Realismus - Wann bringt er was?

  • Für mich bedeutet Realismus nicht, Dinge blind von der Erde zu kopieren. Für mich geht es darum, Dinge zu erfinden, die im Einklang mit den Gegebenheiten unserer Welt stehen, also zum einen damit, wie die Naturgesetze funktionieren, aber auch Sachen wie allgemeine Logik oder Erfahrungswerte wie Gesellschaften eben funktionieren.

    Ich bin auch der Meinung, dass Realismus extrem gut funktioniert und ich nutze dieses "Basteln als Problemlösen", wie ich es nenne, sehr gerne. Insbesondere mit Trajan habe ich schon echt coole Sachen gebastelt. Ich glaube aber das es vor allem für das funktioniert was irgendwie kulturell bedingt ist, also von Personen abhängt. Da kann man super Gründe finden und unendlich Details basteln.
    Aber gerade wenn ich an phsyischer Realität bastel, hilft mir Realismus gar nicht, damit repliziere ich hauptsächlich (Planet, Sonne, Tageszeiten, Klimata). Aktuell bastel ich eine Welt in der ich Mikrobiologie mit Astronomie verbinden will. Makroben die am Rand des Alls rumkratzen und sich gegenseitig verschlingen, Sonnen die von Viren infiziert werden und platzen, Sterne die Mitose betreiben, Galaxien die wie Ameisenhaufen agieren und Kriege gegeneinander führen. Und in dem Fall bin ich aus Gewohnheit nicht mal von Himmelskörpern die in einem großen Raum existieren weggegangen. In kn zum Beispiel kann man im Wachsmeer tauchen bis das Wachs mehr wie Vakuum ist. Da unten gibts sogar eine Raumstation von der aus man auch die tauchenden Waljungfrauen sehen kann. Und ich frag mich immer noch wie es wäre wenn man "unten" mit "hell" tauschen würde. Ich schwebe schwerelos in einem dunkeln Raum und falle auf die Glühbirne sobald jemand den Lichtschalter betätigt.
    Also ist für mich Realismus eines meiner Werkzeuge und ich lege es gerne auch mal zur Seite. :) Tatsächlich macht mir die Weltentugend "Kohärenz" große Probleme mit Klimazonen und ich hab nur Hilfslösungen dafür.

  • Da kann ich dir nicht zustimmen. Egal ob Rassismus von den Göttern gewollt ist oder sich durch die Schlechtheit der Menschen so ergeben hat, oder einfach dadurch entstanden ist, dass Menschen evolutionär bedingt dazu neigen, die Welt in "meine Leute" und "Fremde" einzuteilen und unser evolutionärer Werkzeugkasten schlecht geeignet ist für Gesellschaften mit mehreren Millionen Leuten... du kannst alles in deinem Werk so oder so darstellen. Größtenteils hängt das von der Einstellung deiner Protas zu diesem Gegebenheiten ab.

    Ich glaube, da hast du mich leicht falsch verstanden. Mir ging es da um die Präsentation der Welt durch die Bastler*in, also das, was manchmal "word of god" genannt wird. Wenn da gesagt wird, Orks sind böse, isso, ist es eine Sache, wenn die Bastler*in im selben Post aber sagt, dass der Umstand, dass Orks von Natur aus böse sind, realistisch ist, dann wird es explizit rassistisch.


    Ich bin bei Ngiana irgendwie VÖLLIG unfähig, Personen zu basteln. ;D Demnach fehlt mir die Möglichkeit, differenziert mit Einstellungen von Protas zu arbeiten. Ich gebe dir völlig recht, dass sich hier das meiste abspielt; fast alle Kritiken über Welten und Rassismus, Sexismus, ... kritisieren erzählende Texte, Filme oder Serien. Das ist einfach eine andere Form der Weltpräsentation, und die hat auch ihre eigenen Regeln.

    Riwgt

    Oh wow, das ist ein Name, der selbst mir nicht so leicht über die Zunge geht. Rtho'rnr'sts'th fällt mir gerade leichter. ;D

    Aber ich wehre mich dagegen, dass Realismus gleichbedeutend mit "Faulheit" ist und dass Realismus keine coolen, abgefahrenen Dinge zulässt.

    "Faulheit" ist ein so negativ besetztes Wort; ich glaube es war gar nicht unbedingt negativ gemeint. Ich denke, jede Bastler*in hat in ihrer Welt irgendwelche Sachen, bei denen wenig oder kein Interesse da ist, sich im Detail damit zu beschäftigen, und da ist es dann total legitim, zu sagen, es ist eben so wie bei uns. Manche realistischen Eigenschaften einer Welt entstehen so, und da ist "Faulheit" eben gar nichts schlechtes. Dann bleibt Zeit, sich anderswo mit den Eigenschaften von Metallen im Detail auseinanderzusetzen. ;)


    Und ja, die Restriktion des Realismus führt zu abgefahrenen Dingen, weil Restriktionen Kreativität herausfordern, finde ich. :)

  • Äh, ich finde es GERADE schwer, realistisch zu basteln, weil ich mich (nach meinem Verständnis von "realistisch basteln") dann ja mit der Thematik sehr eingehend auseinandersetzen muss, um es sorgfältig zu übertragen. Ich möchte zum Beispiel halbwegs realistische Sprachen basteln. Und "realistisch" heißt in diesem Fall beispielsweise, dass wenn eine Sprache über Jahrtausende hinweg gesprochen wird, dann hat sie eine bewegte Geschichte hinter sich. Fremdwörter aus anderen Sprachen, Änderungen in der Grammatik, in der Aussprache... und so weiter. "Faul" wäre es, einfach eine aalglatte Plansprache neu zu erfinden.

  • Alpha hat doch genau erklärt was er mit Faulheit (EINEM seiner fünf Punkte) meinte. Und hat es gegenüber Shay, die zurecht ja nochmal mehr Punkte aufgeführt hat, auch schon längst relativiert:

    Das ist jetzt hart formuliert, aber wir machen das ja alle. Wenn wir über ein Thema nicht gut Bescheid wissen, es aber trotzdem ale Element in unserer Welt haben wollen, ist es das Naheliegendste, mal anzunehmen, dass es so funktioniert wie bei uns. Die Gestaltung der Züge der U78 im Weltennetz fällt mir als erstes Beispiel bei mir ein.

    aber wenn es aus diesem Blickwinkel betrachtet wird, ist Faulheit als Motivation wirklich nicht mehr fair. Ich habe vielleicht im Eingangspost bewusst etwas damit provoziert, um die Realismusfraktion zur Antwort zu bewegen. Was ja auch geklappt hat ;D . Statt Faulheit würde ich den Punkt dann eher als "Zugriff auf Bekanntes" titulieren, damit der Aspekt damit noch besser drin ist.

    Ich weiß nicht warum wir uns daran aufhängen sollten. Natürlich ist es nicht faul eine möglichst realistische Sprache zu basteln, oder sich komplexe Lösungen für Bastelprobleme zu überlegen unter den kreativen Einschränkungen im Sinne des Realismuses, aber das hat auch niemand behauptet. :)

  • Das ist ja mal eine sehr ausführliche und lebendige Diskussion und ein sehr komplexes Thema. Ich habe schon mehrmals angesetzt, etwas dazu zu schreiben und jedes Mal war es etwas anderes.
    Aber jetzt wird mal abgeschickt, man kann ja auch nochmal. ;)
    Grundsätzlich sehe ich bei der Behandlung des Themas Realismus eine Unterscheidung zwischen realistischen und fantastischen Settings. Wie (nicht nur) hier in dieser Diskussion zu lesen ist, kann mit letzteren nicht jeder etwas anfangen, weswegen ich dieses Thema an den Schluss des Beitrags stelle.


