[Aurhim] Der Glaube der Ishia

  • Ich bin gerade dabei, die Beschreibung eines meiner Völker auszuarbeiten. Der Text ist noch nciht ganz fertig, aber ich würde euch gerne mal nach eurer Meinung von einem bestimmten Teil fragen. Ist das so verständlich? Klingt das schlüssig? Und ja, ich weiß, daß der Text ziemlich lang geworden ist. *zerknirrschtschau*
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    Die Kraft der Seelen - der Glaube der Ishia


    Als scharfe Beobachter wissen die Ishia genau, daß körperliche Eigenschaften - allen voran das Aussehen einer Person - von den leiblichen Eltern vererbt werden. Doch woher ein Kind seine inneren Werte - Mut, Intelligenz, Durchhaltevermögen, Pflichtbewußtsein, um nur einige zu nennen - erhält, ist in ihren Augen nicht so einfach zu bestimmen. Doch wer das verstehen will, muß zuerst das begreifen lernen, was die Ishia "nijira" nennen, ein Wort, das sich nur ungenau mit Geist oder Seele übersetzen läßt.
    Nicht nur Menschen, auch Tiere und Pflanzen, auch Berge, Flüsse und Seen besitzen eine solche Seele. Dazu kommen noch die "großen Seelen": die Geister von Erde, Luft, Meer, Wind, Regen und all den anderen Mächten im Leben der Ishia. Denn anders als die meisten Völker kennen die Ishia keinen Gott, sondern nur Seelen - große und kleine. So wird eine Seele nicht von irgendeinem höheren Wessen geschenkt, nein, sie wächst vielmehr aus sich selbst heraus bei der Entstehung eines jeden neuen Wesens.
    Diese junge Seele ist noch leer, ohne Form und Eigenschaft, man möchte sagen farblos. Doch in den Tagen der Kindheit, richtet sie sich an den Seelen ihrer Umgebung aus, nimmt langsam deren Farbe an. Das Kind beginnt allmählich, eigene Charakterzüge zu entwickeln, doch sind diese weitgehend von den Menschen seines Umfelds bestimmt. Auf diese Weise ererbt ein adoptiertes Kind auch die inneren Werte seiner neuen Familie und nicht die seiner Blutsverwandten. Für die Ishia, denen der Charakter eines Menschen immer über sein Äußeres geht, wird es damit zu einem echten Kind seiner Adoptiveltern.
    Später dann, wenn der Mensch allmählich heranwächst, wird die Seele selbstständiger. Sie beginnt ihre Farbe zu behalten und läßt sich immer weniger von außen beeinflussen. Das ist auch der Grund, den die Ishia dafür anführen, warum Kinder nicht mehr adoptiert werden, die einmal ein bestimmtes Alter erreicht haben. Ihre Seele ist bereits so stark geprägt, daß sie niemals echte Mitglieder der neuen Familie werden könnten. Wie unabhängig von ihrer Umgebung eine Seele wird, ist dabei von Person zu Person verschieden. Manche reifen nie vollkommen aus und bleiben ihr Leben lang leicht zu beeinflussen, andere ändern sich kaum mehr, sind stolz, ja geradezu starrsinnig in ihrer Selbstbezogenheit. Eine Seele von solch starker Prägung ist aber eine zweischneidige Sache. Sie kann ihrem Stamm große Ehre bringen, doch kann sie ebenso leicht auch alle mit ihr ins Verderben ziehen.


    Eine Seele wird aber nicht nur an ihrer Prägung gemessen, sondern auch an ihrer Kraft. Diese Kraft ist schwer in Worte zu fassen, fast möchte man sie mit dem Selbstbewußtsein eines Menschen gleichsetzen. Denn eine Seele gewinnt in dem Maße an Stärke, wie sie von anderen Seelen geachtet und respektiert wird. Vollbringt ein Mensch Taten, die ihn im Ansehen seiner Mitmenschen steigen läßt, so wird seine Seele umso stärker und diese Stärke ermöglicht es ihm, weitere herausragende Taten zu vollbringen.
    Anders als der Körper besteht die Seele nach dem Tod weiter. Nun kommt ihrer Kraft besondere Bedeutung zu. Schwindet eine Seele aus dem Gedächtnis der Lebenden, verliert sie deren Respekt, so wird sie immer schwächer bis sie sich eines Tages nicht mehr selbst erhalten kann. Dann wird sie sich eine andere, stärkere Seele suchen, um sich mit ihr zu verbinden und in ihr aufzugehen. Das Leben nach dem Tod bietet den Ishia also zwei Alternativen. Die meisten werden noch einige Zeit in der Welt bleiben und schließlich, in dem Maße, wie sie von der Nachwelt vergessen werden, vergehen. Die wenigen jedoch, die in ihrem Leben Taten vollbracht haben, die sie tief in der Erinnerung des Volkes eingegraben haben, werden noch lange Zeit nach dem Tod weiterbestehen, ja, sie werden mit den Jahren immer mächtiger werden, da andere Seelen in ihnen aufgehen. Die mächtigste all dieser menschlichen Seelen ist Tisha, der legendäre Stammvater aller Ishia. Auch nicht-menschliche Seelen verschmelzen miteinander, wenn ihrer nicht mehr gedacht wird. Das ist auch der Grund, warum die Geisterwelt der Ishia nicht von Milliarden Ameisenseelen bevölkert wird.


