[2019-02] Beyond Time - das Scheitern der Chinesischen Zeitreisemission

  • Man kann beim Slowbasteln ja auch zweigleisig fahren, gell? Das ist der erste Einblick in eine nur zwei oder drei Tage alte Welt.


    Die erste Zeitreise brachte alles ins Rollen. Nach Monaten theoretischer Forschung wurde eine unbemannte Zeitreisekapsel drei Jahre in die Zukunft geschickt, sie kam mit einer von zukünftigen Menschen in den Frachtbehälter gestopften Zeitung zurück. Die Schlagzeile auf Seite eins lautet "Lange erwartete Zeitreisekapsel angekommen - Erfolg auf ganzer Linie".
    Diese tolle Schlagzeile bringt ein paar Funktionäre dazu, mit der Zeitreise mit echten Menschen nicht die drei Jahre abzuwarten (dann wäre ihnen aufgefallen, dass die Zeitreisekapsel nicht ankommt), sondern schon sieben Monate später durchzuführen.
    Drei Chinesen steigen in eine grössere Zeitreisekapsel und reisen auch drei Jahre in die Zukunft. Dort schleppen ein paar Funktionäre sie durch ein paar Pressekonferenzen, eine Handvoll Parteiveranstaltungen, durch eine Schule, ein Krankenhaus, und so weiter. Bei irgendeiner dieser Gelegenheiten legt sich einer der drei Chinesen derart gewaltig auf die Nase, dass er mit etlichen Knochenbrüchen die Rückreise nicht antreten kann.
    Macht ja nix, denken sie sich, in der Zukunft kommen die zwei anderen ja so oder so wieder an, da kann der dritte auch gleich da bleiben und sich auskurieren. Wahrscheinlich kommen sie ihn gleich morgen drei Jahre älter besuchen.
    Sprachs, und weg waren die beiden mit der Zeitreisekapsel. Und die Welt war auch weg. Der verletzte Chinese war, gemeinsam mit ein paar Litern sieben Monate alter Luft, und einigen Fäkalien und anderen menschlichen Abfallprodukten auf der anderen Seite. Und sehr schnell erstickt, schon allein deswegen, weil ein Gutteil der Sauerstoffatome in seinem Körper auch weg war.


    Die chinesische Zeitreisemission kriegt davon erstmal nichts mit. Es gibt weiterhin Reisen in die Zukunft, es werden wissenschaftliche Paper aus der Zukunft geholt, Zeitungen, einmal auch ein Blumenstrauss. Zwei Jahre und fünf Monate lang geht das gut, dann fällt auf, dass die unbemannte Kapsel nicht daherkommt.


    Rätselraten.


    Und sieben Monate später kommt auch die bemannte Kapsel nicht. Wo ist bloss der verletzte Chinese abgeblieben?

    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

  • So. Mit Zeitreisen ist es wie mit Reisen zum Mond: Es ist ein Wettrennen zwischen Staaten. Nicht nur die Chinesen haben dran gearbeitet und auch andere sind damit gescheitert.


    Die zweite Nation, die eine Zeitreisemission startet, ist Brasilien. Die ersten Missionen haben den banalen Auftrag, Geld zu holen. Viel Geld, in grossen Scheinen, in Dollars. Durch den Geheimdienst haben die Brasilianer schon erfahren, dass die in die Zukunft reisenden Kapseln irgendwie in einer anderen Zukunft sein müssen, als der, die dann tatsächlich eintrifft. Also kann man von dort auch einfach Geld holen, warum auch nicht.
    Über ein kompliziertes Konstrukt aus Scheinfirmen und sonstwas wird das neue Geld dem brasilianischen Staat zugeführt, Brasilien saniert sich gründlich.
    Keiner traut ihnen Zeitreisen zu, alle glauben, es liegt am Drogenhandel. Die USA pumpen Unsummen in die Suche nach Schmugglern, vergeblich, und schlussendlich beschliesst eine Knalltüte von Präsident (nicht Trump - der hat fünfzig Jahre vorher den Löffel abgegeben), einfach in Brasilien einzufallen.


    Für den Fall einer Invasion gibt es in Brasilien natürlich einen Notfallplan für die Reichsten und Mächtigsten: Sie steigen in eine Zeitreisekapsel und reisen, nein, nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit, und zwar ein Jahr. Ein Jahr Geschichte hört auf zu existieren, die Papers, Zeitungen und der Blumenstrauss in China und natürlich das Geld finden sich auf der anderen Seite bei Luft, Fäkalien und dem toten Chinesen wieder.
    Die Reichsten und Mächtigsten haben nicht bedacht, dass sie nun nicht mehr reich und mächtig sind, sondern nur mehr ihr Wissen aus der Zukunft wert sind. Ein paar von ihnen sind sportbegeistert und können mit zukünftigen Sportergebnissen punkten (Biff Tannen lässt grüssen), noch ein paar sind skrupellos genug, einfach ihr jüngeres Ich zu entsorgen und den Platz einzunehmen, und noch ein paar scheitern und landen auf der Strasse oder auf dem Friedhof oder so.
    Einer kann wenigstens seinem jüngeren Ich dazu raten, zu einer Krebsvorsorge zu gehen, bevor er an selbigem Krebs jämmerlich eingeht. (Das ist dann vielleicht sogar eher ein Erfolg.)

