[2017-10] [Issoy] Mittelmeerraum in der Ära Null - Gesellschaft und Denkweise

  • Ich konnte mich lange nicht entscheiden, was ich fürs Slowbasteln in Angriff nehmen sollte. Ngiana hat definitiv auch eine Menge Baustellen, die dafür geeignet wären, und vielleicht wende ich mich denen auch noch zu. Ich werde jetzt mal sehr weit ausholen, hoffe aber am Ende zu Sozialen Schichten kommen zu können.


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    Ära Null


    Spontan hingekritzelter Arbeitstitel für die Zeitspanne, die ich stärker ins Auge fassen möchte. Das Jahr 0 ist das Jahr Gründung Issoys als politische Einheit, die Welt existiert davor schon, aber sieht deutlich anders aus. Mit Ära Null meine ich also die Jahre unmittelbar davor und danach. Ob es in diesem Zusammenhang "Gründerkriege" gibt oder gab, lasse ich mir im Moment offen. Auf jeden Fall ist es eine verhältnismäßig chaotische Zeit...
    weswegen ich mich jetzt erstmal auf die Zeit vor Null konzentriere.


    Mittelmeer


    Sowas hatte Issoy bis vor kurzem gar nicht. Aber die Geographie wird redesignt, und das Meer, das Antiton im Westen und Soalūn im Osten hat, wird zu einem Mittelmeer umgebogen. Die Nordküste ist einfach die Arktis, da ist nichts neues... die Südküste verläuft aber irgendwie über diverse Landengen, und irgendwie auch drübergebogen über die Nordküste von Deshni. Sorry, das ist jetzt ein wenig uninteressant für Mitleser*innen...
    Nur soviel: Die Südküste ist neu und dementsprechend unbebastelt. Außerdem wird sie höchstwahrscheinlich nicht so ganz linear verlaufen, sondern auch einige rote Zonen beinhalten. Und nicht viel weiter im Süden ist ein großes Rauchmeer. Da kommen also alle Landschaftsarten auf relativ knappen Raum zusammen.


    Kulturkreise


    (Deutsche)
    Neu ist mit diesem Umbau, dass es auch bereits vor dem Jahr Null auf Issoy eine deutsche Bevölkerung gibt... allerdings nur als sehr kleine lokale Minderheiten. Gesprochen wird Deutsch fast nicht, es gibt aber an manchen Flecken Einflüsse, die sich an Ortsnamen erkennen lassen. "Letabūrgam" - da steckt "Burg" drin, und hat halt noch ne typisch soalnische Endung "-am" verpasst gekriegt.
    Letabūrgam liegt zum Beispiel an der Südküste des Mittelmeeres und ist wohl vor Null das Zentrum der deutschsprachigen Bevölkerung (bei denen es sich um Weltenflüchtlinge handelt, die großteils aus zerstörten Heimatwelten nach Issoy gekommen sind. Dementsprechend ist deren Lebensgefühl eher das von Fremden, die eine neue Heimat gefunden haben.


    (Nlaker und Soalūner)
    Die anderen Ethnien sind alle schon seit Jahrhunderten miteinander vermischt. Es gibt zwar die Sprachgrenze zwischen Soalūnern und Nlakern, aber die kulturelle Grenze verläuft meist ganz woanders. So gibt es also Länder mit nlakisch-sprechender Mehrheitsbevölkerung, die eher einem soalūnischen Kulturkreis zugeordnet werden müssten, und umgekehrt.


    Die Nlakische Kultur stützt sich mythologisch auf Gottheiten, die aber schon seit Jahrhunderten nur noch als metaphorisch gesehen werden., möglicherweise auch immer schon. Am besten, ihr denkt nicht an Horus oder Jupiter, sondern eher an so etwas wie personifizierte Tugenden, "die Wahrheit" als Person, "die Liebe", ... sowas in die Richtung. Es gibt auch einen nlakischen Schöpfungsmythos, der allerdings nicht die Schöpfung der Welt, sondern der Menschen beschreibt, und dort wird von einer grundlegenden Dualität der Geschlechter ausgegangen. Von diesem Dualen denken sind die Nlaker aber mittlerweile weit entfernt. Die nlakische Kultur ist nicht patriarchal und polyamore Partnerschaftsmodelle überwiegen.


    "Soalūner" ist ein komischer Hilfsbegriff, um die zweite dominierende Sprachgruppe zu bezeichnen. Der Kontinent Soalūn / Soalu ist gleichermaßen von Nlakern bewohnt. (Das Land "Nlak" liegt auf Soalūn) Es ist ein bisschen schwierig, da die richtigen Begriffe zu finden, und das ist durchaus Gegenstand von politischen Debatten. Vergleichbar wäre vielleicht der Begriff "indogermanisch" oder "indoeuropäisch" auf unserer Welt, und die Versuche, eine gemeinsame "indoeuropäische Kultur" zu konstruieren ...


    De facto teilen sich Nlaker und Soalūner also den selben geographischen Raum und den selben Kulturraum... aber es gibt neben der Sprache, die zur Abgrenzung dienen mag, auch noch eine eigenständige Mythologie. Aber auch hier mag die Eigenständigkeit umstritten sein - gerade in der Mittelmeerregion, in der beide Sprachgruppen seit Jahrhunderten zusammenleben, hat sich ohnehin alles vermischt. ("Drachengötter" sind ein Beispiel für eine Idee, die nur mehr als Kreuzung beider Kulturen verstanden werden kann.)


    (out-world: issoyanische Mythologie basiert auf Texten, die ich mit so 9 Jahren geschrieben habe; da gehts v.a. um Atlantis, meine Geschwister und Volkschulfreund*innen. Nlakische Mythologie ist wesentlich neuer, und fängt so um 2009 rum an. Da sind also generell schon "Welten dazwischen".)


    Im folgenden Absatz bin ich erstmal auf einen Aspekt eingegangen, der mit dem Rest des Threads nix zu tun hat. Ich wills stehen lassen, weil ich grad ne Viertelstunde gebraucht hab, um die Begriffe wiederzufinden, und die Recherche will ich nicht nochmal machen...


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    Ich bin noch nichtmal bei den Zwei Schulen angekommen, und muss gleich weg ... zu hilfe, ich verenne mich tief in die Philosophie! Hab keinen blassen Schimmer, wie ich den Bogen zu den Sozialstrukturen schlagen soll. :-[ Ich glaube aber, dass die ganze Gesellschaft nicht zu verstehen ist, ohne diesen Hintergrund. Gleichzeitig ist das einigermaßen kompliziert, und ich vergesse selber ständig, um was es eigentlich geht. Oben angeschnitten habe ich ja den Aspekt der Herkunft, der für die Weltenflüchtlinge, von denen es in Issoy zu allen Zeiten immer ein paar gab, recht bestimmend sein dürfte und der auch einen Einfluss auf die Kultur rundherum hat. Die Weltenflüchtlinge bringen Ideen mit, aber diese werden sofort in den kulturellen Kontext fest eingeordnet, ein unbewusster Prozess, dem sich aber auch niemand richtig entziehen kann.

  • Weiter geht's. Der wilden Reise durch die issoyanische Philosophie zweiter Teil. ;)


    Die Zwei Schulen

    (Ich bin noch auf der Suche nach besseren Namen, im Moment heißen sie halt die erste Schule und die zweite Schule, was durchaus auch in-world so sein kann, aber es verwirrt mich selber etwas...)


    Die erste Schule geht von einer Sicht auf die Welt aus, nach der grundsätzlich einmal alles, das ist, im Wesentlichen gut ist und so sein soll. "Was ist, soll sein!" Ganz früher hatte man da wohl auch in der nlakischen Tradition die Idee von einem Schöpferpaar, dass Menschen nach ihrem Bild schafft - aber diese Denkrichtung ist schon ziemlich weit in der Geschichte verschwunden. Eher geht man von einem kosmischen Modell aus, dass der Geist zuerst mal da war und sich seitdem immer weiter in feine Details zersetzt. Die menschliche Erfahrung ist also Teil dieser Selbsterkundung des Geistigen.


    Charakteristisch für die erste Schule ist auch die Betonung des Gegenwärtigen gegenüber einer Geschichtsschreibung. Das lässt sich auch daran sehen, dass es kaum von Bedeutung ist, wer irgendeinen Gedanken als erster hatte, und wann. Lehren und Traditionen fangen nicht irgendwo an, sondern waren im Grunde eh schon immer da und werden höchstens mal "wiederentdeckt".


    Anstatt dass es also markante Persönlichkeiten gibt, die für die Philosophie bestimmend sind, werden Lehren, um sie auseinanderhalten zu können, schlicht fiktiven Persönlichkeiten zugeordnet, etwa Göttern oder Drachen. Die Anhänger einer solchen Lehre glauben nicht daran, dass diese Götter getrennt von ihnen existieren, vielmehr ist die Lehre die Gottheit.


    Die erste Schule dominierte in Soalūn und dem ganzen restlichen Paraboloid für viele Jahrhunderte das Denken. Da sie eben keinen Wert auf Geschichtsschreibung legt, beginnt die richtige Geschichte erst dort, wo sich die ersten Brüche auftun - mit der zweiten Schule.


    Das Entstehen der zweiten Schule hängt stark mit sozialen Ungerechtigkeiten zusammen. Für die Unterschicht war der Gedanke "Was ist, soll sein!" nicht hinnehmbar, da sich deren Lage in einigen Regionen immer mehr verschlechterte.


    Eine der bekanntesten Persönlichkeiten der zweiten Schule - und ja, hier haben wir es in viel stärkerem Maße mit Personen zu tun! - ist Arãnis Te-Pasquor, oder kurz Arãn Pas. Er wuchs als der Sohn eines Dieners auf, der seinen (adeligen) Herrn erschlagen hatte, musste daher viel Schimpf ertragen ("Mördersohn!"), konnte sich aber hocharbeiten, da ihn die politischen Gegner seiner alten Herren aufnahmen.


    Die Frage der Kausalität steht im Zentrum. "Warum ist das so passiert und nicht anders?" ist für Arãn natürlich eine brisante Frage, da er vor allem auch das Schicksal seines Vaters zu erklären versuchte, und dabei von der bis dahin dominierenden Idee, ein Mörder sei eben ein schlechter Mensch und das sei alles, abrückte, und stattdessen die Umstände mitberücksichtigte - die wachsende Kluft zwischen der Herrscherschicht und dem niederen Volk - und diese dafür hauptverantwortlich annahm.


    Diese Sicht stellte natürlich eine Bedrohung für die Gesellschaft dar und wurde somit recht rigoros bekämpft, Arãn Pas verbrachte viel Zeit seines Lebens auf der Flucht, kam aber in den liberaleren Städten am Mittelmeer doch unter und konnte eine beträchtliche Anhängerschaft um sich scharen. Arãn Pas war für seine zutiefst pessimistische Sicht auf die Welt berüchtigt.


    Die Sicht der zweiten Schule - ein Überbegriff für mehrere Entwicklungen zur selben Zeit, Arãn Pas ist nur einer davon - betont also die Kausalität, und hat dabei auch einen gewissen Fatalismus: Der Einzelne ist in seinen Entscheidungen überhaupt nicht frei, sondern von seiner ganzen Geschichte her determiniert. Die einzige Möglichkeit, daraus auszubrechen, ist, das Muster zu erkennen und zu verstehen.
    Somit wird erstens erstmals eine kritische Geschichtsschreibung - oder überhaupt Geschichtsschreibung - wichtig. Zweitens aber bildet diese Sicht die Grundlage für die moderne Magietheorie und den Startschuss für eine Ära der raschen Modernisierung, in der immer wieder neue Zusammenhänge verstanden werden und neue Technologien entwickelt. Bereits mitten in dieser Umbruchsphase befinden wir uns also im Jahr Null gerade. :)


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    Gut, soweit also die philosophischen Hintergründe - natürlich könnte ich hier noch weitermachen, aber ich denke, schön langsam könnte ich ja zum eigentlichen Thema kommen.