    Bei realistischen Settings gilt für mich ganz klar die Devise: Bitte ordentlich recherchieren und wenn man das nicht kann oder möchte, das betreffende Thema vage halten. (Das finde ich auch nicht problematisch, denn niemand kann ein Experte für alles sein.)
    Beispielsweise weiß ich nicht genau, worauf man bei der Statik eines Hauses achten muss. Wenn der Prota einfach nur wie ich in einem fertigen Haus wohnt, spielt das keine Rolle. Wenn ich aber einen Krimi schreibe, wo Pfusch am Bau das Mordmotiv ist, sollte ich zumindest wissen, was da realistischerweise schiefgehen kann und welche Auswirkungen das hat.
    Ich finde es ausgesprochen nervig, wenn jemand beispielsweise den Namen eines Gifts verwendet, das es wirklich gibt, aber das Gift hat im Film oder Buch völlig andere Wirkungen oder die unscheinbare farblose Flüssigkeit ist grell grün, wirft Blasen und verätzt alles, was in ihre Nähe kommt… Die grüne Farbe kann man vielleicht noch damit erklären, dass jemand einen Fluoreszenzfarbstoff zugegeben hat, damit niemand das Zeug trinkt, aber welcher Film tut das? Und mit der Ätzwirkung und den Blasen wird es noch schwieriger.
    Da kann ich nur Tö zitieren.

    Ästhetik:
    Ja, also die Chemie muss schon realistisch sein! Da komm ich nicht dran vorbei. ^^

    Bei zwischenmenschlichen Beziehungen verzeihe ich ein bisschen Unrealismus im Normalfall eher, weil es in diesem Bereich ja auch fast nichts gibt, was es nicht gibt und ich verstehe auch, dass niemand einen Liebesroman lesen will, in dem die beiden völlig problemlos zusammenkommen und sich dann zwanzig Jahre später darüber streiten, wer den Müll rausbringt und über Falten und Bierbauch frustriert sind.


    Aber jetzt zum Thema Fantasy. In diesem Bereich sehe ich drei grobe Kategorien, die sich aber auch öfter mal überlagern. Ich nenne sie mal

    • Fantastisch
    • Coolness-zentriert
    • Pseudorealistisch

    Letzteres soll nicht abwertend verstanden sein, sondern ist die Bezeichnung, die ich für Silaris auch wählen würde. In die erste Kategorie würde ich Werke wie die Unendliche Geschichte einsortieren, in die zweite sowas wie Conan und die dritte beispielsweise Game of Thrones.


    Bei der fantastischen Fantasy, so redundant das auch klingt, spielt Realismus eigentlich keine Rolle, sondern alles ist möglich und es gibt auch keine direkten Bezüge zu realen Problemen, sondern diese werden allenfalls metaphorisch thematisiert. Ein Genre, das meiner Beobachtung nach aktuell nicht mehr sonderlich populär ist. Wobei ich Harry Potter auch als Beispiel sehe, das einige Elemente aus diesem Bereich hat, aber im Ganzen dann doch wieder eher im pseudorealistischen anzusiedeln ist, eine Mischung, die nicht immer so gut gelungen ist.
    Die Coolness-zentrierte Fantasy ist stärker an der irdischen Realität orientiert, aber die gewünschten Effekte werden höher gewichtet als der Realismus und der Leser weiß und akzeptiert das auch. Wenn beispielsweise ein Conan von Kindheit an zu härtester Sklavenarbeit gezwungen wird, leidet er deswegen nicht unter ernsthaften körperlichen Einschränkungen, Nährstoffmangelerkrankungen etc., sondern im Gegenteil, wird dadurch zum supermuskulösen Helden…


    In einem pseudorealistischen Setting folgt dagegen bis auf die fantastischen Elemente alles den irdischen Naturgesetzen oder ist zumindest auf deren Basis erklärbar und die fantastischen Elemente fügen sich in dieses System ein. Drachen brauchen genügend Beutetiere und die vorhandene Magie harmoniert mit Wirtschaftsordnung, Gesellschaftssystem und Machtdynamiken.
    Das bedeutet meiner Meinung nach aber nicht, dass irdische Gesellschaftsformen und Machtverhältnisse eins zu eins übernommen werden müssen, die Gesellschaften müssen aber aus sich heraus im Gesamtbild der Welt Sinn ergeben und die biologischen Gegebenheiten berücksichtigen. Damit wäre ich jetzt auch beim Ausgangspunkt der Diskussion. Wie @Yerho geschrieben hat, müssten körperlich kämpfende Amazonen dann auch entsprechen trainiert sein und würden eben nicht aussehen wie moderne Topmodels, während das in der Coolness-zentrierten Welt durchaus okay wäre. Bei diesem Weltenentwurf würde ich es dann auch als Zeichen von Sexismus sehen, wenn bei den Frauen auf einmal die Biologie ins Spiel kommt, beim pseudorealistischen erwarte ich aber sogar, dass solche Dinge berücksichtigt werden.


    Zum Schluss noch zum Thema „Faulheit.“
    Ob kreative Ideen für nichtirdische Eigenschaften der Welt „etwas bringen“ hängt für mich sehr stark davon ab, welche Art Geschichte erzählt werden soll.
    Wenn es um irgendwelche zwischenmenschlichen Themen geht, finde ich es nicht nur okay, sondern sogar nützlich, wenn das Gras einfach nur grün ist, denn das hilft auch emotionale Nähe zu schaffen und wenn das Gras lila wäre, würde das nur ablenken und wäre unnötiges Füllmaterial.
    Wenn man aber eine Science-Fiction-Geschichte über die Erkundung neuer Welten schreiben will, ist es sehr sinnvoll und nützlich, denen auch außerirdische Eigenschaften zu geben. Vielleicht unterscheidet sich die einfallende Strahlung auf diesem Planeten, was dazu führt, dass die Pflanzen einen lila Farbstoff für die Fotosynthese verwenden… Wobei die Vielleicht sind diese lila Pflanzen dann für den Menschen auch nicht so gut verträglich sind, was in einer menschenzentrierten und nicht weltzentrierten Geschichte wieder stören würde…

  • @Amanita
    Ich frag mich wann wir mal eine Welt mit super unrealistischem Chemiekonzept sehen. Dann werden wir beide uns die Haare raufen, das wird lustig. ^^


    Ich finde deinen Beitrag außerordentlich gut und mehrfach hilfreich. :D
    Deine drei Kategorien kann ich intuitiv verstehen und kann Welten sowie einzelne Basteleien einsortieren. Schön den Begriff "Coolness-zentriert" zu haben, denn der beschreibt echt gut was ich bei meiner Hauptwelt eigentlich mache! <3 Und wieso ich für manches Realismus nutze und für anderes absolut überhaupt nicht.


    So wie du es formulierst, kann ich auch gut mit dem Amazonen-Realismus umgehen. Danke dafür! [Blockierte Grafik: https://www.weltenbastler.net/BB4/upload/wcf/images/smilies/cheesy.gif] Deine Unterscheidung in den Kategorien finde ich da gut gelungen, auch wenn ich erwähnen möchte, dass ich mir problemlos eine pseudorealistische Welt vorstellen kann in der Frauen von Natur aus mehr Muskeln haben und größer werden. Ich finds schade das sowas nicht gebastelt wird.



    Den Aspekt des Ablenken, wenn man sich nicht an unsere gewohnte Realität hält, sondern eben lila Gras beschreibt, finde ich enorm wichtig. Wie ich vorher erwähnt habe, machen mir Klimazonen Probleme. Jetzt könnte ich mir dazu was überlegen, aber das würde nur Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ablenken. Ich habe den Effekt mal mit Trajan besprochen, der mehrere distinkte Magieformen auf Lacerta hat. Er löst das mit etwas, dass er "Magieblasen" nennt. Natürlich fragt man sich aber dann was passiert wenn sich die Blasen überlagern, oder was an den Rändern passiert und versucht die Grenzfälle auszuloten. Aber genau das ist für Trajan unwichtig, das will er gerade nicht basteln, sondern eben vor allem was im Innern der Blase los ist. (Korrigier mich Trajan, wenn ich etwas schändlich Falsches behaupte.) Also ist es manchmal besser das Gras grün zu lassen.
    =>
    3b. Zugriff auf Bekanntes, um nicht abzulenken.

  • Die drei Kategorien finde ich auch super. Man muss ja nicht alles in harte Kategorien einteilen, aber solche Begriffe helfen, über Dinge nachzudenken und zu diskutieren.


