Ich bin gerade dabei, die Beschreibung eines meiner Völker auszuarbeiten. Der Text ist noch nciht ganz fertig, aber ich würde euch gerne mal nach eurer Meinung von einem bestimmten Teil fragen. Ist das so verständlich? Klingt das schlüssig? Und ja, ich weiß, daß der Text ziemlich lang geworden ist. *zerknirrschtschau*
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Die Kraft der Seelen - der Glaube der Ishia
Als scharfe Beobachter wissen die Ishia genau, daß körperliche Eigenschaften - allen voran das Aussehen einer Person - von den leiblichen Eltern vererbt werden. Doch woher ein Kind seine inneren Werte - Mut, Intelligenz, Durchhaltevermögen, Pflichtbewußtsein, um nur einige zu nennen - erhält, ist in ihren Augen nicht so einfach zu bestimmen. Doch wer das verstehen will, muß zuerst das begreifen lernen, was die Ishia "nijira" nennen, ein Wort, das sich nur ungenau mit Geist oder Seele übersetzen läßt.
Nicht nur Menschen, auch Tiere und Pflanzen, auch Berge, Flüsse und Seen besitzen eine solche Seele. Dazu kommen noch die "großen Seelen": die Geister von Erde, Luft, Meer, Wind, Regen und all den anderen Mächten im Leben der Ishia. Denn anders als die meisten Völker kennen die Ishia keinen Gott, sondern nur Seelen - große und kleine. So wird eine Seele nicht von irgendeinem höheren Wessen geschenkt, nein, sie wächst vielmehr aus sich selbst heraus bei der Entstehung eines jeden neuen Wesens.
Diese junge Seele ist noch leer, ohne Form und Eigenschaft, man möchte sagen farblos. Doch in den Tagen der Kindheit, richtet sie sich an den Seelen ihrer Umgebung aus, nimmt langsam deren Farbe an. Das Kind beginnt allmählich, eigene Charakterzüge zu entwickeln, doch sind diese weitgehend von den Menschen seines Umfelds bestimmt. Auf diese Weise ererbt ein adoptiertes Kind auch die inneren Werte seiner neuen Familie und nicht die seiner Blutsverwandten. Für die Ishia, denen der Charakter eines Menschen immer über sein Äußeres geht, wird es damit zu einem echten Kind seiner Adoptiveltern.
Später dann, wenn der Mensch allmählich heranwächst, wird die Seele selbstständiger. Sie beginnt ihre Farbe zu behalten und läßt sich immer weniger von außen beeinflussen. Das ist auch der Grund, den die Ishia dafür anführen, warum Kinder nicht mehr adoptiert werden, die einmal ein bestimmtes Alter erreicht haben. Ihre Seele ist bereits so stark geprägt, daß sie niemals echte Mitglieder der neuen Familie werden könnten. Wie unabhängig von ihrer Umgebung eine Seele wird, ist dabei von Person zu Person verschieden. Manche reifen nie vollkommen aus und bleiben ihr Leben lang leicht zu beeinflussen, andere ändern sich kaum mehr, sind stolz, ja geradezu starrsinnig in ihrer Selbstbezogenheit. Eine Seele von solch starker Prägung ist aber eine zweischneidige Sache. Sie kann ihrem Stamm große Ehre bringen, doch kann sie ebenso leicht auch alle mit ihr ins Verderben ziehen.
Eine Seele wird aber nicht nur an ihrer Prägung gemessen, sondern auch an ihrer Kraft. Diese Kraft ist schwer in Worte zu fassen, fast möchte man sie mit dem Selbstbewußtsein eines Menschen gleichsetzen. Denn eine Seele gewinnt in dem Maße an Stärke, wie sie von anderen Seelen geachtet und respektiert wird. Vollbringt ein Mensch Taten, die ihn im Ansehen seiner Mitmenschen steigen läßt, so wird seine Seele umso stärker und diese Stärke ermöglicht es ihm, weitere herausragende Taten zu vollbringen.
