadt an und fünf fremdartige Kriegerinnen stiegen aus. Arme und Beine, Brust und Schultern waren in glänzende Panzer gehüllt und auf dem Kopf trugen sie silbern glänzende Helme, geschmückt mit Federn.
Die Fischer am Ufer aber waren noch vor dem Festmachen in die Stadt geflohen und hatten die Bewohner gewarnt. Die mutigsten unter ihnen gingen zum Ufer, um zu sehen, was die Kriegerinnen begehrten. Eine Kriegerin setzte ihren Helm ab und zum Erstaunen aller, beherrschte sie die Sprache des Waldvolkes. Und sie sagte: „Wer unter euch ist der Herrscher dieser Stadt?“ Da trat ein junger Schmied hervor und sprach: „Wir haben keinen Herrscher. Was wollt ihr hier?“ „Wer bist du?“, fragte die Kriegerin in strengem Ton. „Ich bin Oldok, der Schmied. Meine Ahnen sind Tarier und Bonumier“ „Hör gut zu, Oldok, der Schmied“, antwortete sie, „wir sind die gesandten Kriegerinnen des Statthalters von Lei Eipo, untertänigstem Diener der Herrscher von Tapatyfien. Wir sind gekommen, weil wir euch in unseren Bund einschließen wollen. Dieses Tal ist für uns von großer Wichtigkeit. Wie ihr seht, können unsere Schiffe es durchqueren und wir wollen es durchqueren, um Handel zu treiben und euch allen Frieden, Ordnung und Wohlstand zu bringen.“ Da ward Oldok wütend und entgegnete: „Frieden haben wir und Ordnung machen wir untereinander aus. Doch kann kein Wohlstand es wert sein, dass man sich mit denen verbünde, die so viel Unheil über meines Vaters Volk brachten.“ Da lächelte die Kriegerin und sagte: „Ich weiß, vieles habt ihr zu entbehren. Wer Teil unseres Volkes ist, entbehrt aber nichts. Doch sollt ihr nicht ohne ein Zeichen unseres Vertrauens bleiben. Dort steht unser Schiff. Nehmt es und fahrt damit auf allen Wassern. Und darinnen sind Fässer voll Wein und Früchte und Gewürze aus fernen Landen, Getreide und kostbare Edelsteine. Nehmt dies alles und entgeltet es mit eurer Treue unserem Herrscher gegenüber.“ Da verschwanden sie zu Fuß auf dem schmalen Uferpfad und ließen die Stadtbewohner ratlos zurück. Angst kam da unter ihnen auf, Angst vor Krieg oder aber teuren Tributzahlungen, die sie sich gewiss nicht würden leisten können.
Noch am gleichen Abend wurde daher Rat gehalten und wieder forderten die tarischen Nachkommen, dass nun ein König gewählt werden müsse und sie sich sammeln müssten, ehe es zu spät sei. Die bonumischen aber waren neugierig ob der schönen Geschenke, die die Tapatyfier ihnen gebracht hatten. Oldok jedoch, der von beiden Geschlechtern stammte, sprach: „Nichts von alledem sollt ihr anrühren. Denn wenn es mich auch schmerzt, dass sich die Tarier lange wieder nach solchen Dingen sehnen, so kommt es doch vom Feinde. Darum sage ich: werft die Fässer in den Fluss! Denn nimmer wird sich einer vom Waldvolk dem Willen der Südwestlichen beugen!“ Da brach großer Jubel unter den Tarienstämmigen aus. Die anderen aber waren in Sorge und einer von ihnen sagte: „Doch heißt es dann, dass es Krieg geben wird? Wir sind weder stark an Kriegern noch an Waffen und haben einem Sturm der Tapatyfier nichts entgegenzusetzen. Unsere Heimat ist uns teuer und als Freunde haben unsere Eltern euch aufgenommen. Ist das der Dank, dass ihr eure Feindschaft, die euch aus eurer Heimat vertrieben, nun hierher bringt?“
Still war es da auf dem baumumstandenen Ratsplatz. Und Oldok meldete sich abermals zu Wort: „Wenn wir auf ihre Forderung eingehen, so kann doch niemand dafür bürgen, dass wir noch hier wohnen werden, noch dass sie uns verschleppen und zu Sklaven machen oder uns am Ende doch heimtückisch erschlagen. Daher bleiben uns nur Kampf oder die Flucht, doch wissen wir nicht, ob wir auch anderswo willkommen sind. Weit nach Süden mussten die Tarier einst gehen und viel Ablehnung erfuhren sie und erst die Bonumier, die hier siedelten, nahmen sie auf als Freunde. Darum sage ich euch: lasst uns kämpfen, damit die Südwestlichen von hier vertrieben seien auf ewig!“ Da brach abermals großer Jubel aus und auch die Bonumier hatten ein Einsehen. Und Pile, eine bonumische Wagenmacherin sagte: „Dann soll es so sein. Und folgen werden wir dir, wenn du dein Los annimmst und uns führst. Denn begonnen hast du es, so musst du es auch beenden.“ Noch ehe Oldok auch nur ein Wort erwidern konnte, hatten sich alle Versammelten schon vor ihm verneigt.
Als der Rat sich zerstreut hatte und die Sterne sich im Wasser des Flusses spiegelten, stieg Oldok den schmalen Pfad zum Taiallas hinauf. Er kniete vor dem heiligen Baum auf dem Gipfel und sagte zu sich in Gedanken: „Was habe ich getan? Sollte ich wirklich ihr Anführer sein? Ich weiß mir nicht zu helfen, denn es ist aussichtslos, einen Krieg gegen die Südwestlichen zu gewinnen. Doch wollen wir uns ihnen auch nicht unterwerfen. O, welch hartes Schicksal, dass wir in diesen Zeiten leben müssen.“ Bitter weinte er da und vergrub sein Gesicht in den Händen.
Plötzlich aber spürte er, wie die Kälte der Nacht wich und er hörte Vögel singen. Da blickte er auf und voll Staunens sah er, das die Welt erhellt war wie am Tage. Und er sah sich und eine Schar seines Volkes hinterdrein schreitend wie sie nach Norden und Osten gingen und in dreifacher Zahl kehrten sie zurück. Dann sah er sie alle am Ufer stehen, wie sie den Schwertkampf übten. Schließlich erblickte er dunkle Wolken, die von Südwesten heraufzogen und wie er sein Volk gegen die Dunkelheit führte, bis das Licht sich Bahn brach.
Als dieses Bild vorüber war, wurde es wieder Nacht und der kühle Wind fuhr um sein Gesicht. Doch was er gesehen hatte, brachte seinen Mut zurück und eilends stieg er wieder hinab zur Stadt am Ufer.