Aversion gegen Fantasyklischees?

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    Sagen wir es so: würdest du eine Geschichte lesen, in der sich Harry und Voldemort zu einem netten Kaffeekränzchen zusammensetzen, weil das Böse(TM) durch Ereignis X eingesehen hat, dass seine Handlungen falsch sind?


    Jaa, her damit.
    Ich wollte sowas mal schreiben. ;)


    Zitat

    klassisches Beispiel: ein Psychopath ist kaum menschlich, im Sinne von human, da man weder von irgendeiner empfundenen Liebe noch von Mitgefühl schreiben kann, die können höchstens vorgetäuscht werden, etwa um bestimmte Ziele zu erreichen.


    Kleiner Einwand: Psychopathen sind auch Menschen. Es gibt auch Leute, die sich dessen bewusst sind, dass sie nicht in der Lage sind, Empathie zu fühlen wie die meisten ihrer Mitmenschen, aber dennoch imstande sind, ein ethisches Leben zu führen. Die sollte man nicht alle in den selben Topf werfen.

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    Vielleicht bin ich ja atypisch, was die Grauempfindung angeht, aber ich finde, Grau fängt schon dort an, wo man mit normalen Leuten zu tun hat.


    Das war ja der ursprüngliche Sinn des "Grau". Aber dann haben viele Leute angefangen "graue Moral" mit Antihelden gleichzusetzen. Und letztlich lässt das schwarz-grau-weiße Spektrum kaum Raum für die Eigenwahrnehmung der Charaktere und schaut quasi nur auf ihre grauen Seiten...also ihre schattigen Seiten. Auch du interpretierst "grau" (scheinbar) mit einem Fokus auf die schlechten Seiten der Charaktere. :)


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    Allerdings bin ich eher das Gegenteil von dem was Bastet sagt. Oder Merlin. Ich versuche also nicht alle Charaktere möglichst dunkel darzustellen, sondern alle Charaktere irgendwie nachvollziehbar zu machen.


    Das würde ich so allerdings auch tun. :)


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    klassisches Beispiel: ein Psychopath ist kaum menschlich, im Sinne von human, da man weder von irgendeiner empfundenen Liebe noch von Mitgefühl schreiben kann, die können höchstens vorgetäuscht werden, etwa um bestimmte Ziele zu erreichen. Daher: just why not? Da braucht es nicht immer hochtragische Hintergrundgeschichten, die Anlagen zu vielen psychischen Störungen, von denen wir einige nunmal als böse, weil unhuman bezeichnen, sind gegeben, die Umwelt verschlimmert die Ausprägung allerdings.


    Solche Antagonisten sind tbqh nicht mein Fall. Ich denke, dass Wörter wie "Sadist" oder "Psychopath" IRL und in Büchern verhunzt werden. Denn viele Serienmörder, Terroristen oder Amokläufer schreiben Manifeste oder führen sogar Gruppen an, viele Folterknechte haben ein gruseliges Weltbild, leiden aber nicht unbedingt an einer geistigen oder seelischen Krankheit. Psychopathen (also Leute ohne Empathie, die derzeitige diagnostische Einteilung kenne ich nicht) sind auch eher selten auch nur ansatzweise so dramatische Bösewichter wie in Geschichten.



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    Da braucht es nichtmal eine Ideologie oder ähnliches.


    Äh, da ist immer Ideologie im Spiel. Wenn jemand machtgierig ist, dann liegt das daran, dass in dessen Ideologie Macht eine große Rolle spielt, als wichtig empfunden wird. Die Leute fallen nicht machtgierig vom Himmel. ;)

  • Psychopathen sind auch Menschen. Es gibt auch Leute, die sich dessen bewusst sind, dass sie nicht in der Lage sind, Empathie zu fühlen wie die meisten ihrer Mitmenschen, aber dennoch imstande sind, ein ethisches Leben zu führen. Die sollte man nicht alle in den selben Topf werfen.

