Politisch unkorrekte Charaktere und Hauptfiguren - legitim oder nicht?

  • Aloha, Ihr lieben


    Ich habe mir gerade die Frage gestellt:

    "Wie sehr kann man sich bei politisch unkorrekten Charakteren aus dem Fenster lehnen?"

    Wie ich darauf komme:
    Ich war gerade im Thread zu Realismus. Und ich muss sagen wenn ich mir so die großen Helden der Geschichte so angucke, ist es teils sehr krass wie viele von diesen "Vorbildern" oft sehr miese Eigenschafften hatten. Rassismus, Sexismus, Klassendenken, Sadismus oder Korruption... es gibt wirklich wenige große Personen/Helden die von irgendwelchen dieser negativen Traits komplett freizusprechen wäre. Das hat man ya ganz besonders noch mal bei der BLM-Bewegung gesehen und wie sich die Ansicht zu vielen Entdeckern stark gewandelt hat, weil viele einfach stark Nationalistisch/Rassistisch waren.

    Nun zum Topic und der eigentlichen Frage:

    Wie jemand - ich weis gerade nicht genau wer oder wo - geschrieben hat, ist jede fiktive Welt nicht vollkommen von der unseren zu trennen.
    (Triggerwarnung:->)

    Abgesehen von diesem bewusst völlig übertriebenen Beispiel, frage ich mich aber schon: Wo liegt bei euch die Grenze?
    Ein Charakter der zB. der coole Dude ist, aber bis aufs Mark rassistisch, wäre für mich zB. schon ein interessanter Charakter. Sogar wenn er quasi zu den "Guten" gehört. Auch wenn ich selbst Rassismus natürlich streng ablehne. Einen Misogynen Charakter würde ich zB. nicht gern in meiner Geschichte haben (würde allerdings in meiner Welt auch keinen Sinn ergeben). Ich mein jede Person ist in ihrem Sein ya sehr Divers. Es gibt ya keinen Menschen der NUR gut oder NUR böse ist.

    Allerdings habe ich oft das Gefühl, dass Personen in vielen Geschichten die ich gelesen habe oder Filmen die ich gesehen habe, immer so einen pseudo-negativ-trait bekommen.

    Der Detektiv der eigentlich Alkoholiker ist oder der Held der nicht immer ganz Ehrlich oder vllt auch mal etwas Feige ist, weil er stark mit sich selbst ringt.
    Auf der anderen Seite gibt es dann das Schurken-ding. Ein Charakter der klassisch als "böse" wahrgenommen wird aber cool ist. Allerdings WEIS jeder, dass er halt der Böse ist, deswegen ist es legitim ihn so "böse" darzustellen.


    Ein Beispiel und bleiben wir bei dem Rassismus-Thema:

    Ich erfinde nun einen Charakter. Er/Sie ist rassistisch. Nicht nur so ein bisschen, sondern schon so like: Also wenn der/die "Ethnie-Name" vor mir verprügelt wird, dann mach ich jetzt nicht mit, aber ich erfreue mich schon dran und reiche den Aggressoren hernach ein Tuch, damit sie sich das Blut von den Schuhen putzen können. So ein Ding.
    In der Story gehört er aber zu einer Gruppe die SEHR KLAR als "die Guten" wahrgenommen werden sollen. Also man stellt seine Person oft als Positiv dar, als jemanden mit dem man related, mit dem man sich gern umgibt. Und hier kommt nun der Punkt: Allerdings ist er selbst von der RICHTIGKEIT seiner Ansichten schon überzeugt. Es gibt quasi keinen Konflikt der ihn als "guten Charakter" legitimiert. In diesem Bezug ist er einfach bewusst und überzeugt scheiße (in seiner Welt ist er ya quasi richtig und alle anderen liegen falsch). Positiv dargestellt wird er dennoch, da er z.B. einfach teil einer Heldengruppe ist. Es wäre etwa so, als wäre Sam aus Herr der Ringe eigentlich starker Rassist, und hätte sich oft darüber ausgekotzt wie scheiße die Ausländer auf ihrem weg alle sind, und wie gut es wäre wenn sie alle verrecken. (Auenland First). XDDD


    Mein Problem mit dem Thema:

    Ich finde sowas immer sehr Interessant. Ich mag "Realismus" in Welten und wie schon erwähnt, die Geschichte ist VOLL von solchen Leuten. Mein Problem ist allerdings, dass ich keine Plattform liefern möchte. Ich möchte nicht der Grund sein, dass irgendein verwirrter Nazi sich denkt. "GeIL GeNaU sO mUsS mAn MiT dIeSeM aBsChAuM uMgEhEn!!!11!" Deswegen find ich das Thema nicht so leicht, wie es sein könnte, wenn alle die sich mit Arcpunk befassen coole, ausgeglichene Leute wären.

    Was meint ihr?

  • Ich sehe da noch ein größeres Problem als den Nazi, der zustimmt. Was, zum Beispiel, wenn das jemand liest, der selbst Opfer von Rassismus ist? Dann ist nicht nur der Rassist sofort unsympathisch sondern die ganze Protagonistengruppe, die ihn nicht hochkant rauswirft.


    Ich denke schon, dass man solche und noch schlimmere Figuren durchaus haben kann und sie müssen auch nicht unbedingt "die Bösen" sein, aber "die Guten" sollten schon ein Problem damit haben.

  • Also wenn ich solche Charaktere in Geschichten lese, will ich die grundsätzlich am Ende alle tot/bestraft/bekehrt sehen und ärgere mich, wenn sie einfach davonkommen.

    Vielleicht ist das auch eine übliche Problemlösung für das "die sollen nicht als Vorbild dienen, denn schaut, wie so jemand endet".


    Geschichten mit so jemand als Hauptcharakter/Protagonist würde ich gar nicht lesen wollen. Also von mir aus, wenn der am Anfang so blöd ist, aber im Laufe der Geschichte kapiert, dass das was er über die anderen gedacht hat, totaler Bullshit war, und sich dahingehend entwickelt, ok. Aber wenn der Charakter jetzt ein Perverser ist wie in deinem Spoilerbeispiel. Nee, sowas lese ich einfach mal grundsätzlich nicht. Und schreiben würde ich es schon gar nicht.


    "Kann" man sich mit sowas aus dem Fenster lehnen? Ich denke schon. Muss man das, braucht das irgendwer? Ich glaube nicht.


    Um "realistisch" zu sein, gibt es genug andere, weniger triggernde Aspekte, mit denen eine Welt glaubwürdig, echt und lebendig dargestellt werden kann.

    Warum ausgerechnet Jauche greif- und riechbar machen, wenn ich stattdessen einen Kuchen hineinschreiben kann? Klar, wenn die Welt aber eben möglichst düster sein soll und es da gar keinen Kuchen geben soll, dann gibt es aber sicher auch Möglichkeiten, nicht in jeder Hinsicht so konkret oder extrem zu werden. Ich glaube einfach nicht, dass die potentielle Leserschaft derart abgestumpft ist, dass sie nur noch mit extrem abstoßenden Charakteren in eine Welt gezogen werden kann. Ein bis aufs Mark rassistischer Charakter ist für mich nicht interessant, sondern ein Arschloch, und ich mag sowas einfach nicht.


    Hm, mir fielen grad spontan Beispiele aus dem Filmbereich ein, wo sowas ja durchaus gemacht wird und wo man sehen kann, wie weit andere gehen.

    Da würde ich zum Beispiel "Dexter" hinzurechnen. Ich hatte davon die erste Folge gesehen und das hat mir gereicht ... der arbeitet ja im Prinzip auch "für die Guten" und übt eben Selbstjustiz auf ne ziemlich unappetitliche Art und Weise. Da würde ich sagen der Typ "creeped me out." Fand ich unerträglich.