Anders als der Körper besteht die Seele nach dem Tod weiter. Nun kommt ihrer Kraft besondere Bedeutung zu. Schwindet eine Seele aus dem Gedächtnis der Lebenden, verliert sie deren Respekt, so wird sie immer schwächer bis sie sich eines Tages nicht mehr selbst erhalten kann. Dann wird sie sich eine andere, stärkere Seele suchen, um sich mit ihr zu verbinden und in ihr aufzugehen. Das Leben nach dem Tod bietet den Ishia also zwei Alternativen. Die meisten werden noch einige Zeit in der Welt bleiben und schließlich, in dem Maße, wie sie von der Nachwelt vergessen werden, vergehen. Die wenigen jedoch, die in ihrem Leben Taten vollbracht haben, die sie tief in der Erinnerung des Volkes eingegraben haben, werden noch lange Zeit nach dem Tod weiterbestehen, ja, sie werden mit den Jahren immer mächtiger werden, da andere Seelen in ihnen aufgehen. Die mächtigste all dieser menschlichen Seelen ist Tisha, der legendäre Stammvater aller Ishia. Auch nicht-menschliche Seelen verschmelzen miteinander, wenn ihrer nicht mehr gedacht wird. Das ist auch der Grund, warum die Geisterwelt der Ishia nicht von Milliarden Ameisenseelen bevölkert wird.
Die Seelen der Verstorbenen leben nicht in einer eigenen Sphäre, vielmehr bewegen sie sich in genau der Welt, die sie auch schon zu Lebzeiten ihres Körpers durchstreift hatten. Als Wesen ohne Substanz sind sie dabei keiner Beschränkung unterworfen. Sie können fliegen wie ein Falke, und selbst Erde und Stein bieten ihnen kein Hindernis. Solange die Seele jedoch noch einem Körper innewohnt, ist sie an diesen gebunden. Nur im Traum oder nach der Einnahme gewisser Drogen kann sie sich frei bewegen.
Jede Seele, ganz besonders aber die starke, kann ihre Kraft einsetzen wie es ihr beliebt. Sie kann sie anderen Seelen leihen, um ihr in einer schwierigen Situation zu helfen. Sie kann sie aber auch verwenden, um sich anderen in den Weg zu stellen. Wiederum sind es die Seelen der Toten, die hierbei über größere Freiheit verfügen, denn die der Lebenden müssen immer einen großen Teil ihrer Kraft für sich selbst zurückhalten, wollen sie nicht den Tod ihres Körpers riskieren.
Bevor ich in meinen Erklärungen fortschreiten kann, muß ich nun kurz zur Verbindung einer Seele mit den ihr nahestehenden zurückkehren. Vollbringt ein Mensch eine achtunggebietende Tat, so gewinnen auch seine Freunde und Verwandten an Respekt. Die Älteren, weil sie es waren, die diese vortreffliche Seele geformt haben, die Jüngeren, weil sie sich selbst nach derem Vorbild geprägt haben. Doch andersherum hat auch die schlechte Tat eines Einzelnen Auswirkungen auf alle, die mit ihm verbunden sind. Seine schlechten Eigenschaften können ja nur ein Abbild der ihren sein. Hat eine Person erst einmal einen schlechten Ruf, so wird sie kaum jemals Freunde finden und auch eine Hochzeit wird sich dann nur selten ergeben. Zu groß ist die Angst der anderen, ihre eigene Seele durch diese Person zu "verschmutzen".