    Psychopathen sind sogar häufig gut integriert in der Gesellschaft. Viele haben feste Jobs, sind verheiratet und haben Kinder. Anders als die weit auffälligeren Soziopathen.



    Solche Antagonisten sind tbqh nicht mein Fall.

    tbqh? Unfall oder mir nicht geläufige Abkürzung?



    Psychopathen (also Leute ohne Empathie, die derzeitige diagnostische Einteilung kenne ich nicht) sind auch eher selten auch nur ansatzweise so dramatische Bösewichter wie in Geschichten.

    Psychopathie und Soziopathie findet man nicht im ICD-10 der WHO. Die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 (auch 'antisoziale Persönlichkeitsstörung' nach dem amerikanischen DSM-5) entspricht den vorgenannten Bergriffen am Ehesten. Jedoch existieren nicht nur unterschiedlichste Theorien über die Gründe, sondern bereits alleine über die Auslegung der Begriffe Psychopathie und Soziopathie herrscht Uneinigkeit. Allerdings scheint Letztere zunehmend aus dem (Sprach-)Gebrauch zu verschwinden.


  • Das war ja der ursprüngliche Sinn des "Grau". Aber dann haben viele Leute angefangen "graue Moral" mit Antihelden gleichzusetzen. Und letztlich lässt das schwarz-grau-weiße Spektrum kaum Raum für die Eigenwahrnehmung der Charaktere und schaut quasi nur auf ihre grauen Seiten...also ihre schattigen Seiten. Auch du interpretierst "grau" (scheinbar) mit einem Fokus auf die schlechten Seiten der Charaktere. :)


    Nur dann, wenn ich die "Guten" betrachte, wie es im Beitrag vor meinem auch Bastet mit ihrem lügenden Protagonisten gemacht hat. Wenn ich die "Bösen" ansehe, kommen mit dem Grau die guten Seiten des Charakters rein.


    Unklarheiten gibt es dabei natürlich dann, wenn bei etwas nicht klar definierbar ist, ob es gut oder schlecht ist. Aber da kommen wir dann in noch philosophischere Gefilde als ohnehin.

    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

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    Äh, da ist immer Ideologie im Spiel. Wenn jemand machtgierig ist, dann liegt das daran, dass in dessen Ideologie Macht eine große Rolle spielt, als wichtig empfunden wird. Die Leute fallen nicht machtgierig vom Himmel. ;)


    Aber imo nicht zwingend eine gesellschaftliche Ideologe, das muss keine solche sein, die zwingend darauf aus ist eine Gesellschaft zu verändern oder seine eigenen Ideen durchzubringen. Ich glaube nicht, dass jeder Macht will, um seine Ideen durchzubringen.
    Macht ist etwas Egoistisches, Machthaber fürchten um den eigenen Status und den eigenen Ruhm - und dem letzten würde ich iwo auch widersprechen, denn geltungsbedürftig ist bis zu einem gewissen Grad so ziemlich jeder Mensch, weil man im Normall nicht übersehen oder nur von anderen Menschen beeinflusst werden will. Bei manchen verschlägt sich's im Extrem. Statussymbole sind eben auch wichtig - und es gibt kein Größeres als der Herrscher eines Landes zu sein.


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    Nur dann, wenn ich die "Guten" betrachte, wie es im Beitrag vor meinem auch Bastet mit ihrem lügenden Protagonisten gemacht hat. Wenn ich die "Bösen" ansehe, kommen mit dem Grau die guten Seiten des Charakters rein.


    Nunja nicht nur das. Wenn ein Protagonist Selbstzweifel, Angst, Sorgen, Trauer, aber auch alle möglichen guten Gefühle empfindet, macht ihn das für mich auch menschlich.
    Grau ist vll. nicht der passende Ausdruck. Einschichtig und vielschichtig wäre da vll besser angebracht ^^

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    Nur dann, wenn ich die "Guten" betrachte, wie es im Beitrag vor meinem auch Bastet mit ihrem lügenden Protagonisten gemacht hat. Wenn ich die "Bösen" ansehe, kommen mit dem Grau die guten Seiten des Charakters rein.