    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

  • Ich muss zugeben, dass ich mir deine Ausführungen hier immer graphisch darstellen muss, um sie zu verstehen, aber trotzdem bin ich sehr begeistert! :thumbup:
    Wie kam es denn, dass Brasilien die Zeitreise wider Erwarten geschafft hat?

  • Ich hab noch nicht alles gelesen, aber ich musste schon bei der Überschrift Schmunzeln, weil ich tatsächlich Zeit-reis-emission gelesen habe :lol:

    "Die Leichen der Euren werden genügen diese Ebene in Calislad, die Knochenebene, zu verwandeln. Ich sage euch noch einmal: geht!, hier und zwischen diesen Bäumen wartet nur der Tod auf euch.“

  • Mhhhhmmm, Zeitreis ... lecker ...


    Warum Brasilien die Zeitreise geschafft hat ... ich habe die Vermutung, dass Zeitreisen nicht so materialintensiv sind, dass man da so viel Geld reinpumpen müsste wie in eine Mondmission. Man braucht also vor allem die hellen Köpfe, die ausarbeiten, wie man das praktisch macht - und wo es die gibt, gibt es schlussendlich Zeitreisen.


    Mit dem einen Jahr Geschichte weg, stecken wir wieder mitten in den Anfängen der Südafrikanischen Zeitreisemission. Im Gegensatz zu China und Brasilien ist Südafrika eher historisch orientiert. Den südafrikanischen Zeitreiseforschern ist das mit der alternativen Zukunft bewusst, und sie führen es darauf zurück, dass das explizite Ziel der zurückkehrenden Kapseln ist, die Gegenwart zu ändern, besser zu machen.
    Also wird eine Zeitreisekapsel in die Einöde gestellt, wo sie einen Monat in die Vergangenheit reist, ein Foto von der Stadt am Horizont macht (und an irgendeinem Teil der Skyline erkennt man, dass es wirklich in der Vergangenheit war), und dann wieder einen Monat in die Zukunft, wo sie von jubelnden Wissenschaftlern erwartet wird. Das Problem ist, es sind zwar die gleichen, aber nicht dieselben Wissenschaftler. Ein Monat Geschichte wurde ausgelöscht und neu geschrieben, ohne merkbare Änderung aber wirklich zum Verwechseln ähnlich.


    Zu den Dingen und der Leiche auf der anderen Seite gesellen sich die reichen und mächtigen Brasilianer und ihre Zeitreisekapsel. Wenn sie noch nicht tot sind, dann sterben sie dort sehr schnell.


    In der vorhandenen Gegenwart existieren diese aber trotzdem.


    In Brasilien setzt die Zeitreisemission wieder zur finanziellen Sanierung des Staates an, diesmal vorsichtiger, langsamer. Es ist diesmal ein Finanzprogramm auf fünfzehn Jahre.


    Jetzt tritt wieder China auf den Plan: Eine Chinesische Crew reist ein Jahr in die Zukunft. In der Zukunft steht derweil in Brasilien eine Kapsel, die mit Geld und anderen nützlichen Dingen beladen wird. Die Chinesen bereiten sich gerade darauf vor, ihre Kapsel zu verlassen, da reist die Brasilianische Kapsel ab und die Welt hört auf zu existieren. Die ganze Chinesische Kapsel mit Lebenserhaltungssystem, Sauerstoffvorrat und allem Pipapo ist auf der anderen Seite, und die Crew ist und bleibt am Leben.


    Und sehen sich reichlich verdutzt gegenüber:
    ~ dem toten Chinesen aus der ersten Mission
    ~ Papers
    ~ Geld
    ~ einer Brasilianischen Zeitreisekapsel und brasilianischen Leichen
    ~ Müll / Gülle
    ~ ein bisschen Luft


    Die Brasilianische Zeitreisekapsel hat immerhin Vorräte an Bord, also kann man andocken und eine Weile überlegen, was man macht.

    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

  • Zu Hülf, bei Zeitreise krieg ich immer einen Knoten im Hirn! :freak: :fluecht:


    Ist "die andere Seite" nun ein tatsächlicher Ort, wo alle ankommen, egal wo und wann und in welche (zukünftige) Zeit sie gereist sind? :freak:

  • Das ist ein tatsächlicher Ort, an den alles kommt, was einmal durch die Zeit gereist ist und dessen Umgebung zu existieren aufhört. :nick:

    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

  • Gah, ich hab's immer noch nicht kapiert. Vor allem, wenn es plötzlich sich ineinander verzahnt. :freak:


    Bei der Abreise einer Zeitkapsel hört die Welt ja nicht auf zu existieren, erst dann die dort erreichte, wenn jemand wieder wegreist? Aber was erhält die Welt dort aufrecht? Wenn es die Zeitkapsel ist, müsste ja die Anwesenheit von 2 Zeitkapseln zwei verschiedene Welten erzeugen, von denen nur eine verschwindet... :kopfkratz:

  • Die Welt verschwindet immer genau dann, wenn jemand in die Vergangenheit reist. :dozier:
    In die Zukunft reisen ist wie einfrieren, das tut dem Universum gar nix, das können die so oft machen, wie sie lustig sind. Aber da schon die reine Anwesenheit einer Kapsel aus der Zukunft etwas verändert, existiert die bisherige Welt nicht mehr, sobald jemand in die Vergangenheit reist


    Die Kriterien dafür, was auf der anderen Seite landet, sind: Ist schon mal, egal in welche Richtung, in der Zeit gereist, und befindet sich in einer Welt, die zu existieren aufhört.

    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

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