    Die Seelen der Verstorbenen leben nicht in einer eigenen Sphäre, vielmehr bewegen sie sich in genau der Welt, die sie auch schon zu Lebzeiten ihres Körpers durchstreift hatten. Als Wesen ohne Substanz sind sie dabei keiner Beschränkung unterworfen. Sie können fliegen wie ein Falke, und selbst Erde und Stein bieten ihnen kein Hindernis. Solange die Seele jedoch noch einem Körper innewohnt, ist sie an diesen gebunden. Nur im Traum oder nach der Einnahme gewisser Drogen kann sie sich frei bewegen.
    Jede Seele, ganz besonders aber die starke, kann ihre Kraft einsetzen wie es ihr beliebt. Sie kann sie anderen Seelen leihen, um ihr in einer schwierigen Situation zu helfen. Sie kann sie aber auch verwenden, um sich anderen in den Weg zu stellen. Wiederum sind es die Seelen der Toten, die hierbei über größere Freiheit verfügen, denn die der Lebenden müssen immer einen großen Teil ihrer Kraft für sich selbst zurückhalten, wollen sie nicht den Tod ihres Körpers riskieren.


    Bevor ich in meinen Erklärungen fortschreiten kann, muß ich nun kurz zur Verbindung einer Seele mit den ihr nahestehenden zurückkehren. Vollbringt ein Mensch eine achtunggebietende Tat, so gewinnen auch seine Freunde und Verwandten an Respekt. Die Älteren, weil sie es waren, die diese vortreffliche Seele geformt haben, die Jüngeren, weil sie sich selbst nach derem Vorbild geprägt haben. Doch andersherum hat auch die schlechte Tat eines Einzelnen Auswirkungen auf alle, die mit ihm verbunden sind. Seine schlechten Eigenschaften können ja nur ein Abbild der ihren sein. Hat eine Person erst einmal einen schlechten Ruf, so wird sie kaum jemals Freunde finden und auch eine Hochzeit wird sich dann nur selten ergeben. Zu groß ist die Angst der anderen, ihre eigene Seele durch diese Person zu "verschmutzen".
    Deswegen wird jede Seele versuchen, den ihr Nahestehenden, vor allem ihren engsten Verwandten beizustehen, um einen Verlust an Respekt zu vermeiden. Insbesondere gilt dies für die Seelen der Verstorbenen. Zum einen haben sie mehr Möglichkeiten, den Lebenden zu Hilfe zu kommen, zum zweiten sind sie nicht nur darauf angewiesen, daß ihren Nachkommen Achtung erwiesen wird, sondern vor allem auch darauf, daß es überhaupt Nachkommen gibt. Denn das Andenken eines Toten wird zuerst und vor allem von seiner Familie gepflegt und die Kenntnis der eigenen Abstammung ist von immenser Bedeutung. So gibt es wohl keinen erwachsenen Ishia, der seine Abstammung nicht bis zu Tisha, dem Stammesgründer, zurückverfolgen kann, wenn auch sicher nicht alle Namen in allen Generationen bekannt sind.


    Am leichtesten kann man sich die Seelen seiner Vorfahren gewogen machen, indem man selbst großen Respekt erlangt. In Abwesenheit einer passenden Gelegenheit dazu, kann man auch bestimmte Opfer bringen. Am häufigsten ist noch das Blutopfer, bei dem sich die entsprechende Person manchmal nicht geringe Schmerzen zufügt. Doch die Achtung, die dem solchermaßen Opfernden entgegengebracht wird, schlägt bald in Mißbilligung um, wenn er sich damit selbst ernsthaft beeinträchtigt oder gar verstümmelt. Eine solche Tat wäre in den Augen der Ishia und ihrer Ahnen keine Heldentat, sondern schlichtweg Dummheit.
    Prinzipiell kann sich jeder Ishia an jede Seele wenden, ob lebendig oder tot, ob menschlich oder nicht. Tatsächlich wird er aber fast immer einen Verwandten wählen, wenn er einmal nicht weiter weiß. Denn die Ishia glauben, daß nicht nur Menschen, sondern auch Seelen letztendlich nur aus Eigennutz handeln. Einem in Not geratenen Verwandten zu helfen, mag noch mit Vorteilen verbunden sein, die den Kraftaufwand rechtfertigen, einem Fremden zu helfen dagegen nicht. Je enger die Bande zwischen dem Bittsteller und dem Gebetenen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß dieser sich herabläßt einzuschreiten. Eine der "großen Seelen" wird dagegen kaum jemals einem einfachen Sterblichen zu Hilfe kommen.
    Hier kommen nun die Schamanen ins Spiel. Sie haben von ihrem Lehrer die Kunst erlernt, auch die Seelen zu überreden, zu bestechen oder zur Mitarbeit zu zwingen, die keinen eigenen Nutzen daraus ziehen. Doch ihre Stellung ist nicht unumstritten. Gibt es auch kaum einen Zweifel an ihrer Unverzichtbarkeit, wenn es darum geht, mit den "großen Seelen" zu kommunizieren, so gibt es doch viele, die meinen, die einfache Bitte eines Menschen an seinen Vorfahr wirke allemal mehr als der Zauber eines Schamanen. Alle Ishia schließlich teilen die Ansicht, daß jede Handlung, mit der man sich selbst aus seinen Schwierigkeiten hilft, die Seelen hundertmal mehr erfreut als jede Bitte, jedes Flehen.