    Ansonsten gabs eine andere Serie, die für mich die Grenze komischerweise nicht so direkt überschritten hat, die fand ich unterhaltsam - musste ich nachsehen, Fargo war das. Oder Breaking Bad (von beiden habe ich nur die erste Staffel gesehen). Mit dem, was die Protagonisten da tun, sind sie definitiv auch nicht "rein gut". Aber offenbar gibt es ja Leute, die sowas produzieren und veröffentlichen und es wird konsumiert.


    Aber die Beispiele sind dann vielleicht Off Topic, weil nicht wirklich "politisch unkorrekt", sondern ... öhm ... einfach kriminell?

  • Geschichten mit so jemand als Hauptcharakter/Protagonist würde ich gar nicht lesen wollen. Also von mir aus, wenn der am Anfang so blöd ist, aber im Laufe der Geschichte kapiert, dass das was er über die anderen gedacht hat, totaler Bullshit war, und sich dahingehend entwickelt, ok. Aber wenn der Charakter jetzt ein Perverser ist wie in deinem Spoilerbeispiel. Nee, sowas lese ich einfach mal grundsätzlich nicht. Und schreiben würde ich es schon gar nicht.

    Ich denke was mich interessiert daran ist die Sozialität drum herum. Wie Leute darauf reagieren wenn sie mit sowas in Kontakt kommen.

    "Kann" man sich mit sowas aus dem Fenster lehnen? Ich denke schon. Muss man das, braucht das irgendwer? Ich glaube nicht.


    Um "realistisch" zu sein, gibt es genug andere, weniger triggernde Aspekte, mit denen eine Welt glaubwürdig, echt und lebendig dargestellt werden kann.

    Warum ausgerechnet Jauche greif- und riechbar machen, wenn ich stattdessen einen Kuchen hineinschreiben kann? Klar, wenn die Welt aber eben möglichst düster sein soll und es da gar keinen Kuchen geben soll, dann gibt es aber sicher auch Möglichkeiten, nicht in jeder Hinsicht so konkret oder extrem zu werden. Ich glaube einfach nicht, dass die potentielle Leserschaft derart abgestumpft ist, dass sie nur noch mit extrem abstoßenden Charakteren in eine Welt gezogen werden kann. Ein bis aufs Mark rassistischer Charakter ist für mich nicht interessant, sondern ein Arschloch, und ich mag sowas einfach nicht.

    Finde ich einen sehr guten Punkt. Ich muss vllt dazu sagen, dass Arcpunk ein doch eher Dystopischen Hintergrund hat. An sich aber sehr bunt und "feel-good" ist. Ein Ort an dem sich jeder wohl fühlt, weswegen das ganze auch nur ein gedanklicher Weg ist, nichts was ich jemals wirklich in Erwägung ziehen würde. Nicht ohne das wie du schon sagst typsische "Am schluss wird er zum Guten bekehrt und ob seiner Schlechtigkeit bestraft."

    Gerade Dexter ist ein PERFEKTES Beispiel! Sehr gut, genau SOWAS meine ich! Und ich muss sagen ich habe da eine sehr harte Diskussion mit einem Bekannten geführt der "Fan" der Serie ist/war. In seiner Ansicht war alles cool weil er ya klar "gut" war. Und genau DAS ist der punkt der mich an dem Thema auch interessiert. Den Punkt das Dexter absolute, grausame Selbstjustiz ist, hat meinen Bekannten nicht interessiert, weil ich nicht nachgedacht hat. Für ihn war es einfach ein Typ der wie Batman für das Gute kämpft... naja und Mordet.

    Oder Breaking Bad finde ich auch gut. Denn es ist zwar nicht political aber es schlägt in die gleiche Kerbe. Menschen sehen was als positiv und rechtens was einfach "wenn sie mal genauer nachdenken würden" absolut abartig und abstoßend wäre (würden sie zB. erfahren würden das ein Kollege sowas in seiner Freizeit macht.

    Für mich wäre so ein Charakter glaube ich dann SEHR interessant. Wenn er lange als der Coole Held der Geschichte auftritt, letztlich als "plottwist" aber aufgezeigt wird, welch schlimme Auswirkungen seine Handlungen hatten/haben. Also einen Spiegel schaffen für Lesen quasi. Leute die sich die ganze Zeit denken "Uff das ist aber hart, find ich nicht gut!" würden belohnt werden für ihre "richtige" Einstellung, andere die den Charakter total feiern würden mit ihrer eigenen Ideologie konfrontiert werden. Das wäre finde ich hoch interessant, aber halt auch eine deutliche Gradwanderung (Wie gesagt zu Arcpunk passt es jetzt erst mal nicht - weil Savespace)

  • "Dexter" passt schon irgendwie, weil Dexter ja trotz allem noch der Held der Geschichte ist, auch wenn das was er tut absolut furchtbar ist.

    "Breaking Bad" passt für mich weniger, denn Walter White ist kein Held. Nichtmal annähernd. Am Anfang ist er fast etwas sympathisch, aber nur fast. Er ist ein faszinierender Protagonist, aber er ist nicht "der Gute" und soll es auch nicht sein.

  • Es gibt ja einige weitere Filme, die in die Richtung Selbstjustiz gehen. Spannend finde ich da, dass das ja meist bzw. immer Rachegeschichten sind. Den Protagonisten wurde vorher so übel mitgespielt, dass man als Zuschauer ihnen diese Rache gönnt, die Rache mit ihnen auskostet. So etwas ähnliches hatte ich in einem Roman mal - Phileasson-Saga. Ganz ganz schlimmer triggernder Einstieg in die Geschichte, und ich wollte die Beteiligten alle tot sehen. Fand ich irgendwie gewissermaßen noch krasser als die Filmbeispiele, die ich hier genannt habe.


    Also hier wird den Personen eine Motivation gegeben, die sie vermeintlich oder "gefühlt" "berechtigt", ihre Übeltaten auszuführen. Bei Walter White ist das anfangs ja auch so - man hat Mitleid mit dem Mann, der an Krebs leidet und seine Familie auf sehr verzweifelte Art und Weise unterstützen will. Aber die Serie habe ich auch nicht weiter gesehen in dem Moment,

    Und stimmt, für einen "Guten" kann man den so oder so nicht halten. Bloß ist man als Zuschauer ja zwangsläufig auf seiner Seite, weil es keine andere Perspektive gibt.


    Im Falle eines rassistischen Charakters kann es also natürlich sein, dass er diese Motivation hat, weil er selbst schlimmes erlebt hat und dieses Erlebnis nun einer bestimmten Personengruppe "zuweist". Natürlich bietet so ein Setting dann eine wunderbare Möglichkeit, diese dadurch entstandenen Vorurteile aufzubrechen und vielleicht sogar zu erklären, warum ihm selbst das Schlimme widerfahren ist.

  • Schwieriges Thema. So ganz allgemein sind Antihelden ja heutzutage sehr beliebt und die schon erwähnten Racheplots auch ziemlich häufig und allgemein akzeptiert. Wenn sich jemand aus für den Leser nachvollziehbaren Gründen nicht an unsere modernen Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit hält, scheint das wohl verzeihbar.


    Das Beispiel mit dem rassistischen Charakter bei den Guten, dessen Verhalten auch nicht innerhalb der Geschichte hinterfragt wird, finde ich aber ziemlich problematisch. Jedenfalls dann, wenn sich der Rassismus gegen eine in der realen Welt diskriminierte Gruppe richtet und es nicht um „Elfen vs. Zwerge“ oder Ähnliches geht.