Deswegen wird jede Seele versuchen, den ihr Nahestehenden, vor allem ihren engsten Verwandten beizustehen, um einen Verlust an Respekt zu vermeiden. Insbesondere gilt dies für die Seelen der Verstorbenen. Zum einen haben sie mehr Möglichkeiten, den Lebenden zu Hilfe zu kommen, zum zweiten sind sie nicht nur darauf angewiesen, daß ihren Nachkommen Achtung erwiesen wird, sondern vor allem auch darauf, daß es überhaupt Nachkommen gibt. Denn das Andenken eines Toten wird zuerst und vor allem von seiner Familie gepflegt und die Kenntnis der eigenen Abstammung ist von immenser Bedeutung. So gibt es wohl keinen erwachsenen Ishia, der seine Abstammung nicht bis zu Tisha, dem Stammesgründer, zurückverfolgen kann, wenn auch sicher nicht alle Namen in allen Generationen bekannt sind.
Am leichtesten kann man sich die Seelen seiner Vorfahren gewogen machen, indem man selbst großen Respekt erlangt. In Abwesenheit einer passenden Gelegenheit dazu, kann man auch bestimmte Opfer bringen. Am häufigsten ist noch das Blutopfer, bei dem sich die entsprechende Person manchmal nicht geringe Schmerzen zufügt. Doch die Achtung, die dem solchermaßen Opfernden entgegengebracht wird, schlägt bald in Mißbilligung um, wenn er sich damit selbst ernsthaft beeinträchtigt oder gar verstümmelt. Eine solche Tat wäre in den Augen der Ishia und ihrer Ahnen keine Heldentat, sondern schlichtweg Dummheit.
Prinzipiell kann sich jeder Ishia an jede Seele wenden, ob lebendig oder tot, ob menschlich oder nicht. Tatsächlich wird er aber fast immer einen Verwandten wählen, wenn er einmal nicht weiter weiß. Denn die Ishia glauben, daß nicht nur Menschen, sondern auch Seelen letztendlich nur aus Eigennutz handeln. Einem in Not geratenen Verwandten zu helfen, mag noch mit Vorteilen verbunden sein, die den Kraftaufwand rechtfertigen, einem Fremden zu helfen dagegen nicht. Je enger die Bande zwischen dem Bittsteller und dem Gebetenen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß dieser sich herabläßt einzuschreiten. Eine der "großen Seelen" wird dagegen kaum jemals einem einfachen Sterblichen zu Hilfe kommen.
Hier kommen nun die Schamanen ins Spiel. Sie haben von ihrem Lehrer die Kunst erlernt, auch die Seelen zu überreden, zu bestechen oder zur Mitarbeit zu zwingen, die keinen eigenen Nutzen daraus ziehen. Doch ihre Stellung ist nicht unumstritten. Gibt es auch kaum einen Zweifel an ihrer Unverzichtbarkeit, wenn es darum geht, mit den "großen Seelen" zu kommunizieren, so gibt es doch viele, die meinen, die einfache Bitte eines Menschen an seinen Vorfahr wirke allemal mehr als der Zauber eines Schamanen. Alle Ishia schließlich teilen die Ansicht, daß jede Handlung, mit der man sich selbst aus seinen Schwierigkeiten hilft, die Seelen hundertmal mehr erfreut als jede Bitte, jedes Flehen.
Abschließend läßt sich sagen, daß dieser Glaube an die Seelen und ihre Macht geradezu perfekt an das Leben der Ishia angepasst erscheint. Nicht nur, daß er Heldentum im Kampf und bei der Jagd belohnt, er spendet auch Trost in einem Leben, das allerorten und allerzeit vom Tod bedroht ist. Denn die Zeit, die eine Seele nach dem Tod weiterlebt, hängt allein von ihrer Stärke und damit von ihren Taten zu Lebzeiten ab, nicht aber von der Zeit, die sie in einem Körper verbracht hat. Für die Ishia ist es allemal besser, jung einen Heldentod zu sterben, als ein langes, aber unbedeutendes Leben zu führen. Und schließlich ist es wohl kein Zufall, daß ein Volk, das dermaßen Wert auf Achtung und Respekt legt, eine sloche Vielzahl von stolzen, ja hochmütigen Kriegern hervorgebracht hat.