    Abschließend läßt sich sagen, daß dieser Glaube an die Seelen und ihre Macht geradezu perfekt an das Leben der Ishia angepasst erscheint. Nicht nur, daß er Heldentum im Kampf und bei der Jagd belohnt, er spendet auch Trost in einem Leben, das allerorten und allerzeit vom Tod bedroht ist. Denn die Zeit, die eine Seele nach dem Tod weiterlebt, hängt allein von ihrer Stärke und damit von ihren Taten zu Lebzeiten ab, nicht aber von der Zeit, die sie in einem Körper verbracht hat. Für die Ishia ist es allemal besser, jung einen Heldentod zu sterben, als ein langes, aber unbedeutendes Leben zu führen. Und schließlich ist es wohl kein Zufall, daß ein Volk, das dermaßen Wert auf Achtung und Respekt legt, eine sloche Vielzahl von stolzen, ja hochmütigen Kriegern hervorgebracht hat.

  • Seh ich das jetzt richtig, dass sich die Ishia weniger als selbsbestimmte Inividuen sehen, als als Automatismen? Ich meine sie betrachten ja die soziale Interaktion (das formen von Seelen(?)) auf einer Ebene mit ihrer Naturphilosophie (Welche Rolle spielt denn dabei die Kommunikation? Worüber reden denn die Ishia, wenn sie davon ausgehen, dass die Seelen(?) das schon machen?). Ebenso dass sie von vorneherein für jede Seele(?) Eigennutz (den muss man ja auch erstmal definieren, hier scheint es equivalent mit der Selbsterhaltung zu sein) als Antrieb vorraussetzen.


    Glauben die an Schicksal oder sowas?


    Und was genau ist eigentlich "schlecht" *such* aja, so eine "schlechte Tat", die den Ganzen Laden in Veruf bringt (wobei es bei den Ishia ja primär dann um den Ruf geht, wenns keiner merkt, ists also auch nicht wirklich schlecht, oder?), was ist das in den Augen der Ishia? Ich meine, wenn sie schon so kriegerisch sind, kann ja zum Beispiel Töten per se nicht verkehrt sein.

  • Uff, so viele Fragen. Zuerst mal die, die einfacher zu beantworten sind:


    Was ist schlecht?
    Prinzipiell alles, was dem Überleben des Stammes schadet. Speziell sind das so Dinge wie Feigheit, Pflichtvergessenheit, Dummheit. Mord, Heimtücke, Betrug sind nur dann schlecht, wenn sie gegen Mitglieder des eigenen Stammes gerichtet sind, bzw. wenn sie zu einem Krieg führen, der im Moment "ungeschickt" kommt. Einen Fremden zu töten ist weniger eine Strafttat als eher eine Heldentat. ;)
    Und wegen dem "wenn es keiner merkt": die orthodoxen Ishia würden wohl sagen: Irgendeine Seele merkt es immer, wenn kein Lebender, dann ein Toter. Die etwas freigeistigeren sind sicher der Meinung: "Versuchen wir's mal."


    Was ist Eigennutz?
    Selbsterhaltung ist sicher ganz oben auf der Liste. Die Ishia sind Nomaden in einer ziemlich rauhen Umgebung. Besitz haben sie kaum, dementsprechend gibt es praktisch keinen Geiz. Ansonsten halt die ganze Latte menschlicher Unarten: Eifersucht, Geltungsbedürfnis, etc. Wobei die Ishia dir warscheinlich in jedem Punkt genau klarmachen könnten, warum jetzt genau das zum Überleben beiträgt.


    Selbstbestimmt/fremdbestimmt/Schicksal?
    Gute Frage. Die zwei Ishia, die ich genauer kenne (Shay und sein Bruder Firas) glauben sicher fest daran, daß sie ein selbstbestimmtes Leben führen. Andereseits ist diese Haltung wohl nicht ganz unschuldig daran, daß die beiden ins Exil mußten. Ich denke, es ist Interpretationssache, wie sehr ein Mensch in seinen Handlungen von den Vorgaben seiner Seele eingeschränkt ist. Und wahrscheinlich dreht es sich jeder so, wie er es gerade braucht. Ich denke, es ist so ähnlich, wie bei den Puritanern (?): Gott schenkt seinen Auserwählten Reichtum, also muß ich ackern, um reich zu werden, damit ich auserwählt bin. Die Seele der Ishia ist irgendwie so etwas wie ein Rahmen, der dir für deine Handlungen vorgegeben ist. Manche Dinge sind dir schlichtweg nicht möglich, aber mit einer 08/15-Seele hast du doch einen relativ großen Spielraum.


    Kommunikation/Interaktion
    Die Seelen sprechen nicht wirklich miteinander. Aber als Teil des Menschen sind sie natürlich irgendwie mitbeteiligt, wenn zwei Menschen miteinander sprechen. Es geht da eher um ein "Abfärben", um Vorbild und Nachahmung als um direkte Kommunikation (außer natürlich jemand wendet sich mit einer Bitte an eine Seele).
    Und die Menschen rden halt so über das, über was man so redet: das tägliche Leben, bestimmte Ereignisse, etc. Die Ishia können mit größter Ausdauer das Wetter oder die genauen Verwandschaftsverhältnisse einer Person diskutieren oder auch wer wann wo was gejagt hat.



    Der Text, den ich hier gepostet habe, ist ja nur ein Ausschnitt aus einem längeren. Ein paar der Punkte, die du angesprochen hast, waren schon für den großen Text vorgesehen (z.B. die Frage nach gut/schlecht). Auf andere Dinge wäre ich nie von selbst gekommen. Ich seh schon, mein Text wird länger und länger. %-)

    Wenn Gott allwissend ist, weiß er dann auch wie Papiertaschentücher schmecken?