    Das würde ich vermeiden, wobei meiner Meinung nach sowieso recht wenig dafürspricht, Diskriminierungsdynamiken aus der Wirklichkeit in eine gebastelte Welt mitzunehmen ohne die zugehörige historische Entwicklung zu haben. Ähnlich wie beim Standard-Fantasy-Patriarchat verbreitet man so nämlich ungewollt die Botschaft, dass diese Formen von Diskriminierung einfach normal sind. Gruppenbezogener Menschenhass, der aus den innerweltlichen Dynamiken entspringt, gehört dagegen wirklich zu den meisten realistisch gebastelten Welten und entsprechende Charaktere würde ich nicht grundsätzlich ablehnen, solange darauf geachtet wird, dass die Parallelen zur Realität nicht doch wieder so groß werden, dass man leicht eine reale Gruppe in den Opfern sehen kann. (Ganz ausschließen lässt sich das natürlich nie.) Auf der anderen Seite muss man dann auch aufpassen, dass man nicht sein eigenes Ork-Äquivalent schafft, wo der Leser dann tatsächlich glaubt, dass die Ablehnung moralisch richtig ist. Einfach ist das sicherlich nicht.


    Bei Sexismus kommt es für mich darauf an, ob der Charakter einfach die Überzeugungen seiner Kultur teilt, was ich erst einmal in Ordnung finde, oder ob er wirklich einen persönlichen Hass auf Frauen hat. In dem Fall würde ich mir dann doch zumindest eine Entwicklung wünschen. Wenn jemand aber gerne eine patriarchalischen Gesellschaft schreiben will, ob Standard oder nicht, wäre es unlogisch, wenn die Guten alle eine ganz andere Einstellung hätten, es sei denn, sie sind Anhänger einer Frauenrechtsbewegung.


    Egal bei welchem Thema finde ich es in diesem Fall wichtig, wenn man das Verhalten des „politisch inkorrekten, guten Charakters“ nicht unkommentiert stehen lässt und damit meine ich jetzt nicht den narrativ-erhobenen Zeigefinger oder eine konstruierte Bestrafung, sondern dass innerhalb der Geschichte auch Opfer und Kritiker der Person und ihrer Handlung „zu Wort kommen.“

  • Also, aus meiner Sicht müssen "politisch unkorrekte", also rassistische, sexistische, usw. Charaktere nicht unbedingt "bekehrt" oder "bestraft" werden. Viel wichtiger wäre es mir, sie nicht unkritisch so darzustellen, als würde die "Coolness" oder die Tatsache, dass sie (nominell) zu "den Guten" gehören, die negativen Eigenschaften ausgleichen oder unbedeutender machen.


    Mein Problem mit solchen "aber-eigentlich-ganz-cool"-Charakteren ist, dass Rassismus, Sexismus etc. gerne mal darauf reduziert werden, nur "dumme Sprüche" ohne wirkliche Konsequenzen zu sein, während man bei den "Heldentaten" sieht, dass etwas positives passiert.

    Das Publikum mit den Folgen zu konfrontieren wäre mir also ziemlich wichtig.

    "Am Anfang wurde das Universum erschaffen. Das machte viele Leute sehr wütend und wurde allenthalben als Schritt in die falsche Richtung angesehen."
    - Douglas Adams, "Das Restaurant am Ende des Universums"

  • Echt eine interessante Diskussion, muss ich sagen. Also ich persönlich habe grundsätzlich kein Problem damit, wenn Charaktere böse oder politisch unkorrekt sind, nur kann ich es kaum ertragen, wenn dieser Charakter dann im Laufe der Geschichte damit durchkommt. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich "Death Note", also die Animeserie (das ist die, wo jemand ein Notizbuch bekommt, das jede*n auf magische Weise tötet, deren Namen in es eingetragen werden), abgebrochen habe, weil ich Light (den Protagonisten) eben nicht ertragen konnte, und mit jeder Folge hatte ich immer mehr Wut auf diesen Typen.


    Aber: Es gibt in Palaststern sehr böse Charaktere, schlicht weil ich zum einen das Bedürfnis habe, meine persönliche Meinung zu diesen Charakteren auszudrücken, und zum anderen natürlich, weil meine Welt keine Utopie ist, sondern in den meisten ausgebastelten Bereichen einen verzweifelten Kampf des Guten gegen das Böse darstellt - in den verschiedensten Ausprägungen. Also muss es natürlich Antagonisten geben.

    Warum ist eine solche Welt passend für die Fragen, die mir unter den Nägeln brennen?

    Mich interessiert z.B. die Frage "was zum Henker ist eigentlich "gut"?", und die "guten" Charaktere kriegen sich (zugegeben auf zum Teil vergleichsweise harmlose Art und Weise) in die Haare um diese Frage. Auch interessiert mich die Frage nach dem "warum", also warum sind Charaktere "böse"? Dämonen zum Beispiel sind als "böse" Charaktere geboren, sie können nicht anders. Gleiche Geschichte mit den charakterlich edlen Überwesen (eines davon sagte auch mal "wir sind alle Idealisten, wir sind so geschaffen"). Menschen dagegen haben immer spezifische Motive, die sie "böse" sein lassen, und haben dann seltsame Anwandlungen, die grundsätzlich "gut" sind, wenn man naiverweise drüber nachdenkt.


    Beispiel Auftragsmörder, eher nicht lesen, wenn man gerade etwas dünnhäutig ist ^.^

    Was diese Auftragsmörder sagen, ist gelinde gesagt eigenartig, aber gerade für meine Welt interessant - ich kann eine Geschichte drumherum spinnen, und erkunden, was vielleicht nötig für so jemanden ist, um wieder halbwegs normal zu werden. Oder eben gucken, wie eine Gesellschaft wohl am besten auf solche Charaktere reagiert. Auf Gesetzesebene zum Beispiel, wie bestraft man so jemanden, und schützt die Gesellschaft vor ihm oder ihr? Das ist dann die weltenbastlerische Frage.

    Vielleicht ist das auch mein Versuch, Boshaftigkeit irgendwie beherrschbar zu machen, indem ich die Motive dahinter aufzudröseln versuche, fällt mir gerade so ein.

  • Unsympathische Charaktere - hm, ich glaube, da unterscheidet sich die Perspektive aus der schriftstellerischen und der (rein) weltenbastlerischen Sicht etwas. In einer Geschichte kann ich klar mit Antagonisten arbeiten und die Leser*in mitfiebern lassen, ob der Charakter am Ende bestraft wird. Und natürlich schwingt in einem Erzähltext halt auch mehr subjektive Sicht mit, unter Umständen?


    Ach okay, so klar unterscheiden lässt sich das auch nicht. Aber es ist was anderes, wenn ich in einem trockenen Wikipedia-Stil schreibe, dass Land X für 130 Jahre von einer Dynastie autoritärer Herrscher regiert wurde, die ihr Volk (oder Minderheiten darin) brutal unterdrückt haben... die sind damit unter Umständen damit durchgekommen, und ich würde mich dann natürlich davon abgrenzen, dass ich das in irgendeiner Weise gutheiße, aber ich müsste das extra machen, abseits der bloßen Geschichtsschreibung.


    Aber tendentiell habe ich gar nicht so Lust darauf, so richtig ungute Personen im Detail zu basteln. Wenn ich auf Ngiana über den Sklavenhandel schreibe, sind wohl sehr sehr viele unangenehme Einzelpersonen dabei, die dieses System aufrechterhalten. Eine einzelne Königin trägt allerdings dann kaum mehr Verantwortung - aber wenn ich einen Roman aus deren Perspektive schreiben würde, hätte ich wohl Schwierigkeiten damit, mich persönlich einzufühlen in eine Person, für die die Unterdrückung ihrer Sklaven selbstverständlich ist - und würde dann wahrscheinlich andere Perspektiventräger wählen, z.B. Banditen, Rebellen, etc.