    Verständlich. :)


    Zitat

    Aber imo nicht zwingend eine gesellschaftliche Ideologe, das muss keine solche sein, die zwingend darauf aus ist eine Gesellschaft zu verändern oder seine eigenen Ideen durchzubringen. Ich glaube nicht, dass jeder Macht will, um seine Ideen durchzubringen.


    Gut, ich meinte Weltsicht und du redest hier von sowas wie Sendungsbewusstsein?


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    Macht ist etwas Egoistisches, Machthaber fürchten um den eigenen Status und den eigenen Ruhm - und dem letzten würde ich iwo auch widersprechen, denn geltungsbedürftig ist bis zu einem gewissen Grad so ziemlich jeder Mensch, weil man im Normall nicht übersehen oder nur von anderen Menschen beeinflusst werden will. Bei manchen verschlägt sich's im Extrem. Statussymbole sind eben auch wichtig - und es gibt kein Größeres als der Herrscher eines Landes zu sein.


    Wenn du darauf hinaus willst, dass egoistische Charaktere gute Antagonisten sind, dem würde ich nicht widersprechen wollen.
    Mir geht es mehr darum, dass Herrscher ihre Macht oft rechtfertigen, dass alles "zum Wohl des Volkes" geschieht oder das es "um das Reich" geht oder "der Wille der Götter" getan wird und der Kaiser ist nur ein Werkzeug des göttlichen Willens-- dadurch ist dann alles erlaubt, schließlich haben die Götter es abgesegnet. Quasi das größere Wohl, die höher Macht, der Zweck der die Mittel heiligt, eine symbolische oder fiktive Autorität, der sich der Kaiser unterwirft. Er habe nur so viele Leute umbringen lassen, um sein Volk zu beschützen oder weil die Götter es so wollten. Es ging um Sicherheit, Frieden, Solidarität, es war ein Präventivangriff...und so weiter. Das steht halt schon im Kontrast zu einem Antagonisten, der böses Militär kontrolliert und böse Dinge tun will weil er im Namen des Ur-Bösen die Welt zerstören will. Nicht, dass ich irgendwas gegen solche Schurken (oder sonstige Fantasyklischees) hätte, aber ich konzentriere mich halt mehr auf die Propaganda, die Dinge die Leute glauben oder nach denen auch Zyniker, die nicht daran glauben, handeln.

  • Es ist ja egal, wie das Machtbestreben gerechtfertigt wird. Dann ist das Wohl des Volks oder der Wille der Götter nur ein Vorwand, der wahre Grund zählt und wenn dem so ist, dass es nur um die Furcht geht selbst Macht zu verlieren, brauch ich nicht mehr vom Antagonisten wissen.
    Was denen irgendwann mal Persönliches widerfahren ist, brauch und will ich von diesen Menschen ja gar nicht wissen. Schließlich möchte ich die richtigen Bösewichte ja hassen und nicht bemitleiden, aber gleichzeitig so wenig wie möglich mit deren POV in Berührung kommen. Da darf er gerne einfach böse sein, wenn er das, was er tut, glaubhaft hassenswert ist.^^

  • Da hier so eingehend über Macht gesprochen wird, und wieso Antagonisten sie zu ihrem eigenen (ggf. bösen) Nutzen verwenden, so wurde einem wesentlichen Aspekt mMn bislang keine Bedeutung geschenkt. Um es kurz zu halten, zitiere ich der Einfachheit halber mal Lord Acton: "Macht korrumpiert. Absolute Macht korrumpiert absolut."

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    dass es nur um die Furcht geht selbst Macht zu verlieren, brauch ich nicht mehr vom Antagonisten wissen.


    Was die Charakterisierung angeht, hast du völlig recht. Was die Thematik angeht...da kommt es darauf an, worum es in der Geschichte geht.