    Einmal editiert, zuletzt von Shay ()

  • *reinschnei*


    Hey, schön, daß mal alles im Zusammenhang zu lesen. Hübsch geworden. :klatsch:


    Die angesprochenen Probleme der Selbstbestimmung und des Schicksalsglaubens sehe ich übrigens nicht sonderlich gravierend - nicht mehr, als in jedem anderen Glauben.
    Die Sache mit dem "reden die Seelen beständig untereinander/miteinander" gibt mir da schon mehr zu denken. Aber ich denke auch das ist mit dem "Abfärben geklärt.

  • Ich finde es sehr schön, dass dieser Gedanke: "Die Toten leben in unseren Erinnerungen weiter" umgesetzt wird. Denn ich habe das Gefühl, dass das recht schwer ist.


    Andererseits ist es für mich nie die allereleganteste Lösung alles auf Egoismus zu begründen. Die Welt ist mehr.

  • Hey,


    also ich finde die Idee und die Umsetzung sehr schön.
    Wie sich die Ishia das Individuum und dessen Entwicklung vorstellen, ist sehr interessant, vor allem weil manches ja gar nicht soo weit hergeholt ist.


    Toll finde ich auch, dass es in der Kultur Adoption gibt.


    Mir hat sich jetzt beim Lesen die Frage gestellt, was mit "bösen" Seelen passiert. Du schreibst ja schon, dass sich die Menschen an diese ganzen Verhaltensregeln halten, aber trotzdem besteht ja die Möglichkeit sich "unbeliebt" zu machen. Was passiert mit einer Seele, die z.b. viele Stammesangehörige auf dem Gewissen hat, nach dem Tod des Körpers? Sind die Seelen dann sozusagen auch nach dem Tod "böse" und fabrizieren solche Sachen, die wir unter Spuk abtun würden? Oder gibt es so etwas in dem Glauben gar nicht?



    (Der Text ist allerdings sehr kompakt. Vielleicht würden kleine Überschriften etwas auflockernd wirken... Oh Gott, jetzt machen sich grade die Marketingkurse bemerkbar... :-X )

    +Pandora muss jetzt gleich die virtuelle Welt verlassen
    <+Yllar_bastelt> virtuelle welt *umschau* das is nich echt?!
    <+Eld> doch - alles wird gut, ylli
    <+Yllar_bastelt> hui.. gut

  • Zitat

    Andererseits ist es für mich nie die allereleganteste Lösung alles auf Egoismus zu begründen. Die Welt ist mehr.


    Hallo Schlangenhaar. Kannst du den Satz noch ein bißchen genauer erklären? Ich kann dir da nicht ganz folgen ;)


    Pandora
    "Spukerscheinungen" können sowohl auf gute als auch auf böse Seelen zurückgehen. Aber eine "gute" versucht zumindest ihren Verwandten zu helfen. Eine "böse" will zerstören, will andere Seelen auffressen.


    Aber die Ishia unterteilen weniger in gut und böse als in gefährlich und ungefährlich. Und was gefährlich ist, mag für den einen etwas anderes sein als für den anderen. Sie glauben an so eine Art "Seelen-Darwinismus". Die stärkere Seele "frisst" die schwächere. Wenn ich mich selbst für stark halte, muß ich vor der Begegnung mit anderen keine Angst haben. Wenn nicht, hab ich ein Problem.

  • Tja, du hast Recht, das muss ich wirklich erklären.
    Also:


    Du schreibst:

    Zitat

    Denn die Ishia glauben, daß nicht nur Menschen, sondern auch Seelen letztendlich nur aus Eigennutz handeln.


    (Und diese Einstellung wird auch aus ihren Ansichten deutlich.)


    Ich glaube, Eigennutz oder Egoismus,wie ich ihn nannte, ist eine starke Triebkraft der Menschen, vielleicht sogar die stärkste, und sicherlich auch die zuverlässigste, aber nicht die einzige.
    Auch andere Gefühle, wie Loylität oder Hilfsbereitschaft (ohne Hintergedanken) beeinflussen die Menschen stark, und kein Menschenvolk meiner Welt wird diese Aspekte in seiner Weltsicht auslassen.


    Und wenn ich eine Welt konstruieren würde, in der alles auf Egoismus aufbaut, würde ich sie in die Tonne treten. Denn sie würde mir zu kalt vorkommen.
    Aber, es ist nur ein Volk und deine Welt. Daher sollte "nicht die allereleganteste Lösung" auch nur einen leichten Anflug von Unmut bedeuten.


    Ich hoffe, es ist klar geworden , was ich meine.

  • Hab mir alles jetzt durchgelesen und finde das Konzept sehr interessant. Wenn ich es richtig verstanden habe wird das Konzept "Bestreben, seine eigenen Gene weiter zu geben" auf Seelen angewandt. Quasi, "seine eigene Seeleneinfärbung weiter geben". Sehr interessant und ein tolles Konzept!


    Zitat

    kein Menschenvolk meiner Welt wird diese Aspekte in seiner Weltsicht auslassen


    Die Aspekte werden nach Shays Ausführungen doch nicht ausgeklammert, im Gegenteil, sie werden doch sogar durch diese Lebenseinstellung unterstützt! Es ist nun mal so dass die mit Abstand stärkste Triebfeder, um nicht zu sagen die Einzige, allen Lebens die ist, das Leben an sich im allgemeinen und seine eigenen Gene im Speziellen zu erhalten. Das hat grundsätzlich erstmal egoistische Züge, hat aber in letzter Konsequenz dennoch auch so etwas wie Altruismus und Selbstaufopferung zur Folge. Es ist nun mal eine Tatsache dass man sich lieber für jemanden aufopfert der zu seiner Familie gehört, als für jemanden der zu seinem Freundeskreis gehört als für jemanden fremdes. Eigene Gene vor Leuten, die meinen Nachkommen/Verwandten helfen vor Leuten mit denen ich nichts zu tun habe. Natürlich gibt es Ausnahmen davon, aber die gibt es immer.
    Doch selbst in dem Wissen dass letztlich im Innersten des Menschen diese Auswahl getroffen wird ist der Mensch an sich nicht kalt. Wer hat nicht schonmal was für einen Freund/für die Familie gemacht obwohl es eigentlich eine dumme Idee war, und ich wette niemand hat dabei bei der Entscheidung das zu tun an seine Vererbung gedacht.