    Aber auf einer "Geschichtsschreibung"-Ebene kann alles sehr brutal sein. Ich hab Sklavenhandel da eigentlich deswegen gebastelt, weil ich ein Buch gelesen hatte (Debt von D. Graeber) in dem sehr viel über historisch Sklaverei und wie sie funktioniert hat, drin war, und ich meine Gedanken darüber dann halt auch in Basteln umgesetzt habe. Hat halt null damit zu tun, dass ich es gutheiße, sondern ist ein Grübeln über Mechanismen, über die Logik einer anderen Gesellschaft...


    Content Note: Vergewaltigung


    Ich hab immer noch relativ aktuell im Kopf, dass ich The Mirror Empire am Ende gehasst habe, weil eine der Protagonistinnen einfach eine Vergewaltigerin ist, und der Plot sie aber anscheinend in eine Richtung schiebt, wo sie die Welt retten soll, oder so. Da wurde bei mir eine Grenze überschritten, wo ich einfach nicht wirklich wissen will, was mit der weiter passiert.


    [End of Content note] ^^ (ich mach das mal so...)


    Joshuah hat Death Note erwähnt - da hab ich nur einmal eine Filmversion gesehen, fand die recht spannend. Ich muss da sagen, dass es in dem Setting für mich eigentlich keine Rolle gespielt hat, ob ich den Protagonisten/Antagonisten sympathisch finde. Ich finde der Plot regt für mich eher an, einfach selbst ein bisschen herumzuphantasieren, was ich mit einer solchen magischen Waffe tun würde - würde ich genauso handeln, anders? Gar nicht verwenden? Das finde ich dann spannend.


    "politisch korrekt" (sowieso ein doofer Begriff) können Charaktere selbst aus meiner Sicht für sich genommen gar nicht sein, das ist einfach keine sinnvolle Analysekategorie. Da geht es ja dann darum, wie etwas auf heutiges Publikum wirkt, und das hat immer mit Präsentation zu tun, mit Medien, mit Kontext einer Veröffentlichung, und so weiter. Und oft auch mit Trends. Dass in einer Geschichte ein schwules Paar stirbt, ist für sich genommen einfach nur ein Teil einer Geschichte - aber wenn es insgesamt einen Trend gibt, dass in sehr vielen Geschichten das passiert, so dass es als Trope "bury your gays" bekannt wird - dann kann ich natürlich überlegen, ob ich da ein weiteres Schäufle Sand dazuschmeiße, oder vielleicht grade nicht. Aber das ist eben ausschließlich eine Frage eines Gesamtkontexts, und eine Kritik in Richtung "Ach nee, schon wieder ein Buch mit 'bury your gays' drin" muss eins dann halt hinnehmen, aber es ist halt einfach nur ne Kritik auf der Ebene von Trends, und kein absolutes Verdikt gegen eine einzelne Geschichte. Manche Leute werden halt schlicht daran nicht mehr interessiert sein, ebenso wie viele Leute irgendwann keinen Bock mehr auf "Mittelalter-Fantasy" (mit ihrer typischen totalen Misrepräsentation des historischen europäischen Mittelalters) haben - gab's zu oft, ist immer wieder das selbe, und hat immer wieder die gleichen Probleme.

  • Was diese Auftragsmörder sagen, ist gelinde gesagt eigenartig, aber gerade für meine Welt interessant - ich kann eine Geschichte drumherum spinnen, und erkunden, was vielleicht nötig für so jemanden ist, um wieder halbwegs normal zu werden. Oder eben gucken, wie eine Gesellschaft wohl am besten auf solche Charaktere reagiert. Auf Gesetzesebene zum Beispiel, wie bestraft man so jemanden, und schützt die Gesellschaft vor ihm oder ihr? Das ist dann die weltenbastlerische Frage.

    Vielleicht ist das auch mein Versuch, Boshaftigkeit irgendwie beherrschbar zu machen, indem ich die Motive dahinter aufzudröseln versuche, fällt mir gerade so ein.

    Ya, das ist schon wirklich krank/zutiefst Böse meiner Meinung nach. Aber wie du sagst, es gibt sogar Personen die im NS-Regime kräftig mitgemischt haben und letztlich ihren (gelinde gesagt) "Fehler", einsahen und sich um 180° gewandelt haben. Sowas passiert leider sehr selten, aber es passiert


    Welche Frage da auch aufkommt ist:
    Sind Berufssoldaten/Söldner/Freibeuter nicht auch nur bezahlte Auftragskiller?

    Und hier kommen wir auch schön (ohne dass das meine Intension war, tatsächlich) zu einem Punkt. Menschlich betrachtet würde ich mich jetzt wohl NIEMALS mit ihm Anfreunden, das Thema wäre mir zu fern, zu falsch in meinen Augen, um mich neutral auf diese Person einlassen zu können. Doch zu dieser Zeit waren wir schon befreundet - kannten uns aus der Schule bevor er zurück in die USA ging. Ich habe ihn quasi gefärbt durch die rosarote Brille der Freundschaft betrachtet. Letztlich ist der Kontakt dann eingeschlafen und wenn ich ehrlich bin, ich bedauere es nicht. Ya, er war ein witziger, netter Kerl mit dem man sich wahnsinnig gut auf sehr hohem Niveau unterhalten konnte. Gleichzeitig war er halt... ka irgendwie ein staatlich anerkannter Mörder.

    Und hier ziehe ich die Schleife.

    Ist es denn so Sinnvoll das sich eine Gruppe WIRKLICH von einer Person abwendet, "nur" weil sie zB. rassistisch ist. Ich habe selbst heute noch Bekannte mit denen ich was mache oder gar Familienmitglieder (angeheiratet). Die wirklich latent rassistisch sind (ya sogar AFD wählen). Würde ich mich deswegen von ihnen abwenden? Nein. Gehe ich in den Diskurs und versuche sie zu überzeugen? Im Fall der Familie: auch nein, weil ich wiederum anderen Familienmitglieder, mit dem Streit der entstehen würde, nicht belasten will. Ich mein, ich weise so oft auf meine Polnisch-Schwedisch-Marokkanischen Wurzeln hin und hier und da drop ich schon mal einen Satz der zum Ausdruck bringt, dass ich nicht "cool" damit bin. Aber ich sehe nun mal nicht aus "wie so ein Mulatte" deswegen ist es wohl okay für sie. In Wirklichkeit kennen sie mich halt. Würde ich morgen auf einmal mit dunkler Haut aufstehen, würde sich für die Leute ya auch nix ändern. Es ist alles sehr komplex denke ich.

  • Freie Auftragsmörder gibt es so gut wie nicht. Normalerweise arbeiten sie für Verbrecherorganisationen. Viele reden sich ein Söldner oder Krieger zu sein, was manche Organisationen gezielt fördern. Zur Propaganda solcher Organisationen gehört oft, eine Art Untergrundstaat zu sein. Darum waren die Stellungnahmen durch Papst Franziscus so wichtig. In Italien wurde nämlich die Kirche nach alten, staatlichen Vorbildern, in den Aufbau dieser Scheinwelt eingebunden.* Und aufgrund solcher Mechanismen, die mehr oder weniger ausgeprägt sein können, haben viele Auftragsmörder solche einschränkenden Grundsätze, wie sie für Krieger und Söldner selbstverständlich sind, solange nicht alle Bindungen verloren gehen. Andere übernehmen es aus falschen, romantischen Vorstellungen heraus.


    Das folgende kommt dann doch in den Spoiler, um niemandem dauerhaft den Appetit zu verderben.


    Auch in unserer Gesellschaft handeln Menschen selten wirklich rational.