    Die Frage ist also: Wie sieht die Gesellschaft aus, die von den bisher beschriebenen Ideen getragen wurde/wird? Ich weiß von einigen monarchistischen Systemen, aber gleichzeitig gibt es eben ein paar ineinander verschränkte Parallelgesellschaften - religiöse Orden etwa - die weitgehend außerhalb solcher Hierarchien fungieren. Persönliche Verantwortung zu betonen, heißt wohl, dass diese ganz besonders in den Händen der Mächtigen liegt, die ein System aufrechterhalten sollen - zum Wohle aller...


    Auf jeden Fall gab es bis etwa 100 Jahre vor Null eine quasi-geschichtslose Zeit, in der sich nur wenig verändert hat. Zumindest als Bastelkrücke, da ich es vermeiden will, noch weiter in die Vergangenheit zu blicken - irgendwo sollte stopp sein. ;)

  • Aaah, der natürliche Fehlschluss. "Es ist, also soll es sein." Man könnte überlegen, sie die Schule der Harmonie zu nennen oder so.


    Ich finde das ein tolles Konzept, um darauf die philosophischen Grundgebäude deiner Welt aufzubauen. Allerdings bringt das schon seine Probleme mit sich. Eine Philosophie, mit der man alles - und zwar wirklich alles - rechtfertigen kann, ist verglichen mit den meisten Doktrinen, die in der wirklichen Welt unmoralische Zustände gerechtfertigt haben, ziemlich wehrlos auf geistiger Ebene. Überleg' mal: Warum sollten die Verfechter der zweiten Schule nicht einfach sagen, "wir sind jetzt aber auch da, und das wären wir nicht wenn es nicht richtig wäre, also respektiert uns" ? Erst dadurch, dass die erste Schule ein bisschen raffinierter argumentiert, kann sie tatsächlich einen bestimmten Gesellschaftszustand stützen - und somit durch das Auftreten der zweiten Schule bedroht sein.


    Es ist ein sehr guter Ansatz, die erste Schule einer politischen Agenda zu unterstellen, aber sie kann dieser nur dadurch dienen, dass sie ein bisschen feiner argumentiert. Das klassische Mittel der Verfeinerung ginge in etwa so: "Es war schon immer so, also soll es sein." Reihenweise alte Religionen funktionierten genau so, dass das, was sie machten, richtig war, weil man es schon immer machte (und es offensichtlich zum Erhalt der eigenen Gesellschaft beitrug, denn die ist ja noch da).


    Was müsste sich hierzu effektiv ändern? Es müsste nach wie vor auf eine kritische Geschichtsschreibung verzichtet werden. Aber die "Geschichtslosigkeit" muss erst mal konstruiert und vorgetäuscht werden. Mythen, die du erwähnt hast, sind hier sehr nützlich. Idealerweise kämen aber auch Vorstellungen über Schrecken und Unheil dazu, die dann drohen, wenn man den natürlichen Pfad des Seins verlässt. Hier würde sich massives Konfliktpotenzial zwischen den beiden Schulen aufbauen.


    Ich würde also zumindest die Möglichkeit einräumen, dass die Geschichte auch schon vor 100 v.Z. sehr lebendig war, man hat nur aktiv dafür gesorgt, das zu verschleiern. Das wäre zumindest alles andere, als unrealistisch ;)


    Evtl hilft's bei der Recherche hierzu: In der Kulturwissenschaft nennt man Gesellschaften, die ihre Geschichte einzufrieren versuchen und den Schein wahren, dass alles immer schon so war, "kalte Kulturen", und Gesellschaften, die aktiv und kritisch ihre Geschichte rekonstruieren, "heiße" Kulturen. Letztere sind nicht so neu, wie man zu meinen geneigt wäre. Die alten Ägypter haben das schon 1500 v. Chr. gemacht. Natürlich muss man dann aber auch über die Medien nachdenken, in denen sich Geschichte manifestiert. Für die alten Ägypter waren's alte Gräber und Paläste mit Inschriften, die sie nach Jahrtausenden wieder ausbuddelten.

  • Danke für den ausführlichen Kommentar!

    Aaah, der natürliche Fehlschluss. "Es ist, also soll es sein." Man könnte überlegen, sie die Schule der Harmonie zu nennen oder so.

    Hm, okay, ich hab sie wohl ein wenig zu vereinfacht dargestellt, die erste Schule. Es ist nämlich nicht so, dass alles gutgeheißen wird, im Gegenteil ist sogar eine recht ausgeprägte Ethik in fast allen Richtungen der ersten Schule vorhanden.

    Überleg' mal: Warum sollten die Verfechter der zweiten Schule nicht einfach sagen, "wir sind jetzt aber auch da, und das wären wir nicht wenn es nicht richtig wäre, also respektiert uns" ?

    In der Tat stehen sich die beiden Schulen selbst recht konfliktfrei gegenüber - verfolgt werden die Anhänger der zweiten Schule nicht von Philosoph*innen oder Priester*innen, sondern von Herrscher*innen, die sich in ihrer Machtausübung dadurch bedroht sehen. Aber selbst das ist eher ein Nebenschauplatz.


    Es gibt zwar um das Jahr Null herum einige größere Kriege, die kommen allerdings von außerhalb, und nicht aus diesem Schulenkonflikt. Die beiden Schulen beeinflussen sich gegenseitig, und die erste Schule entwickelt sich auch weiter (und nimmt das schließlich auch zur Kenntnis).

    Das klassische Mittel der Verfeinerung ginge in etwa so: "Es war schon immer so, also soll es sein."

    Hm, das ist eigentlich nicht wirklich im Sinne der ersten Schule. Die kennt durchaus ein Streben nach Verbesserung - aber eben nur im Leben einzelner. Die Menschen sind zu stetigem Lernen und Wachsen aufgefordert, und das Leid des Alltags und der politischen Umstände sind letztlich nur ein Werkzeug für dieses Lernen. Die Welt ist also gewissermaßen eine Schule... aber es gibt darin kein weiterführendes Fortschrittsdenken: die nächste Generation ist nicht besser als die davorgehende, sondern lernt genau die selben Sachen. Ewiggültige Weisheiten ändern sich nicht, aber sie müssen von jeder Generation wieder neuerlich erlernt werden.


    Dass sich aber politische Strukturen etablieren, die im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Macht akkumulieren (wollen), hat eher damit zu tun, dass diese Weltsicht eine eher lethargische Haltung unterstützt, bzw. dass es einfach nicht in den Köpfen ist, dass die Gesellschaft selber auch lernen kann, auch verbessert werden kann.

    Aber die "Geschichtslosigkeit" muss erst mal konstruiert und vorgetäuscht werden. Mythen, die du erwähnt hast, sind hier sehr nützlich. Idealerweise kämen aber auch Vorstellungen über Schrecken und Unheil dazu, die dann drohen, wenn man den natürlichen Pfad des Seins verlässt.

    Hm... muss ich mir überlegen. Ich weiß nicht, wie extrem das mit der Geschichtslosigkeit ist - an frühere Zeitalter erinnert man sich schon noch dunkel, die werden in mythologischen Erzählungen erwähnt. Aber es ist halt kein "vor 500 Jahren" sondern ein "es war einmal, in einer anderen Zeit".

    Ich würde also zumindest die Möglichkeit einräumen, dass die Geschichte auch schon vor 100 v.Z. sehr lebendig war, man hat nur aktiv dafür gesorgt, das zu verschleiern.

    So eine Mischung... die erste Schule dominiert das Denken, das heißt aber nicht, dass es nicht einzelne Stellen gibt, wo anders gedacht wird. Vielleicht hat eine Königsfamilie eine Ahnentafel... aber es kümmert sich halt insgesamt die Gesellschaft nicht so darum.
    Jemand, der ein Interesse hätte, aktiv die Geschichte zu verschleiern, wäre mir bislang nicht untergekommen.


    Auch die erste Schule hat eine Art Geschichtsbewusstsein - insofern, dass die Zeit nicht stillsteht, Menschen geboren werden, Menschen sterben. Der Gedanke ist halt, dass die Vergangenheit unbedeutsam ist, dass sie keinerlei Wirkung auf die Gegenwart hat.


    Jemand, der bei einem Unfall einen Fuß verloren hat, sagt die erste Schule: "Du hast jetzt nur einen Fuß - das bist du. Der Mensch, der du früher warst, existiert nicht mehr." - die zweite Schule aber würde hergehen und fragen: "Warum ist das passiert? War es Unachtsamkeit, die zum Unfall geführt hat, und wenn ja, wie rotten wir diese Unachtsamkeit aus?"

    Evtl hilft's bei der Recherche hierzu: In der Kulturwissenschaft nennt man Gesellschaften, die ihre Geschichte einzufrieren versuchen und den Schein wahren, dass alles immer schon so war, "kalte Kulturen", und Gesellschaften, die aktiv und kritisch ihre Geschichte rekonstruieren, "heiße" Kulturen.

    Interessante Begriffe, danke. :)



    Ich denke, ich hab insgesamt noch keine wirklich sooo klare Vorstellung davon, wie genau die beiden Schulen ticken - und es wäre wohl auch ein Fehler, sie zu genau festnageln zu wollen. Schließlich ist die erste Schule kein homogener Körper, sondern eine Tendenz, die über einige hundert Religionen und Philosophien aus mehreren Jahrhunderten in verschiedenem Ausmaß festgestellt werden kann. Ich kenne erst ein paar wenige davon.


    (Der Begriff "Erste Schule" stammt vermutlich von der Zweiten Schule, die dann Geschichte geschrieben hat. ;) Es ist wohl auch eine polemische Vereinfachung, damit man sich besser davon abgrenzen kann.)


    Im Verlauf des 1.Jhdts nach Null verschwinden die Grenzen zwischen den Schulen dann, und die meisten neueren Philosophien sind bereits in irgendeiner Weise eine Synthese dieser Gegensätze. Aber dort bastle ich ein andersmal weiter, jetzt möchte ich ja noch bei der Kultur und Gesellschaft vor Null bleiben.



    Kurzer Blick auf die Slowbastel-Stichwörter:
    - Achse, Tafel - ?? -> irgendwelche Tabellen?
    - Farbe - ? im Moment ist alles graue Theorie.^^
    - Gesicht - ? auch hier noch kein Plan.^^
    - Schrift - ah, ich muss mir überlegen, wer schreibt, und was.
    - reisen - das hab ich schon im Hinterkopf, dass Reisen am Rand des Mittelmeeres immer leichter werden und somit mehr Wissensaustausch stattfindet. Und Arãn Pas ist wohl auch vielgereist.

  • Na, dann weißt du ja schon recht viel. :) Die abstraktere Idee hinter meinem Kommentar war die, dass Philosophien und Religionen normalerweise nicht getrennt von der Politik betrachtet werden können. Um eine solche Schule auszugestalten, lohnt es sich also immer zu fragen: Was sind die Machtverhältnisse und sozialen Zustände? Und als nächstes: wie könnte die Schule dazu dienen, diese aufrechtzuerhalten (oder umzustürzen) ?