    Ich muss nochmal auf den Begriff Faulheit zurückkommen :-/ . Warum ich mich so gegen den wehre, ist weil er für mich nicht mit Realismus verknüpft ist. Es gibt auch haufenweise Bastler, die genauso aus Faulheit klassische EDO-Welten basteln, oder Phaser und Warp-Antriebe übernehmen, ohne auch nur einen Hauch eigener Weiterentwicklung. Das ist ja auch legitim. Ich habe gar nichts dagegen, das beim Basteln ab und zu zu machen*. Aber es wird nicht durch ein Streben nach Realismus verursacht. Und selbst wenn man Dinge anschaut, die aus der realen Welt übernommen sind, findet man die auch zuhauf in explizit unrealistischen Welten. Kein** Mensch erfindet jede Pflanze, jedes Nahrungsmittel und jedes Tier komplett neu. Da käme ja auch keine Sau mehr mit, wenn jemand schreibt "Die OIhkj leben in IUkhg, reiten auf Rhd und kleiden sich in Gewändern aus Pjzasdr."



    *ok, wenn es nur so gemacht wird, dann ist die Welt halt langweilig, aber das kann immer noch für den Bastler der richtige Weg sein, aus welchen Gründen auch immer
    ** Oder doch? Bei Weltenbastlern weiß man nie ;)

  • Gerade habe ich mir einen Vortrag von Andy Weir (Autor von "Der Marsianer") angesehen, in dem dieser einen Gedanken sehr treffend auf den Punkt gebracht hat, den ich selbst nie so bündig fassen konnte.


    Er wurde gefragt, warum er Hard SciFi mag und ob ihn Space Opera und Fantasy abstoßen.


    Grob übersetzt und zusammengefasst sagte er:


    Zitat von Andy Weir

    Ich habe kein Problem mit Phantastik und mit Dingen, die nicht bekannten Naturgesetzen folgen. Du kannst schneller als das Licht fliegen? Super! Da habe ich kein Problem mit. Mir geht es um interne Konsistenz.*
    Es gibt eine Folge von Star Trek TOS, wo sie vom Merkur zur Erde fliegen. Und das dauert eine Weile. Doch nicht mit einem Warp-Schiff! Nein, sowas darf nicht passieren.
    Interne Konsistenz ist leicht aufrecht zu halten, wenn man bekannten Naturgesetzen folgt. Muss aber nicht sein. Es geht auch mit welchen, die man sich ausdenkt. Man muss nur aufpassen.

    *) Er sagte "internal consistency", was auch in Richtung "mathematische Widerspruchsfreiheit" interpretiert werden kann. Auch diese Übersetzung würde gut passen.



    Das passt aber auch wunderbar zu Amanitas dritter Kategorie:


    Pseudorealismus ist um so einfacher aufrecht zu erhalten, um so eher er bekannten Realweltbeispielen und gültigen Naturgesetzen folgt.
    Dann muss der Autor nicht jede physikalische und gesellschaftliche Folge von hunderten phantastischen Elementen konsequent zu Ende denken, nur um dem Konsumenten widerspruchsfreies Worldbuilding aufzutischen. Einem Konsumenten, der es im Zweifelsfall noch nichtmal zu schätzen weiß, weil er es gar nicht erst bemerkt.


    Faules und inkonsequentes Worldbuilding hat dummerweise die Tendenz, dem Konsumenten aufzufallen und sauer aufzustoßen, wenn die Welt überhaupt auch nur als ansatzweise realistisch präsentiert wird.


    Ich habe beispielsweise einen seitenlangen Rant über Bethesdas bescheuertes Worldbuilding in den neueren Fallout-Teilen in petto. Über Super Mario hab ich mich nie so aufgeregt.


    Grund, wieder bezogen auf Amanitas Kategorien: Fallout will eine Kategorie-3-Welt sein. Super Mario ist zufrieden damit, eine Katetegorie-1/2-Welt darzustellen.

  • Also während ich zugeben muss, dass ich noch nie mit anderen Leuten zusammen Welten gebastelt habe, muss ich sagen, dass ich nicht allem zustimmen würde, was Du gesagt hast @Gewn.

    Gut! :)

    Ich habe auch nicht gesagt, dass der Sinn und Zweck von Welten ist, irgendetwas zu simulieren, da hast Du mich entweder falsch verstanden, oder ich habe micht nicht gut ausgedrückt.

    Ja, da habe ich diesen Satz falsch verstanden: Irgendwie legt das ja den Gedanken nahe, dass verschiedene Weltenbastler an ein- und derselben Welt arbeiten und gegenseitig ihre fehlende Fähigkeit zur "Realitätssimulation" wettmachen könnten, oder?

    -> Jup. Du sprichst auch vom Publikum. Sobald man eine Welt auch für Publikum baut (was auch eine Leitlinie ist), sollte man sich vielleicht seiner Zielgruppe bewusst sein. Nein, nicht jeder will wissen, wie Magie funktioniert. Und das ist voll okay. Aber ich zum Beispiel. Ich bin halt eine andere Zielgruppe. Und riesige, unübersichtliche Welten können ja trotzdem realistisch sein. Es ist nur deutlich schwieriger, das dann zu bauen, und es wird auch nicht so realistisch werden, als wenn man die Welt klein hält, vermute ich mal.

    Ok, aber wie nennt sich diese Zielgruppe? Magiesystem-Funktions-wissen-woller? Wenn das eine Zielgruppe ist, der man sich vielleicht bewusst sein sollte...wieviele andere derartige Zielgruppen gibt es? Kommen wir dann noch zum eigentlichen Weltenbasteln, wenn wir solche Zielgruppen im Kopf haben?
    (Nicht falsch verstehen: das Basteln eines funktionierenden Magiesystems ist eine coole Sache und deine Formulierung ist evtl. unbeholfen und ich bin gemein und nehme dich beim Wort :lol: , aber ich finde halt, dass die unbeholfenen Formulierungen oft beim Wort genommen werden von Leuten, die das Weltenbasteln lernen wollen. Und die versuchen dann alle Zielgruppen zufrieden zu stellen, weil das Thema Realismus oft dazu neigt, dass die Leute Vorlieben als Vorgaben formulieren, auch ohne es zu merken...)

    Ich würde daher lieber davon sprechen, ob Welten logisch sind, denn dies ist wiederum universell. Eine schwebende Stadt ist unrealistisch, sie kann aber logisch begründbar sein in der Welt, in der sie auftaucht.

    Auch Realismus ist auf diese Weise universell, weil das ein Bezugspunkt jedes Publikums ist. ;) Wenn die Logik "universeller" ist, dann nur abstrakt gesprochen.
    Aber ich denke nicht, dass Leute generell eine schwebende Stadt logisch begründen...

    Hm, ich glaube die Idee einer solchen Skala hatte vorher im Thread noch niemand vorgeschlagen.

    Das Ursprungszitat (auf das ich antwortete) war: Irgendwie legt das ja den Gedanken nahe, dass verschiedene Weltenbastler an ein- und derselben Welt arbeiten und gegenseitig ihre fehlende Fähigkeit zur "Realitätssimulation" wettmachen könnten, oder?

    Da taucht das Wort "Realitätssimulation" auf. Und wenn Bastler beim Basteln eine Realität simulieren, dann ist diese Welt (näherungsweise) eine Simulation. Das Wetter auf deiner Welt Issoy ist dann eine Fiktion basierend auf einem Wettermodell, dass auf einer Skala mehr oder weniger realistisch sein kann, aber eben ein konsistentes Modell sein muss.
    Mein Problem mit dieser Denkweise habe ich dargelegt. Es ist voll in Ordnung, ein Modell / eine Simulation von etwas in eine Welt einzubauen. Aber oft geht diese Simulation total an den Bedürfnissen des Publikums vorbei. Leute bauen ja nach und nach eine Beziehung zu einer fiktiven Welt auf und sind von zu vielen Ländern, Fraktionen, Wesen auf einmal schnell überfordert. Viele Leute wollen ihre Arbeit am Realismus zur Schau stellen und dieses Zurschaustellen bewirkt teilweise, dass wir vom Hundersten einer Welt ins Tausendste kommen, anstatt die wichtigen Zusammenhänge zu verstehen. Der Konflikt zwischen Imperium und Rebellion in Star Wars ist nicht nur als Bestandteil einer Geschichte, sondern auch als zentrales Element einer Welt viel greifbarer und "realer" als manch eine Welt, die 20 oder 200 Länder hat.