    *Das dies erst jetzt geschieht hat damit zu tun, dass es früher andere Strategien der Bekämpfung gab und die Organisationen in Italien immer öffentlicher und durchaus erfolgreich Werbung für sich machen. In der Schublade lag das jetzige Vorgehen des Papstes recht sicher schon unter Johannes Paul II., unter dem sich der Vatikan von vielen Einflüssen freimachen konnte, auch wenn das kaum thematisiert wird. In den 80ern wurden in verschiedenen Ländern noch Ordensleute und Priester vom organisierten Verbrechen gleichsam als Geiseln betrachtet oder sogar entführt und es gab sogar Sammlungen für Schutzgeld, sogar hier in Deutschland, als der Staat machtlos dagegen war. Und noch als Papst Franciscus die Mafia als exkommuniziert erklärte, hatten viele Angst vor solchen Morden. Das war alles nicht so einfach, wie es hierzulande meist dargestellt wird. Ich schreibe das so ausführlich, weil es drastisch zeigt, womit wir es bei dem Thema zu tun haben. Das gehört für mich zu dem Wissen, dass zu wichtig ist, um es in Spoilern zu verstecken.


    Wenn so etwas in einer Welt gezeigt werden soll, kann es ideal sein, dass ein Held Teil davon ist. Und das kann dann nicht ein guter Held sein.

  • Ich bin was das angeht etwas ambivalent.


    Zitat Andy Weir (Autor von The Martian): "Every main character in a book is either someone the author wants to be, or someone the author wants to screw."


    Die Aussage ist vielleicht etwas plakativ, aber ganz Unrecht hat er natürlich nicht. Von einem Protagonisten erwartet man, dass er die Weltsicht des Autors spiegelt... es sei denn es ist offensichtlich und explizit nicht der Fall. Folglich hinterlässt jedes ungestrafte, unmoralische Verhalten einen sauren Nachgeschmack.


    Einerseits gibt es Dinge, die emotional (moralisch) und rational (ethisch) beinahe unverzeihbar darstehen. Genozid, sexualisierte Gewalt, Besitzsklaverei, Kindesmisshandlung. Dieses führt dazu, dass ein Protagonist untolerierbar wird. Auch nicht rehabilitierbar. Egal, wie positiv ein solcher Charakter auch als nuancierter Mensch (nicht als Inkarnation puren Bösens) dargestellt wird. Ich bin mir sicher, auch SS-Männer liebten ihre Kinder. Ceaușescu hat die Niederschlagung des Prager Frühlings verurteilt. Ganz toll. Was auch immer. Rehabilitiert niemanden.

    Das heißt nicht, dass solche Themen nicht vorkommen dürfen. Es heißt aber, dass Charaktere dieser Art selten Protagonisten werden. Außerdem erwarten wir, auch wenn wir wissen, dass die Welt nicht gerecht ist, vom Narativ doch so etwas wie Karma oder ausgleichende Gerechtigkeit. Das herrscht eine gewisse kulturell geprägte Erwartungshaltung vor, auch weil es einfach ein popkultureller Tropus ist. Niemand hat erwartet, dann Tarantino in Inglourious Basterds Hans Landa ungeschoren davonkommen lässt. Jedem, der Game of Thrones gesehen hat war ungefähr klar, welches Schicksal Joffrey erwartet, auch wenn er nie eine einzige Zeile GRRM gelesen hat. Usw. usf..


    Das ist das eine Extrem: Wichtige Charaktere, die unverzeihliche Taten begehen. Wenn es hier so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit gibt, bleibt die Story wahrscheinlich erträglich, sonst wird's haarig.


    Das Mittelfeld bilden potentiell schwerwiegende Verstöße. Wenn jemand raubt, mordet, hintergeht, betrügt, erwartet man als Konsument der Geschichte eine nachvollziehbare Motivation. Wenigstens zur Erklärung (bei Nebencharakteren), wenn nicht sogar zur Entschuldigung und Rechtfertigung (beim Protagonisten).

    "Oh, die heroische Widerstandskämpferin hat den Besatzungssoldaten hinterrücks abgemurkst, auch wenn der nur ein 18-Jähriger Wehrpflichtiger war, der eigentlich nicht hier sein wollte? Das ist schlecht, aber es ist Krieg und er war die Torwache und irgendwie müssen sie ja das Munitionsdepot sprengen."

    Gleiches gilt für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. "Oh, er hält wohl nicht viel von Frauen. Oder Schwarzen. Oder grob gesagt von jedem, der anders ist als er. Das ist ziemlich ignorant, aber er wurde 1920 gebohren. Das ist kein persönlicher Charakterfehler, das ist seine Erziehung. Mal abwarten, ob er über den Verlauf der Geschichte noch etwas lernt. Wenn er das nicht tut, wird's unangenehm."

    Sowas kann durchaus gutgehen, je nachdem, wie man es handhabt.


    Tja und dann... dann gibt es das ganze, individuell extrem diverse Feld von nicht ideologisch rein. Nichts ist jemals ideologisch rein, egal wie offen, unpolitisch, unkompliziert, vorurteilsfrei und simpel deine persönliche Weltanschauung auch ist. Und wenn die Weltsicht des Autors dann nicht der des Lesers entspricht, dann reibt es.

    Beispiel: Ich liebe Heinlein. Aber jedes seiner Bücher ist ein politischer Author Tract. Und meistens findet er einen Weg, den Hauptcharakter, oder dessen Mentor, oder ähnliches, irgendwelche Vorträge halten zu lassen. Vergleiche z.B. Revolte auf Luna.

    "Mein Gott, Junge, ich hab's verstanden: Du bist ein liberitärer Anarchokapitalist, hältst wenig von Religion, christlicher Moral und Monogamie. Vielleicht bin ich sogar bei ein paar dieser Punkte dabei, aber es ist gut jetzt!"

    Das nervt manchmal etwas. Aber es stößt nur dann sauer auf, wenn es beschissen geschrieben ist und die Idelogie quasi mit dem Holzhammer beigebracht wird. Ansonsten tut des den meisten Menschen mal ganz gut, wenn die eigene Weltsicht in Frage gestellt wird. Deshalb ist man nachher ja noch nicht direkt Konvertit. (P.S.: Ich lese trotzdem nicht nochmal Atlas Shrugged. Grr.)


    Wo war ich jetzt?


    - Unverzeihliche Akte verlangen Karma oder ausgleichende Gerechtigkeit.

    - Unmoralisches Verhalten oder Menschenfeindlichkeit erfordert eine Erklärung, Rechtfertigung, oder Charakterentwicklung.

    - Mangelnde ideologische Reinheit oder unpopuläre Meinungen... verlangen, dass es wenigstens erträglich geschrieben ist.


    Und zuallerletzt... ich tendiere dazu, meist eher Unwissenheit oder Gedankenlosigkeit zu erwarten, als böse Absicht. Und das muss man im Zweifel auch Autoren und ihren Charakteren zugestehen.

  • Sooo ich Packe das Thema mal wieder aus :D (Och nöööö)


    Ich denke ich finde die Frage gerade sehr interessant und möchte sie etwas "Konkreter" stellen.
    Die Frage:
    "Was darf ein Roman/Franchise - bzw die Charaktere darin - in der heutigen Zeit?"
    -
    Diese Frage "ist das zu krass" hatten wir ya doch nun häufiger, besonders auf dem Discord. Ich möchte die Frage aber nicht einfach so stehen lassen, sondern etwas mehr dazu erklären oder besser gesagt sie konkretisieren. Denn mir geht es nicht einfach nur darum, was ein Roman oder ein Franchise darf, denn wir haben ya schon festgestellt, dass Grenzen schwer zu setzten sind.
    -
    Gehen wir von einem Roman ans.

    In meinem Fall, darf die Zielgruppe des Romans ruhig etwas Gesellschaftskritisch sein, also es sollen weder Kinder angesprochen werden, noch Personen die nach einem reinen Feel-Good-werk suchen. Aber die Texte sollten auf keinen Fall in eine Ecke rutschen, in der großen Debatten um den Inhalt entstehen und es dürfte auf keinen Fall von kritikern als Ethisch "kritisch" eingestuft werden. Es sollte sich als an "Sitten" halten. Meine Zielgruppe sind also Personen die - in Serien gesprochen - gut mit GoT, Peaky Blinders oder House of Cards klar kommen :D

    -

    Ich komme darauf, weil ich gerade über George Orwell und Aldous Huxley lese.
    Die beiden waren ya sehr verschieden und hatten beide teils sehr krasse Topics die sie in ihren Zukunftsszenarien verarbeitet haben.

