[Yrdanea] Märchen

Liebe Bastler, die Weltenbastler-Olympiade hat begonnen, das WBO-Tool ist vorbereitet. Bitte meldet euch schnell an. Viel Spaß dabei!
  • Hier sammle ich nach und nach allerlei Märchen aus Yrdanea. Einige mögt ihr in Variationen kennen (sie sind von Grimms Märchen inspiriert, aber neu interpretiert). Andere sind komplett eigene Erfindungen.


    Viele der Märchen haben yrdische Hexen als Thema.

    ...



    Das Märchen von der Kreuzbeere


    Es war einmal eine Kreuzbeere, die war schrumpliger als die Beeren um sie herum.
    Wenn Beerensammler an ihrem Strauch vorbeikamen, pflückten sie lieber andere Beeren,
    die prall in der Sonne glänzten und einen frischeren Eindruck machten.


    So zogen die Tage und Wochen vorbei, und die kleine Beere hing immer noch am Strauch.
    Sie war die letzte ihrer Zeit und sie könnte viele Geschichten darüber erzählen,
    was für Gestalten ihre zahlreichen Geschwister erwählt hatten. Jedoch:


    Sie war eine Beere, und Beeren können nicht sehen.
    Sie war eine Beere, und Beeren haben keine Stimme.
    Sie war eine Beere, und Beeren haben keine Sprache.


    Die Beere fiel. Sie kullerte über den Boden und spürte eine Mulde, in der sie zu träumen begann.


    Sie träumte, sie hätte Beine, und kletterte auf einen Baum.
    Sie träumte, sie hätte Hände, und wob ein komplexes Gespinst aus Tau.
    Sie träumte, sie hätte Augen, und betrachtete die ganze Welt.


    In ihr begann es zu kribbeln und zu krabbeln.
    Die Körnchen in ihrem Inneren platzten auf und aus ihnen krabbelten kleine Spinnen.


    Der Beerenleib bot den jungen Spinnen alles, was sie in den ersten Tagen ihres Lebens
    brauchten. Es interessierte sie nicht, dass diese Beere früher nicht so schön ausgesehen
    hatte, wie ihre Artgenossen.


    Sie aßen sich satt und krabbelten fort, auf den Spuren ihrer Geschwister.
    Die waren derweil an fernen Orten geschlüpft und taten sich ebenso gütlich
    an dem, was sie dort fanden.


    Die Moral von der Geschicht?
    Pflücke diese Beeren nicht!

  • Hätte der Adventskalender 25 Türchen, dann wäre es schon letzten Monat zu lesen gewesen.


    Eine alternative Moral der Geschichte wäre noch: Macht nix, dass du schrumpelig und nicht so schön bist. Immerhin wirst du nicht gegessen, sondern aus dir wächst neues Leben. Oder? ;)

    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

  • Da möchte ich mich doch mal für die Beziehung zwischen diesen Spinnen und der Kreuzbeere (Lavendel-Sternblüte?) interessieren. Da die Kreuzbeere gemeinhin gepflückt wird, scheint sie ja als Lebensmittel zu gelten. Also sind ihre Kerne nicht immer Spinnen?
    Sind die Spinnen gefährlich für die, die sie gegessen haben?
    Pflücke diese Beeren nicht, meint das Kreuzbeeren im Allgemeinen, oder die Verschrumpelten? Also, halte Dich fern von hässlichem.

  • Oha, die Namensgleichheit ist rein zufällig und nicht beabsichtigt. Vielleicht sollte ich mir da mal was einfallen lassen. Die Geschichte sowie die beschriebene Pflanze war eine sehr spontane Idee, weshalb da in die Benennung noch keine Zeit geflossen ist. Danke für den Hinweis!


    Die Beerenkerne dieser Pflanze sind immer Spinnen, aber die Pflanze trägt nicht unbedingt jedes Jahr Früchte - sondern nur, wenn in der Saison davor bestimmte Voraussetzungen erfüllt wurden.
    Dass ihre Beeren für essbar gehalten werden, liegt zum einen daran, dass es eine andere Pflanze gibt, der sie zum Verwechseln ähnlich sieht (was mich zu einem besseren Namen inspirieren könnte), und dass die Beeren nicht sofort nach Verzehr ihre Wirkung entfalten:
    Esse ich die Beeren, lösen sich beim Kauen die Spinnenkerne heraus und setzen sich im Körper fest. Wenn sie dann darin erwachen, nagen sie an ihrer Umgebung. Sobald sie im Körper herumlaufen, kann es auch sein, dass sie ausgespült werden. Wenn nicht und wenn sie darin erwachsen werden, legen sie Eier, aus denen Pflanzen sprießen. Deren Sprösslinge stoßen irgendwann durch die Haut nach außen. Das muss nicht zwingend lebensgefährlich sein, ist aber mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr unangenehm.