    Selbstverständlich muss sich dieses Raster in deiner Welt nicht anbieten und wenn es das nicht tut, dann ist das umso besser, weil du bereits dein eigenes Raster hast. Selbst, wenn du momentan noch nicht so viel allzu Konkretes über die beiden Schulen wissen solltest.

  • Der Oktober vergeht, und ich hab noch eine Menge zu basteln. :arbeit:

    Was sind die Machtverhältnisse und sozialen Zustände? Und als nächstes: wie könnte die Schule dazu dienen, diese aufrechtzuerhalten (oder umzustürzen) ?

    Joa, das wäre die logische Herangehensweise, wenn ich die Politik kennen würde aber die Philosophie nicht. Es ist aber umgekehrt - außerdem ist eines der Kernprinzipien von Issoy als Welt, dass Philosophie (oft auch: Ästhetik als Teilgebiet) primär ist und alles andere untergeordnet. Es wäre eigentlich ganz schön, wenn ich dieses Prinzip auch bei der Geschichte und der frühen philosophischen Schulen etwas beibehalten könnte.


    Ich versuche mal, ein paar lose Gedanken dazu, wie die Gesellschaft - geprägt von einer dominierenden Ersten Schule - aussehen könnte.


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    Zunächst einmal gibt es Grundrechte. Die Idee von universellen Menschenrechten ist in Issoy nicht etwas, das in geschichtlicher Zeit (die ich bebastle) aufkommt, sondern schon viel früher. Natürlich halten sich nicht alle daran, aber als Idee ist es grundsätzlich schon da.


    Als Beispielkultur für die folgenden Überlegungen nehme ich Loeku Te-Merlom her - das Königreich Te-Merlom. Oder Te-Merlos. Bei dem Namen bin ich mir nicht sicher. Abgekürzt wäre auch Loeku Te eine mögliche Variante. Das "Te" steht als Orts-Vornamen für den Drachengott Töchgulz', und diese Gottheits-Idee dürfte wohl gewissermaßen auch staatstragend sein in diesem Fall. "Loeku" heißt soviel wie Königreich.


    (... etliches Zeug gelöscht, weil nur Herumüberlegen im Kreis...)


    Im Zentrum eines Landes steht nach soalūnischer Denkweise immer ein Prinzip, ein Ideal, das von einer Herrscherfamilie verkörptert werden soll. Dieses Ideal ist nicht notwendigerweise knapp in Worte zu fassen...


    Mit der Erforschung und Auslegung des Prinzips beschäftigt sich eine Klasse von Gelehrten. Deren Einsichten sind für die Könige bindend, solange es einen Konsens gibt. (?)


    Die Gesellschaft ist prinzipiell pluralistisch, verschiedene Tempelschulen stehen nebeneinander. Die Tempelgelehrten sind wohl nochmal eine eigene Gruppe, größer als die der königlichen Gelehrten.


    Dann gibt es unter dem König auch noch Adelige - letztlich definiert sich dieser über Landbesitz. Land zu besitzen heißt, für die Bewohner darauf verantwortlich zu sein. Darüber wachen vllt die Gelehrten? Es gibt auf jeden Fall ein Kontrollorgan - vielleicht sind es auch einfach die anderen Adeligen.


    Adelige können im Prinzip beliebig hierarchisch geschachtelt werden. D.h. Landbesitz wird in immer größeren Einheiten zusammengefasst; mehrere lokale Adelige bilden zusammen das Land eines größeren Adeligen und so weiter bis hinauf zum König, dem formell das ganze Land "gehört".


    Bauern sind in gewissem Sinne auch Adelige, halt auf dem untersten Level. Sie besitzen jedenfalls auch Land... möglicherweise gibt es auf jedem Level kommunale Räte - d.h. alle Bauern eines Gebiets bilden zusammen einen Bauernrat, der - weil er exakt soviel Land besitzt wie der Adelige, der über ihnen steht - mit diesem Adeligen komplett gleichgestellt ist. Sofern sich alle Bauern einig sind. Oder vielleicht sogar so, dass alle Bauern zusammen in Einigkeit den Adeligen überstimmen können. Das selbe Prinzip würde dann auch weiter oben gelten, so dass alle obersten Adeligen zusammen ihren König überstimmen können.


    Ich weiß nicht, ob ich die spezifischen Level so weit ausbasteln möchte... bzw. ob es relevant ist, wie viele Ebenen es gibt. Das Prinzip, dass mehrere niedrigere einen Höheren überstimmen können, fände ich halt mal elegant - dafür braucht es noch nicht einmal so genaue Strukturierung: Es funktioniert nämlich auch bei unterschiedlichen Levels gleichzeitig.


    Beispiel: Die Adeligen eines Landes wollen den König überstimmen. Es gibt sechs Adelige, die zusammen 100% des Königreichs beherrschen. Davon sind sich jetzt aber nur 5 einig, das auch zu machen. Die könnten jetzt aber hergehen, und eine Ebene tiefer gehen, und einfach z.B. alle Bauern im Land des sechsten Adeligen auf ihre Seite ziehen. Die überstimmen ja eben ihren Adeligen, und somit geht es sich insgesamt aus, den König zu überstimmen. :)


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    Namen für Adelsränge?
    "Yemin" ist das Wort für König, "Min" sind Adelige. Das "Ye-" ist eine Vorsilbe, die soviel heißt wie "der erste von, der oberste". Ich könnte da eventuell mit soalūnischen Zahlen herumspielen:


    Yemin - König*in
    Radmin - Adelige*r der ersten Ebene
    Pumin - Adelige*r der zweiten Ebene
    Crimin - der dritten Ebene


    Okay, die klingen eher doof. Bis auf "Radmin", da steckt "Admin" drin, das find ich grad lustig.^^


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    Es gibt ein Grundrecht jedes Menschen, sich seine Landherren selbst auszusuchen.


    Für alle Landlosen heißt das: Sie können jederzeit auswandern, und dürfen daran nicht gehindert werden. In der Praxis ist das natürlich ein Recht, das eher auf dem Papier existiert - die wenigsten geben ihren Heimatort und ihre Familie dort usw. einfach so auf. Es ist auch die Frage, wieviel sie mitnehmen dürfen - jedenfalls nichts, das "dem Land gehört". Was genau das ist, müsste ich mir noch überlegen.


    Für die Landbesitzer (also auch Bauern) gilt: Sie können mit ihrem Land in ein anderes Gebiet und unter einen anderen Adeligen wechseln, sofern sie dieser annimmt. Theoretisch könnte ein Bauer auch direkt dem König unterstehen und niemandem sonst, in der Praxis passiert das aber kaum.


    Für die Bauern ist es von Nachteil, wenn Gebiete zu sehr zerfledert sind: Sie können sich dann mit ihren Gebietskollegen nicht mehr so leicht absprechen, und verlieren also an Macht. Daher streben sie dann doch eher an, mit ihren unmittelbaren Nachbarn zusammen eine Einheit zu bilden.


    Auf höheren Ebenen sorgt dieses Grundrecht aber schon für chaotische Grenzen, könnte ich mir vorstellen. Das kann aber vom König bis zu einem gewissen Grad unterbunden werden. (?)


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    Mit Landbesitz verknüpft ist immer die Bedingung, für alle Menschen zu sorgen, die darauf leben.


    Das gilt auch schon für die Bauern. Und ich denke mir, da könnten durchaus wieder Menschenrechte greifen. Eines der Leitideen der Ersten Schule "Was ist, soll sein", lässt sich eben auch auf Menschen anwenden, und besagt: Jeder Mensch soll existieren. Daher ist die Versorgung der Arbeitsunfähigen jeglicher Art mit Essen und einem Schlafplatz eine Grundpflicht aller Landbesitzer.


    Für die Adeligen ist das natürlich eine Belastung. Um das auszugleichen können sie von ihren nächsthöheren Landherren eine Entschädigung verlangen für alle, die sie durchfüttern müssen. Diese Prämie schafft ihnen sogar einen Anreiz, auf ihrem Gebiet viele Invalide unterzubringen: Wenn sie deren Versorgung günstig hinkriegen, machen sie sogar noch Gewinn dabei.


    Wer überprüft, ob die Grundversorgung eingehalten wird? Da bin ich mir noch nicht sicher... möglicherweise ist es aber eine Art gegenseitige Kontrolle, dass Adelige immer bestrebt sind, ihre Nachbarn zu prüfen, weil sie, wenn sie eine Verletzung deren Pflichten beweisen können, selber etwas dazugewinnen können.


    Wie kommt man überhaupt zu Landbesitz?


    1) Erbe
    Das dürfte der Normalfall sein - von Bauern bis zu Königen.


    2) Neugründung eines Besitztums
    Wenn jemand in ein unbewohntes Tal zieht und dort ein Dorf baut... unter den Dorfgründern sollte sich mindestens eine verantwortliche Person ausfindig machen lassen.


    3) Übernahme eines Besitztums
    Besagtes neugegründetes Dorf aus Perspektive des Adeligen, der bereits die Dörfer im Nachbartal zu seinem Gebiet zählt: Oh, schön, neues Land.
    Es kann sein, dass mehrere Adelige einem Bauern vorschlagen, dass dieser sich ihrem Gebiet anschließt - oder umgekehrt kann ein Bauern auf der Suche nach Adeligen sein, weil niemand es sich aktuell leisten kann, noch ein Dorf aufzunehmen, für deren Bewohner er dann zur Verantwortung gezogen werden kann.


    In den Gebirgsregionen gibt es daher tatsächlich eine Menge Bergtäler, die komplett selbstverwaltet sind.


    4) Anklage eines Nachbarn
    Wenn es gelingt, nachzuweisen, dass der Adelige in einem seiner Dörfer Leute länger hungern lässt, dann kann dieser dazu gezwungen werden, sein Land abzugeben - und häufig geht es dann an den Kläger.


    5) Ernennung durch Landbesitzer
    Die Bauern eines Gebietes können theoretisch irgendjemanden zu ihren Adeligen machen. Der muss sie dann halt offiziell akzeptieren. Das geht aber natürlich nur dann gut, wenn besagter Adeliger auch irgendwo in der Hierarchie unter dem König steht, d.h. dieser muss auch seine Einwilligung geben.
    Wenn dies nicht passiert, gibt es entweder einen Krieg - der König versucht, sich sein Gebiet zurückzuholen - oder er akzeptiert es einfach und verliert Land.


    Möglicherweise gibt es da aber eine Regelung, dass dies nur in Grenzgebieten passieren kann. (?) Ansonsten würden ja massenweise kleine Fleckchen innerhalb eines Königreiches ihre eigene Unabhängigkeit erklären. Irgendwie hab ich da noch nicht so einen Plan, wie das funktionieren soll - vielleicht ist es für die Bewohner schlicht besser, sich unterzuordnen, weil sie ja dadurch eine Grundversorgung garantiert haben?


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    Naja, letztlich hab ich nur Ideen, die ich für das spätere Issoy schon hatte, jetzt auch in der früheren Epoche angesiedelt. Hmmmm. So recht zufrieden bin ich nicht. Politik ist sauschwer. :-/


    Bei allen fancy Systemen stellt sich ja die Frage: Warum hält es? Wer hält es aufrecht?


    Und die ganzen verschiedenen Tempel, die auch noch eine wesentliche Rolle für die Gesellschaft spielen, hab ich auch noch nicht wirklich im Ganzen platzieren können. Jedenfalls sollten die nicht unbedingt innerhalb der selben Hierarchie stehen, aber auch nicht außerhalb (auf keinen Fall: darüber).


    So viele offene Fragen... ???