    Ein Ishia der im Alleingang eine Horde Feinde aufhält damit seine Familie fliehen kann denkt sicher nicht: "Jetzt wird meine Seele durch ihre Verehrung stärker", sondern eher "ich kann nicht zulassen dass die, die ich liebe umkommen". Die Familie andererseits wird genau das denken, denn es erleichtert die Trauer.


    Meiner Meinung nach unterstützt das System Loyalität, Hilfsbereitschaft und Selbstaufopferung mehr als z.B. das Christentum, einfach weil jemand der egoistisch handelt damit nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie und Freunde in den Schmutz zieht.
    Um mal kurz beim Christentum zu bleiben: nach deiner Argumentation ist die westliche Weltanschauung auch reif fürs Klo (wirkliche Meinung des Autors (also mir) und des Lesers mal ausgelassen), einfach weil dort auch gilt: "wenn ich jetzt gut zu anderen bin, werde ich im Jenseits dafür belohnt". Das ist doch ebenso egoistisch, und trotzdem ist es Leitkultur (um den Begriff mal zu nutzen) in weiten Teilen der Welt



    Ich hoffe ich hab das so richtig verstanden. Kommentare von Shay?

    Selbst wenn man sagt dass man außerhalb von Schubladen denkt, bestimmen immer noch die Schubladen das Denken. Erst wenn man sich bewusst ist dass die Schublade selbst nicht existiert kann man wirklich Neues erfinden


    INDEX DER THREADS ZU LHANND

  • Ich würd gerne dran erinnern, daß die Ishia Nomaden sind, die in einer sehr unwirtlichen Gegend leben und überleben müssen. Das kann man natürlich auch einzeln, aber der Mensch hat sich im Laufe der Evolution nicht umsonst zu Gruppen zusammengeschlossen, gerade, wenn es hart wurde. Gerade widrige Umstände schweißen zusammen, ob man das jetzt Altruismus nennen möchte, Familiengefühl oder Instinkt, sei jetzt mal dahingestellt. ;)


    Die Konkurrenz ist groß, aber darum eben auch der Zusammenhalt und die Bereitschaft, etwas für den Freund oder Verwandten aus der eigenen Sippe zu tun.

    Ist doch nur meine Meinung. Ich find ja auch die Drachenlanze blöd, und Millionen Leute lieben die Bücher trotzdem.

  • Zuerst einmal Entschuldigung, daß ich mich erst jetzt melde. Die Arbeit hat mir in den letzten tage keinerlei Muße gelassen.


    Gerion
    Ich stelle dich ein, um meine verschwommenen Gedanken für andere klarer zu formulieren. Stimmt haargenau.


    Einen Unterschied zur Weitergabe von Genen gibt es aber. Bei der Fortpflanzung habe ich zwei Möglichkeiten. Entweder meine Gene bleiben erhalten, oder sie bleiben es nicht. Bei den Seelen gibt es drei Möglichkeiten. Man kann "gut" und stark sein, "böse" und stark sein, oder schwach sein und gefressen werden. Das letzte ist nichts, was man wirklich will. Die allermeisten Ishia werden die erste Möglichkeit anstreben, nur sehr wenige die zweite. Warum weiß ich nicht genau. Ich denke, es ist ein Grundzug des Menschen, daß er in den seltensten Fällen plant, ein verkommenes Arschloch zu werden.


    Und damit komme ich nochmal zu Schlangenhaar
    Ein wichtiger Punkt bei unserer Welt ist, daß die Menschen dort biologisch/psychologisch/genetisch haargenau genauso sind wie auf unserer Welt. Nur die Kulturen sind anders. Vielleicht sind die Ishia nicht gar so egoistisch, wie hier dargestellt, aber sie glauben es, beziehungsweise predigen es. Nur weil es das Ideal ist, heißt das aber nicht, daß es immer so gelebt wird. Katholische Priester sollten ja theoretisch auch keusch leben ;)
    Die vorgegebene Lehrmeinung ist ganz klar "Schau, daß deine Familie/dein Stamm überlebt und scher dich einen Dreck um Fremde". Die Ishia leben in kleinen Gruppen. Innerhalb eines Stammes sind alle miteinander verwandt. Gegenüber dieser Gruppe wird sogar ein extrem hohes Maß an Selbstaufopferung verlangt. Aber eben nicht gegen Fremde. Wie Silph schon geschrieben hat: die Ishia sind Nomaden, die unter sehr harten Bedingungen leben. Jeder Winter birgt die Drohung einer Hungersnot oder Seuche. Jeder Jagdzug kann tödlich enden. Jeder Kampf kann in der weitgehenden Vernichtung der erwachsenen Krieger enden. Dazu gibt es sehr wenig Kontakt mit Fremden und der ist in aller Regel feindlich. Ich denke, in dieser Situation wäre eine Philosophie der Nächstenliebe gegenüber gruppenfremden sehr unlogisch. Das heißt aber nicht, daß ein einzelner Ishia, der gerade ausreichend Vorräte hat und einem Verhungernden begegnet, dem nicht vielleicht doch hilft - aber er hofft halt, daß es nicht rauskommt ;)

  • Zitat

    Original von Shay
    Das heißt aber nicht, daß ein einzelner Ishia, der gerade ausreichend Vorräte hat und einem Verhungernden begegnet, dem nicht vielleicht doch hilft - aber er hofft halt, daß es nicht rauskommt ;)


    Würde ihm dann eine Strafe drohen? Das wäre ja dann eine "schlechte" Tat, da er statt die Vorräte nur an den Stamm zu verteilen, etwas davon "verschwendet" --> schadet dem Stamm, wenn auch nicht sehr stark (wenn ich alles soweit richtig verstanden habe). Falls ja, welches Strafmaß?