    Ich bin dann auch darüber gestolpert das Huxleys Bruder zB. Verfechter der Eugenik war und das fand ich dann sehr interessant.
    Ich habe mir dann etwas zu Eugenik angeguckt und muss sagen:
    1. Schrecklich
    2. SUPER geiler Content für die perfekte totalitäre Dystopie!

    Bedeutet: Sowas brauche ich auch in Arcpunk!

    Wie gesagt, natürlich NICHT weil ich es gut finde, sondern GENAU im GEGENTEIL. Ich finde das wahnsinnig schrecklich. Aber es würde wirklich gut in die kapitalistisch und teils auch Totalitäre Weltstruktur passen. Ich möchte quasi dieses gesellschaftlichen Strukturen aufgreifen, das Mindset dahinter. Was ich besonders interessant finde ist der schmale grad zwischen, Gesellschaftskritik, Indoktrination und Paranoia, und ganz besonders wie diese von der Gesellschaft auf ein Individuum angewandt werden.

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    So sollte es Charaktere geben, die objektiv zu den "guten" gehören, aber wie es nun mal bei Personen so ist, dennoch in durch lebenslange Propaganda ein verkehrtes Rechtsempfinden oder gar ein falsches Bild von der Welt selbst haben.

    Einer meiner Hauptcharaktere zB., Sir Serric, ist ein Arcpunk. Für diesen Weg, hat er sich jedoch nicht selbst entschieden. Es war nicht so, dass er den Schmerz der Anderen gesehen hat, die unter dem System leiden und aufgrund dessen zu dem Entschluss gekommen ist, sich gegen das System zu stellen. Einzig der Tod seines Bruders, der mutmaßlich aus reiner Kalkulation von dem Konzern umgebracht wurde, für den Sir Serric arbeitet, hat ihn zum Seitenwechsel veranlasst. Dabei ging es ihm aber in keiner Weise darum nun etwas Gutes zutun. Es war rein die Rache (eine für mich grundböse Sache) die ihn ins Lager der "Guten" getrieben hat, da er hoffe sie als Werkzeug gegen die Mörder seines Bruders zu gebrauchen.

    Was den Charakter selbst aber als "Böse" darstellt ist, dass er als Eintreiber gearbeitet hat und Maßgeblich an Zwangsumsiedlungen, Deportierungen, Trennung von Sippen und Familien beteiligt und gewaltsamen Enteignungen beteiligt war. Alles ohne ein Empfinden von Reue. Allerdings ist der Hintergrund Komplex. Denn er ist bei weitem nicht 100% Herzlos, er verfolgt einfach die Regeln eines Systems, dass ihm Beigebracht hat, wie die Welt zu funktionieren hat und dass jeder der sich dagegen auflehnt eben Wertlos wird. Innerhalb des Systems agiert er also als ein "Guter". Aber wenn wir natürlich wissen, dass das System selbst moralisch verwerflich ist.

    Damit das ganze Funktioniert, werde ich Sir Serric natürlich mit dem Abstand den er gewonnen hat - nun da er nicht mehr Teil des Systems ist - erkennen lassen dass sein handeln schon schweres Leid für die Gebracht hat, die an ihn geraten sind. Einfach weil ein kompletter Hardliner natürlich nicht in eine überaus Humane Gruppe passt. Aber ich will ihn auf KEINEN Fall zum Schaf umwandeln. Ich hätte gern, dass er sich so eine latent klassistische Art bewahrt. Es soll das Mindset des Systems durchaus noch verbreiten und in machen Punkten vllt gar vertreten. Das bedeutet nicht, dass er direkt unethisch handelt, aber mir wäre es lieb wenn er zB. immer sehr harte rassistische/sexistische/klassistische Aussagen droppt.

    Dinge wie:

    • "Da wurde Geklaut? Kein Wunder, weist du nicht dass in dem Viertel fast nur Dulay wohnen? Die klauen doch alle, aber meinet wegen, gehen wir den Dieb suchen."
    • "Nach Osten? Nun ja, wäre mir zwar neu dass eine Frau viel von Orientierung versteht, aber sei's drum. Dann eben nach Osten."
    • "Eleonore, guck dir den Mann doch einmal an! Er ist mittellos, vermutlich sitzt gar auf der Straße. Der hat in seinem Leben sicherlich noch nie eine Scheibe in Händen gehalten, geschweige denn gelesen, wenn er denn überhaupt lesen kann. Wie kannst du da erwarten, dass er etwas von unserer Sache versteht? Aber gut, wie du möchtest, versuchen wir es."

    Vllt kann man an diesen Beispielen etwas erkennen was ich meine. Er selbst hat eine gewisse Einstellung, lässt sich von seinen Begleitern positiv beeinflussen. Erhält also nicht an seiner Einstellung fest. Das wird ganz besonders dann interessant, wenn nach kurzer Zeit ein Vertreter der Gruppe seiner Mannschaft beitritt, die er eigentlich als "unwürdig" betratet. Aber wie so oft, stellt sich auf beiden Seiten schnell heraus, dass die Person gegenüber vllt gar nicht so schlimm ist, wie man es sich ausgemalt hat.

    Wichtig an dem Charakter ist auch, dass er allgemein eigentlich ya ein netter Kerl ist. Etwas griesgrämig aber wenn man ihn betrachtet schon auch witzig. Manche kennen das vllt von einem Großelternteil. Sie sind wirklich nett und freundlich und man liebt sie: "Aber diese Kameltreiber aus dem Osten da haben nix bei uns verloren!" Wenn ihr versteht was ich meine. Nett aber verblendet, so könnte man es denke ich beschreiben.


    Soviel zu dem Charakter. Das Problem was ich eben sehe ist, dass wäre der "gute" Charakter gewalttätig, hätte man heute - denke ich - keinerlei Probleme. Das gehört ya heute schon zum Standard, selbst wenn es in Richtung Gore geht. Sowas kann ICH wiederum überhaupt nicht ab. Aber dafür finde ich andere Sachen interessant, zB. sowas wie das weite, fehlerhafte Spektrum der Eugenik (Rassenreinheit). Ich denke da könnte es schneller zu Problemen kommen, besonders wenn man eben beschreibt, dass ein guter Hauptcharakter daran glaubt.
    Warum? Da meine Erfahrung ist. dass die Öffentlichkeit einen unglaublich miesen Job macht, zwischen Personen zu differenzieren, die ein kack Verhaltensmuster an den Tag legen und denen einfach nur geholfen werden muss (zB. Sir Serric) oder Leuten die gefährlich und böse sind (Nazis zB.). Somit finde ich einen Charakter bei dem man denkt "Oooh Serrik, rly?" aber dann halt dennoch drüber Schmunzeln kann, da er irgendwie Weltfremd ist. schon recht lustig.

    Im übrigen will ich glaube ich mehrere solcher Charaktere haben.
    Eine Omi die nun in Rente und stink reich ist und sich den Arcpunks eigentlich nur deswegen angeschlossen hat, weil sie noch was erleben will.
    Eine Super durchsetzungsstarke frau die jedoch ein kleines Aggressionsproblem hat.
    Ein Buttler der die ganze "Scheiße" eigentlich auch völlig am Allerwertesten vorbei geht und nur deswegen dabei ist, weil er seiner Dame (der Omi) die treue geschworen hat.
    Und eine jugendliche Freiheitskämpferin, die nicht verstanden hat, dass Rebellion der Rebellion wegen nie etwas gutes sein kann.
    Alles sind also eher so... naja. Aber zusammen finden sie sich dann doch zu etwas sehr gutem Zusammen, da sie in ihrer Zusammenarbeit das bestmögliche aus sich herausholen :D

    Hier auch nochmal das Video zu dem Thema...