  • Diese gesellschaftliche Gestaltung gefällt mir ausgesprochen gut. Allerdings frage ich mich, wie man zu Land kommt. Gibt es denn auch welche, die lieber auf die Mittel verzichten um dafür mehr Freiheiten auf ihrem Land zu haben, das sie mit niemandem teilen müssen? Können Adelige dazu gezwungen werden, Leute aufzunehmen?

  • Allerdings frage ich mich, wie man zu Land kommt. Gibt es denn auch welche, die lieber auf die Mittel verzichten um dafür mehr Freiheiten auf ihrem Land zu haben, das sie mit niemandem teilen müssen?

    Tja, knifflig.


    Irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich erst so 25% der Puzzleteile überhaupt kenne. Ich weiß z.B. gar nicht, welche Rolle Geld überhaupt spielt, ob es das überhaupt so gibt.


    Vielleicht macht folgendes Sinn:
    - Alles, was in einem Land produziert wird, gehört zunächst einmal dem Land selbst. Darüber verfügen dürfen die Besitzer - die ganze hierarchische Kette hinauf bis zum König.


    - So gut wie jeder Besitz wird also als Teil des Landes gesehen. Es gibt natürlich individuellen Besitz auch, aber der beschränkt sich auf wenige Alltagsgegenstände, Kleidung, solche Dinge.


    - Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Rechten und Gesetzen. (?) Rechte haben Menschen einfach von Natur aus (die werden eben mit ethischen Lehren begründet), Gesetze sind hingegen mehr oder weniger beliebig von den Landbesitzern gemacht. Ein Verstoß gegen ein Gesetz führt zu einer Strafe nur gegenüber dem entsprechenden Landbesitzer, ein Verstoß gegenüber Rechte (anderer) kann hingegen von einer anderen Instanz geahndet werden...?


    Ich hab das Gefühl, ich verzettel mich auf einer abstrakten Ebene, und sollte viel mehr konkrete Beispiele durchdenken, dann finde ich vielleicht schneller heraus, was alles noch nicht passt.


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    Nehmen wir mal eine Beispieladelige:


    Garunni Te-Yésquates untersteht direkt dem König. Sie besitzt nur einen recht kleinen Landstrich, ihre Familie ist, sagen wir mal, verarmt. Ihr unterstehen also so fünfzehn Bauern, die zu vier verschiedenen Dörfern gehören. In jedem dieser Dörfer gibt es einen Bauernrat, bestehend aus 6, 4, 3 und 2 Personen. Nehmen wir daraus einen Beispielbauern: Sãrochz' Chzalrzöchz'. Sãrochz ist Oberhaupt einer großen Familie, die aus ihm, seinen Brüdern, Schwestern, Cousins, und Cousinen, sowie deren Partner und Kindern besteht. Zusammen gehören ihnen mehrere Häuser, aber sie haben sich als Großfamilie zusammengeschlossen. Außerdem noch einmal soviele Leute, die nicht direkt verwandt sind, als Knechte, Mägde, usw.
    Das Gewicht, dass Sãrochz im Dorfbauernrat hat, ermisst sich auch daraus, wieviele Leute zu seiner Familie (inklusive Knechte/Mägde) gehören. Für all diese gelten die Regeln, die er aufstellt, als bindende Gesetze - sofern diese nicht die Grundrechte der Menschen verletzen.


    Alle Dörfer von Te-Yésquates gehören zum Einzugsgebiet eines einzigen Tempels, sagen wir mal einem der Yéo-Schule. Dieser befindet sich vielleicht sogar in oder bei einem der Dörfer. Die dortigen Äbte und Äbtissinen haben für das Wohlergehen der Menschen zu sorgen und bei Konflikten zu vermitteln. Außerdem fungieren sie als Lehrer*innen für die Bevölkerung.


    Vielleicht gibt es auch noch so etwas wie "königliche Beamten" - jeweils einen oder zwei pro Dorf. Diese heißen zwar "königlich", unterstehen aber praktisch wohl einem Nachbaradeligen. Es ist schließlich die Aufgabe der Adeligen, sich gegenseitig auf die Finger zu klopfen, wenn etwas schiefläuft.


    Sagen wir, es gab im Dorf von Bauer Sãrochz Chzalrzöchz eine schlechte Ernte, und es gibt nicht mehr genug zu essen. Die Familie von Sãrochz kriegt noch genug, aber die Knechte müssen bereits hungern. Die Knechte gehen vielleicht erst einmal zum Dorfrat, dort wird nur festgestellt, dass es zuwenig Essen gibt. Da sich nichts tut, wenden sich die Knechte an einen Beamten - dieser meldet, dass die Grundversorgung im Dorf dürftig ist.
    Im ersten Schritt geht die Klage dann mal an den Bauern - dieser könnte jetzt ein Einsehen haben und seine Vorräte gleichmäßiger aufteilen - aber dann hat er selber zuwenig, und er würde die Klage weiterreichen an die Adelige. Somit geht bei Garunni Te-Yésquates eine Klage ein, dass Menschen unter ihrer Verantwortung hungern.


    Die könnte jetzt entweder sagen: Ok, ich habe selber nichts. In dem Fall würde sie das Landrecht über das Gebiet von Bauer Chzalrzöchz verlieren (eventuell auch gleich über das ganze Dorf, es ist ja naheliegend, ein Dorf nicht zu splitten).
    Oder sie sagt: Okay, ich kümmere mich darum. Und kommt aus ihrem eigenen Vermögen dafür auf, dass die Menschen nicht hungern müssen. Ihr Vermögen besteht aus den Einkünften, die ihr Land abwirft - landwirtschaftliche Erträge, deren Überschüsse verkauft werden. Da die Erträge dem Land gehören und nicht den Bauern, kann sie auch darüber relativ frei verfügen, solange eben alle einigermaßen damit leben können. Sehr wahrscheinlich gibt es Vereinbarungen mit den einzelnen Bauern.


    (Wenn ich das so überlege, glaube ich, dass Bauern nicht, wie ich im vorigen Post noch meinte, einfach so sich einem anderen Adeligen unterstellen können - es muss da wohl entweder Einwilligung des Adeligen oder einen anderen Grund geben.)


    Dass sich ein Adeliger nicht einfach an seinem Land bereichert, indem er den Untergebenen gerade das Minimum überlässt, um deren Grundrechte erfüllt zu haben, aber selber im Luxus lebt - ich denke, dem könnte die Vetofunktion der Bauernräte dann einen Riegel vorschieben: Alle Bauern zusammen, wenn sie sich einig sind, überstimmen ja den Adeligen.


    (Wo immer von "dem Adeligen" die Rede ist, könnte genausogut auch eine ganze Familie gemeint sein, die unter Umständen in sich selbst auch demokratisch organisiert sein könnte. Eventuell verlangen manche Obrigkeiten (d.h. Könige, hohe Adelige) dass es eine einzige Hauptverantwortliche Person pro forma gibt, aber das ist ansonsten flexibel. Das selbe gilt natürlich für Bauernfamilien, die ihr Oberhaupt wählen oder sonstwie ausmachen.)


    Wie Handel funktioniert, könnte auch noch interessant sein. Ich denke, dass auch fahrende Händler irgendwo einen offiziellen festen Sitz haben müssen könnten, damit klar ist, welchem Land das eigentlich gehört, was sie handeln.


    Irgendwie fände ich es auch reizvoll, wenn mir noch eine Idee einfällt, die Geld im herkömmlichen Sinne ersetzt. Vielleicht basiert auch der Handel zu einem Teil auf Gefallen/Ansehen? Hm.

    Können Adelige dazu gezwungen werden, Leute aufzunehmen?

    Die Frage ist, was passiert mit Menschen, die aus irgendeinem Grund niemand haben will, und die auch keinem Land gehören (weil z.B. ein Dorf niedergebrannt ist oder so) ? Darüber muss ich auch noch mehr nachdenken. Möglicherweise ist es für Adelige eine große Schande, sie nicht aufzunehmen, die mit einem Verlust von Ansehen einhergeht - und eventuell auch direkt mit Landverlust, weil sie ja offenbar nicht fähig sind, Leute zu versorgen? Sowas in die Richtung vielleicht...

  • Ich wollte nicht vorschlagen, die Philosophie der Politik unterzuordnen. Das wäre wieder sehr unnatürlich. Nur, sie nicht voneinander zu trennen. ;) Am besten, man schaut sich an, was man über beide gerade weiß, und guckt dann, wie sie ineinander greifen. Der Rest kommt dann möglicherweise schon von selbst.


    Ein Prinzip, das eine Sache über die andere stellt, ist natürlich interessant, aber macht naturgemäß alles schwerer. Was meinst du, was "zuerst" kommt? Deine Halsschlagader oder dein Herz? Nichts von beidem. Somit würde ich an deiner Stelle wahrscheinlich zuerst einmal näher darüber nachdenken, wie dieses Prinzip der Ästhetik funktionieren kann, daraus Bedingungen ableiten und dann, wenn ich über die Details nachdenke, es sich um diese Bedingungen herum einfach möglichst natürlich entwickeln lassen.

  • Das Gewicht, dass Sãrochz im Dorfbauernrat hat, ermisst sich auch daraus, wieviele Leute zu seiner Familie (inklusive Knechte/Mägde) gehören.

    Das klingt sehr einleuchtend und gibt gleich einen Anreiz, Leute auf seinem Land aufzunehmen.

    Vielleicht gibt es auch noch so etwas wie "königliche Beamten" - jeweils einen oder zwei pro Dorf.

    Das klingt für mich nach sehr vielen, nach irdischen Maßstäben, egal in welche Zeit wir gucken. Ich habe allerdings nur eine ungefähre Vorstellung, aus Videos über die Zeit vor (inter)nationalen Standards und die Schwierigkeiten bei der Besteuerung und solche Dinge. Auch in modernen Zeiten würde ich die Anzahl solch doch eher hoch stehender Beamten (oder sind "königliche Beamte" gar nicht so speziell?) doch sehr dünn gesäht sehen, gemessen an der Anzahl der Dörfer.
    Auch mit der nachgeschobenen Erklärung würde ich da eher auf… keine Ahnung, 2-4 Beamte pro Adeligem, der über mehrere Dörfer verfügt, tippen.

    (Wenn ich das so überlege, glaube ich, dass Bauern nicht, wie ich im vorigen Post noch meinte, einfach so sich einem anderen Adeligen unterstellen können - es muss da wohl entweder Einwilligung des Adeligen oder einen anderen Grund geben.)

    Die Einwilligung des Adeligen hattest du ja schon erwähnt.

    Für die Landbesitzer (also auch Bauern) gilt: Sie können mit ihrem Land in ein anderes Gebiet und unter einen anderen Adeligen wechseln, sofern sie dieser annimmt.

    (Wo immer von "dem Adeligen" die Rede ist, könnte genausogut auch eine ganze Familie gemeint sein, die unter Umständen in sich selbst auch demokratisch organisiert sein könnte. Eventuell verlangen manche Obrigkeiten (d.h. Könige, hohe Adelige) dass es eine einzige Hauptverantwortliche Person pro forma gibt, aber das ist ansonsten flexibel. Das selbe gilt natürlich für Bauernfamilien, die ihr Oberhaupt wählen oder sonstwie ausmachen.)

    Für mich klingt das nach einer Rätedemokratie. Naja, nicht ganz, da die Organisation der einzelnen Räte ja nicht unbedingt demokratisch sein muss. Also, uhm, eine Konstitutionelle Rätemonarchie? Äh, ich glaube, ich schwafel Blödsinn.