    Zitat

    Original von Shay
    Katholische Priester sollten ja theoretisch auch keusch leben ;)


    Elender Ketzer! ;)

  • Zum Thema "Recht und Gesetz" habe ich mir bei den Ishia noch keine Gedanken gemacht. Wahrscheinlich würde der Rat der Krieger entscheiden und das Strafmaß je nach Situation festlegen. Aber die Person müßte auf jeden Fall damit leben, auf alle Zeit als granzenloses Weichei zu gelten - und als nicht ganz richtig im Kopf. Jemand, der sich seiner Stärke und seines Ansehens sicher ist, könnte damit aber vielleicht durchkommen.

  • *wuselt mit Schaufel durchs Forum*
    Diese Naturphilosophie wirkt sehr interessant, also mit dem ganzen Seelen drum und dran. Das Ganze erinnert auch ein wenig an einen Ehrenkodex. "Bevor du jemanden anbettelst, tu es selbst und verdiene dir Respekt."
    Allerdings habe ich eine Frage:
    Nehmen wir mal an eine recht mächtige Seele gewährt ihre Unterstützung. Wie muss man sich das vorstellen? Die Seele kann einer anderen ja ihre Kraft zur Verfügung stellen, wie du oben irgendwo sagtest, aber wie äußert sich das? Ist die betreffende Person selbstsicherer, rationaler? Oder werden tatsächlich die körperlichen Fähigkeiten erhöht? Letzteres kann ich mir nicht so richtigvorstellen.
    Und was wäre jetzt, wenn man das Beispiel mit dem Nahrung an verhungernden Fremden abgeben weiterverfolgt, wenn derjenige jetzt aber rhetorisch recht gut drauf ist. Ist sowas im allgemeinen verpöhnt Sachen durch sprachliche Fähigkeiten zu erklären bzw zu gewinnen, oder gibt es sowas gar nicht? Wenn er zum Beispiel argumentieren würde, dass er von dem Fremden Informationen erhalten hat, oder das Versprechen auf Nahrung, eine spätere Wiedergutmachung oder überhaupt irgendetwas von Wert. Gibt es Tauschgeschäfte unter Ishia, oder ist auch das verpöhnt, da das Teilen der Beute als selbstverständlich, weil überlebensnotwendig, und edel betrachtet wird?

    Projekt: Mythowelt
    Schritt 1: Wir setzen "x" Stämme in verschiedenen Umgebungen aus, schauen alle generation mal vorbei und sehen nach, ob sie sich noch in menschlichen Bahnen bewegen. Unter Einbeziehung der neokonservativen Lehre.

  • *auf aktuellen Avatar deut* Es gibt KEINE Magie af Aurhim und auch keine übernatürlichen Phänomene, die als "real" gesetzt werden. Aber wie heißt es so schön: Der Glaube versetzt Berge. Wenn ein Ishia glaubt, daß ihm ein mächtiger Geist hilft, dann läuft alles besser, weil er GLAUBT, daß es besser laufen wird. Und wenn es nicht besser läuft, dann hat ihm der Geist wohl nicht geholfen.


    @Argumentieren
    Die Gabe der Himmelskinder ist die Gabe der Überzeugung (steht im dortigen Thread), d.h. die Möglichkeit, Leute durch bloßes Reden von etwas zu überzeugen, was ihnen eigentlich nichts bringt (Stichwort: Haustürverkäufer). Die Ishia sind Menschen und natürlich wird auch bei ihnen über alles mögliche diskutiert. Wenn der freigiebige Spender also seinen Stamm davon überzeugen kann, daß es letztendlich zum Nutzen des Stammes war, was er da gemacht hat, dann ist das natürlich in Ordnung. Und getauscht wird fleissig. Hauptsächlich zwischen den verschiedenen Stämmen, aber auch mit Fremden, wie den Neshtiseque im Westen oder den Kravenikken im Osten. Von den Mai San und den Talenern im Süden nehmen sie es sich lieber mit Gewalt ;)

  • Ich finde den Text verständlich und inhaltlich plausibel. Die Religion scheint ja weitgehend dem Schamanismus wie man ihn auch aus unserer Welt kennt, mit Ahnenverehrung, Geistern statt Göttern etc., zu entsprechen. Und wie man sieht kann eine Menge des sozialen Verhaltens des Volkes damit erklärt werden.


    Ich frage mich nur ob nicht, wenn gerade der Ruf den Ishia so wichtig ist, dies eher zu scheinbar „gutem” Verhalten als echt gutem Verhalten führt. Frei nach der Devise: Ich kann mich so egoistisch und schädlich verhalten wie ich will, es darf nur keiner merken. Aber okay, ich nehme mal an, dass die Gesellschaft der Ishia gar nicht komplex genug ist, um so etwas zu erlauben… in einer kleinen Gruppe weiß eh jeder alles.