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    Was denen irgendwann mal Persönliches widerfahren ist, brauch und will ich von diesen Menschen ja gar nicht wissen.


    Ich glaube, da sind wir beide absolut einer Meinung. :)
    Ambige und komplexe Schurken, auch Fieslinge mit Vorgeschichte sind schon okay, denke ich.
    Aber die Schurken, deren absolute Unschuld jä durch unverdiente Gemeinheiten unterbrochen wird, sind nicht so mein Fall. Aus solchen Erzählungen ziehen gewisse Schweinebacken die Lehre, dass Missbrauchsopfer alle Täter wären oder, dass die Vorgeschichte eines Mörders seine Taten erklären und vor allem entschuldigen würde, weil es den Umständen gemäß stets keine Alternativen außer der Ermordung anderer Leute gäbe... :facepalm:
    Solche Platitüden vom üblen Elternhaus oder von den falschen Freunden usw. sind schon schlimm genug, wenn sie als Halbwissen geäußert werden. Aber dann auch noch als zentraler Bestandteil der Hintergrundgeschichte eines Antagonisten... nee, das ist echt grausig.

  • Ich bin bei diesem Thema etwas hin-und hergerissen. Antagonisten wie Sauron funktionieren sicher, auch wenn man keine Hintergrundgeschichte dazu hat. Trotzdem fand ich es bei Harry Potter ziemlich enttäuschend (und auch nicht unproblematisch), dass sich seine Gründe für sein Verhalten auf "er stammt aus einer bösen Inzuchtfamilie und wurde ohne Liebe gezeugt" beschränkt. Da hätte das Aufwachsen in einem Waisenhaus in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts durchaus noch interessantere Begründungen liefern können und damit meine ich jetzt nicht "er wurde misshandelt und kann gar nichts dafür", sondern die schlüssige Entwicklung bestimmter Überzeugungen und Weltbilder.
    In irgendeinem Zusammenhang, leider erinnere ich mich nicht mehr genau in welchem, habe ich mal die Bemerkung gehört, dass man viele Dinge erklären kann, aber nicht entschuldigen. Das muss nich ein-und dasselbe sein. Ich finde es schon wichtig, wenn auch Fantasy-Geschichten berücksichtigen, dass böse Taten nicht unbedingt etwas sind, was nur "andere" tun, die halt von Natur aus böse sind, sondern dass durchaus "normale" Menschen dazu verführt werden können und dabei vielleicht sogar noch überzeugt davon sind, dass sie das richtige tun.
    Trotzdem bin ich kein großer Freund von Geschichten, in denen alle gleich brutal sind, sondern mag es durchaus, wenn sich Protagonisten und Antagonisten auch moralisch unterscheiden. Wobei ich dann aus der Außenansicht immer wieder feststelle, dass Silaris "grau in grauer" ist, als ich mir das eigentlich auf den ersten Blick so vorstelle.

  • Einem Werk wie Büchern oder Filmen schadet es eher, wenn alles immer bis ins kleinste Detail erklärt wird, denn das bremst du Handlung aus (Ausnahme: Wir reden von lange Reihen, in denen so etwas nach und nach ans Licht kommt). Aber es reicht oft schon, mehr Hintergrund anzudeuten, damit etwas nicht furchtbar platt und ausgelutscht bleibt. "Der Böse ist böse, Punkt" finde ich langweilig, unglaubwürdig und faul.


    Ich habe gerade zum ersten Mal "Die Zwerge" von Markus Heitz gelesen (nur den 1. Band, also bitte nicht spoilern) und aus der Weltenbau-Perspektive tat das schon weh. Was ich alles nicht mochte:

    Ich hoffe, in den anderen Bänden wird das besser. Der Autor wird ja so hoch gelobt und gefeiert, dass da wirklich noch was kommen muss.


    Andere machen sich zu dem Thema übrigens auch viele Gedanken, neulich noch ein Autor von io9.com.

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