    Wie Handel funktioniert, könnte auch noch interessant sein. Ich denke, dass auch fahrende Händler irgendwo einen offiziellen festen Sitz haben müssen könnten, damit klar ist, welchem Land das eigentlich gehört, was sie handeln.

    Ja, das könnte interessant sein, wobei ich mir vorstellen kann, dass es da Widerstand von Seiten der Händler gibt, die sich dann vielleicht auch selbst versuchen zu organisieren. Sie könnten theoretisch auch, sozusagen pro forma, versuchen, Anspruch auf Land zu erheben, das niemand anders so richtig interessiert, weil es unfruchtbar und ressourcenarm ist. Oder sie unterstellen sich eben Adeligen, die eher solche Ländereien besitzen, die dadurch eben größere Macht auf ihrem eigenen Level bekommen, den sie sonst nicht haben könnten, da sie nicht in der Lage sind, viele Leute anderweitig zu versorgen, und im Gegenzug lassen sie die Händler ein wenig freier über ihre Waren verfügen, als es andere tun würden.
    Natürlich muss der entsprechende Adelige dann von oben her Unterstützung bekommen. Ich vermute mal, dass da vielleicht einige Adelige versuchen, über die Händler eine Art Schattenwirtschaft aufzubauen, durch die sie am System vorbei Waren bewegen können, ohne dabei das Einverständnis so vieler Leute zu benötigen wie sonst. Die Händler spielen da sicher gerne mit, und wenn sie in ihrer, uhm, Verwaltungseinheit die Stimmenmehrheit haben, dann lassen sie sich auch schlecht aufhalten, da sie als Gesamtes ja ein Veto gegen ihren Schutzherrn auf höherer Ebene leichter aushebeln können als wenn sie sich über mehrere Verwaltungseinheiten verteilen.

  • Uff. Irgendwie finde ich es extrem schwierig, das politische System durchzuüberlegen. Und anstrengend und nervig, was ich jetzt eigentlich nicht unbedingt brauchen kann. (Überfordertsein ist nicht besonders kreativ anregend - zumindest auf Dauer nicht.) Von daher überlege ich, ob es vllt möglich ist, etwas über soziale Schichten zu basteln, ohne im Detail zu wissen, wie deren Interaktion und System drumrum aussieht...

    Ja, das könnte interessant sein, wobei ich mir vorstellen kann, dass es da Widerstand von Seiten der Händler gibt, die sich dann vielleicht auch selbst versuchen zu organisieren. Sie könnten theoretisch auch, sozusagen pro forma, versuchen, Anspruch auf Land zu erheben, das niemand anders so richtig interessiert, weil es unfruchtbar und ressourcenarm ist. Oder sie unterstellen sich eben Adeligen, die eher solche Ländereien besitzen, die dadurch eben größere Macht auf ihrem eigenen Level bekommen, den sie sonst nicht haben könnten, da sie nicht in der Lage sind, viele Leute anderweitig zu versorgen, und im Gegenzug lassen sie die Händler ein wenig freier über ihre Waren verfügen, als es andere tun würden.

    Ja, das wWäre irgendwie logisch, so wie ich bis jetzt die "Spielregeln" formuliert habe. Aber ich glaube, erstens kenne ich die Regeln in ihrer Gesamtheit einfach noch nicht - zweitens frage ich mich, wer hält die Regeln aufrecht?


    Ich fänds schöner, wenn die soalūnische Gesellschaft vor Null nicht so arg kapitalistisch drauf wäre... aber gleichzeitig bin ich ein Kind meiner Zeit und kann kaum anders denken. :autsch: Und von Wirtschaft verstehen tu ich auch nichts - also sollte ich da ja eigentlich eher herangehen wie an Biologie, wo ich mehr oder weniger sage "Jo, Pflanzen, es gibt sie." ;)


    ẞ ẞ ẞ ẞ ẞ


    Ich mach nochmal kurz nen Schwenk zur Philosophie...


    Mir ist nämlich noch eine Formel eingefallen, welche die erste Schule recht gut auf den Punkt bringt:


    "Erüben, nicht erlernen! Forschung, aber keine Wissenschaft."


    In der ersten Schule bzw. in deren verschiedenen Richtungen wird davon ausgegangen, dass es für ein gelungenes menschliches Leben eigentlich kein besonderes Wissen braucht - dafür aber sehr viel Erfahrung. Wie man zu Erfahrung kommt, ist von Richtung zu Richtung verschieden - die cralmyunischen Lehren bauen sehr intensiv auf nonverbaler Kommunikation und Sexualität, die Yéo-Schule arbeitet eher mit Worten, und mit einer systematisierten und abstrakteren nonverbalen Kommunikation. (die Yéo ist aus der WBO entstanden, aber ich denke, das wird sich noch weiterentwickeln, weg von dem was ich im Beitrag "Jejuhuz" drinhatte.) Einige Richtungen dürften eher mit Meditation arbeiten, vllt auch so Zen-artiges.


    Gemeinsam ist ihnen aber, dass es ein Verständnis von Wissen gibt, das einfach mit einer progressiven Forschung, die neue Erkenntnisse liefern soll, nicht zusammenpasst. Weswegen die zweite Schule vor allem an dieser Stelle einen Umschwung bringt, indem sich in ihr erstmals im größeren Stil eine Wissenschaft entwickelt - vor allem die "Klassische Magietheorie" boomt um Null herum in den Städten des Mittelmeers, aber auch Mathematik und später auch Alchimie. Diese Fortschritte bringen wiederum einen technologischen Aufschwung.


    Mitten da rein platzt der Gründerkrieg - der spielt sich allerdings zu 90% außerhalb Issoys ab - während dem es große Völkerwanderungen gibt, sich die Geographie generell total umkrempelt, die westliche Küste des Mittelmeers plötzlich bewohnbar wird und die südliche teilweise unbewohnbar. Der Kontinent Antiton, vormalig großteils rote Zone, wird (auch mittels neuerer magischer Möglichkeiten) besiedelt und im eigentlichen Sinne eher sogar "geschaffen".


    Erst im Zuge dieses Umbruchs entsteht der Name "Issoy". Es bedeutet wörtlich "Schöpfung", aber das Wort hat keinerlei religiösen Kontext, sondern meint eher den künstlerischen Schaffensprozess. D.h. die Welt wird von den Menschen selbst, ihren Bewohnern, neu geschaffen. (Das war auch mein ursprüngliches Konzept von Issoy, welches ich hier jetzt wieder neu-aufleben lasse)


    Das stimmt natürlich eben nur zu einem kleinen Teil. Ein Großteil der Welt war ja vorher schon da. Aber es ist ein Lebensgefühl des Aufbruchs, mit neuen Technologien, neuen Möglichkeiten, einer sich rasant weiterentwickelnden Magietheorie, das für die Menschen im ersten Jhdt. nach Null bestimmend ist - nach Null, bzw. n.I. = nach Issoy, nach der Schöpfung. Die neue Ära wird auch mit einer neuen Zeitrechnung eingeleitet.


    Mein Ziel mit diesem Thread war, die Gesellschaft unmittelbar vor und nach Null zu skizzieren... ein ziemlich großes Unterfangen. Der Monat ist schon fast um... vielleicht gehe ich im November in die Verlängerung. ;)


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    Im Wesentlichen gibt es also 3 verschiedene Kulturen bzw. Zeiten:


    1) Die "feudale" Gesellschaft, die tiefer im Festland dominiert
    2) Die bereits im Umbruch befindende Gesellschaft des Mittelmeerraums, wo sich die zweite Schule entwickelt und im Austausch der beiden Schulen die klassische Magietheorie
    3) Die Gesellschaft nach den großen Massenmigrationsbewegungen im "neuen, modernen" Issoy


    Die erste davon hatte ich versucht, in den letzten Beiträgen im Detail anzugehen. Ich versuche es jetzt aber lieber mal grob:


    - Könige und hohe Adelige (Landbesitzer)
    - - Hofgelehrte, Hofkünstler
    Gelehrte sind teilweise von Tempelschulen, teilweise haben Höfe aber auch ihre ganz eigenen Gelehrten - dort passiert auch schon etwas Forschung, es sind die Keimzellen der "zweiten Schule"
    Zur Kunstauffassung der ersten Schule schreibe ich ein andermal noch etwas, das ist kompliziert.^^
    - - Beamte und Soldaten
    Grobe Idee: Das Kriegsführen ist nicht die Aufgabe der Adeligen - das Militär ist etwas autonom.
    - Bauern und Stadtleute
    Sowohl Bauernräte als auch Stadträte sind eher demokratisch organisiert...?
    Stadtleute sind wohl oft Handwerker, Händler, ...
    - Tempelgelehrte und Tempelschüler
    Die Tempel fungieren als Schulen eigentlich für alle, aber primär für die Adeligen und Stadtleute. Es steht aber allen offen, eine längere Ausbildung zu beginnen. In den ländlichen Gebieten betreiben Tempel selber auch Landwirtschaft, in den Städten sind viele Gelehrte parallel auch Händler, Beamte, Handwerker, usw.
    "Tempel" ist ein sehr unpassendes Wort sowieso. Teilweise religiös, teilweise philosophische Bildungsstätten... "Klöster" wäre natürlich auch passend, aber das weckt wieder andere Assoziationen. Ich kenne erst ein paar der Richtungen, aber es gibt - so ists angedacht - wirklich wirklich viele verschiedene Tempellehren, die unterschiedliche Arten verkörpern, wie Menschen erüben können, was es heißt, Mensch zu sein, ein ethisches Leben zu führen, usw. ...


    Generelle Notiz: Auch schon vor dem Aufblühen der Magietheorie ist Magie praktisch in allen Bereichen irgendwo zu finden - es gibt wohl sowas wie "Bauernmagie", ein prinzipielles Verständnis dafür, wie das Wachstum von Pflanzen gefördert wird. Landwirtschaft auf Issoy ist deutlich ertragreicher als auf der Erde. (Die grundlegenden Regeln der Physik sind halt einfach auch andere, das wirkt sich hier aus)


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    Ich hab das Gefühl, dass ich mich sehr langsam iterativ der Welt Issoy annähere, indem ich immer mal wieder Schichten von irdischen Konzepten abtragen muss, die sich in meinem Kopf festgesetzt haben. Es ist schwierig, feudale Gesellschaften mit Klöstern zu haben, und nicht ständig Assoziationen ans irdische Mittelalter mitzubringen, die total fehl am Platz sind, weil die Gesellschaft Issoys auch vor Null und vor Aufblühen der Wissenschaft eigentlich viel "moderner" ist, im Denken.


    Mit der skizzierten Gesellschaft bin ich überhaupt noch nicht zufrieden. Aber ... es gelingt mir langsam, mich von manchen Vorstellungen zu lösen. Wenn ich nur meinen inneren Slytherin abschalten könnte, der in jedem politischen System sofort nach Lücken sucht - was prinzipiell ja gut wäre, aber an dem vorbei geht, was ich eigentlich basteln möchte.


    Ich glaube, ich traue mich vielleicht doch, die ganze Geschichte nach dem ersten Jahrhundert nochmal gründlich anders zu basteln. Mit mehr weirden Technologien, und einem leichten Hauch Science-Fiction-Flair, aber auf Magiebasis (d.h. stärker limitiert durch philosophische Überlegungen als durch physikalische) Ich will dabei möglichst etwas chronologisch vorgehen. D.h. ich behalte mir z.B. im Hinterkopf, dass irgendwo um diese Zeit auch das Zugvolk auftauchen muss, aber ich weiß noch nicht wo, warum und wann genau. ;)

  • Nochmal die sozialen Schichten. Neuer Ansatz: Es gibt innerhalb der Landbesitz-Struktur zwar eine Hierarchie, aber alle anderen sozialen Gruppen stehen eher nebeneinander. Der Gedanke, dass Menschen grundsätzlich alle was wert sind, ist bereits weithin angelegt, wenn auch natürlich nicht überall gut umgesetzt.