    Zitat

    *auf aktuellen Avatar deut* Es gibt KEINE Magie af Aurhim und auch keine übernatürlichen Phänomene, die als "real" gesetzt werden.


    Schade! ;D Aber wenigstens die Bewohner der Welt glauben ja anscheinend daran… ;)


    (Woher habt ihr eigentlich alle diese Avatare? Hab ich da einen Trend verschlafen? :o)

    „Destruction is a form of creation. So the fact that they burn the money is ironic. They just want to see what happens when they tear the world apart. They want to change things.” — Donnie Darko
    ionfluxda.deviantart.com

  • Das mit dem scheinbar guten Verhalten und dem echten guten Verhalten liegt in dem Charakter eines jeden einzelnen. Natürlich gibt es immer Leute, die egoistisch oder selbstzentriert sind, oder die einfach glauben, daß Regeln nur für andere gelten. Genauso gibt es immer Leute, die an die Gemeinschaft denken oder sich einfach nur - aus verschiedenen Gründen auch - an die Gesetze halten.


    Die Ishia führen ein sehr hartes Leben, das Land ist kalt und Überleben ist oft alles andere als einfach. Auch kennt in den einzelnen Gruppen jeder jeden - sicher existiert die Möglichkeit, mit Fehlverhalten durchzukommen, genauso wie die Möglichkeit existiert, fälchlicherweise für etwas zur Verantwortung gezogen zu werden, was man nicht getan hat. Das Gesellschaftssystem ist nicht unfehlbar. Der Mensch ist das auch nicht - zum Glück, sonst wären viele Geschichten ziemlich langweilig ;)

    Ist doch nur meine Meinung. Ich find ja auch die Drachenlanze blöd, und Millionen Leute lieben die Bücher trotzdem.

  • Mich würde mal interessieren, wie egoistische und selbstzentrierte Wesen, also die es wirklich bunt treiben, in so einer Gesellschaft überleben können. Würden die nicht einfach ausgestoßen werden? Ich meine, wieso sollte man Ballast in einer rauhen und unwirtlichen Gegend mit durchfüttern, wenn er mehr Probleme als Vorteile bringt? Nahrungsmittel und dergleichen sind ja knapp, so wie ich das verstanden habe.


    Und was mich noch interessieren würde:
    Die Seele wird ja von der Umgebung geprägt...Die Ishia wissen das ja auch, nehme ich an, also was ist nun mit Kindern von den "schwarzen Schafen" der Gesellschaft? Oder von großen Helden? Haben die es prinzipiell einfacher oder schwerer in der Gesellschaft anerkannt zu werden? Frei nach dem MOtto "Sein Vater ist Richter, der muss gut sein." Und stimmt das immer? Ich meine etwas gelesen zu haben, dass die Seele selbst auch mit zu reden hat, hat also zB der Sohn eines "weicheis" oder Verschwenders die Möglichkeit anerkannt zu werden, weil er den Regeln folgt oder ähnliches?
    Oder äußert sich die Philosophie eher subtiler?

    Projekt: Mythowelt
    Schritt 1: Wir setzen "x" Stämme in verschiedenen Umgebungen aus, schauen alle generation mal vorbei und sehen nach, ob sie sich noch in menschlichen Bahnen bewegen. Unter Einbeziehung der neokonservativen Lehre.

  • Wenn den Ishia jemand wirklich auf den Keks geht und durch sein egoistisches Verhalten den Stamm in Gefahr bringt, dann wird der nicht einfach ausgestoßen, sondern hingerichtet - und zwar schön langsam! ;D Irgendwie scheinen hier die meisten die Ishia für nette Kerle zu halten - ihre Nachbarn auf Aurhim sind da anderer Meinung. Für die sind das Hunnen. Blutrünstige Barbaren, gegen die kein Kraut gewachsen ist ;D


    Und zu deiner zweiten Frage habe ich ein schönes Beispiel, nämlich meinen Lieblingsishia Shay (genau, DER Shay, nach dem ich mich hier benannt habe).


    Shays Vater war der Häuptling der Luchsschatten-Ishia, und da dieses Amt bei den Ishia nicht erblich ist, sondern allein auf Respekt beruht, war er ein sehr angesehener Mann. Auch die Mutter genoß einiges Ansehen. Von beiden glaubte man, daß sie aus einer sehr starken Abstammungslinie stammten. Sie waren stolz auf ihre Vorfahren und hatten auch Grund dafür.
    Shay hat noch einen älteren Bruder, Firas. Bei den Ishia sind die Kinder üblicherweise recht weit auseinander und Firas ist 7 Jahre älter als Shay. Firas galt von klein auf als hoch talentiert. Er zeigte früh eine außergewöhnliche Begabung für alles, was den Ishia wichtig ist (Kampf, Jagd, Ausdauer, Selbstbeherrschung...). Schon als Teenie war er der Anführer seiner Altersgenossen und je älter er wurde, desto größer wurde die Schar seiner Anhänger. Bald gab es viele, die ihn für den nächsten Häuptling als gesetzt sahen (darunter auch sein Vater). Verwundert hat das keinen. Bei der Abstammung und Umgebung mußte er ja eine ausgesprochen starke Seele haben.
    Aber Firas war und ist zwischenmenschlich eine ziemliche Null. Er ist arrogant, hartherzig und hat nicht das geringste Verständnis für Leute, die nicht so begabt sind wie er. Je älter er wurde, desto größer wurde darum auch die Gruppe derjeniger, die sich sicher waren, daß er als Häuptling eine Katastrophe wäre. Aber sie waren in der Unterzahl und einer von ihnen beschloss schließlich zu handeln. Der genaue Ablauf tut hier nichts zu Sache. Wichtig ist nur, daß Firas' Verlobte ermordet wurde, und man ihm den Mord unterschob. Er hatte zwar eine Ahnung, wer hinter der Sache steckte, aber er hatte keinen Beweis und bevor er wegen Mord hingerichtet werden konnte, ist er ins Exil geflohen.