    Es gab mal eine Episode der Serie "Community", wo die Studierenden gemeinsam D&D spielen und einer der Charaktere nicht sicher ist, ob Pegasuse in dieser fiktiven Welt echt sind oder nicht weil (sinngemäss) "alles hier totaler Quark ist". Als "Heartbreaker" gelten in vielen Kreisen RPG-Entwürfe, die über 50 Seiten gehen. Das griechische Pantheon hat mehr Gottheiten als die meisten fiktiven Pantheons...weil sonst bei der fiktiven Welt der Eindruck entsteht, hier wird eine Barriere aufgebaut und du musst mindestens x-viel über die Welt wissen, um hier Spass haben zu dürfen. Ein Film hat 2 Stunden Zeit und kann eine Welt nur andeuten. Selbst der umfangreiche Lore-Anhang in der Fantasy ist seltener geworden und dort, wo er existiert füllt er Wikis online, anstatt Diskussion anzuregen.


    Manchmal ist weniger mehr. Vielleicht nicht nur manchmal.



    Die Leute sagen, sie wollen Realismus. Skyrim bekommt Sondereditionen, die sich nur durch den krassen Preis und die realistische Wasser-Graphik auszeichnen. ;D Aber die Leute sagen auch, sie lieben Open World (je umfangreicher, desto besser) und wundern sich dann, wenn in diesen Mega-Welten nichts passiert.


    Wenn in einer Welt zu viel los ist (zu viel Detailarbeit seitens der Bastler), tritt Überforderung ein. Wenn in einer Welt zu wenig los ist, dann ist sie vielleicht auch einfach zu gross.


    Dieses Prinzip gilt nicht (nur) für Spiele, sondern für Welten.

    Ok, das ist jetzt OT, aber ich hab mir mal als Meister bei DSA ein paar Regeln ausgedacht, um die Verwandschaftsverhältnisse in einem Dorf auszuwürfeln und hatte die Stammbäume aller Dorfbewohner 5 Generationen zurück parat. Meine Gruppe hat endlos versucht, darin einen Sinn zu entdecken, dabei hatte es mit dem eigentlichen Plot gar nichts zu tun.

    Nice! 8)

    Ich möchte zum Beispiel halbwegs realistische Sprachen basteln.

    Yep, so geht's mir bei Sprachen auch. Sprachen sind auch für Realismus fast optimal: die Leute, die es nicht interessiert dürfen es getrost ignorieren aber wenn du es realistisch bastelst kann jede Kennerin die Arbeit, die du reingesteckt hast bemerken und bewundern. :pfeif: Und wenn du bei Geographie auf Realismus verzichtest, kannst du z.B. nettes Mordor basteln, aber bei Sprachen auf Realismus verzichten hat keine offensichtlichen kreativen Vorteile.


    Aber ist das denn wirklich so?
    Denn Amanita's 3 Kategorien sind hier vielleicht hilfreich: Die Unendliche Geschichte ist in der Tat sehr metaphorisch. Aber ist sie nicht auch pseudorealistisch? Die Regeln, nach denen diese Welt funktioniert, sind auch eine Form von Realismus. Nur weil die Orte der Welt keinen festen Platz haben und ihre Geographie wandelbar ist, macht sie das nicht weniger realistisch als die wandelbaren Treppen von Hogwarts. Und Conan wirkt hier auf einmal geographisch realistischer als das "pseudorealistische" Beispiel. ;D
    Also stellt sich mir die Frage: auf welche Art wird in Hogwarts der Realismus aufrecht erhalten. Auf welche Art existiert das pseudorealistische Genre? Ist der Bastel-Ansatz, den Joshuah als Realitätssimulation bezeichnete, nicht in etwa dasselbe wie dieses Genre, von dem Amanita spricht? Denn Game of Thrones ist realistischer als Harry Potter, aber beide simulieren vielleicht etwas? Ich weiss es nicht? Vielleicht einen Alltag zum Beispiel? Harry geht jede Woche in den Unterricht und in Game of Thrones holt der grausige mittelalterliche Alltag aber auch wirklich alle Charaktere ein. :'( ;D



    Aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich stimmt.
    Mario ist ein unglaublich gut kalibriertes Spiel-Erlebnis. Shigeru Miyamoto hat beispielsweise monatelang an der Sprung- und Hecht-Animation des Spieler-Charakters gearbeitet, damit es "sich gut anfühlt". Bethesda wiederum hat mit Fallout 3, Fallout 4, Fallout 76 und Skyrim viermal bewiesen, dass sie als Studio z.B. nicht auf Fehlern von vorherigen Spielen lernen und das sie eine Art Themenpark-Welt bauen wollen, bei der die Gegner ultra-einfach sind, sodass du mehr oder weniger sofort die ganze Welt bereisen kannst. Die Macher wollen dauernd "environmental storytelling" machen und bauen eine stinklangweilige offene Welt, in die sie einen Haufen "lustige" Objekte packen, die irgendeinen Bezug zu irgendwas anderem in der Welt haben. Ich sage "lustig" weil der Versuch von Humor generell nach hinten los geht.
    Aber ist der Anspruch auf Realismus das, was wirklich alles kaputt macht?

  • Aber oft geht diese Simulation total an den Bedürfnissen des Publikums vorbei. Leute bauen ja nach und nach eine Beziehung zu einer fiktiven Welt auf und sind von zu vielen Ländern, Fraktionen, Wesen auf einmal schnell überfordert.

    Als "Heartbreaker" gelten in vielen Kreisen RPG-Entwürfe, die über 50 Seiten gehen. Das griechische Pantheon hat mehr Gottheiten als die meisten fiktiven Pantheons...weil sonst bei der fiktiven Welt der Eindruck entsteht, hier wird eine Barriere aufgebaut und du musst mindestens x-viel über die Welt wissen, um hier Spass haben zu dürfen. Ein Film hat 2 Stunden Zeit und kann eine Welt nur andeuten. Selbst der umfangreiche Lore-Anhang in der Fantasy ist seltener geworden und dort, wo er existiert füllt er Wikis online, anstatt Diskussion anzuregen.

    Du machst sehr interessante Punkte auf, über ...
    1) die Bedrüfnisse von der Bastlerin und dem Publikum: Reichhaltige Welt basteln wollen vs. nicht erschlagen werden wollen
    2) wie man Disskursionen über Welten anregt, statt sie nur in Wikis verstauben zu lassen
    aber da kann ich nicht so viel zu schreiben, weil das zu offtopic gehen würde und nicht mehr in diesen Thread gehört.


    Aber ist der Anspruch auf Realismus das, was wirklich alles kaputt macht?

    Ich finde deine Einwände sehr gut, dennoch kenne ich eine Argumentation die genau dies behauptet: Hier ist das Video von MrBTongue dazu (Achtung: Das Video finde ich höchst interessant, aber es kommt nicht direkt auf den Punkt.)
    Kurz runter gebrochen: In einem Rollenspiel gibt es keine lineare Geschichte und ein großer Teil des Spaßes besteht daraus Entscheidungen zu treffen, die die Welt beeinflussen. Um tatsächlich Entscheidungen treffen zu können muss ich verstehen wie die Welt auf meine Handlungen reagieren würde, dazu ist es notwenig sie realistisch zu gestalten.
    (Ich habe das Wort notwendig verwendet, um weil ich glaube dass es der Argumentation im Video am nächsten kommt.)



    Edit: Nee, ich glaube ich hab die Argumentation, nicht richtig dargestellt. Ich empfehle sehr Video zu sehen, es ist gut.