    Landhierarchie:
    1 - König*innen
    2 - Hoher Adel
    3 - Niederer Adel
    4 - Bauern, Bäuerinnen
    5 - Landbewohner


    Die Gesellschaft gliedert sich ansonsten in:
    a - Tempelschüler*innen und Tempelgelehrte, Lehrer*innen
    b - Einfache Arbeiter*innen
    c - Handwerker*innen und Händler*innen (mit Sitz in Städten)
    d - Bedienstete eines Hauses, Bedienstete einer Stadt (inkl. Soldat*innen)


    Die beiden Achsen schließen sich nicht gegenseitig aus. Hohe Adelige können gleichzeitig Bedienstete eines Hauses (etwa des Königshauses) sein. Wer selber keinen klingenden Namen hat, kann seinen alten Namen bei der Anstellung ablegen und sich stattdessen "von X" nennen, wobei "X" der Name des Hauses ist. Es ist also genau umgekehrt wie bei uns, ein "von" im Namen ist kein Zeichen von Adel, sondern gerade davon, nicht adelig zu sein. (What can I say, I like messing with people.^^)


    Künstler*innen sind typischerweise entweder Bedienstete eines Hauses oder Mitglieder eines Tempels; Adelige können natürlich auch künstlerisch aktiv sein, aber die sind eher nicht so viele.


    Mediziner*innen sind ebenfalls typischerweise Bedienstete; allerdings gehören sie gleichzeitig oft auch noch einem Tempel an.


    Arme und Kranke gehen typischerweise in Tempel. Auch Waisen wachsen in der Regel in Tempeln auf; Wenn die Eltern nicht eruierbar sind, könnten sie einen Namen mit "von + [Ortsname]" erhalten, sehr oft werden aber auch einfach Familiennamen von Tempelobersten genommen, die quasi alle Kinder im Tempel adoptieren.
    Ansteckende Krankheiten stellen natürlich eine Herausforderung dar, aber in weit geringerem Maße als auf der Erde, da die Biologie schlicht nicht genauso funktioniert wie bei uns. Sehr viele Krankheiten sind relativ leicht heilbar. Krasse Seuchen wie die irdische Pest gibt es nicht. Wenn doch einmal eine Krankheit außer Kontrolle gerät, werden die Kranken wohl zumindest aus den Städten verbannt und in eher entlegenere Gegenden geschickt, zusammen mit einigen Tempelgelehrten, die sie begleiten. Die Altenpflege übernimmt eher die Struktur, in der die Menschen auch gelebt haben, als sie jünger waren - d.h. ältere Adelige von ihren Bediensteten bzw. von den Bediensteten ihrer Nachfolger (auch wenn es nicht die direkten Kinder sind)


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    Kriege, Abwanderung nach Westen, Aufblühen der Forschung am Mittelmeer


    Im Jahrhundert vor Null verliert das merloische Königreich kontinuierlich an Land; im Süden und Osten machen sich Adelige selbstständig und erklären sich unabhängig. Noch weiter im Osten gibt es gar keine König*innen, sondern nur verschiedene Landesadelige, die sich gelegentlich Scharmützel liefern. Im Norden gibt es nomadische Völker, die gelegentlich an den Grenzen plündern. Es kommt zwar nicht direkt zu einer Eroberung, aber zu einem Coup, relativ kurz vor Null, bei dem ein Nomadenkriegsmagier den merloischen Thron besteigt. Das System darunter bleibt allerdings weitgehend intakt. Zu dem Zeitpunkt haben ohnehin die meisten Provinzen ihre Unabhängigkeit vom Königreich erklärt. Dennoch sind diese Kriege eine Erschütterung der Ordnung, und sehr viele Tempel verlassen geschlossen das Land und ziehen nach Westen.


    Damit erhält das nlakische Mittelmeer, schon zuvor der Ort, in dem der Fortschritt blüht, nochmal einen extremen Zustrom an Gelehrten. Die Tempel, die zuvor geographisch weit voneinander getrennt lagen, drängen sich plötzlich auf engem Raum zusammen und geraten zueinander in Konkurrenz. Und nicht nur zueinander, sondern auch gegenüber den Lehrer*innen der Zweiten Schule, die überhaupt die Forschung reformieren wollen.


    Während also im Osten das alte feudale System gerade ein wenig zusammenbricht, erblüht im Westen bereits die nächste Ordnung. Auch hier spielen Tempel eine Zeit lang noch die vorherrschende Rolle, ihnen zur Seite stehen aber plötzlich Forscher und Wissenschaftler, die sich weniger an Tempellehren orientieren als an ganz praktischen Erfordernissen - d.h. die eher Handwerker*innen sind als weise Lehrmeister.


    Neue Technologien bedeuten, dass die Größe des Landbesitztums als Variable an Bedeutung verliert. Allerdings behält der Adel seine Rolle weitgehend bei - viele Adelige sind aber selber Forscher und die Leitideen der Häuser werden zu Imperativen für den Fortschritt umgedeutet.


    Die Zuwanderung durch einen Großteil der Tempelbevölkerung des Ostens habe ich schon erwähnt, aber es wird in dieser Zeit allgemein viel einfacher, zu reisen. In den Jahrhunderten davor kam außer Händler*innen und Künstler*innen auf der Suche nach höfischer Anstellung kaum jemand herum. Reisen waren relativ beschwerlich, und in vielen Gebieten musste um Durchreiseerlaubnis immer wieder extra angesucht werden, was bedeutete, an jeder größeren Grenze erst einmal auf Erlaubnis der Adeligen zu warten. (Es gab schon Möglichkeiten, das zu umgehen, aber zu denen hatten nicht so viele Leute zugang. Hohe Tempelgelehrte hielt eher niemand auf.)


    In der Ära Null am Mittelmeer wird sehr viel gereist: Gelehrte reisen permanent umher, und nehmen überall die neuesten Erfindungen mit, und befinden sich in regem Austausch. Die Hauptreiseroute ist entlang der Küste, also zu Schiff.


    Arãn Te-Pasquor als berühmter Gelehrter der Zweiten Schule ist bereits eine Generation früher in den Westen gekommen (mehr oder weniger auf der Flucht vor diversen Adeligen, mit denen er in Konflikt geraten war). Er ließ sich in Brekār nieder, einer Stadt am Westrand, und begründete dort gemeinsam mit anderen eine der ersten "Stadtschulen" - die sich explizit keinem Tempel zugehörig sahen, sondern eben der Stadt. Quasi ein Vorläufer der späteren Universitäten. Aber Arãn Pas war eben nicht nur dort tätig, sondern reiste sehr viel entlang der ganzen Küste, und war fast überall ein begehrter Redner, wegen seines Pessimismus, der zuweilen ins Misanthropische überging, aber auch genauso vielen verhasst.


    Über die verschiedenen Wege und Irrwege der Zweiten Schule und weitere Vertreter möchte ich bald noch was schreiben.


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    Ich mäandriere um das Hauptthema "Soziale Schichten" herum und weiß eigentlich nicht, wie ich das richtig basteln soll. Vielleicht müsste ich mir nochmal die Handwerker*innen genauer anschauen? Deren Leben am Mittelmeer mit dem der Handwerker*innen weiter im Festland vergleichen?


    Ich bastle auch irgendwie ungern die Kriege - sie sind irgendwie als Hintergrund da, aber wie sie genau funktionieren, wer da eigentlich gegen wen kämpft und warum, im Einzelnen - ist irgendwie nicht so wichtig?^^


    Mir graut außerdem davor, dass ich am Ende des Monats vor der Aufgabe stehe, diesen Thread nochmal auf das Wesentliche zusammenzufassen. ;D

  • Ich weiß ich weiß, ich produziere hier einen Wall-of-Text nach dem anderen. ;D


    Nächster Mäander: Die Entstehung des Magiebegriffs


    Tatsächlich ist das Wort "Magie" deutschen Ursprungs. Wohl gab es für einzelne Phänomene in verschiedenen Sprachen davor Wörter, aber keinen, der diese umfassende Bedeutung hatte. Eigentlich bräuchte es dieses Wort ja auch nicht - es wäre durchaus auch sinnvoll, einfach von Metaphysik zu sprechen.


    Dass es dazu kam, dass sich "Magie" so weit durchgesetzt hat, dass es auch zu einem Lehnwörter in anderen Sprachen - magoy ('Ritualmagier' oder 'Magietheoretiker') bzw. mãgeiskis' ('Magietheorie')- geführt hat, liegt daran, dass die Anfänge der Magietheorie als wissenschaftlicher Disziplin tatsächlich in einem Gebiet lagen, in dem deutschsprachige Einwanderer lebten.


    Wie schon öfter erwähnt, gab es in der Ersten Schule kein wirkliches Fortschrittsdenken - wohl wird von einzelnen geforscht, aber es gibt nicht die Idee, dass dabei etwas Neues herauskommt. Natürlich ist das so pauschal gesagt auch nicht richtig, aber die Tendenz ist schon klar. "Wissen" gilt eben nicht als etwas, das sich neu finden lässt, sondern es geht nur, das Vorhandene tiefer zu erfahren, gründlicher zu verstehen.


    (Exkurs: Herkunft der Deutschissoyaner


    Deutschsprachige Einwanderer - wo kamen die überhaupt her? Um es detailliert zu beschreiben, müsste ich einerseits weit ausholen, andererseits kenne ich die Details eh nicht. Vllt tuts eine Metapher: Man stelle sich vor, die Erde (bzw. unser irdisches Universum) wäre eine Glasmurmel, aus der nichts herausdringen oder hineinkommen kann. Um die Murmel herum gibt es jedoch eine Schicht von Ablagerungen - dieser besteht zu einem gewissen Teil aus den Träumen und Gedanken der Erdenbewohner. In diesen "Schmutzschichten" gibt es zahlreiche Welten, die entstehen oder vergehen... manchmal stoßen auch Welten zusammen oder splitten sich auf. Da es sich eben um Ablagerungen aus irdischen Träumen handelt, sind dort alle Sprachen, die auf der Erde gesprochen sind, prinzipiell vorhanden.


    Noch ein bisschen weiter außen hört der direkte Einfluss der Erdmurmel auf - aber der Schmutz aus der Ablagerungsschicht rund um die Erdmurmel driftet zuweilen auch davon. Und so ein davondriftender Klumpen enthielt eben eine Menge deutschsprachige Träume, und auch viele menschenbewohnte Kleinwelten... diese driften im Multiversum sozusagen in eine Richtung davon, und geraten in die Nähe von Issoy. Kleinwelten sind recht instabil, aber manchmal (relativ selten) ist es den Bewohnern einer Kleinwelt möglich, sich beim Zerfall ihrer Welt in eine andere, nahe Welt zu flüchten. Und manchmal ist das eben Issoy, die selbst einen der größeren Klumpen "Weltigkeit" bildet.


    Aufgrund eines kosmischen Drifts, der halt einfach zufällig in diese Richtung ging, gab es also über mehrere Jahrhunderte immer wieder mal deutsch sprechende Menschen, die auf Issoy aufkreuzten und sich irgendwo niederließen. Diese Menschen stammen nicht von der Erde! Sie haben selbst keinerlei Erfahrung von der Erde als Welt - sie stammen vielmehr von Welten ab, die aus irdischen Traummaterial zusammengebaut waren. Dieses kann auch durchaus aus verschiedenen Zeiten stammen, aber angesichts dessen, wie das issoyanische Deutsch beschaffen ist, kann man schließen, dass das meiste Traummaterial aus dem 19.-21. Jhdt irdischer Rechnung stammt.)