    Dieses Phänomen ist aber noch nicht überall bekannt, und insbesondere Fremde, die sich mit der Pflanzenwelt dieser Gegend nicht auskennen, sind gefährdet. Und natürlich Kinder, die das noch nicht gelernt haben.
    Tiere (Vögel, Nager, andere Pflanzenfresser), die im selben Wald leben, sind ebenfalls manchmal davon betroffen. Wie es sich verhält, wenn zum Beispiel ein Eichhörnchen so eine Beere frisst und dann von meinem Fuchs oder einem Menschen gegessen wird - also ob die Spinnen den Übergang in einen anderen Wirt überdauern - weiß ich nicht genau. Kochen oder Braten dürfte sie abtöten.


    Und das "Pflücke diese Beeren nicht" meint definitiv Kreuzbeeren im Allgemeinen, nicht nur die Verschrumpelten. Dass die Beere in dieser Geschichte verschrumpelt ist, wollte einfach nur eine andere Perspektive auf das Geschehen zeigen, wo keine anderen Lebewesen direkt betroffen sind. :)

  • Mmmmhhhh ... Kreuzbeerenmarmelaaadeee ... :sabber: ... aber gut durchgekocht.

    Man kann gar nicht so rundum stromlinienförmig sein, dass es nicht irgendeine Pappnase gibt, die irgendetwas auszusetzen hat.
    - Armin Maiwald

  • Ich find das Märchen toll <3 (und sowas hätte auch super in den Adventskalender gepasst mMn)
    Ich mag die Stimmung und den Schreibstil. Und die Idee aus Sicht einer Beere zu schreiben ist mal echt originell! :thumbup:


    Zur Biologie:
    Ist die Ähnlichkeit zwischen den beiden Beerensorten Zufall oder soll es z. B. bei der "Spinnenbeere" die Häufigkeit gefressen zu werden erhöhen?

    "Die Leichen der Euren werden genügen diese Ebene in Calislad, die Knochenebene, zu verwandeln. Ich sage euch noch einmal: geht!, hier und zwischen diesen Bäumen wartet nur der Tod auf euch.“

  • Danke für die ausführliche Antwort. Der Hinweis auf die Namensgleichheit sollte keine Kritik sein. Namensgleichheiten in verschiedenen Regionen, gar Welten, können immer mal vorkommen. Ich wollte einfach nur mal nachgefragt haben. Da mir das dann bei meiner Vorstellung der Beere hätte helfen können.

  • @Hans
    Kein Problem. Ich fand den Hinweis auch wirklich hilfreich, weil ich vergessen hatte, nach dem Begriff zu googeln (was ich normalerweise tue, wenn ich mir sowas erdenke - eben um falsche Assoziationen zu vermeiden). Für eine Vorstellung der Beere sollte ich vielleicht mal eine Illustration anfertigen. Dann kann ich auch entscheiden, wie die Pflanze und ihre Frucht sowie die Spinnen überhaupt konkret aussehen (das weiß ich noch nicht :) ). Sinnvolle neue kleine Aufgabe! :D

  • Toll geschrieben und weltenbastlerisch sehr kreativ.
    Die Pflanzen, die aus dem Körper der Opfer wachsen, erinnern mich an diesen Pilz, der Ameisen zu Zombies macht.
    Sehr spannend finde ich auch, dass aus den Samen Spinnen werden, die Eier legen, aus denen Pflanzen wachsen. D.h. es gibt einen Generationenwechsel zwischen einer mobilen und einer ortsfesten Form, die auf den ersten Blick wie zwei unterschiedliche Arten wirken. Das ist genau wie bei Quallen. Von Landlebewesen kenne ich das allerdings nicht. :thumbup: :thumbup: :thumbup:

  • Schönes Märchen. Vom Märchen selber war mir jetzt nicht ganz klar, was da vor sich geht, von daher hat die Hintergrundinformation geholfen. Aber das ist ja öfter so, bei Märchen. Es wird nicht immer alles erklärt. Und als Warnung funktioniert es in jedem Fall. Als fiese Pointe auch.