  • Irgendwie legt das ja den Gedanken nahe, dass verschiedene Weltenbastler an ein- und derselben Welt arbeiten und gegenseitig ihre fehlende Fähigkeit zur "Realitätssimulation" wettmachen könnten, oder?
    Genau, das legt doch diesen Gedanken nahe, oder nicht? Aber es stimmt, ich hätte klarstellen sollen, dass die "fehlende Fähigkeit zur Realitätssimulation" nur in Welten ein Thema wird, wo irgendwo "Realismus simuliert" werden soll. Zum Beispiel, wenn man eine realistische Sprache basteln will, sich aber nicht mit Sprachwissenschaft auskennt.



    Zitat von Gwen

    Ok, aber wie nennt sich diese Zielgruppe? Magiesystem-Funktions-wissen-woller? Wenn das eine Zielgruppe ist, der man sich vielleicht bewusst sein sollte...wieviele andere derartige Zielgruppen gibt es? Kommen wir dann noch zum eigentlichen Weltenbasteln, wenn wir solche Zielgruppen im Kopf haben? (Nicht falsch verstehen: das Basteln eines funktionierenden Magiesystems ist eine coole Sache und deine Formulierung ist evtl. unbeholfen und ich bin gemein und nehme dich beim Wort [Blockierte Grafik: https://www.weltenbastler.net/BB4/upload/wcf/images/smilies/lol.gif], aber ich finde halt, dass die unbeholfenen Formulierungen oft beim Wort genommen werden von Leuten, die das Weltenbasteln lernen wollen. Und die versuchen dann alle Zielgruppen zufrieden zu stellen, weil das Thema Realismus oft dazu neigt, dass die Leute Vorlieben als Vorgaben
    formulieren, auch ohne es zu merken...)



    Hmm, rieche ich da ein leicht elitäres Denken? Also ist ja schön und gut, dass Du meine Ausdrucksweise unbeholfen findest, aber dann davon zu sprechen, dass man das Weltenbasteln an sich erst lernen muss, ist doch ein klein wenig übertrieben. Weltenbasteln für ein Publikum, das ist eine Kunst, die man lernen kann, ja. Aber das Weltenbasteln an sich, das mache ich doch erstmal mit mir selber aus. Ich kann doch Welten erfinden wie ich lustig bin?
    Was das Weltenbauen für Publikum angeht, hast Du damit angefangen, ich hatte das ursprünglich nicht im Sinn:



    Zitat von Gwen

    Und oft sind Welten so gross und unübersichtlich, dass Leute von vornherein die Welt wie einen Zoo oder Zirkus betreten, mit der Erwartung, dort alles Erdenkliche vorzufinden, nicht etwas, das nach exakt gleichen Regeln funktioniert. Ich habe oft erlebt, dass sich das Publikum nicht wirklich interessiert, ob jetzt das Magiesystem klaren Regeln folgt oder ob es auf deiner Welt unplausible Schnabeltiere und dergleichen gibt. [Blockierte Grafik: https://www.weltenbastler.net/BB4/upload/wcf/images/smilies/lol.gif] Wenn die Leute in den Zoo oder Zirkus gehen, erwarten sie nicht, dass jede Tierart evolutionär begründet wird, dass sie die Tiere alle verwandtschaftlich einordnen oder jedes seltsame Verhalten, dass sie beobachten, dann auch verstehen. Ich glaube zwar, dass die besten Zoos diejenigen sind, die die Tiere ethisch behandeln und den Besuchern Spass machen (vielleicht indem sie Wildwasserfahrten erlauben, die von Realem (Bootsfahrten) in Afrika inspiriert sind) aber ich glaube nicht, dass Sinn und Zweck dieser Unterhaltungsform die Simulation (oder zumindest die Simulation als realistische Nachbildung)


    Wenn Du eine Welt für Publikum baust, ist es vielleicht sinnvoll, sich zu überlegen, was dieses Publikum vielleicht mögen könnte. Wie Du ja auch getan hast im zitierten Text. Du kannst auch eine Welt für alle Menschen bauen, oder für die meisten. Wie realistisch es ist, dass dann die entstehende Welt auch tatsächlich allen oder den meisten Leuten gefällt, sei mal dahingestellt. Ob ich dieser Zielgruppe dann einen Namen gebe, ist doch einerlei - ich muss wissen, was sie ausmacht, wofür sie sich interessiert. Aber wenn Du das für wichtig hältst, Zielgruppen Namen zu geben, rezitiere doch mal die Namen der Zielgruppen von Schwertern (weil es Leute gibt, die Schwerter cool finden), bunten Haaren (So orange, türkis und blond in der gleichen Frisur - und sag jetzt nicht "geschmacklose Leute", ernsthaft), und lauten Motoren. Die Liste könnte man ewig weiterführen, willst Du da immer Namen für erfinden? Es sind halt Leute, die Schwerter, bunte Haare oder laute Motoren toll finden. Ich sage Dir doch auch nicht "Ich bin ein Magie-cool-Finder", sondern ich sage Dir, dass ich Magie cool finde. Aber es gibt natürlich Franchises, Sportler etc., die "Fans" haben, und ich kann dieses Wort für mich und andere zweckentfremden, wenn ich das will. Ich bin ein Schwerter-Fan. Naja. Ich sage lieber, dass ich Schwerter cool finde.


    Gut, also long story short: Nein, wir müssen nicht zwingend Welten für Publikum basteln, aber wenn wir das machen, ist es mMn hilfreich, für was für Leute wir das machen. Aber man kann auch gern ins Blaue hinein basteln, und mal gucken, ob es irgendwem gefällt. Dann ist es aber ein Glücksspiel, ob man viele Leute findet, die das nachher toll finden. Und warum komst Du jetzt mit Namen für Zielgruppen? Es gibt doch trotzdem Leute, die xy toll finden, warum muss ich einen besonderen Namen erfinden? Ich werde daraus nicht schlau.

  • Du machst sehr interessante Punkte auf, über ...
    1) die Bedrüfnisse von der Bastlerin und dem Publikum: Reichhaltige Welt basteln wollen vs. nicht erschlagen werden wollen
    2) wie man Disskursionen über Welten anregt, statt sie nur in Wikis verstauben zu lassen
    aber da kann ich nicht so viel zu schreiben, weil das zu offtopic gehen würde und nicht mehr in diesen Thread gehör

    Das sind durchaus interessante und diskutierenswerte Punkte. Als Weltenbastler neigt man dazu, bestimmte Aspekte detaillierter auszuarbeiten, als "nötig". Der Herr der Ringe hätte auch ohne den Riesenaufwand, den Tolkien mit den Elbensprachen trieb, problemlos funktioniert und Bestsellerpotential gehabt. Nur gäbe es dann nicht so viele leidenschaftliche Sprachenbastler, die sich durch Tolkiens Sprachenbastelei dazu inspirieren lassen hätten, selbst mit großer Akribie Sprachfamilien in ihren fiktiven Welten zu basteln. Bei mir jedenfalls ging die Inspiration für meine Sprachenprojekte ganz klar von Tolkien aus.


    Man darf nur den Leser nicht mit solchen Leidenschaften "erschlagen". Beim Herrn der Ringe ist das gut gelöst, finde ich. Es gibt ein paar Kostproben der beiden "großen" Elbensprachen (und natürlich diverse elbische Namen), und einen Anhang, der einige Informationen über diese Sprachen und noch andere Dinge gibt (heutzutage würde man das auf eine Website zum Buch stellen - da könnte man noch viel mehr unterbringen, bis hin zu kompletten Grammatiken, Wörterbüchern oder was auch immer), aber die Protagonisten fachsimpeln nicht über die Deklination des Quenya oder die Anlautmutationen des Sindarin ;)

  • Bin der gleichen Meinung. Nicht jeder teilt meine Faszination für wirklich tief ausgearbeitete Systeme, und man sollte nicht seinen armen Konsumenten damit zu sehr nerven, wenn es denn Konsumenten geben soll. Aber es ist finde ich einfach eine spannende Sache, wenn ich beispielsweise als Leser eines Romans oder Spieler eines Spiels weiß, dass ich mich sehr eingehend informieren kann, wenn ich das möchte. Das ist eine besondere Freiheit.