    Deutschissoyaner waren natürlich in einer etwas speziellen Situation: Einwander der ersten, zweiten Generation in einer ihnen fremden Welt mit nochmal anderen Gesetzen. Zu ihrem Lebensgefühl gehört eine gewisse Orientierungslosigkeit dazu, die Frage: "Was mache ich eigentlich hier? Gehöre ich überhaupt in diese Welt?" - aber die Anforderung, sich in einer fremden Welt zurechtzufinden, bringt auch mit sich, dass irdische Begriffe über Phänomene gestülpt werden, die eigentlich nicht ganz dem entsprechen. Dazu gehört natürlich auch der Begriff "Magie".


    Vor Null lebten die meisten Deutschissoyaner in der Gegend der südlichen Mittelmeerküste. Es gab nur ganz vereinzelt Orte mit deutschsprachiger Mehrheit, in den meisten Gegenden lebten aber ohnehin schon mehrere Sprachgruppen nebeneinander (soalūnische und nlakische Sprachen) und da gesellte sich eben noch eine dazu. Markant ist die Stadt Letabūrgam bzw. Letaburg oder auch Lüdeberg. An ihrem Namen ist ersichtlich, dass es eine Gründung von Deutschissoyanern ist. Es lässt sich natürlich geschichtlich nicht eindeutig sagen, da es vermutlich viele Vorläufer der Magietheorie gibt, viele Ideen an verschiedenen Orten entwickelt wurden - aber generell kann man Letabūrgam als erste Hochburg der klassischen Magietheorie ansehen.


    Mit "Magie" bezeichneten die deutschsprachigen Einwanderer vieles, das sie nicht verstanden oder nicht kannten. Letztlich entwickelten sich unterschiedliche Definitionen:
    - "Magie ist die Beeinflussung der Welt und ihrer Gesetze durch Menschen."
    - "Magie ist das Zusammenwirken von Menschen mit ihrer Welt."
    - "Magie beschreibt das Wirken zwischen Menschen, als dessen Ergebnis sich eine Welt formt."
    ... und viele mehr. Jeder Begriff bringt seine eigenen Probleme mit sich, und hat andere Implikationen. Ich sage einfach mal für den Kontext: Auch fast neunhundert Jahre später, in Thiios, ist die Definitionsfrage immer noch wild umstritten. ;)


    Die Ritualmagische Schule der Magietheorie


    "Ritualmagie" gab es schon über viele Jahrhunderte, vor allem weiter im Süden ist es auch lange die vorherrschende Magieform, und vor allem als Machtinstrument wesentlich. Magische Rituale sind sehr formelhaft, und diese Formeln tendieren dazu, sich abzunutzen oder z.T. in Vergessenheit zu geraten.


    Die neu erblühende Magietheorie stürzte sich auf die Ritualmagie als eines ihrer lohnendsten Forschungsgebiete: Schließlich gab es Legenden über Legenden, was damit alles gemacht werden konnte! Wenn man nur herausfinden könnte, was für ein Gelingen eigentlich notwendig ist. Die Hoffnung war, neue Rituale zu entwickeln, um am Effizientesten an der Veränderung der Welt zu arbeiten. Das ist zum Teil gelungen - dennoch gerät die ritualmagische Schule in späteren Jahrhunderten bald in Verruf und wird teilw. sogar verboten. (Darauf kann ich hier aber nicht eingehen, weil das eben viel später ist.)


    Meriom von Lüdeberg und die Idee der Großen Verschiebung


    Meriom von Lüdeburg (auch: Meriho ko Letabūrgam oder Meriho Lötabrgiz') war eine bedeutende Magietheoretikerin der ersten Generation, wenn man so will. Wie der Name schon andeutet, geboren als Waise in Letabūrgam, ausgebildet in der Stadtschule und bald stark unter dem Einfluss von Arãn Pas, der von Stadt zu Stadt ziehend seine fatalistische Philosophie predigte. Sie wurde zunächst Lehrerin an der Letaburger Schule, wo sie als Waise mehr oder weniger auch aufgewachsen war, verschrieb sich dann aber der Erforschung der Magie - und entwickelte eine Magietheorie, die versuchte, in sehr großen Einheiten zu denken.


    Die Idee war: Wenn eine Welt letztlich nur das Ergebnis der Summe der Gedanken und Träume ihrer Bewohner ist, dann ließe sich die Welt als Ganzes grundlegend verändern, wenn nur genügend Menschen zusammen in eine Richtung zögen. Es gälte daher, die Welt grundlegend anders zu denken, alle magischen Alltagswirkungen nicht als etwas feststehendes zu betrachten, sondern selbst einer Veränderung unterworfen.


    Die Große Verschiebung sei also das Projekt der Magietheoretiker*innen für die nächsten Jahrhunderte. Die ganze Welt sollte in eine Richtung verschoben werden, sodass andere Magie dort möglich wäre, dass es eine Welt würde, die für alle menschlichen Bedürfnisse ideal ausgerichtet sei.


    Die Verschiebungslehre hatte durchaus einen großen Einfluss - einerseits als motivierende Triebfeder für eine Generation von Magietheoretiker*innen, andererseits als Vorläufer der späteren sinduktistischen Philosophie (auf die ich hier nicht auch noch eingehen kann. ;) )


    Orakelverbote


    Meriom von Lüdeburg brachte allerdings auch eine Idee in die Magietheorie ein, die zu einem der dunkelsten Kapitel der Magiegeschichte führte: Die Idee, dass jede Vorhersage, sei sie noch so banal, einen signifikanten Einfluss auf die Zukunft habe - und es daher gälte, alle Orakel streng zu kontrollieren. Dieser Idee folgend, wurden tatsächlich Verbote erlassen, die in einigen Städten ziemlich massiv in die persönliche Freiheit der Bewohner eingriffen. Ein Spitzelwesen entstand, Menschen bezichtigten sich gegenseitig, illegal Vorhersagen gemacht zu haben; besonders schlimm, wenn diese negativ waren! Schließlich war ja das Ziel, zu einer besseren Zukunft zu gelangen, und möglichst alles auszumerzen, was dem entgegenstand...


    Die Orakelverbote entstanden in der Zeit kurz vor Null, und die chaotischen Gründerkriege sorgten dafür, dass sie sich zu einem breiten Volksaberglauben auswuchsen, der so manchen Menschen wohl auch das Leben kostete. Nach Ende der Gründerkriege wurde Meriom von Lüdeburgs Lehre nur noch von wenigen vertreten und von Seiten des Adels auch bewusst unterbunden. Experimentelle Nachweise, dass einzelne Vorhersagen tatsächlich eine Wirkung hatten, blieben aus und damit wurde dieser Idee der Stachel gezogen.


    (Out-world-Kommentar: Ich spiele hier auf "The Secret" an, was ich persönlich für die gefährlichste und bösartigste Idee halte, die irdische Esoterik je hervorgebracht hat. Ursprünglich hatte ich das tatsächlich mal als Teil der offiziellen Magietheorie auch für Issoy drin aber: Diese Scheiß-Idee will ich nicht mit meinem Weltenbasteln unterstützen! Daher jetzt eingebaut als Irrlehre.)


    Schildsprecher


    (Okay, da ich schon Meriom von Lüdeburg aus einem seeehr veralteten WBO-Beitrag recycelt hab, muss ich die zumindest auch noch erwähnen.^^)


    Der Glaube, dass Vorhersagen und der Glaube an ein postives Schicksal eine große Macht hätten, führte nicht nur zu den Orakelverboten, sondern auch zu einem eigenen Berufsstand, den Schildsprechern. Sie behaupteten, allein durch die Kraft ihrer Worte und ihren unbeugsamen Optimismus ein günstiges Schicksal heraufbeschwören zu können. - Angestellt wurden sie z.B. in der Seefahrt, um Schiffen ein günstiges Wetter herbeizuprophezeihen.


    Funktioniert hat das wohl nicht, und als mit dem Ausbleiben der experimentellen Belege dieser Zweig der Magietheorie endgültig in Verruf geriet, verschwanden die Schildsprecher auch wieder.


    ẞ ẞ ẞ ẞ ẞ


    Sooo... das war jetzt ein großer Mäander der wenig mit Sozialen Schichten zu tun hatte. Aber es ist Herbst (für mich: Magietheorie-Bastelsaison) und die Gelegenheit, meine Magiegeschichte zu basteln, die eben genau in dieser Zeit angesiedelt ist, wollte ich mir nicht entgehen lassen. :)

  • Sehe ich genauso. Quasi mein tägliches Leseritual derzeit ;D .

    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

  • Danke für euer Interesse!


    Ich hatte mir noch ein paar Themen vorgenommen, zu den Sozialen Schichten, zu denen mir aber relativ wenig eingefallen ist, bzw. es auch irgendwie nicht so ganz klar ist. Ich schaue mal, ob da noch was kommt.


    Stellung der Frauen in der Zeit vor Null

    Was ich auf jeden Fall schon weiß, weil ich es aus dem bisher Gebastelten erschließen kann, ist, dass es Frauen in allen möglichen Positionen gibt; durchaus auch ganz vorne in der Forschung. Meriom von Lüdeberg ist sicherlich nicht die einzige wichtige Magietheoretikerin dieser Zeit. In der Mathematik gibt es Bawonni Magertau, die ebenfalls umgefähr zu dieser Zeit gelebt haben muss (möglicherweise aber schon ein Stückchen ins erste Jahrhundert hinein). Die hat mehr oder weniger die Mengenlehre entwickelt, und die Magietheorie hat darauf wiederum aufgebaut.


    Im späteren Issoy weiß ich, dass Mathematik, Biologie und ganz generell die Naturwissenschaften eher weiblich dominierte Felder sind, während in der Philosophie und in der Dichtung die Männer zu überwiegen scheinen. Ich weiß aber nicht, wie es dazu gekommen ist.


    Vermutlich ist dieses Frauenbild genau in der Zeit entstanden, die ich hier bastle - daher ist davon auszugehen, dass es hier noch so einige wichtige Mathematikerinnen und Biologinnen gibt.


    Bei den Tempeln ist es so, dass es von Tempelschule zu Tempelschule unterschiedlich ist, aber in einer leichten Mehrzahl auch die Frauen die höchsten Ränge belegen. In vielen sogar nur Frauen. Warum das so ist, weiß ich jetzt aber auch nicht... die einzelnen Schulen haben vermutlich ganz unterschiedliche Begründungen dafür. Und es gibt ja auch ein paar reine Männerschulen.


    Bei den Soldaten scheint in etwa eine 50-50 Verteilung vorzuliegen. Dadurch, dass bei Kämpfen Umgang mit magischen Kampftechniken wichtiger ist als Körpergröße oder körperliche Kraft, war dies wohl auch schon sehr lange so.


    Beim Adel überwiegen glaube ich deutlich die Männer - aber adelige Frauen in Führung eines Landes sind zumindest nichts Ungewöhnliches. Bei Bauern dürfte die Lage ähnlich sein. Auch bei Feldarbeit wirkt die Präsenz von Magie ein bisschen ausgleichend (gegenüber physischer Kraft), aber nicht so stark wie im Militär. Daher wird hier schon eher eine Arbeitsteilung vorliegen, die körperliche Schwerarbeiten den Männern überlässt. Die Rollenverteilung ist aber wohl weniger fest verankert als in irdischen patriarchalen Bauernkulturen.