    In seinem Stamm wurde diese Flucht als Schuldeingeständnis gewertet. Was aber fast noch schwerer wog als der Mord, war die Tatsache, daß Firas zu diesem Zeitpunkt der einzige war, der in gewisse wichtige rituelle Dinge eingeweiht war, und daß er einen der dringend benötigten Zuchthengste mitgenommen hat (es war seiner, aber das hat den Stamm trotzdem hart getroffen). Die Meinung über ihn schlug komplett um. Niemand hielt ihn jetzt noch für bewundernswert, sondern alle zerrissen sich das Maul darüber, daß er von außen so perfekt gewirkt hatte und innen doch total verdorben war.


    Die Mutter war schon ein paar Jahre vorher gestorben, sie hat das also nicht getroffen. Aber Firas' Vater war am Boden zerstört. Davon, daß die Familie jetzt plötzlich entehrt war und auch daß er sich selbst so in seinem Sohn getäuscht hatte. Er verlor jeden Lebenswillen, ließ sich verwahrlosen und starb im nächsten Winter an einer Lungenentzündung oder so. Noch so einer, der zuerst als stark gab und sich dann als innerlich verdorben erwies.


    So, und jetzt kommen wir zu Shay und was die Leute über ihn dachten:
    Die ersten zehn Jahre seines Lebens stand er im Schatten des großen, von allen bewunderten Bruders. Er zeigte zwar ähnliche Anlagen, war aber einfach viel jünger und konnte deswegen natürlich nicht mithalten. Er galt als durchaus vielversprechend, aber bis er selbst Einfluß haben würde, würden noch einige Jahre vergehen.
    Als sein Bruder flieht und wenig später der Vater stirbt ist Shay zehn. Er ist damit gerade in einem Alter, wo bei den Ishia Waisen nicht mehr adoptiert werden, sondern nur vom ganzen Stamm versorgt, bis sie ein paar Jahre später erwachsen sind (bei den Ishia mit 14). Es gab also niemanden, der ihn als engeres Familienmitglied empfand. Und nachdem Vater und Bruder sich als so enttäuschend erwiesen hatten, lag es nahe, bei ihm das gleiche zu erwarten. Denn die Seelen "färben" ja ab und wenn er so lange mit diesen beiden zusammengelebt hatte, mußte er davon ja auch betroffen sein. Wenn Shay als Jugendlicher irgendetwas falsch machte, oder irgendwelche Schwächen zeigte, hieß es sofort "Ich hab's ja gewußt." Machte er etwas richtig oder war er in etwas gut, hieß es: "Laßt euch davon nicht blenden. Bei seinem Bruder hätte es vorher auch niemand gedacht."


    Shay entwickelte mit der Zeit durchaus das Talent, das man ihm ursprünglich zugetraut hatte. Und anders als Firas, ist er durchaus in der Lage, sich auf andere einzulassen. Ob das an einer angeborenen Veranlagung liegt, oder daran, daß er durch seine Außenseiterposition dazu gezwungen war, weiß ich nicht. Ich bin ja auch kein Psychologe ;) Aber niemand wollte ihm eine Chance geben. Kein Mädchen wollte sich mit ihm einlassen. Sie hatten alle viel zu sehr Angst, daß er innerlich doch verdorben war und ihre eigene Seele damit in Gefahr bringt. Vielleicht hätte er es im Laufe der Jahre geschafft, sich irgendwo eine Position im Mittelfeld der Rangordnung zu erkämpfen, aber wahrscheinlich hätte er als verbitterte Einzelgänger geendet. Genau weiß man es nicht, denn mit 18 hat auch Shay seinem Stamm den Rücken gekehrt und sein Glück in der Fremde versucht.


    Das ist nur ein Beispiel und sicher ein ziemlich extremes. Er hatte vor allem das Problem, daß Vater und Bruder beide zuerst als gut galten und dann abstürzten. Wie soll er beweisen, daß er wirklich durch und durch gut ist und der Absturz nicht noch kommt?
    Wenn dagegen z.B. der Vater immer ein Weichei ist und der Sohn sich dann anders zeigt, dann hat er schon eine Chance, daß er in der Achtung aufsteigt.


    Letztendlich ist das ja alles nicht so einfach einzugrenzen. So ein Ishia-Stamm hat vielleicht ca. 100-200 Leute. Letztendlich hat da jeder mit jedem Kontakt. Wer könnte da nachher sagen, daß die Seele nur Dinge von den Eltern und nicht auch von Onkels, Tanten, Freunden oder Nachbarn aufgenommen hat?
    Diese Philosophe der Ishia eignet sich einfach viel besser dazu, im Nachhinein etwas zu erklären, als von vornherein irgendwelche Vorhersagen zu machen. Und wo sie doch Vorhersagen macht, kann es leicht passieren, daß sie zu sich selbsterfüllenden Prophezeiungen werden.

  • Hui, spannende Geschichte. Wie gehts weiter? ;D


    Zitat

    Für die sind das Hunnen. Blutrünstige Barbaren, gegen die kein Kraut gewachsen ist


    Sag das doch gleich. ;)


    Wie weit denken die Ishia nun rückwärts? Äh, ich meine, sind die Vorfahren von Firas jetzt in ihren Augen auch nur scheinbar Gute?

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