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    Der Bezug zu dem Thema besteht im übrigen darin. Das alleine dass ich diese Frage stelle und wir alle Wissen wie schwer in unserer Zeit Informationen gehandelt und Diskussionen geführt werden zeigt, dass wir schon längst in einer schlimmen Chimäre aus den beiden Visionen von Huxley und Orwell angekommen sind. Interessante Dinge wie:

    "Die Sprache zu ändern, ist der Tod der Demokratie" Oder das typische "Das Volk wird zur Systemhörigkeit erzogen" und "In seiner Vertikalen Form ist Big Brother überholt, nicht jedoch in seiner atomisierten, aufgesplitterten, egalitären vieläugigen Version unzähliger little Brothers. Dabei gibt es nicht nur ein Überwachungssystem sondern die Augen und Sensoren sind vielfältig und überall. So wird eine unsichtbare Überwachung eingeführt, die Art falscher Gleichheit herstellt. Jeder kann mir Schaden, aber ich kann unter Umständen auch jedem anderen Schaden. Und natürlich sind die Sozialen Netzwerke ein hervorragendes Instrument, um die Gesellschaftsordnung zu bewahren, denn sie wirken nicht nur von oben, sondern auch horizontal. Wir achten auf unsere Handlungen, denn wir setzen sie in Szene." Auch etwas was man normal eher von Schwurblern erwarten würde, aber wenn man sich darüber Gedanken macht, macht es erschreckend viel Sinn.
    Besonders wenn Menschen schnell von der Gesellschaft als Unmensch dargestellt werden, weil sie nicht so System/Wissenschafts-hörig sind. Und gerade weil sich Schwurbler der gleichen Methodik bedienen, artet alles zu 2 völlig konträren aber dennoch auch gleichwertig hirnrissigen Extremen aus :D
    Und da kommt der Charakter wieder ins Spiel, da ich schon wieder Leute reden höre: "EIN CHARAKTER DER NAZIIDIOLOGIEN VERTRITT UND LUSTIG SEIN SOLL?! DAS GEHT YA GARNICHT!!!" xD

  • Ich habe dazu drei Standpunkte: als Mensch, als Autor und als Psychologe.

    Als Mensch finde ich viele Dinge furchtbar und andere okay, bei denen viele wohl die Hände über den Kopf zusammenschlagen würden. Das ist wohl normal so, wir sind halt Individuen und ich darf nicht erwarten, dass meine Werte mit denen ander übereinstimmen - bzw. besser gesagt, es wäre anmaßend zu erwarten, meine Umwelt würde meine Sichtweise teilen oder auch nur verstehen.

    Als Autor brauche ich die Freiheit, meinen Figuren jeden Standpunkt, jede Norm und jede Haltung zu verpassen, welche die Geschichte erfordert. Ich erzähle etwas in einem Rahmen. Dieser liegt in der Geschichte, nicht der Wirklichkeit. Wer das nicht trennen kann, hat beim Lesen wohl schlechte Karten - zumindest was fantastische Literatur angeht. Ich vertrete die Ansicht, dass ein Autor mit seinem Material alles anstellen können sollte, was er als zweckmäßig erachtet, um seine Botschaft an den Leser zu bringen. Über einen Nazi lachen? Mal die Welt aus deren verzerrter Sicht betrachten? JA! Natürlich! Warum nicht? Habt ihr Angst, dass eure Überzeugungen das nicht überstehen? Sind eure Werte so zerbrechlich? Dann solltet ihr euch fragen, warum. Nicht vorwurfsvoll, Altruismus ist eine schwierige Sache. Es zeigt doch, dass man an den Überzeugungen, die man sich gewählt hat, noch Arbeit zu leisten ist. Hätte man das auf anderem Wege erfahren? Vielleicht, aber sicher nicht so konsequenzarm oder vielleicht zu spät.

    Aber ein Buch, das in abnormen Dingen schwelgt? Was ist abnorm? Wer darf das beurteilen? Aber darf man sich als Autor über die möglichen Folgen seiner Arbeit hinwegsetzen? Haben wir als Autor nicht eine gewisse Verantwortung? Gegenüber dem Leser, gegenüber der Gesellschaft? Gegenüber der Kultur?

    Das setzt voraus, dass wir in der Lage wären, das zu beurteilen. Weder können wir das, noch steht es uns zu. Niemand darf sich ungestraft der Arroganz schuldig machen, etwas zu schreiben in der Überzeugung, als Sprachrohr von Norm oder Kultur zu fungieren. Es gibt Autoren, die Bücher schreiben, um dem Leser ihre Meinung ins Gesicht zu schreien. Manchmal ist das auch bitter nötig, oft kann man die Frustration und die Angst dahinter nur zu gut verstehen.

    Ich finde, man kann die ehrlichen Texte in diesem Zusammenhang sehr leicht erkennen und von den verlogenen unterscheiden.

    Darf man das? Falsche Frage. Richtiger wäre: Warum habe ich das Gefühl, diese Entscheidung nicht mehr treffen zu können?

    Ich halte mich nicht gerade für das stabilste oder gesetzteste Individuum, aber ich glaube doch, für mich selbst entscheiden zu können, welche Bücher ich zu ende lesen möchte. Ich glaube auch, die Kompetenz zu besitzen, eine Erzählung von einem - was die Überzeugungen angeht - Vollhorst zu lesen, ohne mich davon beeinflussen zu lassen.

    Da kommt automatisch die Frage "Ja, aber die anderen, die das vielleicht nicht können...?" - Warum können die es denn nicht? Wenn nicht, weil ihnen niemand beigebracht hat, was sie sehen und lesen zu hinterfragen und selbst zu überdenken. Und zwar sinnvoll, nicht wie ein Aluhut, der alles verneint und nur durch seine Filter läßt, was er kennt und erwartet. Wir sind es heute gewohnt, dass gedrucktes der Wahrheit entspricht. Kaum jemand hat mehr konkret erfahren und vor Augen geführt bekommen, wie subjektiv eine "Wahrheit" sein kann, die keine Gegendarstellung zuläßt.

    Ist es nicht auch genauso die Pflicht eines Autors, einem Leser zu zeigen, wie fremd, wie unterschiedlich und dennoch schlüssig es in einem anderen Kopf zugehen kann? Ist es nicht auch heilsam, ein Buch zuzuklappen mit dem beklemmenden Gefühl, den Antagonisten der Geschichte zu gut verstanden zu haben? Sind es nicht solche kleinen, harmlosen Erlebnisse - harmlos, den sie finden ja nur im Kopf statt - die uns daran erinnern, Dass es auch im eigenen Geistekeller so manchen Dämon gibt, den man im Zaum halten muss?

    Dürfen wir als Autoren überhaupt solche Entscheidungen treffen, derlei Dinge herauszufiltern? Ist es gut, bestimmte Themen, Formuliereungen und Ansichten zu meiden, nur weil sie mit der ohnehin flüchtigen aktuellen Öffentlichen Meinung nicht konform gehen?

    Darf ich einen Leser etwas unangenehmes Zeigen, dass er so nicht erwartet?

    Die Antwort des Autor: diese Entscheidung kann dir niemand abnehmen, es ist voll und ganz die deine!