  • Du machst sehr interessante Punkte auf, über ...
    1) die Bedrüfnisse von der Bastlerin und dem Publikum: Reichhaltige Welt basteln wollen vs. nicht erschlagen werden wollen
    2) wie man Disskursionen über Welten anregt, statt sie nur in Wikis verstauben zu lassen
    aber da kann ich nicht so viel zu schreiben, weil das zu offtopic gehen würde und nicht mehr in diesen Thread gehört.

    Ok, ich sehe schon (z.B. an der Antwort von WeepingElf) das dieser Gedanke zu einer vollkommen anderen Disussion zu einem anderen Thema werden kann...


    Aber der Punkt ist, dass die Welten, die Amanita pseudorealistisch nennt (z.B. Harry Potter) total anders gedacht sind, nie als pseudorealistisch beabsichtigt sind und sich von Literatur wie "Der Marsianer" vollkommen unterscheiden und zwar in mehreren entscheidenden Punkten.
    Der Marsianer ist eine Geschichte, die sich durch korrekte Anwendung biologischen und physikalischen Fachwissens auszeichnen will und sich bewusst an ein Publikum richtet, dass diese Nuancen zu schätzen weiss. Der Marsianer versucht also eine Welt aufzubauen, die unsere Realität immer dann perfekt simuliert, wenn es um Kartoffelanbau mit menschlichem Dung auf dem Mars oder Landezeiten von Mars-Rovern und dergleichen geht. Hier war die Recherche deshalb wichtig, weil durch die Faktentreue ein Fachpublikum zufrieden gestellt werden soll.


    Harry Potter ist da etwas anders, aus offensichtlichen Gründen.




    Aber wenn wir nur diese zwei Welten nehmen, dann lassen wir uns davon ablenken, dass der Marsianer so extrem realistisch ist und dieser Realismus diesen konkreten Zweck hat. Aber es gibt auch Welten (wie z.B. die Sachen, die @Shay bastelt) die viel höhere Ansprüche für Realismus haben als Harry Potter und dennoch auf einer Paralellwelt angesiedelt sind. Beide Dinge sind nach Definition von @Amanita pseudorealistisch, aber Harry Potter ist eben ein "Narrativ in einer Welt mit konkreten Eigenheiten" während Aurhim das zwar auch ist, aber ausserdem "eine Welt mit hohem realistischen Anspruch" ist.


    Mein Kommentar zu den Wikis ist einfach, dass auch "pseudorealistische" Welten nicht den Zweck haben, perfekte, fehlerlose oder rigoros logische Welten zu sein, sondern meistens ein Weltenfeeling zu transportieren, eine gedankliche Weltenreise zu ermöglichen oder Grundlage für andere Kreativprojekte zu sein. Die Kategorie des Pseudo-Realismus ist eine sinnvolle Kategorie, denn ich erkenne sofort den Unterschied zwischen Harry Potter und der Unendlichen Geschichte (auch wenn ich die Idee, dass Conan der Barbar nicht auch in mancher Hinsicht Pseudo-Realismus ist, hinterfrahe). Aber Hogwarts und Aurhim unterscheiden sich grundlegend. Einer weltenbastelnden Person, die etwas wie Hogwarts bastelt (und nicht etwas wie Aurhim) würde ich nie mit Realismus-Beschwerden kommen. Wenn irgendwas bei HP auf das Publikum "unrealistisch" wirkt, dann ist das idR ein narratives Problem, das uns wie ein Realismus-Problem vorkommt, weil der betreffenden Person die richtige Sprache dafür fehlt. Da hat das Buch beispielsweise eine konkrete Erwartung aufgebaut und sie nicht erfüllt.


    Ok das Video ist im Prinzip alles, wogegen ich argumentiere.
    An einer Stelle sagt MrBTongue das Fallout: New Vegas "effektiv shandifiziert" ist und vergisst diesen Punkt prompt. Er verbringt dann mehrere Minuten damit uns zu belehren wie wichtig der Speiseplan einer fiktiven Welt ist. Er weiss nicht, WARUM es wichtig ist zu wissen, was die Leute essen. Kleiner Tipp: es hat damit zu tun, dass Fallout New Vegas die Gesellschaft charakterisieren will und unsere Aufmerksamkeit deshalb bewusst auf gesellschaftliche Zusammenhänge lenkt, die in den Quests relevant sind und auf den Mega-Konflikt zwischen NCR und Legion eine grosse Bedeutung haben (wir erkennen durch solche Spiel-Elemente, dass tatsächlich um etwas gekämpft wird: konkrete Ressourcen usw. und das der Konflikt greifbare Konsequenzen für die Bewohner der Mojave hat).


    Wenn es keine lineare Geschichte gibt und du Entscheidungen treffen kannst, gibt es einen Unterschied zwischen deiner spielerischen Absicht hinter den Entscheidungen (und deinem Wunsch nach Kontrolle) und der Auswirkung bzw. dem Meta-Kommentar deiner Entscheidung auf die Geschichte. Eine gute Geschichte hat nicht die Aufgabe, deine Absicht zu belohnen und dir Kontrolle zu geben...auch nicht indirekt durch noch mehr Entscheidungen, die ohne den Meta-Kommentar effektiv Ballast sind.

    Hmm, rieche ich da ein leicht elitäres Denken? Also ist ja schön und gut, dass Du meine Ausdrucksweise unbeholfen findest, aber dann davon zu sprechen, dass man das Weltenbasteln an sich erst lernen muss, ist doch ein klein wenig übertrieben.

    Ich habe definitiv das Basteln zu lernen versucht und das versuchen mehr Leute, als du denkst. Und wir reden doch die ganze Zeit vom Basteln für Publikum.

  • @ das Basteln lernen


    Ich sehe schon, dass das elitär rüberkommen kann, aber würde sagen, dass Lernprozesse bei sehr vielen Hobbies ein Teil des Reizes sind. Menschen lernen im Allgemeinen gerne, es macht Spaß. :)


    Ob sich das jetzt aber mehr auf ein "wie kann ich ein Publikum besser bedienen", oder "wie kann ich meine Gedanken klarer formulieren (für mich)", oder "wie kann ich XY in meiner Welt realistischer machen", oder ganz einfach "wie kann ich mehr Spaß haben am Basteln" hinausläuft als etwas, was eins lernen will... ist eine freie Entscheidung. ;)


    Und wir reden doch die ganze Zeit vom Basteln für Publikum.

    Hm, kA wie viele der Leute hier im Thread das tun? Jedenfalls geht es - vermute ich - nicht nur darum. Realismusansprüche habe ich an mich selbst...

    Das Wetter auf deiner Welt Issoy ist dann eine Fiktion basierend auf einem Wettermodell, dass auf einer Skala mehr oder weniger realistisch sein kann, aber eben ein konsistentes Modell sein muss.

    Off topic: Issoy heißt mittlerweile Xooi, und es ist ... hm, kA ob du weißt, dass das Wetter dort rein menschengemacht arbiträr ist. Musterbeispiel für wo ich "Realismus" und bis zu einem gewissen Grad sogar "Konsistenz" praktisch ignoriere, da ich noch nicht einmal wirklich mir Gedanken mache, was Menschen realistischerweise für Wetter haben wollen. Ist alles Ästhetik von irgendwem halt.^^

    Mein Problem mit dieser Denkweise habe ich dargelegt. Es ist voll in Ordnung, ein Modell / eine Simulation von etwas in eine Welt einzubauen. Aber oft geht diese Simulation total an den Bedürfnissen des Publikums vorbei. Leute bauen ja nach und nach eine Beziehung zu einer fiktiven Welt auf und sind von zu vielen Ländern, Fraktionen, Wesen auf einmal schnell überfordert. Viele Leute wollen ihre Arbeit am Realismus zur Schau stellen und dieses Zurschaustellen bewirkt teilweise, dass wir vom Hundersten einer Welt ins Tausendste kommen, anstatt die wichtigen Zusammenhänge zu verstehen.