  • Noch ein Mini-Märchen:


    Verfluchtes Glück



    Nicht allen Hexen gelingt das, was sie anfangen. Sei es, weil sie es einfach nicht zu Ende bringen, oder weil auch sie nicht vor Missgeschicken gefeit sind. Von so einer Hexe möchte ich erzählen.


    Diese Hexe lebte am Rande einer kleinen Stadt. Sie hatte noch kein graues Haar und war recht kleinwüchsig. Anders als bei Hexen üblich fürchtete sich niemand vor ihr und sie fühlte sich nicht respektiert. Warum das so war, verstand sie selbst nicht. Sie versuchte stets, ein grimmiges Gesicht zu machen, wenn sie jemandem begegnete.


    Vielleicht lag es an den Flüchen, die ihr nie so recht gelangen.


    Einmal war ein junger Tunichtgut unverschämt zu ihr und machte sich über sie lustig, als sie über ihren eigenen Besen stolperte. Die Hexe verfluchte ihn so heftig, wie sie nur konnte. Unglück solle ihn für den Rest seines Lebens auf Schritt und Tritt verfolgen; nichts solle ihm mehr gelingen. Der Tunichtgut lachte nur und zog mit seinen Freunden von dannen.


    Nur wenige Schritte nach seiner Begegnung mit der kleinen Hexe fand er einen Beutel voll mit Goldmünzen auf der Straße. Er kaufte sich davon feinste Kleider und ein Pferd und gab sich fortan als Adeliger aus.


    Auch spielte er gern mit Würfeln und Karten um Geld. Seit der Begegnung mit der Hexe gewann er jedes einzelne Spiel. Der Fluch der Hexe schien genau das Gegenteil zu bewirken. Es war, als sei er verflucht, stets Glück zu haben.


    Als der Tunichtgut in der Mitte einer Straße schlenderte und eine Kutsche heranjagte, wurde er nicht etwa überfahren. Stattdessen erlitt die Kutsche einen Achsenbruch und die Pferde verstauchten sich die Beine. So wurde die Kutsche gestoppt, bevor sie ihn erwischte.


    Aber Glück ist etwas, was Menschen anderen oft nicht gönnen, wenn sie es nicht teilen. Seine ehemaligen Freunde hatten sich vom Tunichtgut abgewandt, weil er sich nun für etwas Besseres hielt und sie an seinem Glück nicht teilhaben ließ.


    Bald wollte niemand mehr mit ihm spielen, weil ohnehin vorherbestimmt schien, dass er gewann. Alle hielten ihn für einen hinterlistigen Schummler.


    Und wenn an seiner Statt anderen Unglück geschah, wurde er verdächtigt, ein finsterer Zauberer oder mit Dämonen im Bunde zu sein. Es verging nicht allzu viel Zeit, da fürchteten die Menschen den Tunichtgut. So hatte er das erreicht, was die Hexe sich selbst so wünschte.


    Immer noch hatte er Glück mit allem, was er anfing, oder was ihm zustieß. Aber er war allein. Und irgendwann begriff er, dass Glück zu haben nicht bedeutet, glücklich zu sein.


    So machte er sich zu Fuß auf den Weg zur Hexe und klopfte furchtsam an ihre Tür. Sie öffnete und starrte ihn grimmig an. Der Tunichtgut bat sie, den Fluch von ihm zu nehmen.


    Die Hexe fragte ihn, was der Fluch ihn gelehrt habe.


    Er wisse nun, was Glück bedeutet, sprach der Tunichtgut. Aber er wünschte sich, auch mal wieder zu stolpern, wie jeder andere auch. Das gehörte zum Leben dazu und er wolle wieder leben.


    Und er habe Respekt gelernt. Er hatte die Kunst der Hexe unterschätzt. Diesen Fehler würde er nicht wiederholen.


    Die Hexe war zufrieden. Sie betrachtete ihn nach wie vor mit stechenden Augen unter zusammengezogenen Brauen, sprach jedoch: So soll es sein.

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