Im Normalfall erfinde ich ja nicht viele Pflanzen, aber heute ist mir eine eingefallen.
Die Feuerwurz
Die Feuerwurz ist eine recht unscheinbare Pflanze der nördlichen Ebenen. Oberirdisch zeigt sie einige fleische Blätter in einer bodennahen Rosette, aus der sich zur Blütezeit ein etwa spannhoher (ca. 20cm) Stengel mit kleinen, grün-weißen Blüten erhebt. Im Winter verwelken die Blätter, doch die Wurzeln bleiben bestehen und können mehrere Jahre hintereinander austreiben.
Diese Wurzen bestehen aus einer bräunlichen Knolle (so ähnlich wie Ingwer).
Doch es ist nicht die Gestalt der Pflanze, die sie so bemerkenswert macht. Vier verschiedene Tränke wissen die Ishia aus der Wurzel zu brauen, und wehe dem, der dabei einen Fehler macht.
Am einfachsten zubereitet ist der erste Trank. Die Wurzel wird einfach klein geschnitten und in Wasser aufgekocht. Doch dieser Sud ist ein tödliches Gift. Schon in kleinen Mengen ist er absolut tödlich und das Opfer stirbt langsam. Manchmal windet sich der Vergiftete stundenlang in absurden Krämpfen und mit Schaum vor dem Mund.
Nahezu jeder Ishia weiß, wie man aus der Feuerwurz den ungefährlichen Feuertrank (der der Pflanze auch ihren Namen gegeben hat) gewinnt. Dazu wird die Wurzel zusammen mit Eicheln zermahlen und dann aufgekocht. Dabei fällt eine weißliche Substanz aus, die das Gift enthält. Der Sud darüber aber kann nun bedenkenlos getrunken werden. Um sicher zu gehen, daß auch wirklich alles Gift entfernt ist, wird meist ein Überschuß an Eicheln zugesetzt, was den Trank unwahrscheinlich bitter macht. Aber es gibt nichts, was einen nach langen Stunden in der Kälte besser erwärmt und so wird dieser Trank oft und gerne zubereitet.
Nur die Schamanen der Ishia kennen die Zubereitung des dritten und des vierten Tranks. Dazu wird der Sud der Wurzel mit gebranntem Kalk versetzt. Gibt man viel Kalk hinzu, erhält man ein schwaches Gift, das zwar nicht tödlich wirkt, aber Übelkeit und Erbechen bis hin zu Magenkrämpfen hervorrufen kann.
Am schwierigsten ist es jedoch, nur so viel gebrannten Kalk hinzuzufügen, daß der Trank am Scheitelpunkt zwischen dem tödlichen und dem schwachen Gift stehen bleibt. Wer von einem solchermaßen gelungenen Trank trinkt, der verfällt in eine todesähnliche Starre. Seine Augen sind geschlossen, seine Muskeln steif. Er kann nichts sehen und nichts sagen, doch hört und fühlt er alles. Ja, seine Empfindungen sind so gesteigert, daß selbst die sanftesten Berührungen schmerzhaft sein können. Doch er kann seinem Schmerz keinen Ausdruck verleihen. Nach einiger Zeit setzen Halluzinationen ein, die teilweise zu furchterregenden Schreckensvisionen ausarten. Manche - so sagt man - seien schon an diesem Schrecken gestorben, doch mir erscheint es wahrscheinlicher, daß der Trank noch eine Spur Gift enthielt.
Ok, und jetzt zur "wissenschaftlichen" Erklärung. Die Wurzel enthält zwei Inhaltsstoffe. Das eine ist wohl irgendein recht scharf schmeckender Stoff, der diesen erwärmenden Effekt auslöst. Dieser Stoff bleibt immer im Trank. Das andere ist der Giftstoff, eine schwache Säure. Versetzt man den Trank mit Gerbstoffen (ebenfalls Säuren), dann fällt das Gift aus, und der Trank kann problemlos getrunken werden. Versetzt man ihn dagegen mit gebranntem Kalk (also Kalkstein, der im Feuer erhitzt wurde) so entsteht Calciumhydroxid, das mit dem Giftstoff chemisch reagiert, indem es vom Molekül Wasserstoff abspaltet. Ist nur wenig Ca(OH)2 vorhanden, dann wird nur ein Wasserstoff abgespalten, das gibt dann ein Haluzinogen. Bei mehr Ca(OH)2 werden zwei Wasserstoffatome abgespalten, was in dem Übelkeit auslösenden Gift resultiert.
Uff, das war's. Fragen? Kommentare? Passt das, daß das Gift von Krämpfen über Starre zu Übelkeit geht oder sollten sich die Wirkungen ähnlicher sein?