    Die Kindersterblichkeit ist seit Jahrhunderten fast so niedrig wie bei uns - es gibt also keinen Druck, ganz viele Kinder zu bekommen. Tendentiell geht die Bevölkerungszahl sogar schon für einige Jahrhunderte eher zurück, zumindest in Loeku Te Merlos, und in den Gebirgsregionen. Viele bleiben in Tempelschulen und/oder haben entweder gar keine Kinder, oder ziehen diese in größeren Verbänden gemeinsam auf (damit kommt auf einen Erwachsenen auch deutlich weniger als ein Kind). Dass ein Kind mehr oder weniger zu einem Dorf gehört, und weniger zu seinen leiblichen Eltern, ist nichts ungewöhnliches, insbesondere, wenn diese recht jung sind. Sehr oft wird die Erziehung ab dem Schulalter ohnehin von Tempelgelehrten weitgehend übernommen.


    Abtreibungen sind weithin üblich und gesellschaftlich akzeptiert - vielleicht mit Ausnahme weniger Tempelschulen, oder bei zu geringer Bevölkerung in einem Gebiet.


    Entweder ist die Medizin durch die Verfügbarkeit von Magie sehr effizient - oder es gibt in Issoy generell schon weitaus weniger gefährliche Krankheiten als auf der Erde. Letzteres würde schon durchaus zur Gesamtkonzeption passen, denke ich, insofern ja die Biologie auch nicht genauso funktioniert wie auf der Erde. Schließlich gibt es möglicherweise keine Atome, und die Chemie sieht damit wohl auch ganz anders aus. Bakterien gibt es, aber diese sind unter Umständen stark magisch beeinflussbar...


    Gesellschaftlicher Aufstieg

    Was, wenn jemand mit seiner Position im Leben nicht glücklich wird?


    Bisher hab ich das ganze System ja recht statisch gebastelt. Es ist wohl auch so, dass die ganze Philosophie der ersten Schule in diese Richtung wirkt, dass es letztlich darum gehe, mit der eigenen Position glücklich zu werden, und nicht irgendwoandershin zu streben. Die Idee, sich ein fernes Ziel zu setzen und darauf hinzuarbeiten, ist dieser eher fremd. Ziele sind konkret und auf den Alltag bezogen.


    Natürlich gibt es aber trotzdem vereinzelt Leute, die woanders hin wollen. Wenn es nur um den Ort geht, so ist das kaum ein Problem. Würde die Hälfte eines Dorfes beschließen, fortzuziehen, wäre das für den Adel zwar unangenehm, aber er dürfte sie nicht aufhalten. In so einem Fall würde aber wahrscheinlich das Dorf ganz aufgelöst, wenn es zu schwierig wird, die Verbliebenen zu versorgen.


    Wie wird man aber Bauer? Wenn es irgendwo ein unbesiedeltes Stück Land gibt, ist das recht einfach: Beim örtlichen Adeligen, dem das Land gehört, anfragen, und hinbauen. Ansonsten wäre es auch möglich, sich einem Dorf anzuschließen, und in der internen politischen Struktur so aufzusteigen, dass man einen Bauernhof und ein Stück Land übernimmt. (z.B., wenn ein anderer Bauer sich ungeschickt anstellt, und seine Kolleg*innen ihn loswerden wollen)


    Ähnlich könnte man auch versuchen, sich dem Hof eines Adeligen anzuschließen, der keine Kinder hat, und sich als potentiellen Erben zu etablieren. Das wird aber möglicherweise vonseiten der Tempelgelehrten nicht so gerne gesehen, die bestrebt sind, die Ausbildung künftiger Adeliger möglichst stark zu kontrollieren. Eventuell müsste ein solcher Anwärter also Prüfungen ablegen...
    Den anderen Adeligen ist es hingegen wohl relativ egal - zumindest wenn der Anwärter nicht als gefährlicher Konkurrent erscheint. Aber natürlich könnten die sich auch der Meinung ihrer Lehrer*innen anschließen.


    Ein*e Adelige*r, die administrativ oder menschlich nicht für ihren Posten geeignet ist, dürfte wohl relativ schnell Land verlieren, einfach weil die Versorgung der Bewohner nicht so gut gelingt, und deswegen die Gebiete von anderen Adeligen übernommen werden. (Meist Nachbarn)


    Bezogen auf die Stellung in der Landbesitzendenhierarchie ist das System also relativ starr, aber im Einzelfall auch mal durchlässig. Was andere Berufe betrifft, die nicht an Landbesitz gebunden sind, dürfte die Durchlässigkeit sehr hoch sein - vorausgesetzt, die Person findet geeignete Lehrmeister*innen.


    Z.B. könnte jemand Mediziner werden wollen, müsste dann aber einen Arzt oder eine Ärztin finden, die Ressourcen hat, eine*n Schüler*in auszubilden. Ebenso für alle Handwerksberufe, spezifische Rollen innerhalb eines Bauernhofes, eines Dorfes, Künstler, Beamte an Höfen (wobei bei Letzteren natürlich die Landbesitzenden mitreden)


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    Typische Biographien:


    1. Geboren in einem Gebirgsdorf als Kind von Feldarbeitern. Ausbildung durch Gelehrte des naheliegenden Tempels. Zwei Jahre Wohnen im Tempel. Interesse an Steinlegekunst. Einen durchs Dorf ziehenden Künstler gefragt -> hat keinen Platz, nimmt aber mit. Ein Monat Reise, unterschiedliche Künstler gefragt, schließlich einen gefunden. Mehrere Jahre Ausbildung bei diesem. Reise zu unterschiedlichen Höfen. Anstellung bei einem der Höfe. Ein Jahrzehnt vergeht.
    Adelige*r verarmt -> Anstellung verloren. Ein Jahrzehnt wieder auf Reisen, dabei mehrere Schüler*innen. Dann wieder Anstellung bei einem Adelshof, ein paar Jahre. Gleichzeitig Lehre in Stadttempel. Schließlich nur noch Lehre, ein Jahrzehnt. Letzter Lebensabschnitt im Tempel.


    2. Geboren in einer Stadt, als Kleinkind abgegeben an einen Tempel. Ausbildung im Tempel. Weitere Ausbildung, Weihe zu einem/einer Esjun. Ein Jahrzehnt Lehre im Tempel. Diverse Reisen zu anderen Tempeln. Wechsel in eine andere Stadt. Lehre im dortigen Tempel, beratende Funktion für Stadtadeligen. Partnerschaft mit Handwerker*in. Zwei Kinder. Überangebot an Lehrkräften im Tempel -> Beruflosigkeit (Grundversorgung durch Stadtadelige und Tempel). Frustration über Arbeitsmangel. Weitere Ausbildung im Tempel durch Älteste. Zwei Jahrzehnte vergehen. Erneut beratende Funktion für Adel. Tod der Partnerin / des Partners. Wohnortwechsel zurück in Heimatstadt. Lehre im dortigen Tempel.


    3. Geboren am Hof eines Adeligen, Kind eines Hofkünstlers. Ausbildung zusammen mit den adeligen Kindern, und im Tempel. Lehre bei Elternteil (Singechsenzucht). Partnerschaft mit Hofbeamten. Freundschaft mit Adeligen, der das Land erbt. Vergabe eines Gebietes. Wohnortwechsel an den dazugehörigen Hof, dessen alter Besitzer in den Tempel zieht. Konflikt mit Kindern des alten Adeligen, Spaltung des Gebiets. Kleine kriegerische Auseinandersetzungen. Zwei Jahrzehnte. Unterversorgung im Gebiet, Verlust einiger Dörfer. Freiwilliges Abtreten mit einer Abfindung. Wohnortwechsel in nahegelegene Stadt. Zweite Partnerschaft mit Tempelgelehrten.


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    Wie man sehen kann, sind die Tempel sehr zentral - darum herum kommt kaum jemand, und ein nicht geringer Teil der Gesamtbevölkerung lebt in Tempeln und geht dort mehr oder weniger kontemplativen Studien nach, oder lehrt irgendwas, sehr oft praktische Fähigkeiten, zwischenmenschlichen Umgang, oder flüchtige Kunst. (Auf letztere gehe ich dann im Novemberthema wohl mehr ein.)


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    LGBT*


    Soweit ich das sehen kann, gibt es keinerlei Vorbehalte gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen - in abgelegenen Dörfern könnte man damit aber zumindest auffallen, weil es halt seltener ist. Zahlreiche Tempelschulen propagieren einen sehr offenen Umgang mit Sexualität; Begriffe wie "Homosexualität" oder "Bisexualität" dürften unüblich sein, oder auch gar nicht bekannt; eher noch wird mit etwas wie "Androsexualität" oder "Gynosexualität" gedacht. Der kulturelle 'default' ist tendentiell die Bisexualität (default heißt hier: das wird angenommen bis das Gegenteil gesagt wird), von dieser grenzen sich also die Gruppen ab, die mit einem bestimmten Geschlecht gar nicht können.
    Asexuelle dürften es in einigen sehr sexualitätsbezogenen Tempelschulen schwer haben - die würden dann aber den Tempel wechseln.


    Transleute gibt es wohl; Spezielle Rollen spezifisch für nichtbinäre Geschlechter gibt es vielleicht in der einen oder anderen Tempelschule, ansonsten machen sie halt eh, was alle anderen auch machen. Der Default liegt bei cis, ein Coming-Out hat je nach Region fast keine oder doch einige Konsequenzen. Einige Schulen vertreten ein binäres Götterbild und lehnen nichtbinäre Geschlechter ab.
    Transition ist möglicherweise in Zusammenhang mit Gestaltwandlern interessant; d.h. es gibt magische Wege, zumindest wenn man am Rande einer roten Zone wohnt. Abseits von solchen dürfte Transition aber nicht so einfach möglich sein, wahrscheinlich (wegen Magie) aber immer noch einfacher als für irdische Menschen vor der modernen Medizin. Darüber werde ich mehr herausfinden, wenn ich die Gestaltwandler das nächste Mal genauer betrachte, hoffe ich.


    Ich bin immer etwas zwiegespalten, wie ich LGBT-Themen für Issoy verbastle. Ich hatte mir lange vorbehalten, dass es doch einige Verfolgung gibt, weil ich irgendwann mal Plots basteln wollte mit Schwulen, die von ihrer Gesellschaft nicht akzeptiert werden und blah, aber ... je älter ich werde, desto weniger Bedarf hab ich danach. Ist halt ein typischer Angsty-Teenager-Plot, im Grunde. Darüber wachse ich langsam hinaus.


    Ehen


    Achja, hätte ich fast vergessen. Also zumindest das christliche "Bis der Tod euch scheidet" dürfte es kaum geben. Die meisten Tempelschulen predigen einen eher nüchternen Umgang mit der Liebe, und so sind zwar die überwiegende Anzahl der Partnerschaften monogam, aber polyamore Beziehungen sind auch nichts ungewöhnliches. In manchen Regionen gibt es noch ein paar kompliziertere Normen; bis hin zu genau determinierten Polykül-Familienstrukturen, die durch ästhetische Vorgaben bestimmt werden, in der yaturienischen Kultur. :hmm: Die gibt's aber um Null herum noch gar nicht.


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    So, ich glaube, damit bin ich grob mal durch mit dem, was ich vorhatte.^^ Ob ich das alles irgendwann mal noch vernünftig zusammenfassen kann, so dass ich nicht alles wieder vergesse, was hier im Thread steht... weiß ich nicht.

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