    Ich glaube, das ist indirekt ein Problem von Realismus, die schiere Menge an Information. Ich hatte vor einer Weile das Gefühl, davon total erschlagen zu sein, und überhaupt nicht mehr basteln zu können, weil ich ja doch unweigerlich immer nur mehr Widersprüche bauen würde, wenn ich nicht akribisch meine Notizen aktuell halte und abgleiche, sprich, mir ungeheuer viel Arbeit mache, die mir absolut keinen Spaß macht. (Ngiana ist erdgroß und dementsprechend erwarte ich, dass es da zehntausende Kulturen gibt...) Letztlich hab ich meinen doofen Perfektionismus aber mal zum Engel geschickt und bastle jetzt einfach drauflos. :)


    Mir fällt gerade ein Beispiel ein, wo ich es interessant finde, wie Weltsimulation und Geschichte sich in die Quere kommen. Der Youtuber Kruggsmash spielt Dwarf Fortress (das ja eine absurd detaillierte Weltsimulation macht), und versucht dann aber, aus dem Geschehen eine Geschichte zu machen, zu erzählen. Das klappt manchmal richtig gut - und ein andermal geht es total daneben, es entstehen antiklimaktische Nicht-Enden, die eigentlich enttäuschend sind. Aber gleichzeitig hält das ganze eine gewisse Spannung, indem ja nicht einmal der Erzähler weiß, wie die Geschichte weitergeht. Dennoch ist die Geschichte zu einem großen Teil dessen Konstruktion. Aber er kämpft eigentlich permanent gegen die Simulation dabei.

  • Und wir reden doch die ganze Zeit vom Basteln für Publikum.

    Ich glaube, die meisten hier basteln in erster Linie für sich selbst, auch wenn sicher viele von uns das Bedürfnis verspüren, die Früchte ihrer Bastelei auch mal zu präsentieren. Ich jedenfalls habe so eine Doppelmotivation: ich bastle, weil es mir Spaß macht, aber auch, weil ich mit meiner Bastelei etwas zum Ausdruck bringen und meinen Mitmenschen mitteilen will. Die Elben des Elbenpfads sind für mich ein Medium, darzustellen, wie ich das mit der Natur des Menschen und dem Sinn des Lebens sehe. Das Projekt Globaler Frühling soll aufzeigen, wie eine nachhaltige Lebensweise in der Zukunft konkret aussehen könnte. (Und weil das eine mit dem anderen zusammenhängt, sind diese beiden Projekte auch nicht hermetisch getrennt.)


    Und da schließt sich der Kreis zur Realismus-Debatte: Weil ich Wege zu einem sinnvollen, "richtigen" Leben aufzeigen will, die wir wir alle gehen können, müssen die beiden Projekte so realistisch sein, wie es nur geht. Also keine Magie, keine übermenschlichen Fähigkeiten, keine Wundertechnologie und kein Deus ex machina. Denn wenn ich solche Dinge darin hätte, käme sofort die Retourkutsche, dass das doch unrealistisch sei und wir den Weg nicht gehen könnten.


    Tolkien hat beispielsweise seine Sprachen vor allem für sich selbst gebastelt. Er war sich sicherlich bewusst, dass er etwa für eine "Historische Grammatik der Elbensprachen" keinen Verlag gefunden hätte. Auch wenn man annehmen kann, dass er mit dem Book of Lost Tales (woraus später das Silmarillion wurde) schon die Absicht hatte, es irgendwann zu veröffentlichen. Aber es kam anders. Er schrieb zuerst eine nur lose mit dem Legendarium und Linguarium verbundene Geschichte für seine Kinder, die als The Hobbit veröffentlicht wurde, nachdem einer seiner Söhne die Geschichte einem Schulfreund erzählt hatte, dessen Vater Verleger war (oder so ähnlich), und als das Ding sich verkaufte wie geschnitten Brot und der Verlag eine Fortsetzung anfragte, wurde daraus der Herr der Ringe. Das Silmarillion wurde dann erst posthum von seinem Sohn Christopher veröffentlicht.


    Natürlich haben wir es heute besser, wo wir mit wenig Aufwand unsere Basteleien ins Web stellen können. Das gab es zu Tolkiens Zeiten nicht. Aber welche Wirkung haben solche Websites? Es gibt so erdrückend viele davon, dass man damit auch nicht viel gewinnt, von ein paar Freunden und Leuten aus Communities wie dieser hier abgesehen. Was nicht heißt, dass es verlorene Liebesmüh wäre. Der zu erwartende Erfolg ist zwar nicht groß, der Aufwand aber auch nicht, also machen!

  • Hm, kA wie viele der Leute hier im Thread das tun? Jedenfalls geht es - vermute ich - nicht nur darum. Realismusansprüche habe ich an mich selbst...

    Was mir halt auffallend unpraktisch an diesem Thread vorkommt ist der Umstand, dass wir nicht genug Dinge sinnvoll von einander unterscheiden.
    Realismus als Bastelziel ist etwas anderes als die Vorstellung von Realismus als qualitative Verbesserung einer Welt. Die zwei Dinge haben miteinander zu tun (manche Bastler basteln realistisch, weil sie z.B. von Fallout Realismus erwarten und eben auch von ihrer eigenen Welt...) aber diese zwei Dinge sind nicht identisch.


    Wenn wir nur uns selbst als Publikum haben, sind Fragen nach qualitativer Verbesserung ziemlich abstrakt: du bist deine eigene Messlatte und wenn du nach irgendeinem allgemeinen Massstab "falsch" bastelst, braucht dich das nicht zu interessieren. Die Frage im Eingangspost von @Alpha Centauri "Möchte jemand den Realismus um seiner selbst willen verteidigen?" ist dann total irrelevant. Warum sollte ich den Realismus verteidigen (oder attackieren)? Das hat schliesslich keine Relevanz, was meine Welten angeht? Wenn ich ein Bild für mich selbst male und das Bild ignoriert den goldenen Schnitt, die "Rule of Thirds", die Farben sind dilettantisch gewählt und die Perspektive haut nicht hin und ich kann nicht besser malen aber das Bild ist nicht für die Kunstaustellung, sondern für mich: warum muss ich mein "Bildnis des Dorian Gray" verteidigen? Die Diskussion über den Wert von Perspektive z.B. ergibt nur dann einen Sinn, wenn ich bereit bin, mich gedanklich mit denjenigen Kunstwerken auseinanderzusetzen, die für ein breiteres Publikum gedacht sind und dort ihre Wirkung entfalten.


    (Oder bin ich da auf einem total falschen Dampfer und übersehe einen offensichtlichen Nutzen?)


    Mir fällt gerade ein Beispiel ein, wo ich es interessant finde, wie Weltsimulation und Geschichte sich in die Quere kommen. Der Youtuber Kruggsmash spielt Dwarf Fortress (das ja eine absurd detaillierte Weltsimulation macht), und versucht dann aber, aus dem Geschehen eine Geschichte zu machen, zu erzählen. Das klappt manchmal richtig gut - und ein andermal geht es total daneben, es entstehen antiklimaktische Nicht-Enden, die eigentlich enttäuschend sind. Aber gleichzeitig hält das ganze eine gewisse Spannung, indem ja nicht einmal der Erzähler weiß, wie die Geschichte weitergeht. Dennoch ist die Geschichte zu einem großen Teil dessen Konstruktion. Aber er kmpft eigentlich permanent gegen die Simulation dabei.

    Auch hier gilt letztlich...
    Was mir halt auffallend unpraktisch an diesem Thread vorkommt ist der Umstand, dass wir nicht genug Dinge sinnvoll von einander unterscheiden.


    Denn schon im Eingangsbeitrag dieses Threads werden schwammige Begriffe wie "zuträglich" verwendet. Ist Realismus einer Welt zuträglich? Na? Na?! Ist er das?


    Aber ist zuträglich ein gutes Wort, wenn es sowohl "qualitativ verbessernd" als auch "den Bastler glücklicher machend" heissen kann? Mit anderen Worten, weil es beides heissen kann diskutieren die Leute gleichzeitig über beides. "Macht Realismus deine Welt irgendwie besser?" ist halt eine total offene Frage und ich will sie gern diskutieren, falls das Sinn dieses Threads ist. "Macht ein Realismusanspruch dich glücklich und falls ja, wie?" führt aber nicht zu einer Konfrontation zwischen entgegengesetzten Blickwinkeln, sondern zu einer Aufzählung positiver Gründe, aus denen Leute realistisch basteln.