    Der Psychologe in mir sagt: wir glauben, was wir sehen. Da Bücher erst gedruckt werden müssen und selbst der naivste Mensch doch eigentlich weiß, dass ein Buch einen langen Weg geht, bevor man es in Händen hält - und weil angeblich nur gebildete Leute Bücher schreiben (ein subjektive Wahrheit aus dem vergangenen Jahrhunderten), sind gedruckte Worte automatisch eine Art Legitimation für den Inhalt, den sie transportieren. Das ersteckt sich praktisch ohne Abzüge auf Worte am Bildschirm, obwohl von den genannten Bedingungen hier keine mehr zutreffen muss. Wir erzeugen mit unseren geschriebenen Worten eine virtuelle Wirklichkeit, eine Virtualität, die es so nur in unseren Köpfen geben kann. Und wir alle haben den Drang, dem zu gehorchen, was wir daran als allgemein akzeptiert identifizieren (was noch nicht einmal stimmen muss).

    Insofern sagt der Psychologe: wer schreibt, trägt Verantwortung für den Zustand der Gesellschaft. - freilich aber nur in dem Maße, in dem er auch gelesen wird.


    Fazit: Du stellst eine wichtige Frage, aber du solltest darauf keine Antwort erwarten - Nein, Akzeptieren! außer der, die du dir bereits gegeben hast. Bleibe kritisch dir selbst gegenüber.

    Insofern zeigt die Frage, dass du noch nicht auf den Zug der Selbstgerechten aufgesprungen bist und das ist gut so. Solange du feststellst, dass dich diese Frage immer wieder bewegt, weisst du, dass du es richtig machst.

    Leider bleibt am Schluss nur das, was wir Mephistoria immer wieder sagen: diese Entscheidung können wir nicht für dich treffen.

    - "To make an apple pie from scratch you must first invent the universe." Carl Sagan

    - "Mehr pseudo als Mary geht nicht."

  • Nachdem endlich Wochenende ist auch nochmal ein paar Gedanken von mir zu den neuen Beiträgen der Diskussion.


    Ich denke, man muss beim Umgang mit „politisch unkorrekten“ Charakteren zwei unterschiedliche Sorgen unterscheiden, die man als Autor haben kann:


    1) Könnte das, was ich da schreibe, andere verletzen?


    2) Könnte das, was ich da schreibe dazu führen, dass ein Shitstorm gegen mich losgeht und ich mit ungerechtfertigten Vorwürfen überhäuft werde?



    Bei Punkt 1 ist es als allererstes wichtig, dem Leser/Zuschauer transparent zu kommunizieren, mit welchen Inhalten er in einem Werk rechnen muss. Das kann über explizite Inhaltswarnungen erfolgen, aber meiner Meinung nach durchaus auch über den Klappentext oder sonstige Beschreibungen. Mit den Warnungen ist man aber auf der sichereren Seite, hat aber andererseits auch wieder Leser/Zuschauer, die so etwas ablehnen. Ich persönlich finde es aber wichtig, den Leuten vorher die Möglichkeit geben zu entscheiden, ob sie bestimmte Themen lesen möchten oder eben nicht.

    Innerhalb der Geschichte kommt es dann darauf an, ob die Themen mit Empathie und Sachverstand beschrieben werden und natürlich auch darauf, ob man den Eindruck gewinnt, dass der Autor diskriminierende Überzeugungen teilt, oder nicht. Wenn der Protagonist der Meinung ist, dass Frauen einen schlechten Orientierungssinn haben und das tatsächlich auf alle Frauen in der Geschichte zutrifft, drängt sich der Verdacht auf, dass der Autor davon auch selbst überzeugt ist. Wenn es aber auch Frauen mit gutem Orientierungssinn gibt, wird deutlich, dass das nur die subjektive Weltsicht des Protagonisten ist. Die große, plotrelevante Bestrafung für den Charakter mit der problematischen Einstellung, also in diesem Fall, dass er dann von einer Frau gerettet werden muss, nachdem er sich verirrt hat, und dann einsieht, dass er falsch lag, mag ich dagegen nicht so, weil es sich häufig gestellt anfühlt.

    Das gilt auch für schwerwiegendere Themen, wobei ich zugeben muss, dass ich mir mit einem Protagonisten wie im Eingangspost, der grundlose Gewalt gegen Ausländer gutheißt und trotzdem einer der „Guten“ ist, wo das niemanden stört, sehr schwertun würde. Das sollte dann schon irgendwie innerhalb der Geschichte reflektiert werden, beispielsweise, dass sie den für die Abwehr der Alieninvasion unbedingt brauchen, wobei ihnen aber auch bewusst ist, dass sein überzeugter Kampf gegen die Aliens mit seiner sonstigen Fremdenfeindlichkeit verknüpft ist.



    Bei Punkt 2 glaube ich tatsächlich, dass die Gefahr als mäßig bekannter Autor relativ gering ist, wenn man nicht gerade ein aktuell sehr heiß diskutiertes Thema auf eine Art und Weise trifft, die als besonders problematisch angesehen wird, aber auch dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass das wahrgenommen wird, nicht sonderlich groß.

    Anders sieht es aus, wenn entweder das Werk sehr bekannt und populär ist, oder wenn sich der Autor anderweitig politisch exponiert und dadurch im Fokus steht.

    Wenn ich einen Science-Fiction-Roman schreiben würde, wo eine Gruppe von Rebellen mit Gewalt gegen einen Großkonzern kämpft, der reihenweise die Ökosysteme von Planeten vernichtet, hätte das wahrscheinlich ein paar Fans und ein paar Leute, die es doof finden. Wenn aber Luisa Neubauer diesen Roman veröffentlichen würden, gäbe es sicherlich eine große Diskussion und auch viel Empörung darüber, dass sie mit dem Buch dafür wirbt, den Kampf für mehr Klimaschutz mit Gewalt zu führen. Ähnliches gilt natürlich auch für alle anderen politischen Positionierungen, wenn beispielsweise jemand, der sich immer öffentlich über das Gendern aufregt, ein Buch über eine Sprachdiktatur schreiben würde…

    Deswegen wäre es zur Vermeidung von Shitstorms sinnvoll, sich als Autor eher wenig öffentlich politisch zu positionieren, es sei denn, es geht um ein Thema, das einem wirklich am Herzen liegt und wo man dann auch bereit ist, den Gegenwind in Kauf zu nehmen. Allgemeines Gemecker über die Politik, sollte man dann aber öffentlich mit Klarnamen oder Autorennamen vielleicht besser vermeiden.

  • Abgesehen von diesem bewusst völlig übertriebenen Beispiel, frage ich mich aber schon: Wo liegt bei euch die Grenze?

    Ein Charakter der zB. der coole Dude ist, aber bis aufs Mark rassistisch, wäre für mich zB. schon ein interessanter Charakter. Sogar wenn er quasi zu den "Guten" gehört. Auch wenn ich selbst Rassismus natürlich streng ablehne. [...]

    ... You just said Astarion? :lol:



    Ich habe aber schon in Fandoms und in letzten Jahren allgemeiner Internetkultur beobachtet, dass Media Literacy stark abgenommen zu haben scheint (oder nie vorhanden war und das nun so present zum Vorschein kommt), und von "dieses Werk oder Charakter beinhaltet Krieg, Rassismus, Missbrauch, etc... als einen der zentralen Konflikte" automatisch zu "also befürwortet der Autor und das Werk diese Themen" geschlossen wird.


    Wenn alle Charaktere der "guten Seite" auch von Anfang Posterchildren sind und nie einen rassistischen oder sonstigen Gedanken hegen würden, oder alternativ alle solche Charaktere bei der nächsten Möglichkeit abmurksen würde, auch wenn sie nicht Satan persönlich sind, hätte auch nie jemand die Chance sich in irgendeiner Form zu bessern.


    Es wäre bloß eine schöne Geste, wenn jeder Schreibende Content Notes unter sein Werk setzen könnte, dann kann man selbst entscheiden, ob man allgemein dazu bereit, oder gerade in einer Stimmung ist um sich mit gewissen Themen auseinanderzusetzen.

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