    Alpha Centauri hat den Thread mit einigen Listen angefangen, zum Beispiel einer Liste wo aufgelistet ist, warum Leute realistisch basteln. Diese Liste muss einfach nur ergänzt werden, wenn wir nur die Gründe wissen wollen, weshalb Realismus Spass macht. So verstehe ich die Beiträge von WeepingElf und Shay: sie basteln realistisch, haben Spass daran, tun damit teilweise evtl. sogar etwas Gutes in der Welt und versuchen Alpha Feedback zu geben, was sie, als Realitäts-Geniesser ;) , zu ihren Basteleien antreibt. Warum stecken die da diesen krassen und coolen Aufwand rein. An diesem Aspekt der Diskussion nehme ich gar nicht Teil, weil ich da 100% auf der Seite von Shay und WeepingElf bin. Ich liebe ultra-realistische und ultra-logische Welten. Ich mag die Ästhetik und den hohen Anspruch und den hohen Aufwand.


    Im Thread melden sich aber auch Leute zu Wort, denen im Lauf ihres Lebens eingeredet wurde (oder die aus eigener Erfahrung spontan den Eindruck haben) das Realismus eine Verbesserungsmethode darstellt. Laut dieser Denkschule fallen Welten, die nicht richtig recherchiert sind oder deren Logik nicht gut ausgearbeitet ist, ihrem Publikum (oder Teilen des Publikums) negativ auf. Wenn Welten zum Beispiel realitätsnah wirken (pseudo-realistisch sind, wie Amanita sagt) brauchen sie (laut dieser Denkschule) mehr Realismus. Als Beleg dient der Verweis auf negative Erfahrungen mit unrealistischen Aspekten von Videospielen und Filmen etc.


    Die beiden Diskussionen sind total verschieden. Die erste Diskussion ist eigentlich gar keine Diskussion sondern eine Umfrage. Und diese Umfrage lautet: "was kann ich an Realismus alles cool finden?". Die Liste, die daraus entsteht kann nicht wirklich gekürzt werden und die Antworten nicht gewichtet werden. Die Antworten sind alle valide. Ich kann niemandem sagen "Du, dein Anspruch auf Glaubhaftigkeit beim Basteln ist nicht valide, weil Glaubhaftigkeit an deiner Welt nichts verbessert." Selbst wenn wir annehmen, dass ich recht habe und diese Leute "falsch" Welten basteln: Falsch Welten zu basteln ist zwar kein Erfolgsrezept und vielleicht eine riesige Zeitverschwendung, aber es ist trotzdem legitim, diese Methode hier im Forum zu beschreiben und davon zu schwärmen. Und was dieser Thread eindeutig bewiesen hat (hoffe ich) ist, dass Leute, die realistisch / plausibel / logisch konsistent basteln nicht falsch basteln und, dass sie teilweise sogar viel mehr Arbeit und Aufwand in ihren Realismus stecken als Normalsterbliche (was wir nicht von ihnen erwarten sollten, wirklichkeitsnahe Dinge sind oft auch ohne den Mega-Recherche-und-Denk-Aufwand prima ;D ).



    Kurz gesagt: realistische Welten sind cool, realistisch basteln hat viele Ursachen, ein realistischer Anspruch kann eine lohnenswerte Sache sein und wenn es in dieser Diskussion darum ginge, den Realismus als bastlerische Kreativleistung zu verteidigen, will ich das ohne weiteres und gerne tun(!).
    Aber das war in diesem Thread nie der Fall. Die realistischen Welten brauchten keinen Schutz vor Realismus-Verächtern. Ein paar Mal wurde impliziert, dass Realisten faul sind, aber das ist geklärt worden und jetzt ist der Realismus (denke und hoffe ich) als bastlerische Methode ausreichend verteidigt, dass niemand mehr was daran auszusetzen hat, dass andere Leute realistisch basteln.


    Stattdessen gibt es in diesem Thread eine Diskussion über die fast umgekehrte Frage: kann mangelnder Realismus (insbesondere in einem pseudo-realistischen Setting) ein Problem sein? Wenn das Setting in Harry Potter so wirkt, als sei dort vieles irdisch und real (sogar der Weltentext sagt, dass alles auf der Erde stattfindet, nur in einem magischen Winkel) sollte sich diese Welt nicht verteidigen müssen, wenn der Vorwurf kommt, dass die Welt oder das Geschehen an manchen Stellen unplausibel ist?


    Und wie gesagt, wenn wir lange genug die über Charakterisierung in Geschichten nachdenken wird uns klar, dass die Dinge immer dann gut charakterisiert sind, wenn das Publikum einen guten Eindruck vermittelt bekommt und wir sind Kreaturen der echten Welt...und unser Bezugspunkt um einen Eindruck von etwss zu haben ist deshalb immer real. Also ist Realismus für Charakterisierung (fast) unabdingbar. Das Imperium in Star Wars wird durch ein grosses Raumschiff eingeführt: weil das Raumschiff so gross ist und einen grossen Schatten wirft, erkennen wir die Bedrohung. Auf diese Weise ist das Imperium gut charakterisiert. Aber dazu muss es im Star Wars-Universum Schatten und Grössenverhältnisse geben und das sind eindeutig Aspekte der Realität. Aber das bisschen Realität in der Charakterisierung ist eindeutig nicht dasselbe wie logische Konsistenz oder qualitative Verbesserung mithilfe von mehr Plausibilität oder Realität.
    Das von mir in einem anderen Beitrag angesprochene Beispiel aus dem Videospiel Fallout New Vegas verdeutlicht diesen Unterschied: Fallout New Vegas vermittelt durch realistische Nahrungsmittelversorgung das, was in der Handlung des Spiels "auf dem Spiel steht". Ich schreibe "was auf dem Spiel steht" in Anführungs-Striche, weil das ein eigenes Konzept ist, dass ich aus dem Englischen als "stakes" kenne. Die Stakes sind der Einsatz, um den beim Poker gespielt wird. In einer Geschichte ist dieser Einsatz relevant (ok, nicht der Poker-Einsatz ist relevant, sondern das, "was auf dem Spiel steht"), weil in der Geschichte auch eine Erfahrung vermittelt wird: in New Vegas die Erfahrung, in prekären Umständen sich um die eigene Nahrungsmittelversorgung sorgen zu müssen. Solange Leute das Spiel spielen und mit dieser Art von Erfahrung konfrontiert sind, haben sie was wertvolles, auf dem sie gedanklich rumkauen können. ;) Es ist nicht so, dass New Vegas eine konkrete Botschaft hat, sondern nur, dass die Spieler sich hier (spielerisch) mit einer sehr konkreten Erfahrung auseinander setzen können, die sie sonst nie hätten. Und gleichzeitig auf Gegner ballern, was funzt.
    Charakterisierung bindet also auf effektive Art und Weise(!) reale oder zumindest bekannte Elemente in die Geschichte ein, um eine Wirkung zu erzielen und eine Erfahrung zu vermitteln. Die "Verbesserung" einer Geschichte durch mehr und mehr reale Elemente oder das Argument, dass eine Welt negativ auffallen wird, wenn alles unlogisch wird...das ist etwas anderes. Da besteht ein Unterschied und ich hoffe, dieser Unterschied ist nachvollziehbar?


    Jetzt kann jemand vielleicht(?) teilweise(?) meine Position verstehen.
    Einfach damit der Beitrag nicht so schwer verdaulich ist will ich nicht auch noch die Frage beantworten, warum ich interne Inkonsistenzen auch in pseudo-realistischen Welten nicht so schlimm finde und warum das subjektivere "aber mir ist Logik und plausibles Weltenbasteln wichtig" Argument seine Probleme hat, sondern lieber fragen: besteht hier Klärungsbedarf? Sind die Argumente die ich mache nachvollziehbar und verstehe ich die Gegenargumente richtig? Weil sonst ist es keine Diskussion sondern ein Monolog oder sowas und Selbstgespräche habe ich schon genug gehabt im Leben. ;)

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